Botschaften des Herzens
Roman. Deutsche Erstausgabe
Durch einen Zufall erhält Laura die Chance, als Buchhändlerin ein großes Literaturfestival mitzuorganisieren. Unter anderem soll sie den zurückgezogen lebenden irischen Bestsellerautor Dermot Flynn zur Teilnahme bewegen. Als Laura, die...
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Produktinformationen zu „Botschaften des Herzens “
Durch einen Zufall erhält Laura die Chance, als Buchhändlerin ein großes Literaturfestival mitzuorganisieren. Unter anderem soll sie den zurückgezogen lebenden irischen Bestsellerautor Dermot Flynn zur Teilnahme bewegen. Als Laura, die ein großer Fan seiner Romane ist, ihm nun persönlich gegenübersteht, muss sie sich mit zweierlei vertraut machen: Erstens sieht Dermot unverschämt gut aus, und zweitens ist er nur unter einer Bedingung bereit, auf ihr Angebot einzugehen. Eine Bedingung, die Lauras Leben schon bald völlig aus den Fugen geraten lässt.
Klappentext zu „Botschaften des Herzens “
Durch einen Zufall erhält Laura die Chance, als Buchhändlerin ein großes Literaturfestival mitzuorganisieren. Unter anderem soll sie den zurückgezogen lebenden irischen Bestsellerautor Dermot Flynn zur Teilnahme bewegen. Als Laura, die ein großer Fan seiner Romane ist, ihm nun persönlich gegenübersteht, muss sie sich mit zweierlei vertraut machen: Erstens sieht Dermot unverschämt gut aus, und zweitens ist er nur unter einer Bedingung bereit, auf ihr Angebot einzugehen. Eine
Bedingung, die Lauras Leben schon bald völlig aus den Fugen geraten lässt ...
Lese-Probe zu „Botschaften des Herzens “
Botschaften des Herzens von Katie Fjorde1. Kapitel
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Jemand murmelte in Lauras Ohr und ließ sie erschrocken zusammenfahren. »Und, was halten Sie von ihm?« Im Buchladen herrschte reges Treiben: Der Bereich, den sie
für die Lesung freigeräumt hatten, war voll, und es hatte sich eine Schlange aus aufgeregt plappernden Menschen bis vor den Signiertisch gebildet, die alle die kürzlich erworbenen Bücher an ihre Brust drückten. Laura war sich bewusst gewesen, dass solche Veranstaltungen kurz nach Weihnachten immer ein Risiko bargen, aber jetzt beobachtete sie die Leute mit einer Mischung aus Erleichterung und Zufriedenheit. Egal, wie sorgfältig man eine solche Lesung vorbereitete, man konnte niemals abschätzen, wie viele Menschen kommen würden, bis sie tatsächlich auftauchten. Und man konnte auch nicht sicher sein, ob der Autor seine Sache gut machte. Schreiben war eine zurückgezogene Tätigkeit, und Laura fand es oft grausam, Schriftsteller zu zwingen, sich vor Zuschauern auf die Hinterbeine zu stellen. Aber selbst ihren hohen Erwartungen wurde die Veranstaltung heute gerecht.
Weil ihr all das durch den Kopf ging, war ihr nicht aufgefallen, dass jemand hinter sie getreten war. Sie wirbelte herum und sah eine kleine Frau mittleren Alters in Kleidern, die Aufmerksamkeit erregen sollten. Sofort erinnerte Laura sich daran, dass sie die Frau im Tross des Autors durch die Ladentür hatte kommen sehen. Ihre Jacke sah aus, als wäre sie aus Wandteppichen gefertigt, und ihr Schmuck konnte von einem Enkelkind zusammengelötet worden sein oder von einem angesagten neuen Designer stammen, das war schwer zu sagen. Das Auffälligste an ihr war jedoch ihr intensiver, durchdringender Blick. Sie hatte Augen wie grüner Achat.
»Ich finde ihn natürlich gut«, antwortete Laura erschrocken, aber höflich wie immer und kam sich in ihrer üblichen schwarzen Hose und der weißen Bluse ziemlich trist vor.
Diese Antwort schien die grünen Augen, die sich in ihre bohrten, nicht wirklich zu befriedigen. »Und haben Sie das Buch gelesen?«
»Natürlich.« Laura sagte es strenger, verärgert über den streitlustigen Tonfall der Frau. Sie arbeitete in einem Buchladen. Es war ihr Job, die Ware zu kennen.
Eine nachgezogene Augenbraue hob sich. »Da ist nichts ›natürlich‹ dran. Wie fanden Sie es?«
Laura öffnete den Mund, um »wundervoll« zu sagen, und beschloss dann, stattdessen lieber bei der Wahrheit zu bleiben. Sie hatte schließlich nichts mehr zu verlieren: Bald durfte sie ihren geliebten Job nicht mehr ausüben - deshalb konnte sie ihren gewohnheitsmäßigen Takt beiseitelassen und sagen, was sie wirklich dachte. »Ich fand es nicht so gut wie sein erstes, aber ich bin schon sehr gespannt auf sein nächstes.« Sie war eine eifrige, enthusiastische, jedoch auch kritische Leserin; sie merkte es, wenn ein Autor nicht in Topform war. Dann fielen endlich die Groschen in ihrem Hirn wie Münzen aus einem Automaten, wenn jemand den Jackpot knackt. »Oh, du meine Güte, Sie sind seine Agentin, nicht wahr?« Vor Verlegenheit wurde ihr heiß und kalt und dann wieder heiß.
