Die Sehnsucht des Dämons
Roman. Deutsche Erstveröffentlichung
Die Yogalehrerin Serena hat eine Mission: Als jüngst ernannter Schutzengel soll sie über den aufsteigenden Hollywoodstar Nick Ramirez wachen. Ihr erster Auftrag führt sie in den Nachtclub Devil s Paradise, wo sie ausgerechnet die Aufmerksamkeit des...
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Produktinformationen zu „Die Sehnsucht des Dämons “
Klappentext zu „Die Sehnsucht des Dämons “
Die Yogalehrerin Serena hat eine Mission: Als jüngst ernannter Schutzengel soll sie über den aufsteigenden Hollywoodstar Nick Ramirez wachen. Ihr erster Auftrag führt sie in den Nachtclub Devil s Paradise, wo sie ausgerechnet die Aufmerksamkeit des charismatischen Clubbesitzers Julian Ascher erregt. Zu spät erkennt sie, dass er ein Erzdämon ist, der Vergnügen suchende junge Menschen mit dem Bösen infiziert da hat sie ihn längst geküsst und seinen Jagdinstinkt geweckt. Doch Julian stellt Serena vor eine gefährliche Wahl: Er verschont die Seele ihres Schützlings Nick, wenn sie ihn nach Las Vegas begleitet. Eine Reise, auf der sie Verführung oder Vernichtung, Himmel oder Hölle erwarten Deutsche Erstveröffentlichung
Lese-Probe zu „Die Sehnsucht des Dämons “
Die Sehnsucht des Dämons von Stephanie Chong... mehr
PROLOG
Hotel Lussuria, Las Vegas, Gegenwart
Niemand verstand sich auf die Kunst des Giftmischens so gut wie Luciana Rossetti.
Seit nunmehr zweihundert Jahren beschäftigte sie sich mit den Geheimnissen von hochgiftigen Pflanzenwirkstoffen, Tierextrakten und tödlichen Bakterien.
Natterngift, Milzbranderreger, Schwarze Tollkirsche und Botulinum - das war ihre Welt. Sie liebte die einzigartigen Eigenschaften eines jeden Giftstoffes. Als sie das Glasfläschchen in ihrer Hand betrachtete, funkelten ihre grünen Augen. Die Flüssigkeit darin schimmerte trügerisch im Licht der Kristalllüster, die von der Gewölbedecke hingen.
Ein kleines Glasfläschchen, dessen Inhalt so unschuldig aussah wie Weihwasser.
Farblos. Geruchlos. Ohne Geschmack.
Perfekt.
Aber der Inhalt des Fläschchens war nicht Segen, sondern Fluch. Ein Fluch von der Art, wie ihn sich nur ein Dämon ausdenken konnte. Ein Fluch, der andere ihrer Art auf direktem Weg zurück in die Hölle schicken konnte.
„Was hast du da Schönes zusammengemixt, meine Liebe?"
Die Stimme ihres Geliebten riss sie aus ihrer Entrücktheit. Mit seinen Fingern glitt er durch ihre schwarzen Locken und küsste ihren Nacken. Nicht Lust war es, die sie dabei empfand und die sie erschauern ließ, vielmehr die Vorahnung von etwas Bedeutenderem.
„Eine prachtvolle Kreation, mio caro", erwiderte sie sanft.
Luciana hatte nicht vor, die genauen Inhaltsstoffe des Tranks preiszugeben - nicht einmal Corbin. Vor allem nicht Corbin. In den drei Monaten, in denen sie jetzt zusammen waren, hatte sie gelernt, dass man besser keine Spielchen mit ihm spielte. Und dass man ihm nicht vertrauen konnte. Sein nordisch-männliches Äußeres war wie geschaffen, um einer Werbekampagne für Segeln oder Polo zum Erfolg zu verhelfen. Doch in seinen bernsteinfarbenen Augen flammte Grausamkeit auf, so machtvoll und unerwartet wie ein Blitz.
Alle Dämonen, die für ihn arbeiteten - in diesem Hotel und in den anderen, die ihm gehörten - respektierten und fürchteten ihn. Denn einem Erzdämon war man grundsätzlich Respekt und Furcht schuldig.
Für Luciana überwogen in ihrer Verbindung zu Corbin die Vorteile allerdings die Nachteile und Risiken. Mit ihm konnte sie am schnellsten ihr Ziel erreichen.
Rache. Jetzt zog er sie aufs Sofa, und während sie mit ihm auf den weichen Samt sank, hielt sie das kostbare Fläschchen fest umschlossen. Er sah sie an wie ein Löwe seine Beute, und sie erwiderte unerschrocken seinen Blick. Entweder ihm ebenbürtig sein oder bei lebendigem Leib gefressen werden.
Schon zeigte ihre selbstsichere Haltung Wirkung. Er ließ sie los. „Lass sie uns ausprobieren."
„Haben wir denn einen Hund im Hotel?", fragte sie.
„Natürlich nicht. Aber vielleicht könnte uns der Page behilflich sein." Corbin griff zum Telefon, das auf dem eleganten Beistelltischchen stand. „Schicken Sie den Jungen hoch, der die Vase zerbrochen hat."
