Buddenbrooks
Er beschreibt Aufstieg und Fall der deutschen Kaufmannsfamilie zwischen...
Er beschreibt Aufstieg und Fall der deutschen Kaufmannsfamilie zwischen Nord- und Süddeutschland, zwischen Hochzeiten und Scheidungen, zwischen Erfolgen und Rückschlägen.
»Es ist eine hervorragende Arbeit, redlich, positiv und reich«, urteilte S. Fischers Lektor Moritz Heimann nach der Lektüre des Manuskripts über Thomas Manns ersten Roman, seinen wohl am meisten gelesenen, am meisten verbreiteten. 'Verfall einer Familie' - sein Untertitel scheint ihn einzureihen in eine bestimmte Gattung, aber »der Zug zum Satirischen und Grottesken«, der darin steckt, hebt ihn zugleich davon ab, gibt ihm einen eigenen Charakter, eigene Wirkung bis in die Gegenwart.
Thomas Mann erzählt nur wenig verschlüsselt die Geschichte seiner Familie und ihrer Stellung in der Vaterstadt Lübeck, soweit er sie nachvollziehen, in Einzelheiten überblicken konnte, ja sogar noch miterlebt hat. Verwandte, Honoratioren und markante Persönlichkeiten seiner Jugend werden integriert. Den meisten Raum nimmt das Leben Thomas Buddenbrooks ein, »ein modernes Heldenleben«; sein Sohn Hanno wird einen langen Strich unter die Genealogie der Familie setzen und sich rechtfertigen mit denWorten: »Ich glaubte ... ich glaubte ... es käme nichts mehr ...«
In denmehr als hundert Jahren seit seinem ersten Erscheinen hat der Roman unzählige Menschen in seinen Bann gezogen und hat bis heute nichts an Charme und Aktualität eingebüßt.
Buddenbrooks vonThomas Mann
LESEPROBE
Die allgemeine Munterkeit hatte nun ihren Gipfel erreicht,und Herr Köppen verspürte das deutliche Bedürfnis, ein paar Knöpfe seiner Westezu öffnen; aber das ging wohl leider nicht an, denn nicht einmal die altenHerren erlaubten sich dergleichen. Lebrecht Kröger saß noch genau so aufrechtan seinem Platze wie zu Beginn der Mahlzeit, Pastor Wunderlich blieb weiß undformgewandt, der alte Buddenbrook hatte sich zwar ein bißchen zurückgelegt,wahrte aber den feinsten Anstand, und nur Justus Kröger war ersichtlich einwenig betrunken.
Wo warDoktor Grabow? Die Konsulin erhob sich ganz unauffällig und ging davon, denndort unten waren die Plätze von Mamsell Jungmann, Doktor Grabow und Christianfrei geworden, und aus der Säulenhalle klang es beinahe wie unterdrücktes Jammern.Sie verließ schnell hinter dem Folgmädchen, das Butter, Käse und Früchteserviert hatte, den Saal - und wahrhaftig, dort im Halbdunkel, auf der rundenPolsterbank, die sich um die mittlere Säule zog, saß, lag oder kauerte derkleine Christian und ächzte leise und herzbrechend.
»Ach Gott,Madamchen!« sagte Ida, die mit dein Doktor bei ihm stand, »Christian, demJungchen, ist gar so schlecht... «
»Mir istübel, Mama, mir ist verdammt übel!« wimmerte Christian, während seinerunden, tiefliegenden Augen über der allzu großen Nase unruhig hin und hergingen. Er hatte das »verdammt« nur aus übergroßer Verzweiflunghervorgestoßen, die Konsulin aber sagte:
»Wenn wirsolche Worte gebrauchen, straft uns der liebe Gott mit noch größerer Übelkeit!«
DoktorGrabow fühlte den Puls; sein gutes Gesicht schien noch länger und mildergeworden zu sein.
»Einekleine Indigestion... nichts von Bedeutung, - Frau Konsulin!« tröstete er. Unddann fuhr er in seinem langsamen, pedantischen Amtstone fort: »Es dürfte dasbeste sein, ihn zu Bette zu bringen... ein bißchen Kinderpulver, vielleicht einTäßchen Kamillentee zum Transpirieren ... Und strenge Diät, - Frau Konsulin?Wie gesagt, strenge Diät. Ein wenig Taube, - ein wenig Franzbrot...«
»Ich willkeine Taube!« rief Christian außer sich. »Ich will niemals wieder etwas essen!Mir ist übel, mir ist verdammt übel!« Das starke Wort schien ihm geradezu Linderung zubereiten, mit solcher Inbrunst stieß er es hervor.
DoktorGrabow lächelte vor sich hin, mit einem nachsichtigen und beinahe etwasschwermütigen Lächeln. Oh, er würde schon wieder essen, der junge Mann! Erwürde leben wie alle Welt. Er würde, wie seine Väter, Verwandten und Bekannten,seine Tage sitzend verbringen und viermal inzwischen so ausgesucht schwere undgute Dinge verzehren... Nun, Gott befohlen! Er, Friedrich Grabow, war nichtderjenige, welcher die Lebensgewohnheiten aller dieser braven, wohlhabenden undbehaglichen Kaufmannsfamilien umstürzen würde. Er würde kommen, wenn er gerufenwürde, und für einen oder zwei Tage strenge Diät empfehlen, - ein wenig Taube,ein Scheibchen Franzbrot... ja, ja - und mit gutem Gewissen versichern, daß es fürdiesmal nichts zu bedeuten habe. Er hatte, so jung er war, die Hand mancheswackeren Bürgers in der seinen gehalten, der seine letzte Keule Rauchfleisch,seinen letzten gefüllten Puter verzehrt hatte und, sei es plötzlich undüberrascht in seinem Comptoirsessel oder nach einigem Leiden in seinem solidenalten Bett, sich Gott befahl. Ein Schlag, hieß es dann, eine Lähmung, einplötzlicher und unvorhergesehener Tod... ja, ja, und er, Friedrich Grabow,hätte sie ihnen vorrechnen können, alle die vielen Male, wo es »nichts auf sichgehabt hatte«, wo er vielleicht nicht einmal gerufen war, wo nur vielleichtnach Tische, wenn man ins Comptoir zurückgekehrt war, ein kleiner, merkwürdigerSchwindel sich gemeldet hatte... Nun, Gott befohlen! Er, Friedrich Grabow, warselbst nicht derjenige, der die gefüllten Puter verschmähte. Dieser panierteSchinken mit Chalottensauce heute war delikat gewesen, zum Teufel, und dann,als man schon schwer atmete, der Plettenpudding - Makronen, Himbeeren undEierschaum, ja, ja... »Strenge Diät, wie gesagt, - Frau Konsulin? Ein wenigTaube, - ein wenig Franzbrot...«
© by S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main
Autoren-Porträt von Thomas Mann
Thomas Mann wurde 1875 in Lübeck geboren und wohnte seit1894 in München. 1933 verließ er Deutschland und lebte zuerst in der Schweiz amZürichsee, dann in den Vereinigten Staaten, wo er 1938 eine Professur an derUniversität in Princeton annahm. Später hatte er seinen Wohnsitz inKalifornien, danach wieder in der Schweiz. Er starb in Zürich am 12. August1955.
- Autor: Thomas Mann
- 1989, 67. Aufl., 768 Seiten, Maße: 12,5 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: FISCHER Taschenbuch
- ISBN-10: 3596294312
- ISBN-13: 9783596294312
- Erscheinungsdatum: 01.11.1989
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