Die Augen der Frau wurden schmal und bestätigten diese Tatsache, aber Laura wusste nicht, ob sie lächelte oder Missbilligung ausdrückte - ihr Mund bewegte sich nicht. »Ich habe das Vergnügen, ja.«
Immer noch hochrot im Gesicht, schob sich Laura eine Haarsträhne hinter das Ohr und blickte hinüber zu dem jungen Mann, der jetzt für die lange Schlange der Fans Bücher signierte. Jeder Buchkäufer bekam, wie ihr auffiel, ein charmantes Lächeln, und in jedes Buch schrieb er etwas Persönliches und eine Widmung. Nicht bloß eine, sondern zwei Presseagentinnen des Verlags begleiteten ihn, und dies taten sie nicht nur, um ihn vor der Menge abzuschirmen, sondern weil sie ihn verehrten. Schriftsteller wie er waren selten.
Und nur weil er diese zwei jungen Frauen hatte, die ihm eilfertig die Bücher an der richtigen Seite aufschlugen, sie in Tüten steckten und sein Weinglas auffüllten, konnte Laura an einer Säule lehnen; sie brauchten ihre Hilfe nicht. Und Henry, der Besitzer des Buchladens, war da sehr entschieden gewesen. »Du hast das alles vorbereitet, die Leute hergeholt, den Wein bestellt, die Snacks ausgepackt: Mach mal Pause.«
»Er ist großartig«, sagte Laura, nachdem sie Damien Stubbs ein paar Minuten beobachtet hatte. Damit wollte sie ihrer beeindruckenden Gesprächspartnerin nicht Honig um den Bart schmieren; sie sagte nur, wie es war.
»Ich weiß. Ich bin übrigens Eleanora Huckleby.«
»Ich weiß - jetzt«, erwiderte Laura und entspannte sich ein wenig. Agenten kamen nicht oft zu Lesungen, aber Damien Stubbs war etwas Besonderes. »Ich bin Laura Horsley.«
»Und lesen Sie alle Bücher der Autoren, die zu Lesungen herkommen? Ich habe gehört, dieser Laden ist - war - berühmt für die Anzahl der Veranstaltungen, die hier stattfanden.«
»Ja«, antwortete Laura. Sie wollte nicht schon wieder »natürlich« sagen und zimperlich klingen. Sie war da zwar empfindlich, doch sie mochte diese Tatsache nicht noch betonen. Und in Anwesenheit dieser Frau verspürte sie plötzlich auch den Wunsch, sie hätte genug Zeit gehabt, um sich das Haar zu glätten. Laura hatte das Gefühl, dass ihre wilden Locken ihre professionelle Aura untergruben.
»Und wie schaffen Sie es, so viele Mitglieder der Öffentlichkeit dazu zu bewegen, hereinzukommen und Bücher zu kaufen?«, fragte Eleanora und sah auf die Schlange vor dem Signiertisch. »Und noch dazu um diese Jahreszeit? Ich war bei so vielen Lesungen, zu denen nur zwei Männer und ein Hund kamen, und die gehörten zum Personal. Da war nicht ein einziges Mitglied der zahlenden Öffentlichkeit.«
Laura kannte diese Art von Lesungen: Henry hatte sie zu einer geschickt, als sie ihm vorgeschlagen hatte, so etwas zu veranstalten. Sie war entschlossen gewesen, es besser zu machen, und das war ihr gelungen. Der Laden war recht gut für solche Veranstaltungen geeignet, weil er eine ausreichend große Fläche bot, die man frei räumen konnte. Sie bemühte sich, jeden Monat etwas anzubieten, sodass die Leute das Geschäft als einen Ort ansahen, an dem man einen netten Abend verbringen konnte.
»Ich habe alle unsere Kundendaten gespeichert«, erklärte sie ihrem Gegenüber, »und ich suche sie individuell aus. Wenn ich glaube, dass ihnen das Buch gefallen könnte, lade ich sie persönlich ein. Dann kommen die Leute fast immer. Außerdem biete ich einen Lesekreis an. Habe einen Lesekreis angeboten.« Sie seufzte, als sie sich korrigierte. »Ich schätze, er wird auch nach der Schließung des Ladens weitergeführt. Ich hoffe es jedenfalls.«
»Sie klingen wie ein Juwel. Ich bin sicher, dass ein anderer Buchladen Sie mit Freuden engagiert. Es ist so schade, dass dieser hier schließt. Ich schätze, es liegt an der Konkurrenz durch die Supermärkte?«
Laura nickte. »Und Henry möchte sich zur Ruhe setzen.«
Eleanora Huckleby nahm eine Flasche Wein vom Tisch und füllte ihre Gläser wieder auf. »Selbst der Wein ist genießbar.«
»Ich würde sehr gern wieder in einem Buchgeschäft arbeiten, aber es müsste ein verschrobener, unabhängiger Laden wie dieser sein«, erwiderte Laura. »Ich bin nicht sicher, ob ich klarkäme ohne die freie Hand, die Henry mir lässt. Er war immer großartig. Hat mich Bücher nachordern lassen, von denen ich glaubte, dass sie gut laufen würden; ich durfte alle Probedrucke lesen, Sie wissen schon, alles, was Spaß macht.«
Eleanora schnaubte, wahrscheinlich, weil sie das Lesen von Probedrucken als Spaß bezeichnet hatte. »Ich schätze, er war froh, dass jemand sie lesen wollte.« Sie hielt inne, den Mund nachdenklich zusammengepresst. »Und wen würden sie als den aufsteigenden Stern am Literaturhimmel bezeichnen?«
Laura hob eine Augenbraue. »Abgesehen von Damien Stubbs?« Sie deutete auf den Klienten ihrer Gesprächspartnerin, der immer noch charmant lächelnd signierte.
