Blackout
Thriller
Eines Nachts findet die Polizei Drew neben der Leiche seiner Ex-Freundin: Er ist bewusstlos und blutverschmiert, hat das Tranchiermesser noch in der Hand. Verzweifelt beteuert er seine Unschuld. Doch die Wahrheit ist: Er kann sich an nichts mehr erinnern. Was ist wirklich passiert?
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Buch
Produktdetails
Produktinformationen zu „Blackout “
Eines Nachts findet die Polizei Drew neben der Leiche seiner Ex-Freundin: Er ist bewusstlos und blutverschmiert, hat das Tranchiermesser noch in der Hand. Verzweifelt beteuert er seine Unschuld. Doch die Wahrheit ist: Er kann sich an nichts mehr erinnern. Was ist wirklich passiert?
Klappentext zu „Blackout “
Die Ärzte sagen, dass Drew Glück hatte: Ohne die Notoperation nach dem epileptischen Anfall hätte sein Hirntumor ihn binnen kurzem umgebracht. Die Polizei hat weniger gute Nachrichten: Sie hat Drew nachts neben der Leiche seiner Ex-Freundin gefunden, blutverschmiert und bewusstlos, das Tranchiermesser noch in der Hand. Verzweifelt beteuert er seine Unschuld. Doch in Wirklichkeit kann er sich an nichts erinnern ...Vor Gericht wird Drew zunächst verurteilt, in der Berufung schließlich freigesprochen wegen Unzurechnungsfähigkeit. Doch dieser Freispruch zweiter Klasse lässt ihm keine Ruhe. Drew beschließt, selbst Nachforschungen anzustellen über die mysteriösen Geschehnisse in jener Nacht, in der Geneviève starb zumal weiterhin rätselhafte Dinge geschehen.So wacht er eines Nachts auf und hat eine blutende Schnittwunde am Fuß, die Terrassentür steht weit offen. Ein andermal verschwindet das Filetiermesser spurlos aus der Küche. Drew wird sich selbst immer unheimlicher. Verwandelt er sich etwa nachts in ein Ungeheuer, das zu allem fähig ist?
Die Ärzte sagen, dass Drew Glück hatte: Ohne die Notoperation nach dem epileptischen Anfall hätte sein Hirntumor ihn binnen kurzem umgebracht. Die Polizei hat weniger gute Nachrichten: Sie hat Drew nachts neben der Leiche seiner Ex-Freundin gefunden, blutverschmiert und bewusstlos, das Tranchiermesser noch in der Hand. Verzweifelt beteuert er seine Unschuld. Doch in Wirklichkeit kann er sich an nichts erinnern ... Vor Gericht wird Drew zunächst verurteilt, in der Berufung schließlich freigesprochen - wegen Unzurechnungsfähigkeit. Doch dieser Freispruch zweiter Klasse lässt ihm keine Ruhe. Drew beschließt, selbst Nachforschungen anzustellen über die mysteriösen Geschehnisse in jener Nacht, in der Geneviève starb - zumal weiterhin rätselhafte Dinge geschehen.So wacht er eines Nachts auf und hat eine blutende Schnittwunde am Fuß, die Terrassentür steht weit offen. Ein andermal verschwindet das Filetiermesser spurlos aus der Küche. Drew wird sich selbst immer unheimlicher. Verwandelt er sich etwa nachts in ein Ungeheuer, das zu allem fähig ist?
Lese-Probe zu „Blackout “
Blackout von Gregg HurwitzLESEPROBE
Als ich aufwachte, spürte ich die Infusionsschläuche, die mit Heftpflaster an meinem Arm befestigt waren, eine Magensonde, die man mir durch die Nase gelegt hatte, und meine Zunge, die taub und dick wie eine Socke gegen meine Zähne drückte. Mein Mund war heiß und schmeckte nach Kupfer, und vom vielen Knirschen schienen alle meine Backenzähne zu wackeln. Als ich in das grelle Licht blinzelte, sah ich ein verschwommenes Gesicht, das unangenehm nah vor meinem schwebte – es gehörte zu einem Mann, der rittlings auf einem umgedrehten Stuhl saß. Seine dicken Unterarme hatte er übereinandergelegt, in einer seiner kantigen Fäuste hielt er ein Blatt Papier. Ein Zweiter stand hinter ihm, genauso gekleidet – zerknitterter Mantel, gelockerte Krawatte am offenen Kragen, ein Glitzern an der Hüfte. Ein zum Statistendasein verdammter Arzt wartete an der Tür und ignorierte das Gepiepse und Gefiepe der elektronischen Geräte ringsum. Ich war in einem Krankenhauszimmer.