Als der Page vor ihnen stand, tat er Luciana fast leid. Es war ein schmächtiger kleiner Dämon, der bei Corbins kräftigem Händedruck schmerzhaft das Gesicht verzog.
So schmächtig, dass er fast ein Mensch sein könnte, dachte sie.
„Weißt du eigentlich, dass die Vase, die du zerbrochen hast, aus der Ming- Dynastie stammte?" Corbin betrachtete den Jungen in aller Ruhe.
„Nein, Sir. Das war mir nicht bewusst. Ich entschuldige mich in aller Form."
„Setz dich. Lass uns gemeinsam überlegen, wie wir damit umgehen sollen. Trink ein Glas mit uns, ich habe gerade einen vorzüglichen Merlot dekantiert, der uns allen ganz sicher munden wird." Corbin nickte Luciana zu. „Wenn du so freundlich wärst, Liebes?"
Während der junge Mann auf einem Ledersessel Platz nahm, schenkte Luciana drei Gläser Wein ein. Corbin lenkte ihn mit inhaltsleerem Geplapper ab, damit Luciana indessen unbemerkt ein paar Tropfen ihrer neuesten Kreation in das Getränk des Jungen füllen konnte. Fasziniert sah sie zu, wie die Flüssigkeit sich im blutroten Wein auflöste. Unsichtbar. Tödlich. Sie reichte das Glas dem Pagen.
„Bitte, trink doch", forderte der Erzdämon den Pagen auf. Luciana stellte nun auch ein Glas vor Corbin, der es erhob und den Wein im Glas herumschwenkte, mit Kennerblick die Farbe und das Aroma prüfte. Er trank einen Schluck, und ein Ausdruck größter Zufriedenheit machte sich auf seinem Gesicht breit.
Luciana kostete ebenfalls. Als das schwere Aroma von Eiche und Pflaume ihre Kehle hinunterrann, fiel die Anspannung von ihr ab.
Schließlich nahm auch der Junge seinen ersten Schluck, wobei sein Adamsapfel merkwürdig auf und ab hüpfte. „Ich weiß, dass die Vase sehr kostbar war, Sir. Ich bin untröstlich. Ich will versuchen, den Verlust zu ersetzen."
„Das könntest du nicht. Sie war unbezahlbar. Ein Vielfaches mehr wert, als das, was du im Jahr verdienst. Es würde ein ganzes Jahrhundert dauern, bis du die Vase abbezahlt hättest. So lange will ich nicht warten. Man könnte sogar so weit gehen und sagen, die Vase war viel mehr wert als du selbst. Und damit hat sich die Frage des Ersetzens erledigt."
„Aber irgendwas muss doch gehen", protestierte der Junge zaghaft. Plötzlich veränderte sich sein Gesichtsausdruck. Er schluckte und griff sich an den Hals. Dann räusperte er sich. Noch mal. Selbst in Lucianas Ohren klang sein Würgen schrecklich. Es war der Klang des Todes, des Erstickens, der aus seiner Luftröhre drang.
Von Krämpfen geschüttelt, fiel der Page zu Boden. Luciana zwang sich dazu, keinerlei Reaktion zu zeigen. Wenn Corbin auch nur das kleinste Anzeichen von Schwäche an ihr entdeckte, würde er auch sie zerstören. Aber sie war nicht schwach. Schon vor zweihundert Jahren hatte sie diese Eigenschaft hinter sich gelassen. Zusammen mit ihrem menschlichen Leben.
Das Zucken des Jungen erstarb. Jetzt lag er so still da, dass die plötzliche Ruhe ein regelrechtes Vakuum im Raum entstehen ließ, ein schwarzes Loch der Stille. Luciana sah nicht hin. Leichen hatte sie schon viele gesehen, wenn auch meist menschliche. Denn ein Dämon besaß zwar die physischen Eigenschaften eines Menschen, war jedoch nahezu unverwundbar. Allerdings nicht unsterblich, wie sie gerade unter Beweis gestellt hatte. Nur die Seele eines Dämons konnte man nicht zerstören. Die Seele des Jungen würde dorthin zurückkehren, wo Corbin sie gefunden hatte.
Zurück in die Hölle.
Corbin schwenkte wieder den Wein in seinem Glas herum. „War er also doch noch zu etwas nützlich. Gift ist zwar ein sehr antiquiertes Tötungsmittel, führt aber immer wieder zu interessanten Resultaten."
Sie neigte den Kopf und lächelte - eine angemessene Reaktion auf sein Kompliment.
„Der Wein hat ein wunderbares Bouquet. Komplex und dennoch subtil." Corbin erwiderte ihr Lächeln. „Ich liebe Frauen, die die feinen Dinge des Lebens zu schätzen wissen."
Das Glasfläschchen kam in ein mit Seide ausgeschlagenes Kästchen, das sie in ihre Handtasche steckte. An einem Dämon von niederem Rang hatte das Gift also gewirkt. Nur war das von ihr auserkorene Opfer hundert Mal stärker.