»Ja. Was halten Sie von Anita Dubrovnik?«
Die Tatsache, dass Laura ihre Meinung kaum je laut aussprach, bedeutete nicht, dass sie keine hatte. Jetzt, da sie kurz davorstand, ihren Job zu verlieren, und ein Glas Wein in der Hand hielt, beschloss sie zu sagen, was sie dachte. »Eine gute Schriftstellerin, aber ihr fehlt die erzählerische Kraft.«
Die Augen der älteren Frau wurden schmal, während sie nickte. »Wen haben Sie in letzter Zeit noch gelesen?«
»Bertram Westlake.«
Beide Frauen tauschten sprechende Blicke.
»Preiswürdig, aber langweilig«, erklärte Laura fest.
»Oh Gott! Es ist so eine Erleichterung, jemanden zu finden, der meiner Meinung ist. Ich meine, es gibt da wirklich ganz ausgezeichnet geschriebene Passagen, doch mir fehlt da auch die Handlung! Okay, was ist mit Janice Hardacre?«
»Also, The Soul-Mate fand ich großartig, aber die anderen mochte ich nicht.«
»Ich auch nicht. Und das letzte war unglaublich langatmig.« »Es war für einen Preis nominiert«, erinnerte Laura sie. »Gott weiß, warum.«
Sie redeten über Bücher, verrissen die aktuellen literarischen Meisterwerke und schwärmten von den unbekannten Helden, die weniger als eintausend Exemplare von ihren Werken verkauften, bis die ältere der beiden Presseagentinnen zu ihnen kam und Eleanora ansprach.
»Wir haben fünfzig Bücher verkauft!« Sie wandte sich an Laura. »Das war eine so großartige Veranstaltung! Vielen Dank!« Dann sprach sie wieder mit Eleanora. »Wir wollen jetzt ins Restaurant gehen, wenn Sie so weit sind.«
»Mh. Darf ich noch jemanden mitbringen?«
»Natürlich! Ich habe einen riesigen Tisch reserviert. Wen wollen Sie denn mitbringen?«
»Laura hier.«
Laura, die sofort die übliche Verlegenheit in sich aufsteigen fühlte, war total überrascht. »Nein. Wirklich, ich kann nicht mitkommen. Das ist sehr nett von Ihnen, mich einzuladen. Aber hier gibt es noch so viel zu tun.« Noch niemals in den drei Jahren, in denen sie diese Veranstaltungen organisierte, war sie danach mit den Autoren essen gegangen. Ihr Platz war im Hintergrund, wo sie dafür sorgte, dass alles lief. Dort fühlte sie sich am wohlsten. Sich mit einem Haufen Fremder zu unterhalten lag ihr einfach nicht. »Ich muss noch beim Aufräumen helfen. Die Gläser abwaschen, die Stühle wegstellen ... «
»Rühren Sie sich nicht vom Fleck!«, erklärte Eleanora streng und ging zu Henry hinüber.
»Sie sollten sich besser wirklich nicht vom Fleck rühren«, riet die Presseagentin. »Sie gilt als der Drache der Branche. Besser, man tut, was sie sagt. Ich bin übrigens Emma, Emma Bennet.«
»Aber ich kann mir nicht vorstellen, warum sie mich zum Essen einlädt.«
»Vielleicht unterhält sie sich gern mit Ihnen?« Emma lächelte, amüsiert über Lauras ungläubige Reaktion auf ihre Vermutung.
Laura konnte sehen, wie Eleanora, gefolgt von Henry und ihrem Kollegen Grant, auf sie und Emma zukam. »Sie hat sich Verstärkung geholt«, murmelte Emma. »Sie haben keine Chance.«
Sowohl ihr Boss als auch ihr Kollege blieben stehen.
»Du weiß genau, dass ohne deinen unermüdlichen Einsatz hier nichts stattgefunden hätte«, sagte Henry, der groß war und mit seiner beginnenden Glatze sehr distinguiert aussah. Wenn er nicht vierzig Jahre älter als sie und bereits verheiratet gewesen wäre, dann hätte Laura auf ihn gestanden. »Also geh mit und lass dir ein nettes Abendessen ausgeben. Du hast es dir verdient. Grant und ich räumen hier auf.«
»Aber ich ... « Sie biss sich auf die Lippe. Voller Panik, dass man sie aus ihrem gewohnten Umfeld, der Buchhandlung, reißen könnte, blickte sie ihren Freund an.
Grant, der ihren Gesichtsausdruck richtig deutete, schüttelte den Kopf, entschlossen, dass sie diese Möglichkeit nutzen sollte, einmal mit anderen Leuten als ihren Kollegen zusammen zu sein. »Das stimmt«, erklärte er mit fester Stimme. »Geh und tanze auf dem Ball. Cinderella wird alles für dich aufräumen.« Er legte ihr die Hand auf den Arm. »Amüsier dich gut und erzähl mir morgen den neusten Tratsch. Und vergiss nicht, dass wir morgen Abend zu dem Sisters-of-Swing-Konzert gehen.«
»Oh, nein.« Sie klammerte sich für einen Moment an seinen Arm.
»Na los! Das schaffst du schon!« Grant, der einzige andere Vollzeit-Angestellte und ihr engster Kollege, tätschelte ihr aufmunternd die Hand. Er war auf einer Du-musst-öfter-hier-rausMission, was Laura anging, und wollte mit ihr in einen Club, um eine »unglaubliche neue Frauen-Band« zu hören. Er bezeichnete Laura immer neckend als seine »Alibi-Freundin«, was sie zum Lachen brachte. Nichts und niemand hätte übersehen können, dass Grant schwul war. Aber er machte sich wirklich Sorgen um sie, und sie wusste, dass er recht hatte und dass sie mitgehen sollte. Jetzt, da Laura offiziell freibekommen hatte - oder, wie sie es sah, im Stich gelassen worden war -, hakte sich Eleanora bei ihr unter. »Zeigen Sie mir, wo die Mäntel hängen, und holen Sie Ihren. Sie werden ihn brauchen. Der Wind ist bitterkalt!«
Statt eines Mantels trug Eleanor etwas, das aussah wie eine Kreuzung zwischen einem Kaminvorleger und einem kleinen Zelt. Es hüllte seinen Träger in rote, kratzige Wolle: kein Kleidungsstück für Empfindliche.