Mit dem Bewusstsein kam auch der Schmerz zurück. Keine Lichttunnel, keine Explosionen, kein Feuerwerk und auch keine anderweitigen, abgedroschenen Klischees. Nichts als Schmerz, stumpf und konzentriert, ein Rottweiler, der sich in seinen Knochen verbissen hat. Geräuschvoll strömte die Luft durch meine Kehle.
»Er ist aufgewacht«, sagte der Arzt aus weiter Ferne. Eine Krankenschwester tauchte auf und stach eine Nadel in die Weiche meiner Infusion. Eine Sekunde später durchflutete wohltuende Wärme meine Venen, und der Rottweiler legte eine Atempause ein.
Ich hob den Arm mitsamt den daran hängenden Schläuchen und tastete nach meinem dröhnenden Schädel. Meine Handfläche traf jedoch nicht auf Haar, sondern auf einen stoppeligen Saum. Benommenheit und Übelkeit verstärkten meine Verwirrung. Als meine
... mehr
Hand wieder auf meine Brust herabsank, bemerkte ich die dunklen Halbmonde unter meinen Fingernägeln.
Hatte ich mich irgendwo herausgegraben?
Der Polizist auf dem Stuhl drehte das Blatt Papier um, das er in der Hand hielt, und ich erkannte das Foto eines Tatorts.
Eine Nahaufnahme vom Oberkörper einer Frau, deren Unterleib mit dunklem Blut verklebt war. Die schmale Einstichwunde unter den Rippen war so schwarz, dass man hätte meinen können, man bräuchte einen stärkeren Blitz, um ihre Tiefen ganz zu ermessen.
Ich hob eine Hand, wie um das Bild wegzuschieben, und im stumpfblau fluoreszierenden Licht sah ich, dass der Dreck unter meinen Nägeln leicht rötlich schimmerte.
Ob von den Medikamenten oder vom Schmerz, ich weiß es nicht, aber ich spürte, wie sich mein Magen hob und meine Kehle plötzlich wie zugeschnürt war. Beim zweiten Versuch war meine Stimme immer noch rau und kaum hörbar hinter dem Plastikschlauch. »Wer ist das?«
»Ihre Exfreundin.«
»Wer ... wer hat ihr das angetan?«
Der Detective schob den Unterkiefer ganz langsam einmal von links nach rechts.
»Sie.«
1
Mein Auto stand auf Stellplatz 221 zwischen all den anderen abgeschleppten Autos. Ein Toyota Highlander – das Hybridmodell, so dass ich einen fetten Jeep fahren und trotzdem meine hohe Meinung von mir bewahren konnte.
Ich ließ den Motor an und blieb mit den Händen auf dem Lenkrad sitzen, um meine Vertrautheit mit diesem Gegenstand zurückzugewinnen. Mein Schädel brummte, meine Narbe, die zum Großteil von nachgewachsenem Haar verdeckt wurde, prickelte. Ich spürte einen Druck hinter den Augen, als wollte ich gleich losweinen, aber meine Tränen hatten vergessen, wo es langging. Das Autoradio war an. Springsteen lief immer noch schön am Fluss entlang, obwohl ihm das seit drei Jahrzehnten nichts anderes als Herzschmerz eingetragen hatte. Ich fragte mich, ob ich das Radio selbst angelassen hatte oder ob es irgendjemand beim Abschleppen angeschaltet. Hatte ich auf meiner letzten Fahrt Musik gehört? War ich am Steuer gesessen? War jemand bei mir gewesen?