Corbin bemerkte ihren Blick. Vielleicht fragte er sich, ob er das auserkorene Opfer war. Wie viel er wohl ahnt, überlegte sie. Kannte er ihre Absichten? Aber anscheinend hatte er ganz andere Dinge im Sinn. „Wenn das Gift einen Dämon umbringen kann, kann es auch nützlich sein im Kampf gegen die Kompanie der Engel. Sie machen mir in letzter Zeit Ärger. Lästig wie Kanalratten sind sie."
Luciana widerstand dem Bedürfnis, die Augen zu verdrehen.
Corbin war besessen von der Kompanie, einer Vereinigung von Schutzengeln, die in einem weltweiten Netzwerk organisiert waren. Sie arbeiteten jeweils in Gruppen von mehreren Dutzend und waren um Längen besser organisiert als die Dämonen. Das lag daran, dass Dämonen aufgrund ihres Charakters grundsätzlich streitsüchtig und rechthaberisch und daher als Teamplayer eher wenig geeignet waren. Falls sie nicht von einem Diktator dazu angehalten wurden. Einem Diktator wie Corbin.
„Warum löschst du die Kompanie nicht einfach ein für alle Mal aus?", heuchelte sie Interesse. Luciana waren die Engel vollkommen egal. Sie wollte einen Dämon töten. Einen ganz bestimmten Dämon.
„Für den Kampf zwischen Engeln und Dämonen gelten Regeln", erklärte er ihr stirnrunzelnd. „Regeln, an die man sich hält und gegen die man nicht verstößt."
„Man kann Regeln aber auch umgehen."
Sein Stirnrunzeln verschwand. „Du verschwendest dein Talent als böse Dämonin, meine Liebe. Du hast zwar deine Unabhängigkeit, jedoch nicht die Unterstützung der großen Masse hinter dir. Denk mal darüber nach, ob du einen Posten in meiner Organisation übernehmen möchtest."
„Eines Tages vielleicht, mio caro."
An dem Tag, an dem die Hölle gefriert. Eher würde sie selbst Gift schlucken und in die Hölle zurückkehren, als sich Corbins mafiöser Organisation anzuschließen und eine seiner Befehlsempfängerinnen zu werden. Sobald sie erledigt hatte, weshalb sie hier war, würde sie nach Hause zurückkehren. Zurück nach Venedig.
Und es gab keinen Grund, Corbin danach noch einmal wiederzusehen.
Jetzt umschlang er ihre Hüfte und küsste sie innig. Er flüsterte ihr die perversen Dinge zu, die er gern mit ihr tun würde. Er hatte eine seltsame Art, eine Frau zu befriedigen, er quälte und erregte sie gleichzeitig. Im Stillen musste sie zugeben, dass sie nicht gerne Sex mit ihm hatte. Unter anderen Umständen hätte sie es vielleicht genießen können. Aber nicht so. Trotzdem erwiderte Luciana seinen Kuss und ließ ihre Hände über seinen muskulösen Körper wandern, damit seine Lust ihn sein Misstrauen vergessen ließ.
Für Luciana war Corbin das geringere Übel. Größere Probleme bereitete ihr sein Freund und Geschäftspartner, Julian Ascher. Der Mann, der ihr Leben zerstört hatte.
Der ihr die Unschuld geraubt, sie verführt und dann betrogen hatte. Der ihr keine andere Wahl gelassen hatte, als es um ihr Überleben ging: Sie musste sich auf das Einzige besinnen, was sie beherrschte - sich die Dunkelheit in ihr selbst zunutze zu machen.
Und jetzt nahte die Zeit der Rache.
Rache ist ein Gericht, das man am besten kalt serviert. Mehr als zweihundert Jahre hatte Luciana Zeit gehabt, ihr Herz zu stählen und einen eisigen, unbändigen Hass auf ihn zu entwickeln. Bald würde sie mit dem größten Vergnügen Julian ihr ganz spezielles Rache-Menü servieren.
1. KAPITEL West Hollywood, Los Angeles
Devil's Paradise war samstagabends die angesagteste Partylocation in der Stadt der Engel. Der perfekte Ort der Versuchung. Die ideale Kulisse zum Sündigen. Und sie gehörte ihm.
Julian Ascher begutachtete das Treiben in seinem Nachtklub aus einem gläsernen Kontrollraum zwei Stockwerke über der Tanzfläche. Unter ihm erbebte die Masse attraktiver Körper zum lauten Rhythmus der Musik. Schweiß und Pheromone erfüllten die Luft. Eine ganze Legion von Barkeepern war hinter dem Tresen aus weißem Terrazzostein damit beschäftigt, Unmengen von Cocktails, Bier und Shots auszuschenken.
An den meisten Abenden reichte es Julian, hier oben zu stehen und dem Treiben zuzusehen. Doch an diesem Abend war er unruhig. Er verspürte eine unangenehme Anspannung, die er irgendwie loswerden musste.
Am besten mithilfe von etwas Weichem und Weiblichem.