Als sie Lauras etwas erschrockene Reaktion bemerkte, erklärte Eleanora: »Ich glaube, ich könnte in diesem Ding draußen übernachten, wenn ich müsste. Und ich kann es nur im tiefsten Winter tragen, oder ich schwitze wie ein Schwein.«
Laura kam sich in ihrem eigenen marineblauen Mantel lächerlich langweilig vor. Sie hatte ihn in einem Secondhandladen gekauft, als sie noch auf die Universität gegangen war, und ihn immer noch nicht aufgetragen. Aber wenn man in einem Buchladen arbeitete, dann hatte man auch nicht allzu viel Geld für Kleidung übrig.
»Na, kommen Sie schon«, sagte Eleanora. »Sie müssen mich stützen. Ich kann auf diesen Absätzen eigentlich nicht laufen, aber ich weigere mich, in meinem Alter Ballerinas zu tragen. Und Schnürschuhe würden mein Image ruinieren.« Sie blickte auf Lauras Schuhe, die fast völlig flach waren. »Keine weiteren Fragen.«
Obwohl ihr Lauras Schuhe offensichtlich nicht gefielen, die zwar wenig glamourös, dafür jedoch bequem waren, redete Eleanora auf dem Weg zum Restaurant ununterbrochen mit ihr und fragte sie über alle möglichen Bücher aus.
Laura las sehr viel. Sie lebte allein in einem kleinen Apartment, und ihr Fernseher war so winzig und das Bild so verschneit, dass sie ihn nicht oft einschaltete. Aber sie las die ganze Zeit: im Bett, während sie aß, während sie kochte, während sie sich anzog und während sie sich die Zähne putzte. Sie hätte auch unter der Dusche gelesen, wenn das möglich gewesen wäre, ohne das Buch zu ruinieren. Und sie konnte nicht nur überall lesen, sie las auch alles, und wenn es gut war, genoss sie es. Es gab kein Genre und keinen Autor, über die Eleanora sie ausfragte, worüber Laura nicht zumindest ein bisschen was wusste. Und da sie immer noch in leichtsinniger Stimmung war, weil sie bald ihren Job verlieren würde und weil Eleanora jemand war, der Bücher genauso liebte wie sie, sagte sie ihre Meinung freiheraus.
Eleanora war beeindruckt. »Liebes, Sie sind ein Phänomen!«, rief sie. »Ich bin so froh, dass ich Sie gefunden habe.«
Im Restaurant wurde Laura noch einmal dem jungen gefeierten Autor Damien Stubbs vorgestellt. Er hatte sie kurz begrüßt, als er in der Buchhandlung angekommen war, und war genauso charmant gewesen wie jetzt. Er bedankte sich bei ihr für die Organisation der tollen Lesung, und sie murmelte ein paar lobende Worte über sein Buch. Aber er schien keine Bestätigung zu brauchen. Er strahlte Selbstbewusstsein aus, und alle um ihn herum badeten in der Wärme. Damien Stubbs war der im Moment bekannteste junge Schriftsteller, und die Welt liebte ihn.
Laura, die sich zurückhielt, als alle lautstark überlegten, wo sie sitzen sollten, überlegte kurz, warum sie von Damien Stubbs nicht fasziniert war. Alle anderen, Männer und Frauen, schienen es zu sein. Mehrere Gründe fielen ihr ein, aber am wahrscheinlichsten erschien ihr, dass sie seinen Schreibstil nicht wirklich mochte. Als man ihr ihren Platz zuwies, setzte sie sich mit düsterer Miene. Ich bin ein literarischer Snob, folgerte sie. Meine Gefühle beziehen sich mehr auf Bücher als auf das reale Leben. Sie war leicht deprimiert bei diesem Gedanken, und nicht nur, weil sie kurz davorstand, den wohl besten Job der Welt zu verlieren. Wann war sie so langweilig geworden? Und war es zu spät, um sich noch zu ändern?
Als die anderen Platz nahmen, wieder aufstanden, sich umsetzten und schließlich doch wieder dort saßen, wo sie vorher gewesen waren, hatte Laura Zeit, ihr Leben vor ihrem inneren Auge Revue passieren zu lassen. Seit ihrem heiß geliebten Studium hatte sie nur zwei Jobs gehabt, beide in Buchläden. Und seit sie bei Henry Barnsley Books angefangen hatte, wollte sie nirgendwo anders mehr arbeiten. Obwohl sie normalerweise schüchtern war, genoss sie es, das richtige Buch für einen Kunden zu finden. Laura war sehr beliebt bei ihnen. Sie fragten nach ihr, wenn sie ein Buch verschenken wollten und nicht wussten, welches sie kaufen sollten. Einige der männlichen Kunden luden sie zum Essen ein, und manchmal, wenn Grant sie dazu drängte, der schon länger im Laden arbeitete als sie und deshalb ihr Vorgesetzter war, nahm sie diese Einladung sogar an. Aber daraus entstand nie etwas. Die Männer, die Bücher und Lesen genauso liebten wie sie, hatten meistens Suppenflecken vorne auf ihrer Strickjacke. Sie war vielleicht ein langweiliger Bücherwurm, doch sie hatte gewisse Ansprüche.
Eleanora reichte ihr die Karte. Laura war nicht aufgefallen, dass sie sich neben sie gesetzt hatte, und es hob ihre Laune. Zumindest würde sie mit Eleanora reden können, und wenn nicht, konnte sie schweigend dasitzen und die Leute an den anderen Tischen beobachten, etwas, das sie sehr gern tat. Sie betrachtete das Leben eben lieber von außen, als selbst darin verwickelt zu sein. Zum Glück blieb der Platz auf Lauras anderer Seite leer.