Natürlich musste ich die Stellplatzgebühr bezahlen, sechshundert Dollar und ein paar Zerquetschte. Ich benutzte eine Kreditkarte, die meine Aufpasser schlauerweise in der Brieftasche gelassen hatten, die sie für mich aufbewahrt hatten. Auf der Heimfahrt kam ich an einem flackernden gelben Licht vorbei und spürte einen erregten Stich, als ich mein Auto parkte. Ein neues Wein- und Spirituosengeschäft.
»Ich möchte einen Bourbon. Haben Sie Blanton’s?«
»Ne.« Der Typ hinter dem Ladentisch sah nicht einmal von seinem Schwarzweißfernseher auf, der ungefähr so groß war wie ein Radiowecker. Von seinen Lippen baumelte eine Zigarette, deren Asche schon seit Minuten nicht mehr abgestreift worden war. Ich konnte den Bildschirm zwar nicht erkennen, hörte aber, wie ein Reporter die neuesten Neuigkeiten über einen Bekloppten verkündete, der denselben Namen trug wie ich.
»Knob Creek?«, fragte ich weiter. Er schüttelte den Kopf. »Maker’s?«
Er sah kurz zu mir und zuckte zusammen. »Jack Daniel’s.«
Ich hätte ihn darauf hinweisen können, dass Jack Daniel’s ein Tennessee Sour Mash ist und kein Bourbon, aber ich hatte das Gefühl, dass es bei meinem ersten Gefecht in der richtigen Welt lieber um etwas wirklich Wichtiges gehen sollte. Guten Wein vielleicht.
»Den Single Barrel?«
»Ja, wir haben den Single Barrel.«
Ich spürte seinen Blick in meinem Rücken, als ich den Laden verließ.
Zwei Minuten später war ich auf dem Mulholland Drive. Die Asphaltrebe schmiegt sich an die Hügelkette von Santa Monica und schiebt ihre Ranken nordwärts durch das Valley Richtung Santa Anas und südwärts ins Becken von Los Angeles. Auf dem östlichen Abschnitt halten die Touristen am Straßenrand, um ein Foto von den großen, weißen Lettern zu schießen: HOLLYWOOD. Persische Paläste und Pseudo-Pueblos sitzen auf Gipfeln und an Hängen, verstecken sich hinter Toren und Steinmauern. Es ist eine gefährliche Straße, getränkt mit Wohlstand und Romantik, die Heimstatt der durchbrochenen Leitplanken, der sich dahinschlängelnden Straßen, der David-Lynch-Phantasie, des Frontalcrashs um zwei Uhr morgens. Man fährt so schnell wie möglich durch und ist froh, wenn man es hinter sich hat.
Heute Nacht hielt ich mich an die erlaubte Höchstgeschwindigkeit, denn ich fand, dass ich vorerst genug Probleme gehabt hatte. Ich fuhr die Mulholland in westlicher Richtung und bog kurz vor der 405 nach unten ab. Meine Auffahrt sah aus wie immer, teilweise beleuchtet von Verandalampen und den Bogenlampen am Gehweg. Die Autobahn war weit genug entfernt, dass der Verkehrslärm seufzend klang. Mein Haus lag im Schatten, aber ich hielt kurz inne, um die Umrisse zu betrachten. Trotz meiner Abwesenheit sah alles unverändert aus – wie Richard Neutra in einer Billigversion, sich überschneidende Ebenen aus Stahl, Glas und Beton, die gut harmonierten, aber eben doch nicht richtig elegant wirkten. Nachdem ich den Vertrag für mein drittes Buch unterzeichnet hatte, hatte ich mir genug zusammengebettelt und -geborgt, um noch ein letztes Zipfelchen auf dem Immobilienmarkt in L.A. zu erhaschen, der von Tag zu Tag enger wurde. Ich hatte viel zu viel bezahlt, aber die atemberaubende Aussicht, die sich bot, wenn man in meinem Garten hinterm Haus stand, tröstete mich darüber hinweg. Wenn ich es mir bis vor dem Prozess nicht wirklich hatte leisten können, dann konnte ich es jetzt erst recht nicht.
In meinem Vorgarten lagerten keine Nachrichtenteams. Keine Paparazzi in zwielichtigen Gefährten. Kein schnauzbärtiger Sensations-Fernsehjournalist in Kampfausrüstung, der gleich auf mich losgehen wollte.