Er öffnete die Tür des Kontrollraums. Das Dröhnen der Musik und die Hitze der Menschen unter ihm schlugen ihm sofort entgegen und drangen in seine Poren, als er die Metalltreppe zur Tanzfläche hinunterstieg. Die Masse teilte sich, seiner Macht gewahr werdend, während er durch den Klub ging, von bewundernden Blicken verfolgt. Stammgäste versuchten, ihm die Hand zu schütteln - ein betrunkener Footballstar, ein minderjähriges Starlet.
Mehrere Frauen wollten ihn in ein Gespräch verwickeln, aber er ließ sie charmant abblitzen und setzte unbeirrt seinen Weg fort. Es war eine Art Hobby von ihm, schöne Frauen zu zerstören. Es erfüllte ihn mit tiefer Befriedigung, dem Schönen alles zu nehmen. Doch er hatte einen ganz speziellen Geschmack, und keine der Frauen, die an diesem Abend im Klub waren, erfüllten seine Kriterien. Enttäuscht ging er weiter.
„Julian, hier drüben!", rief ihm der Geschäftsführer des Klubs zu und wollte ihn zu sich winken.
„Nicht jetzt", entgegnete Julian, ohne stehen zu bleiben. Er schob sich durch die Masse schöner Menschen, die auf der Tanzfläche versammelt waren wie Schmetterlinge um eine Nektarquelle. Als Erzdämon hatte Julian bereits Tausende von Seelen ins Verderben gestürzt. Im ganzen Land besaß er Nachtklubs. Nach zweihundert Jahren des Studiums der menschlichen Schwächen und Verzweiflung, ihrer Fantasien und Begierden trug sein Bemühen nun Früchte. Und als Herrscher über dieses Reich des Frevels war er zu einem wahren Kenner der Lust und des Vergnügens geworden.
Am Anfang war es nicht so einfach gewesen. Als frischgebackener Dämon hatte er häufig Schlachten um Seelen verloren. Doch jetzt, nach eben diesen zweihundert Jahren, war alles schon fast zu einfach. Wenn Julian heutzutage um eine Seele kämpfte, gewann er sie immer.
Sein neuer Klub, Devil's Ecstasy, würde Ende des Monats in Las Vegas eröffnen. Er befand sich im spektakulären Hotel Lussuria, dessen Inhaber sein Gefährte, der Erzdämon Corbin Ranulfson, war. Dieser neue Nachtklub würde Julians Glanzstück werden. Der Erfolg war garantiert.
Und trotzdem war er unzufrieden. Wieso?
Er schob sich weiter durch die Menge und betrat die VIP-Lounge. Auf den weißen Ledersofas knutschten Pärchen und vergnügten sich Dreiergrüppchen ganz offen. In einer Ecke zog sich ein berühmter junger Hollywood-Star eine Line Koks vom entblößten Hintern eines Mädchens. Die Klubbesucher schauten zu.
„Seht zu, dass er Spaß hat", wies Julian einen Kellner an. „Und dass ihm der Stoff nicht ausgeht."
Mit stumpfem Blick begutachtete Julian die Szene, vollkommen gleichgültig für das laszive Geschehen um ihn herum. Dieselben lüsternen Bilder boten sich ihm jeden Abend dar, wenn der Klub geöffnet war. Nichts von dem, was er hier sah, machte ihn auch nur im Entferntesten an.
Beinahe schon apathisch drehte Julian sich um, um sich wieder in den Überwachungsraum zurückzuziehen.
Und dann erblickte er sie.
In seinem Augenwinkel bemerkte er ihr Schimmern. Es glich einem Goldbarren, der an einem schlammigen Flussufer lag. Er blinzelte, unsicher, ob es nicht doch nur ein Lichtreflex gewesen war. Doch als er sich umwandte und genau hinsah, stand sie da.
Sie war gekleidet wie für einen Strandtag und nicht für einen Abend im Tempel der Sünde. Ihr schlichtes, sonnengelbes Kleid betonte ihre gebräunten Arme und geschmeidigen Kurven. Das blonde Haar fiel ihr in Wellen auf den Rücken. Ihr Gesicht war von klassischer Schönheit, so perfekt, dass es selbst aus der Ferne auffiel. Auch die anderen Männer starrten sie an. Wie Haie, die Blut im Wasser rochen, umkreisten sie die Frau. Wen suchte sie? Hatte sie ihre Freundin aus den Augen verloren? Ihren Geliebten?
Er fixierte sie, und sie hob den Kopf - als könnte sie durch den Lärm und das Gewühl in der VIP-Lounge seine Gedanken lesen. Sie schaute ihm direkt in die Augen. Aus zehn Metern Entfernung eine offene Herausforderung. Dann drehte sie sich um und verschwand.
Sein Jagdinstinkt war geweckt.
Julian folgte ihr durch die Menge, erhaschte mal einen Blick auf ihr blondes Haar, mal auf ihre bloßen Schultern, während sie immer tiefer in die tanzende Masse eintauchte. Der Puls der Musik erbebte in seinen Adern und trieb ihn voran. Er bahnte sich seinen Weg zu ihr, ohne Rücksicht auf Verluste.
Als er ihr nahe genug war, schloss er seine Finger um ihren Arm. Ihre Haut fühlte sich an wie die eines Neugeborenen, so zart und weich. Ihr Bizeps spannte sich unter seinem fester werdenden Griff an. Die Lust strömte von seinen Fingerspitzen direkt in seinen Unterleib. Sie erstarrte und drehte sich um. Von Weitem war sie schön. Von Nahem göttlich.