Übersetzung: Katharina Kramp
Copyright © 2011 by Bastei Lübbe GmbH & Co. KG, Köln
Jemand murmelte in Lauras Ohr und ließ sie erschrocken zusammenfahren. »Und, was halten Sie von ihm?« Im Buchladen herrschte reges Treiben: Der Bereich, den sie
für die Lesung freigeräumt hatten, war voll, und es hatte sich eine Schlange aus aufgeregt plappernden Menschen bis vor den Signiertisch gebildet, die alle die kürzlich erworbenen Bücher an ihre Brust drückten. Laura war sich bewusst gewesen, dass solche Veranstaltungen kurz nach Weihnachten immer ein Risiko bargen, aber jetzt beobachtete sie die Leute mit einer Mischung aus Erleichterung und Zufriedenheit. Egal, wie sorgfältig man eine solche Lesung vorbereitete, man konnte niemals abschätzen, wie viele Menschen kommen würden, bis sie tatsächlich auftauchten. Und man konnte auch nicht sicher sein, ob der Autor seine Sache gut machte. Schreiben war eine zurückgezogene Tätigkeit, und Laura fand es oft grausam, Schriftsteller zu zwingen, sich vor Zuschauern auf die Hinterbeine zu stellen. Aber selbst ihren hohen Erwartungen wurde die Veranstaltung heute gerecht.
Weil ihr all das durch den Kopf ging, war ihr nicht aufgefallen, dass jemand hinter sie getreten war. Sie wirbelte herum und sah eine kleine Frau mittleren Alters in Kleidern, die Aufmerksamkeit erregen sollten. Sofort erinnerte Laura sich daran, dass sie die Frau im Tross des Autors durch die Ladentür hatte kommen sehen. Ihre Jacke sah aus, als wäre sie aus Wandteppichen gefertigt, und ihr Schmuck konnte von einem Enkelkind zusammengelötet worden sein oder von einem angesagten neuen Designer stammen, das war schwer zu sagen. Das Auffälligste an ihr war jedoch ihr intensiver, durchdringender Blick. Sie hatte Augen wie grüner Achat.
»Ich finde ihn natürlich gut«, antwortete Laura erschrocken, aber höflich wie immer und kam sich in ihrer üblichen schwarzen Hose und der weißen Bluse ziemlich trist vor.
Diese Antwort schien die grünen Augen, die sich in ihre bohrten, nicht wirklich zu befriedigen. »Und haben Sie das Buch gelesen?«
»Natürlich.« Laura sagte es strenger, verärgert über den streitlustigen Tonfall der Frau. Sie arbeitete in einem Buchladen. Es war ihr Job, die Ware zu kennen.
Eine nachgezogene Augenbraue hob sich. »Da ist nichts ›natürlich‹ dran. Wie fanden Sie es?«
Laura öffnete den Mund, um »wundervoll« zu sagen, und beschloss dann, stattdessen lieber bei der Wahrheit zu bleiben. Sie hatte schließlich nichts mehr zu verlieren: Bald durfte sie ihren geliebten Job nicht mehr ausüben - deshalb konnte sie ihren gewohnheitsmäßigen Takt beiseitelassen und sagen, was sie wirklich dachte. »Ich fand es nicht so gut wie sein erstes, aber ich bin schon sehr gespannt auf sein nächstes.« Sie war eine eifrige, enthusiastische, jedoch auch kritische Leserin; sie merkte es, wenn ein Autor nicht in Topform war. Dann fielen endlich die Groschen in ihrem Hirn wie Münzen aus einem Automaten, wenn jemand den Jackpot knackt. »Oh, du meine Güte, Sie sind seine Agentin, nicht wahr?« Vor Verlegenheit wurde ihr heiß und kalt und dann wieder heiß.
Die Augen der Frau wurden schmal und bestätigten diese Tatsache, aber Laura wusste nicht, ob sie lächelte oder Missbilligung ausdrückte - ihr Mund bewegte sich nicht. »Ich habe das Vergnügen, ja.«
Immer noch hochrot im Gesicht, schob sich Laura eine Haarsträhne hinter das Ohr und blickte hinüber zu dem jungen Mann, der jetzt für die lange Schlange der Fans Bücher signierte. Jeder Buchkäufer bekam, wie ihr auffiel, ein charmantes Lächeln, und in jedes Buch schrieb er etwas Persönliches und eine Widmung. Nicht bloß eine, sondern zwei Presseagentinnen des Verlags begleiteten ihn, und dies taten sie nicht nur, um ihn vor der Menge abzuschirmen, sondern weil sie ihn verehrten. Schriftsteller wie er waren selten.
Und nur weil er diese zwei jungen Frauen hatte, die ihm eilfertig die Bücher an der richtigen Seite aufschlugen, sie in Tüten steckten und sein Weinglas auffüllten, konnte Laura an einer Säule lehnen; sie brauchten ihre Hilfe nicht. Und Henry, der Besitzer des Buchladens, war da sehr entschieden gewesen. »Du hast das alles vorbereitet, die Leute hergeholt, den Wein bestellt, die Snacks ausgepackt: Mach mal Pause.«
»Er ist großartig«, sagte Laura, nachdem sie Damien Stubbs ein paar Minuten beobachtet hatte. Damit wollte sie ihrer beeindruckenden Gesprächspartnerin nicht Honig um den Bart schmieren; sie sagte nur, wie es war.