Ich fuhr in die Garage, nahm das Glas aus dem Getränkehalter am Armaturenbrett und die braune Papiertüte vom Rücksitz und ging ins Haus. Es fühlte sich seltsam an, nach so langer Abwesenheit so wenig Gepäck dabeizuhaben. Kein großes Theater, keine Koffer, nur die Kleider, die ich am Leibe trug, eine Flasche in einer Tüte und einen Gehirntumor in einem Glas mit Schraubverschluss.
Vier Monate war ich weg gewesen, aber die Vertrautheit mit dem Ort war unvermindert. Der Riegel an der Vordertür, und das scharrende Geräusch, das die Tür beim Öffnen machte. Der besondere Duft im Haus, übereinandergelagerte Gerüche nach Teppich und Fliesen, Kaffee und Kerzenwachs. Gegenstände, die ich gekauft, Entscheidungen, die ich getroffen hatte. Die Gefühle, die in mir aufstiegen, brachen sich im selben Moment Bahn, als ich die Tür hinter mir zumachte. Sowie ich allein in meinem Haus stand, fing ich endlich an zu weinen. Mit gesenktem Kopf stand ich da, und meine Tränen tropften auf den Boden, obwohl ich mir die Hand auf die Augen gepresst hatte, im vergeblichen Bemühen, die Flut meiner Qual zurückzuhalten. Ich weiß nicht, wie lange ich zitternd dort stand, aber als ich die Hand wegnahm, musste ich blinzeln, weil mich das Flurlicht blendete.
Ich ging in meine Küche mit den Geräten aus rostfreiem Stahl und den Teakschränken, durch den Flur mit den sich x-fach wiederholenden Warhol-Bildern, an denen sogar ich mich mittlerweile gründlich sattgesehen hatte, vorbei am breiten Treppenhaus. Alles in diesem Haus war kalt und spitz – Steinplatten unter meinen Füßen, Marmorecken an den Arbeitsplatten, kantige Schubladengriffe. Die Atmosphäre hatte etwas Gekünsteltes, Anmaßendes. Wahrscheinlich hätte ich erleichtert oder sogar glücklich sein müssen, wieder zu Hause zu sein, aber ich fühlte mich nur zutiefst verunsichert.
© Droemer Verlag
Übersetzung: Wibke Kuhn
Hatte ich mich irgendwo herausgegraben?
Der Polizist auf dem Stuhl drehte das Blatt Papier um, das er in der Hand hielt, und ich erkannte das Foto eines Tatorts.
Eine Nahaufnahme vom Oberkörper einer Frau, deren Unterleib mit dunklem Blut verklebt war. Die schmale Einstichwunde unter den Rippen war so schwarz, dass man hätte meinen können, man bräuchte einen stärkeren Blitz, um ihre Tiefen ganz zu ermessen.
Ich hob eine Hand, wie um das Bild wegzuschieben, und im stumpfblau fluoreszierenden Licht sah ich, dass der Dreck unter meinen Nägeln leicht rötlich schimmerte.
Ob von den Medikamenten oder vom Schmerz, ich weiß es nicht, aber ich spürte, wie sich mein Magen hob und meine Kehle plötzlich wie zugeschnürt war. Beim zweiten Versuch war meine Stimme immer noch rau und kaum hörbar hinter dem Plastikschlauch. »Wer ist das?«
»Ihre Exfreundin.«
»Wer ... wer hat ihr das angetan?«
Der Detective schob den Unterkiefer ganz langsam einmal von links nach rechts.
»Sie.«
1
Mein Auto stand auf Stellplatz 221 zwischen all den anderen abgeschleppten Autos. Ein Toyota Highlander – das Hybridmodell, so dass ich einen fetten Jeep fahren und trotzdem meine hohe Meinung von mir bewahren konnte.