Mit einem Blick erfasste er ihre hohen Wangenknochen, ihre vollen Lippen, ihre großen, vertrauensvollen Augen. Die Unschuld, die er in ihnen las, hatte nichts mit Arglosigkeit zu tun, sondern mit Glauben. Er wollte sie verschlingen. Sich in sie versenken, Teil von ihr werden und sie nie mehr gehen lassen.
Die Zeit schien stehen geblieben zu sein. Kein Ton war mehr zu hören. Aber mit einem Mal platzte in die Stille das Rascheln von Federn hinein, das Ausbreiten von Flügeln. Kaum war ihm klar geworden, was da geschah, wurde er von einer neuen Energie erfasst: Sie war ein Engel. Ein Schutzengel, der niedrigste Rang der Himmelswesen, verantwortlich für den Schutz der Menschheit auf Erden.
Warum ihn diese Tatsache so überraschte, wusste er nicht zu sagen. Er hatte schon viele Engel getroffen, oft mit ihnen gekämpft. Aber keiner war je so dumm gewesen, einen Fuß in einen seiner Klubs zu setzen. Was hatte sie hier zu suchen? In seinem Hoheitsgebiet?
Um ihn herum kam das Leben wieder in Gang; der hämmernde Bass der Musik ergriff wieder von ihm Besitz. Sie wand sich, um sich ihm endlich zu entziehen. Er verstärkte seinen Griff, wollte sie nicht gehen lassen.
Aus welchem Grund auch immer - sie war ins Devil's Paradise gekommen, mit ihrem unschuldigen Sommerkleidchen und ihrem lachhaften Glauben an das Gute im Menschen.
Jetzt war sie auf seinem Territorium.
Übersetzung: Gisela Schmitt
MIRA Taschenbuch Band 65063 © 2011 by Stephanie Chong Originaltitel: Where Demons Fear To Tread
PROLOG
Hotel Lussuria, Las Vegas, Gegenwart
Niemand verstand sich auf die Kunst des Giftmischens so gut wie Luciana Rossetti.
Seit nunmehr zweihundert Jahren beschäftigte sie sich mit den Geheimnissen von hochgiftigen Pflanzenwirkstoffen, Tierextrakten und tödlichen Bakterien.
Natterngift, Milzbranderreger, Schwarze Tollkirsche und Botulinum - das war ihre Welt. Sie liebte die einzigartigen Eigenschaften eines jeden Giftstoffes. Als sie das Glasfläschchen in ihrer Hand betrachtete, funkelten ihre grünen Augen. Die Flüssigkeit darin schimmerte trügerisch im Licht der Kristalllüster, die von der Gewölbedecke hingen.
Ein kleines Glasfläschchen, dessen Inhalt so unschuldig aussah wie Weihwasser.
Farblos. Geruchlos. Ohne Geschmack.
Perfekt.
Aber der Inhalt des Fläschchens war nicht Segen, sondern Fluch. Ein Fluch von der Art, wie ihn sich nur ein Dämon ausdenken konnte. Ein Fluch, der andere ihrer Art auf direktem Weg zurück in die Hölle schicken konnte.
„Was hast du da Schönes zusammengemixt, meine Liebe?"
Die Stimme ihres Geliebten riss sie aus ihrer Entrücktheit. Mit seinen Fingern glitt er durch ihre schwarzen Locken und küsste ihren Nacken. Nicht Lust war es, die sie dabei empfand und die sie erschauern ließ, vielmehr die Vorahnung von etwas Bedeutenderem.
„Eine prachtvolle Kreation, mio caro", erwiderte sie sanft.
Luciana hatte nicht vor, die genauen Inhaltsstoffe des Tranks preiszugeben - nicht einmal Corbin. Vor allem nicht Corbin. In den drei Monaten, in denen sie jetzt zusammen waren, hatte sie gelernt, dass man besser keine Spielchen mit ihm spielte. Und dass man ihm nicht vertrauen konnte. Sein nordisch-männliches Äußeres war wie geschaffen, um einer Werbekampagne für Segeln oder Polo zum Erfolg zu verhelfen. Doch in seinen bernsteinfarbenen Augen flammte Grausamkeit auf, so machtvoll und unerwartet wie ein Blitz.
Alle Dämonen, die für ihn arbeiteten - in diesem Hotel und in den anderen, die ihm gehörten - respektierten und fürchteten ihn. Denn einem Erzdämon war man grundsätzlich Respekt und Furcht schuldig.
Für Luciana überwogen in ihrer Verbindung zu Corbin die Vorteile allerdings die Nachteile und Risiken. Mit ihm konnte sie am schnellsten ihr Ziel erreichen.
Rache. Jetzt zog er sie aufs Sofa, und während sie mit ihm auf den weichen Samt sank, hielt sie das kostbare Fläschchen fest umschlossen. Er sah sie an wie ein Löwe seine Beute, und sie erwiderte unerschrocken seinen Blick. Entweder ihm ebenbürtig sein oder bei lebendigem Leib gefressen werden.