»Ich weiß. Ich bin übrigens Eleanora Huckleby.«
»Ich weiß - jetzt«, erwiderte Laura und entspannte sich ein wenig. Agenten kamen nicht oft zu Lesungen, aber Damien Stubbs war etwas Besonderes. »Ich bin Laura Horsley.«
»Und lesen Sie alle Bücher der Autoren, die zu Lesungen herkommen? Ich habe gehört, dieser Laden ist - war - berühmt für die Anzahl der Veranstaltungen, die hier stattfanden.«
»Ja«, antwortete Laura. Sie wollte nicht schon wieder »natürlich« sagen und zimperlich klingen. Sie war da zwar empfindlich, doch sie mochte diese Tatsache nicht noch betonen. Und in Anwesenheit dieser Frau verspürte sie plötzlich auch den Wunsch, sie hätte genug Zeit gehabt, um sich das Haar zu glätten. Laura hatte das Gefühl, dass ihre wilden Locken ihre professionelle Aura untergruben.
»Und wie schaffen Sie es, so viele Mitglieder der Öffentlichkeit dazu zu bewegen, hereinzukommen und Bücher zu kaufen?«, fragte Eleanora und sah auf die Schlange vor dem Signiertisch. »Und noch dazu um diese Jahreszeit? Ich war bei so vielen Lesungen, zu denen nur zwei Männer und ein Hund kamen, und die gehörten zum Personal. Da war nicht ein einziges Mitglied der zahlenden Öffentlichkeit.«
Laura kannte diese Art von Lesungen: Henry hatte sie zu einer geschickt, als sie ihm vorgeschlagen hatte, so etwas zu veranstalten. Sie war entschlossen gewesen, es besser zu machen, und das war ihr gelungen. Der Laden war recht gut für solche Veranstaltungen geeignet, weil er eine ausreichend große Fläche bot, die man frei räumen konnte. Sie bemühte sich, jeden Monat etwas anzubieten, sodass die Leute das Geschäft als einen Ort ansahen, an dem man einen netten Abend verbringen konnte.
»Ich habe alle unsere Kundendaten gespeichert«, erklärte sie ihrem Gegenüber, »und ich suche sie individuell aus. Wenn ich glaube, dass ihnen das Buch gefallen könnte, lade ich sie persönlich ein. Dann kommen die Leute fast immer. Außerdem biete ich einen Lesekreis an. Habe einen Lesekreis angeboten.« Sie seufzte, als sie sich korrigierte. »Ich schätze, er wird auch nach der Schließung des Ladens weitergeführt. Ich hoffe es jedenfalls.«
»Sie klingen wie ein Juwel. Ich bin sicher, dass ein anderer Buchladen Sie mit Freuden engagiert. Es ist so schade, dass dieser hier schließt. Ich schätze, es liegt an der Konkurrenz durch die Supermärkte?«
Laura nickte. »Und Henry möchte sich zur Ruhe setzen.«
Eleanora Huckleby nahm eine Flasche Wein vom Tisch und füllte ihre Gläser wieder auf. »Selbst der Wein ist genießbar.«
»Ich würde sehr gern wieder in einem Buchgeschäft arbeiten, aber es müsste ein verschrobener, unabhängiger Laden wie dieser sein«, erwiderte Laura. »Ich bin nicht sicher, ob ich klarkäme ohne die freie Hand, die Henry mir lässt. Er war immer großartig. Hat mich Bücher nachordern lassen, von denen ich glaubte, dass sie gut laufen würden; ich durfte alle Probedrucke lesen, Sie wissen schon, alles, was Spaß macht.«
Eleanora schnaubte, wahrscheinlich, weil sie das Lesen von Probedrucken als Spaß bezeichnet hatte. »Ich schätze, er war froh, dass jemand sie lesen wollte.« Sie hielt inne, den Mund nachdenklich zusammengepresst. »Und wen würden sie als den aufsteigenden Stern am Literaturhimmel bezeichnen?«
Laura hob eine Augenbraue. »Abgesehen von Damien Stubbs?« Sie deutete auf den Klienten ihrer Gesprächspartnerin, der immer noch charmant lächelnd signierte.
»Ja. Was halten Sie von Anita Dubrovnik?«
Die Tatsache, dass Laura ihre Meinung kaum je laut aussprach, bedeutete nicht, dass sie keine hatte. Jetzt, da sie kurz davorstand, ihren Job zu verlieren, und ein Glas Wein in der Hand hielt, beschloss sie zu sagen, was sie dachte. »Eine gute Schriftstellerin, aber ihr fehlt die erzählerische Kraft.«
Die Augen der älteren Frau wurden schmal, während sie nickte. »Wen haben Sie in letzter Zeit noch gelesen?«
»Bertram Westlake.«
Beide Frauen tauschten sprechende Blicke.
»Preiswürdig, aber langweilig«, erklärte Laura fest.
»Oh Gott! Es ist so eine Erleichterung, jemanden zu finden, der meiner Meinung ist. Ich meine, es gibt da wirklich ganz ausgezeichnet geschriebene Passagen, doch mir fehlt da auch die Handlung! Okay, was ist mit Janice Hardacre?«
»Also, The Soul-Mate fand ich großartig, aber die anderen mochte ich nicht.«
»Ich auch nicht. Und das letzte war unglaublich langatmig.« »Es war für einen Preis nominiert«, erinnerte Laura sie. »Gott weiß, warum.«
Sie redeten über Bücher, verrissen die aktuellen literarischen Meisterwerke und schwärmten von den unbekannten Helden, die weniger als eintausend Exemplare von ihren Werken verkauften, bis die ältere der beiden Presseagentinnen zu ihnen kam und Eleanora ansprach.
