Blumen im Regen
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Blumen im Regen von Rosamunde Pilcher
LESEPROBE
Das Puppenhaus
Williammachte die Augen auf, und da war es wieder, dieses Samstagmorgengefühl, wenneinem alles licht und leicht vorkommt. Aus dem Erdgeschoß kam der Duft vonbrutzelndem Schinken, und draußen im Garten fing Loden, ihr Spaniel undHaushund, an zu bellen. William bewegte sich und griff nach seiner Armbanduhr.Acht Uhr.
Und weil nichts drängte und eilte, stand er nicht auf,sondern blieb noch ein Weilchen liegen und dachte über den vor ihm liegendenTag nach. Es war April, und auf seinen Teppich fiel eine Raute ausSonnenschein. Der Himmel hinter dem Fenster war von einem hellen,durchsichtigen Blau, vor dem die Wolken gemächlich dahinzogen. Es war ein Tag,den man im Freien verbringen mußte; ein Tag, an dem sein Vater die FamilieKnall und Fall zusammengetrommelt, alle miteinander ins Auto gestopft und sieans Meer oder zum Moor gefahren hätte, wo sie dann lange gewandert wären.
Meistensschaffte es William, nicht allzuviel an seinen Vater zu denken, doch ab und anüberfielen ihn die Erinnerungen wie Fotos, gestochen scharf und mit sehrausgerackten Rändern. Dann sah er seinen Vater, wie er mit ausgreifendemSchritt einen farnbewachsenen Hang hinaufstieg, Miranda auf den Schultern, weilder Anstieg für ihre kurzen, drallen Beinchen zu steil war; oder er hörte seinetiefe Stimme, wenn er ihnen an Winterabenden vorlas; oder er sah seinegeschickten Hände, wie sie ein Fahrrad reparierten oder komplizierte Dinge mitSteckern und dem Sicherungskasten anstellten.
Er biß sichauf die Lippen und drehte den Kopf auf die andere Seite, wollte sich nichtdiesen unsäglich schmerzhaften Gefühlen aussetzen, doch das machte alles nurnoch schlimmer, denn jetzt mußte er den Gegenstand ansehen, der wie ein stillerVorwurf an der gegenüberliegenden Wand auf seinem Arbeitstisch stand. Als ergestern abend mit den Schularbeiten fertig gewesen war, hatte er sich mehr alseine Stunde mit diesem Ding abgeplagt, und als er schließlich zu Bett gegangenwar, wußte er, daß er sich geschlagen geben mußte.
Jetzt kames ihm so vor, als lachte es ihn ganz unverhohlen aus.
«Das wirdheute bestimmt kein lustiger Tag für dich», flüsterte es boshaft. «Du wirstdich den ganzen Samstag mit mir herumschlagen. Und wie ich das sehe, bleibe ichSieger.»
Dasreichte, um ihn völlig mutlos zu machen. Zwanzig Pfund hatte es ihn gekostet,und alles, was er vorzuweisen hatte, war ein Ding, das eher wie eineApfelsinenkiste aussah.
Nach einemWeilchen stand er auf, ging durchs Zimmer, um es eingehender zu betrachten. Imstillen hoffte er immer noch, daß es besser aussah, als er dachte. Mitnichten.Ein Fußboden, eine Rückwand, zwei Seitenwände; ein Haufen kleiner Holzteile undein Blatt Papier mit einer ihm schleierhaften Gebrauchsanweisung:
Hohlkehleim Winkel an die obere Vorderkante des vorderen Fensterquadrats leimen.Seitliche Fenstereinfassung innen an vorderes Fensterbrett kleben.
Es sollteein Puppenhaus werden, ein Geschenk zu Mirandas siebtem Geburtstag in zweiWochen, und das hielt er selbst vor seiner Mutter geheim. Und er kam damitnicht zu Rande, weil er zu ungeschickt oder zu dumm oder womöglich beideszugleich war.
Mirandahatte sich schon lange ein Puppenhaus gewünscht. Ihr Vater hatte es ihr zumsiebten Geburtstag versprochen, und für Miranda machte die Tatsache, daß ernicht mehr bei ihnen war, keinen Unterschied. Sie war noch zu klein, umverstehen zu können, daß sie auch ohne Puppenhaus leben konnte.
«Ich kriegeein Puppenhaus zum Geburtstag», prahlte sie vor ihren Freundinnen, wenn siesich mit zerfledderten Partykleidern und Straußenfedern und viel zu großenSchuhen verkleideten. «Versprochen ist versprochen.»
Das lagWilliam schwer auf der Seele, und er beriet sich mit seiner Mutter, als sie zuzweit zu Abend aßen. Ehe sein Vater starb, hatte William immer mit MirandaAbendbrot gegessen und dann ferngesehen, aber jetzt, mit zwölf, war eraufgerückt. Und so sagte William bei Kotelett und Broccoli mit Kartoffelbrei:« Sie glaubt, sie kriegt das Puppenhaus. Wir müssen ihr eins schenken. Papahat's versprochen.»
«Ich weiß.Und er hätte ihr ein Prachtexemplar gekauft, hätte weder Kosten noch Mühegescheut. Aber wir können jetzt nicht mehr soviel Geld für Geschenke ausgeben.»
«Und eingebrauchtes?»
«Ich sehemich mal um.»
(...)
© RowohltVerlag GmbH
Übersetzung:Dorothee Asendorf
- Autor: Rosamunde Pilcher
- 2008, 19. Aufl., 352 Seiten, Maße: 12,7 x 19,2 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Dorothee Asendorf
- Verlag: Rowohlt TB.
- ISBN-10: 3499132079
- ISBN-13: 9783499132070
- Erscheinungsdatum: 01.09.1994
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