Schon zeigte ihre selbstsichere Haltung Wirkung. Er ließ sie los. „Lass sie uns ausprobieren."
„Haben wir denn einen Hund im Hotel?", fragte sie.
„Natürlich nicht. Aber vielleicht könnte uns der Page behilflich sein." Corbin griff zum Telefon, das auf dem eleganten Beistelltischchen stand. „Schicken Sie den Jungen hoch, der die Vase zerbrochen hat."
Als der Page vor ihnen stand, tat er Luciana fast leid. Es war ein schmächtiger kleiner Dämon, der bei Corbins kräftigem Händedruck schmerzhaft das Gesicht verzog.
So schmächtig, dass er fast ein Mensch sein könnte, dachte sie.
„Weißt du eigentlich, dass die Vase, die du zerbrochen hast, aus der Ming- Dynastie stammte?" Corbin betrachtete den Jungen in aller Ruhe.
„Nein, Sir. Das war mir nicht bewusst. Ich entschuldige mich in aller Form."
„Setz dich. Lass uns gemeinsam überlegen, wie wir damit umgehen sollen. Trink ein Glas mit uns, ich habe gerade einen vorzüglichen Merlot dekantiert, der uns allen ganz sicher munden wird." Corbin nickte Luciana zu. „Wenn du so freundlich wärst, Liebes?"
Während der junge Mann auf einem Ledersessel Platz nahm, schenkte Luciana drei Gläser Wein ein. Corbin lenkte ihn mit inhaltsleerem Geplapper ab, damit Luciana indessen unbemerkt ein paar Tropfen ihrer neuesten Kreation in das Getränk des Jungen füllen konnte. Fasziniert sah sie zu, wie die Flüssigkeit sich im blutroten Wein auflöste. Unsichtbar. Tödlich. Sie reichte das Glas dem Pagen.
„Bitte, trink doch", forderte der Erzdämon den Pagen auf. Luciana stellte nun auch ein Glas vor Corbin, der es erhob und den Wein im Glas herumschwenkte, mit Kennerblick die Farbe und das Aroma prüfte. Er trank einen Schluck, und ein Ausdruck größter Zufriedenheit machte sich auf seinem Gesicht breit.
Luciana kostete ebenfalls. Als das schwere Aroma von Eiche und Pflaume ihre Kehle hinunterrann, fiel die Anspannung von ihr ab.
Schließlich nahm auch der Junge seinen ersten Schluck, wobei sein Adamsapfel merkwürdig auf und ab hüpfte. „Ich weiß, dass die Vase sehr kostbar war, Sir. Ich bin untröstlich. Ich will versuchen, den Verlust zu ersetzen."
„Das könntest du nicht. Sie war unbezahlbar. Ein Vielfaches mehr wert, als das, was du im Jahr verdienst. Es würde ein ganzes Jahrhundert dauern, bis du die Vase abbezahlt hättest. So lange will ich nicht warten. Man könnte sogar so weit gehen und sagen, die Vase war viel mehr wert als du selbst. Und damit hat sich die Frage des Ersetzens erledigt."
„Aber irgendwas muss doch gehen", protestierte der Junge zaghaft. Plötzlich veränderte sich sein Gesichtsausdruck. Er schluckte und griff sich an den Hals. Dann räusperte er sich. Noch mal. Selbst in Lucianas Ohren klang sein Würgen schrecklich. Es war der Klang des Todes, des Erstickens, der aus seiner Luftröhre drang.
Von Krämpfen geschüttelt, fiel der Page zu Boden. Luciana zwang sich dazu, keinerlei Reaktion zu zeigen. Wenn Corbin auch nur das kleinste Anzeichen von Schwäche an ihr entdeckte, würde er auch sie zerstören. Aber sie war nicht schwach. Schon vor zweihundert Jahren hatte sie diese Eigenschaft hinter sich gelassen. Zusammen mit ihrem menschlichen Leben.
Das Zucken des Jungen erstarb. Jetzt lag er so still da, dass die plötzliche Ruhe ein regelrechtes Vakuum im Raum entstehen ließ, ein schwarzes Loch der Stille. Luciana sah nicht hin. Leichen hatte sie schon viele gesehen, wenn auch meist menschliche. Denn ein Dämon besaß zwar die physischen Eigenschaften eines Menschen, war jedoch nahezu unverwundbar. Allerdings nicht unsterblich, wie sie gerade unter Beweis gestellt hatte. Nur die Seele eines Dämons konnte man nicht zerstören. Die Seele des Jungen würde dorthin zurückkehren, wo Corbin sie gefunden hatte.
Zurück in die Hölle.
Corbin schwenkte wieder den Wein in seinem Glas herum. „War er also doch noch zu etwas nützlich. Gift ist zwar ein sehr antiquiertes Tötungsmittel, führt aber immer wieder zu interessanten Resultaten."
Sie neigte den Kopf und lächelte - eine angemessene Reaktion auf sein Kompliment.
„Der Wein hat ein wunderbares Bouquet. Komplex und dennoch subtil." Corbin erwiderte ihr Lächeln. „Ich liebe Frauen, die die feinen Dinge des Lebens zu schätzen wissen."