Ich ließ den Motor an und blieb mit den Händen auf dem Lenkrad sitzen, um meine Vertrautheit mit diesem Gegenstand zurückzugewinnen. Mein Schädel brummte, meine Narbe, die zum Großteil von nachgewachsenem Haar verdeckt wurde, prickelte. Ich spürte einen Druck hinter den Augen, als wollte ich gleich losweinen, aber meine Tränen hatten vergessen, wo es langging. Das Autoradio war an. Springsteen lief immer noch schön am Fluss entlang, obwohl ihm das seit drei Jahrzehnten nichts anderes als Herzschmerz eingetragen hatte. Ich fragte mich, ob ich das Radio selbst angelassen hatte oder ob es irgendjemand beim Abschleppen angeschaltet. Hatte ich auf meiner letzten Fahrt Musik gehört? War ich am Steuer gesessen? War jemand bei mir gewesen?
Natürlich musste ich die Stellplatzgebühr bezahlen, sechshundert Dollar und ein paar Zerquetschte. Ich benutzte eine Kreditkarte, die meine Aufpasser schlauerweise in der Brieftasche gelassen hatten, die sie für mich aufbewahrt hatten. Auf der Heimfahrt kam ich an einem flackernden gelben Licht vorbei und spürte einen erregten Stich, als ich mein Auto parkte. Ein neues Wein- und Spirituosengeschäft.
»Ich möchte einen Bourbon. Haben Sie Blanton’s?«
»Ne.« Der Typ hinter dem Ladentisch sah nicht einmal von seinem Schwarzweißfernseher auf, der ungefähr so groß war wie ein Radiowecker. Von seinen Lippen baumelte eine Zigarette, deren Asche schon seit Minuten nicht mehr abgestreift worden war. Ich konnte den Bildschirm zwar nicht erkennen, hörte aber, wie ein Reporter die neuesten Neuigkeiten über einen Bekloppten verkündete, der denselben Namen trug wie ich.
»Knob Creek?«, fragte ich weiter. Er schüttelte den Kopf. »Maker’s?«
Er sah kurz zu mir und zuckte zusammen. »Jack Daniel’s.«
Ich hätte ihn darauf hinweisen können, dass Jack Daniel’s ein Tennessee Sour Mash ist und kein Bourbon, aber ich hatte das Gefühl, dass es bei meinem ersten Gefecht in der richtigen Welt lieber um etwas wirklich Wichtiges gehen sollte. Guten Wein vielleicht.
»Den Single Barrel?«
»Ja, wir haben den Single Barrel.«
Ich spürte seinen Blick in meinem Rücken, als ich den Laden verließ.
Zwei Minuten später war ich auf dem Mulholland Drive. Die Asphaltrebe schmiegt sich an die Hügelkette von Santa Monica und schiebt ihre Ranken nordwärts durch das Valley Richtung Santa Anas und südwärts ins Becken von Los Angeles. Auf dem östlichen Abschnitt halten die Touristen am Straßenrand, um ein Foto von den großen, weißen Lettern zu schießen: HOLLYWOOD. Persische Paläste und Pseudo-Pueblos sitzen auf Gipfeln und an Hängen, verstecken sich hinter Toren und Steinmauern. Es ist eine gefährliche Straße, getränkt mit Wohlstand und Romantik, die Heimstatt der durchbrochenen Leitplanken, der sich dahinschlängelnden Straßen, der David-Lynch-Phantasie, des Frontalcrashs um zwei Uhr morgens. Man fährt so schnell wie möglich durch und ist froh, wenn man es hinter sich hat.
Heute Nacht hielt ich mich an die erlaubte Höchstgeschwindigkeit, denn ich fand, dass ich vorerst genug Probleme gehabt hatte. Ich fuhr die Mulholland in westlicher Richtung und bog kurz vor der 405 nach unten ab. Meine Auffahrt sah aus wie immer, teilweise beleuchtet von Verandalampen und den Bogenlampen am Gehweg. Die Autobahn war weit genug entfernt, dass der Verkehrslärm seufzend klang. Mein Haus lag im Schatten, aber ich hielt kurz inne, um die Umrisse zu betrachten. Trotz meiner Abwesenheit sah alles unverändert aus – wie Richard Neutra in einer Billigversion, sich überschneidende Ebenen aus Stahl, Glas und Beton, die gut harmonierten, aber eben doch nicht richtig elegant wirkten. Nachdem ich den Vertrag für mein drittes Buch unterzeichnet hatte, hatte ich mir genug zusammengebettelt und -geborgt, um noch ein letztes Zipfelchen auf dem Immobilienmarkt in L.A. zu erhaschen, der von Tag zu Tag enger wurde. Ich hatte viel zu viel bezahlt, aber die atemberaubende Aussicht, die sich bot, wenn man in meinem Garten hinterm Haus stand, tröstete mich darüber hinweg. Wenn ich es mir bis vor dem Prozess nicht wirklich hatte leisten können, dann konnte ich es jetzt erst recht nicht.