»Wir haben fünfzig Bücher verkauft!« Sie wandte sich an Laura. »Das war eine so großartige Veranstaltung! Vielen Dank!« Dann sprach sie wieder mit Eleanora. »Wir wollen jetzt ins Restaurant gehen, wenn Sie so weit sind.«
»Mh. Darf ich noch jemanden mitbringen?«
»Natürlich! Ich habe einen riesigen Tisch reserviert. Wen wollen Sie denn mitbringen?«
»Laura hier.«
Laura, die sofort die übliche Verlegenheit in sich aufsteigen fühlte, war total überrascht. »Nein. Wirklich, ich kann nicht mitkommen. Das ist sehr nett von Ihnen, mich einzuladen. Aber hier gibt es noch so viel zu tun.« Noch niemals in den drei Jahren, in denen sie diese Veranstaltungen organisierte, war sie danach mit den Autoren essen gegangen. Ihr Platz war im Hintergrund, wo sie dafür sorgte, dass alles lief. Dort fühlte sie sich am wohlsten. Sich mit einem Haufen Fremder zu unterhalten lag ihr einfach nicht. »Ich muss noch beim Aufräumen helfen. Die Gläser abwaschen, die Stühle wegstellen ... «
»Rühren Sie sich nicht vom Fleck!«, erklärte Eleanora streng und ging zu Henry hinüber.
»Sie sollten sich besser wirklich nicht vom Fleck rühren«, riet die Presseagentin. »Sie gilt als der Drache der Branche. Besser, man tut, was sie sagt. Ich bin übrigens Emma, Emma Bennet.«
»Aber ich kann mir nicht vorstellen, warum sie mich zum Essen einlädt.«
»Vielleicht unterhält sie sich gern mit Ihnen?« Emma lächelte, amüsiert über Lauras ungläubige Reaktion auf ihre Vermutung.
Laura konnte sehen, wie Eleanora, gefolgt von Henry und ihrem Kollegen Grant, auf sie und Emma zukam. »Sie hat sich Verstärkung geholt«, murmelte Emma. »Sie haben keine Chance.«
Sowohl ihr Boss als auch ihr Kollege blieben stehen.
»Du weiß genau, dass ohne deinen unermüdlichen Einsatz hier nichts stattgefunden hätte«, sagte Henry, der groß war und mit seiner beginnenden Glatze sehr distinguiert aussah. Wenn er nicht vierzig Jahre älter als sie und bereits verheiratet gewesen wäre, dann hätte Laura auf ihn gestanden. »Also geh mit und lass dir ein nettes Abendessen ausgeben. Du hast es dir verdient. Grant und ich räumen hier auf.«
»Aber ich ... « Sie biss sich auf die Lippe. Voller Panik, dass man sie aus ihrem gewohnten Umfeld, der Buchhandlung, reißen könnte, blickte sie ihren Freund an.
Grant, der ihren Gesichtsausdruck richtig deutete, schüttelte den Kopf, entschlossen, dass sie diese Möglichkeit nutzen sollte, einmal mit anderen Leuten als ihren Kollegen zusammen zu sein. »Das stimmt«, erklärte er mit fester Stimme. »Geh und tanze auf dem Ball. Cinderella wird alles für dich aufräumen.« Er legte ihr die Hand auf den Arm. »Amüsier dich gut und erzähl mir morgen den neusten Tratsch. Und vergiss nicht, dass wir morgen Abend zu dem Sisters-of-Swing-Konzert gehen.«
»Oh, nein.« Sie klammerte sich für einen Moment an seinen Arm.
»Na los! Das schaffst du schon!« Grant, der einzige andere Vollzeit-Angestellte und ihr engster Kollege, tätschelte ihr aufmunternd die Hand. Er war auf einer Du-musst-öfter-hier-rausMission, was Laura anging, und wollte mit ihr in einen Club, um eine »unglaubliche neue Frauen-Band« zu hören. Er bezeichnete Laura immer neckend als seine »Alibi-Freundin«, was sie zum Lachen brachte. Nichts und niemand hätte übersehen können, dass Grant schwul war. Aber er machte sich wirklich Sorgen um sie, und sie wusste, dass er recht hatte und dass sie mitgehen sollte. Jetzt, da Laura offiziell freibekommen hatte - oder, wie sie es sah, im Stich gelassen worden war -, hakte sich Eleanora bei ihr unter. »Zeigen Sie mir, wo die Mäntel hängen, und holen Sie Ihren. Sie werden ihn brauchen. Der Wind ist bitterkalt!«
Statt eines Mantels trug Eleanor etwas, das aussah wie eine Kreuzung zwischen einem Kaminvorleger und einem kleinen Zelt. Es hüllte seinen Träger in rote, kratzige Wolle: kein Kleidungsstück für Empfindliche.
Als sie Lauras etwas erschrockene Reaktion bemerkte, erklärte Eleanora: »Ich glaube, ich könnte in diesem Ding draußen übernachten, wenn ich müsste. Und ich kann es nur im tiefsten Winter tragen, oder ich schwitze wie ein Schwein.«
Laura kam sich in ihrem eigenen marineblauen Mantel lächerlich langweilig vor. Sie hatte ihn in einem Secondhandladen gekauft, als sie noch auf die Universität gegangen war, und ihn immer noch nicht aufgetragen. Aber wenn man in einem Buchladen arbeitete, dann hatte man auch nicht allzu viel Geld für Kleidung übrig.
»Na, kommen Sie schon«, sagte Eleanora. »Sie müssen mich stützen. Ich kann auf diesen Absätzen eigentlich nicht laufen, aber ich weigere mich, in meinem Alter Ballerinas zu tragen. Und Schnürschuhe würden mein Image ruinieren.« Sie blickte auf Lauras Schuhe, die fast völlig flach waren. »Keine weiteren Fragen.«
Obwohl ihr Lauras Schuhe offensichtlich nicht gefielen, die zwar wenig glamourös, dafür jedoch bequem waren, redete Eleanora auf dem Weg zum Restaurant ununterbrochen mit ihr und fragte sie über alle möglichen Bücher aus.