Das Glasfläschchen kam in ein mit Seide ausgeschlagenes Kästchen, das sie in ihre Handtasche steckte. An einem Dämon von niederem Rang hatte das Gift also gewirkt. Nur war das von ihr auserkorene Opfer hundert Mal stärker.
Corbin bemerkte ihren Blick. Vielleicht fragte er sich, ob er das auserkorene Opfer war. Wie viel er wohl ahnt, überlegte sie. Kannte er ihre Absichten? Aber anscheinend hatte er ganz andere Dinge im Sinn. „Wenn das Gift einen Dämon umbringen kann, kann es auch nützlich sein im Kampf gegen die Kompanie der Engel. Sie machen mir in letzter Zeit Ärger. Lästig wie Kanalratten sind sie."
Luciana widerstand dem Bedürfnis, die Augen zu verdrehen.
Corbin war besessen von der Kompanie, einer Vereinigung von Schutzengeln, die in einem weltweiten Netzwerk organisiert waren. Sie arbeiteten jeweils in Gruppen von mehreren Dutzend und waren um Längen besser organisiert als die Dämonen. Das lag daran, dass Dämonen aufgrund ihres Charakters grundsätzlich streitsüchtig und rechthaberisch und daher als Teamplayer eher wenig geeignet waren. Falls sie nicht von einem Diktator dazu angehalten wurden. Einem Diktator wie Corbin.
„Warum löschst du die Kompanie nicht einfach ein für alle Mal aus?", heuchelte sie Interesse. Luciana waren die Engel vollkommen egal. Sie wollte einen Dämon töten. Einen ganz bestimmten Dämon.
„Für den Kampf zwischen Engeln und Dämonen gelten Regeln", erklärte er ihr stirnrunzelnd. „Regeln, an die man sich hält und gegen die man nicht verstößt."
„Man kann Regeln aber auch umgehen."
Sein Stirnrunzeln verschwand. „Du verschwendest dein Talent als böse Dämonin, meine Liebe. Du hast zwar deine Unabhängigkeit, jedoch nicht die Unterstützung der großen Masse hinter dir. Denk mal darüber nach, ob du einen Posten in meiner Organisation übernehmen möchtest."
„Eines Tages vielleicht, mio caro."
An dem Tag, an dem die Hölle gefriert. Eher würde sie selbst Gift schlucken und in die Hölle zurückkehren, als sich Corbins mafiöser Organisation anzuschließen und eine seiner Befehlsempfängerinnen zu werden. Sobald sie erledigt hatte, weshalb sie hier war, würde sie nach Hause zurückkehren. Zurück nach Venedig.
Und es gab keinen Grund, Corbin danach noch einmal wiederzusehen.
Jetzt umschlang er ihre Hüfte und küsste sie innig. Er flüsterte ihr die perversen Dinge zu, die er gern mit ihr tun würde. Er hatte eine seltsame Art, eine Frau zu befriedigen, er quälte und erregte sie gleichzeitig. Im Stillen musste sie zugeben, dass sie nicht gerne Sex mit ihm hatte. Unter anderen Umständen hätte sie es vielleicht genießen können. Aber nicht so. Trotzdem erwiderte Luciana seinen Kuss und ließ ihre Hände über seinen muskulösen Körper wandern, damit seine Lust ihn sein Misstrauen vergessen ließ.
Für Luciana war Corbin das geringere Übel. Größere Probleme bereitete ihr sein Freund und Geschäftspartner, Julian Ascher. Der Mann, der ihr Leben zerstört hatte.
Der ihr die Unschuld geraubt, sie verführt und dann betrogen hatte. Der ihr keine andere Wahl gelassen hatte, als es um ihr Überleben ging: Sie musste sich auf das Einzige besinnen, was sie beherrschte - sich die Dunkelheit in ihr selbst zunutze zu machen.
Und jetzt nahte die Zeit der Rache.
Rache ist ein Gericht, das man am besten kalt serviert. Mehr als zweihundert Jahre hatte Luciana Zeit gehabt, ihr Herz zu stählen und einen eisigen, unbändigen Hass auf ihn zu entwickeln. Bald würde sie mit dem größten Vergnügen Julian ihr ganz spezielles Rache-Menü servieren.
1. KAPITEL West Hollywood, Los Angeles
Devil's Paradise war samstagabends die angesagteste Partylocation in der Stadt der Engel. Der perfekte Ort der Versuchung. Die ideale Kulisse zum Sündigen. Und sie gehörte ihm.
Julian Ascher begutachtete das Treiben in seinem Nachtklub aus einem gläsernen Kontrollraum zwei Stockwerke über der Tanzfläche. Unter ihm erbebte die Masse attraktiver Körper zum lauten Rhythmus der Musik. Schweiß und Pheromone erfüllten die Luft. Eine ganze Legion von Barkeepern war hinter dem Tresen aus weißem Terrazzostein damit beschäftigt, Unmengen von Cocktails, Bier und Shots auszuschenken.