In meinem Vorgarten lagerten keine Nachrichtenteams. Keine Paparazzi in zwielichtigen Gefährten. Kein schnauzbärtiger Sensations-Fernsehjournalist in Kampfausrüstung, der gleich auf mich losgehen wollte.
Ich fuhr in die Garage, nahm das Glas aus dem Getränkehalter am Armaturenbrett und die braune Papiertüte vom Rücksitz und ging ins Haus. Es fühlte sich seltsam an, nach so langer Abwesenheit so wenig Gepäck dabeizuhaben. Kein großes Theater, keine Koffer, nur die Kleider, die ich am Leibe trug, eine Flasche in einer Tüte und einen Gehirntumor in einem Glas mit Schraubverschluss.
Vier Monate war ich weg gewesen, aber die Vertrautheit mit dem Ort war unvermindert. Der Riegel an der Vordertür, und das scharrende Geräusch, das die Tür beim Öffnen machte. Der besondere Duft im Haus, übereinandergelagerte Gerüche nach Teppich und Fliesen, Kaffee und Kerzenwachs. Gegenstände, die ich gekauft, Entscheidungen, die ich getroffen hatte. Die Gefühle, die in mir aufstiegen, brachen sich im selben Moment Bahn, als ich die Tür hinter mir zumachte. Sowie ich allein in meinem Haus stand, fing ich endlich an zu weinen. Mit gesenktem Kopf stand ich da, und meine Tränen tropften auf den Boden, obwohl ich mir die Hand auf die Augen gepresst hatte, im vergeblichen Bemühen, die Flut meiner Qual zurückzuhalten. Ich weiß nicht, wie lange ich zitternd dort stand, aber als ich die Hand wegnahm, musste ich blinzeln, weil mich das Flurlicht blendete.
Ich ging in meine Küche mit den Geräten aus rostfreiem Stahl und den Teakschränken, durch den Flur mit den sich x-fach wiederholenden Warhol-Bildern, an denen sogar ich mich mittlerweile gründlich sattgesehen hatte, vorbei am breiten Treppenhaus. Alles in diesem Haus war kalt und spitz – Steinplatten unter meinen Füßen, Marmorecken an den Arbeitsplatten, kantige Schubladengriffe. Die Atmosphäre hatte etwas Gekünsteltes, Anmaßendes. Wahrscheinlich hätte ich erleichtert oder sogar glücklich sein müssen, wieder zu Hause zu sein, aber ich fühlte mich nur zutiefst verunsichert.
© Droemer Verlag
Übersetzung: Wibke Kuhn
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Autoren-Porträt von Gregg Hurwitz
Gregg Hurwitz, geboren 1973, studierte Englisch und Psychologie an der Harvard University sowie in Oxford (GB). Mit seinen Thrillern um US Marshal Tim Rackley ("Die Scharfrichter", "Die Sekte", "Die Meute") sowie dem Stand-alone "Blackout" gelang ihm in den USA und Großbritannien der Durchbruch als Spannungsautor. Er lebt in Los Angeles.Wibke Kuhn, geb. 1972, hat nach ihrem Durchbruch als Übersetzerin von Stieg Larssons Millennium-Trilogie zahlreiche weitere Erfolgstitel ins Deutsche übersetzt.
Bibliographische Angaben
- Autor: Gregg Hurwitz
- 2008, 1, 427 Seiten, Maße: 13,5 x 21 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Übersetzung: Kuhn, Wibke
- Übersetzer: Wibke Kuhn
- Verlag: Droemer/Knaur
- ISBN-10:
- ISBN-13: 4026411361383
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