Laura las sehr viel. Sie lebte allein in einem kleinen Apartment, und ihr Fernseher war so winzig und das Bild so verschneit, dass sie ihn nicht oft einschaltete. Aber sie las die ganze Zeit: im Bett, während sie aß, während sie kochte, während sie sich anzog und während sie sich die Zähne putzte. Sie hätte auch unter der Dusche gelesen, wenn das möglich gewesen wäre, ohne das Buch zu ruinieren. Und sie konnte nicht nur überall lesen, sie las auch alles, und wenn es gut war, genoss sie es. Es gab kein Genre und keinen Autor, über die Eleanora sie ausfragte, worüber Laura nicht zumindest ein bisschen was wusste. Und da sie immer noch in leichtsinniger Stimmung war, weil sie bald ihren Job verlieren würde und weil Eleanora jemand war, der Bücher genauso liebte wie sie, sagte sie ihre Meinung freiheraus.
Eleanora war beeindruckt. »Liebes, Sie sind ein Phänomen!«, rief sie. »Ich bin so froh, dass ich Sie gefunden habe.«
Im Restaurant wurde Laura noch einmal dem jungen gefeierten Autor Damien Stubbs vorgestellt. Er hatte sie kurz begrüßt, als er in der Buchhandlung angekommen war, und war genauso charmant gewesen wie jetzt. Er bedankte sich bei ihr für die Organisation der tollen Lesung, und sie murmelte ein paar lobende Worte über sein Buch. Aber er schien keine Bestätigung zu brauchen. Er strahlte Selbstbewusstsein aus, und alle um ihn herum badeten in der Wärme. Damien Stubbs war der im Moment bekannteste junge Schriftsteller, und die Welt liebte ihn.
Laura, die sich zurückhielt, als alle lautstark überlegten, wo sie sitzen sollten, überlegte kurz, warum sie von Damien Stubbs nicht fasziniert war. Alle anderen, Männer und Frauen, schienen es zu sein. Mehrere Gründe fielen ihr ein, aber am wahrscheinlichsten erschien ihr, dass sie seinen Schreibstil nicht wirklich mochte. Als man ihr ihren Platz zuwies, setzte sie sich mit düsterer Miene. Ich bin ein literarischer Snob, folgerte sie. Meine Gefühle beziehen sich mehr auf Bücher als auf das reale Leben. Sie war leicht deprimiert bei diesem Gedanken, und nicht nur, weil sie kurz davorstand, den wohl besten Job der Welt zu verlieren. Wann war sie so langweilig geworden? Und war es zu spät, um sich noch zu ändern?
Als die anderen Platz nahmen, wieder aufstanden, sich umsetzten und schließlich doch wieder dort saßen, wo sie vorher gewesen waren, hatte Laura Zeit, ihr Leben vor ihrem inneren Auge Revue passieren zu lassen. Seit ihrem heiß geliebten Studium hatte sie nur zwei Jobs gehabt, beide in Buchläden. Und seit sie bei Henry Barnsley Books angefangen hatte, wollte sie nirgendwo anders mehr arbeiten. Obwohl sie normalerweise schüchtern war, genoss sie es, das richtige Buch für einen Kunden zu finden. Laura war sehr beliebt bei ihnen. Sie fragten nach ihr, wenn sie ein Buch verschenken wollten und nicht wussten, welches sie kaufen sollten. Einige der männlichen Kunden luden sie zum Essen ein, und manchmal, wenn Grant sie dazu drängte, der schon länger im Laden arbeitete als sie und deshalb ihr Vorgesetzter war, nahm sie diese Einladung sogar an. Aber daraus entstand nie etwas. Die Männer, die Bücher und Lesen genauso liebten wie sie, hatten meistens Suppenflecken vorne auf ihrer Strickjacke. Sie war vielleicht ein langweiliger Bücherwurm, doch sie hatte gewisse Ansprüche.
Eleanora reichte ihr die Karte. Laura war nicht aufgefallen, dass sie sich neben sie gesetzt hatte, und es hob ihre Laune. Zumindest würde sie mit Eleanora reden können, und wenn nicht, konnte sie schweigend dasitzen und die Leute an den anderen Tischen beobachten, etwas, das sie sehr gern tat. Sie betrachtete das Leben eben lieber von außen, als selbst darin verwickelt zu sein. Zum Glück blieb der Platz auf Lauras anderer Seite leer.
Übersetzung: Katharina Kramp
Copyright © 2011 by Bastei Lübbe GmbH & Co. KG, Köln
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Autoren-Porträt von Katie Fforde
Katie Fforde wurde in Wimbledon geboren, wo sie ihre Kindheit verbrachte. Heute lebt sie mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in einem idyllisch gelegenen Landhaus in Gloucestershire, England. Erst vor wenigen Jahren begann sie mit dem Schreiben romantischer, heiterer Gesellschaftskomödien, die stets sofort die englischen Bestsellerlisten eroberten.Katharina Kramp, Jahrgang 1969, studierte Germanistik und Anglistik in Bonn und arbeitete einige Jahre als Journalistin bei verschiedenen Tageszeitungen, Radiosendern und Fachmagazinen. Ihre wahre Liebe galt jedoch schon immer den Büchern. Deshalb gab sie ihren Redakteursjob auf und machte sich als Autorin, Übersetzerin und Lektorin selbstständig. Heute lebt sie mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern in Westfalen und kann jetzt den ganzen Tag und oft auch die halbe Nacht das tun, was ihr am meisten Spaß macht spannende Geschichten schreiben.
Bibliographische Angaben
- Autor: Katie Fforde
- 2011, 444 Seiten, Maße: 12,5 x 18,6 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Übersetzung: Kramp, Katharina
- Übersetzer: Katharina Kramp
- Verlag: Bastei Lübbe
- ISBN-10: 3404160568
- ISBN-13: 9783404160563
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