An den meisten Abenden reichte es Julian, hier oben zu stehen und dem Treiben zuzusehen. Doch an diesem Abend war er unruhig. Er verspürte eine unangenehme Anspannung, die er irgendwie loswerden musste.
Am besten mithilfe von etwas Weichem und Weiblichem.
Er öffnete die Tür des Kontrollraums. Das Dröhnen der Musik und die Hitze der Menschen unter ihm schlugen ihm sofort entgegen und drangen in seine Poren, als er die Metalltreppe zur Tanzfläche hinunterstieg. Die Masse teilte sich, seiner Macht gewahr werdend, während er durch den Klub ging, von bewundernden Blicken verfolgt. Stammgäste versuchten, ihm die Hand zu schütteln - ein betrunkener Footballstar, ein minderjähriges Starlet.
Mehrere Frauen wollten ihn in ein Gespräch verwickeln, aber er ließ sie charmant abblitzen und setzte unbeirrt seinen Weg fort. Es war eine Art Hobby von ihm, schöne Frauen zu zerstören. Es erfüllte ihn mit tiefer Befriedigung, dem Schönen alles zu nehmen. Doch er hatte einen ganz speziellen Geschmack, und keine der Frauen, die an diesem Abend im Klub waren, erfüllten seine Kriterien. Enttäuscht ging er weiter.
„Julian, hier drüben!", rief ihm der Geschäftsführer des Klubs zu und wollte ihn zu sich winken.
„Nicht jetzt", entgegnete Julian, ohne stehen zu bleiben. Er schob sich durch die Masse schöner Menschen, die auf der Tanzfläche versammelt waren wie Schmetterlinge um eine Nektarquelle. Als Erzdämon hatte Julian bereits Tausende von Seelen ins Verderben gestürzt. Im ganzen Land besaß er Nachtklubs. Nach zweihundert Jahren des Studiums der menschlichen Schwächen und Verzweiflung, ihrer Fantasien und Begierden trug sein Bemühen nun Früchte. Und als Herrscher über dieses Reich des Frevels war er zu einem wahren Kenner der Lust und des Vergnügens geworden.
Am Anfang war es nicht so einfach gewesen. Als frischgebackener Dämon hatte er häufig Schlachten um Seelen verloren. Doch jetzt, nach eben diesen zweihundert Jahren, war alles schon fast zu einfach. Wenn Julian heutzutage um eine Seele kämpfte, gewann er sie immer.
Sein neuer Klub, Devil's Ecstasy, würde Ende des Monats in Las Vegas eröffnen. Er befand sich im spektakulären Hotel Lussuria, dessen Inhaber sein Gefährte, der Erzdämon Corbin Ranulfson, war. Dieser neue Nachtklub würde Julians Glanzstück werden. Der Erfolg war garantiert.
Und trotzdem war er unzufrieden. Wieso?
Er schob sich weiter durch die Menge und betrat die VIP-Lounge. Auf den weißen Ledersofas knutschten Pärchen und vergnügten sich Dreiergrüppchen ganz offen. In einer Ecke zog sich ein berühmter junger Hollywood-Star eine Line Koks vom entblößten Hintern eines Mädchens. Die Klubbesucher schauten zu.
„Seht zu, dass er Spaß hat", wies Julian einen Kellner an. „Und dass ihm der Stoff nicht ausgeht."
Mit stumpfem Blick begutachtete Julian die Szene, vollkommen gleichgültig für das laszive Geschehen um ihn herum. Dieselben lüsternen Bilder boten sich ihm jeden Abend dar, wenn der Klub geöffnet war. Nichts von dem, was er hier sah, machte ihn auch nur im Entferntesten an.
Beinahe schon apathisch drehte Julian sich um, um sich wieder in den Überwachungsraum zurückzuziehen.
Und dann erblickte er sie.
In seinem Augenwinkel bemerkte er ihr Schimmern. Es glich einem Goldbarren, der an einem schlammigen Flussufer lag. Er blinzelte, unsicher, ob es nicht doch nur ein Lichtreflex gewesen war. Doch als er sich umwandte und genau hinsah, stand sie da.
Sie war gekleidet wie für einen Strandtag und nicht für einen Abend im Tempel der Sünde. Ihr schlichtes, sonnengelbes Kleid betonte ihre gebräunten Arme und geschmeidigen Kurven. Das blonde Haar fiel ihr in Wellen auf den Rücken. Ihr Gesicht war von klassischer Schönheit, so perfekt, dass es selbst aus der Ferne auffiel. Auch die anderen Männer starrten sie an. Wie Haie, die Blut im Wasser rochen, umkreisten sie die Frau. Wen suchte sie? Hatte sie ihre Freundin aus den Augen verloren? Ihren Geliebten?
Er fixierte sie, und sie hob den Kopf - als könnte sie durch den Lärm und das Gewühl in der VIP-Lounge seine Gedanken lesen. Sie schaute ihm direkt in die Augen. Aus zehn Metern Entfernung eine offene Herausforderung. Dann drehte sie sich um und verschwand.
Sein Jagdinstinkt war geweckt.
Julian folgte ihr durch die Menge, erhaschte mal einen Blick auf ihr blondes Haar, mal auf ihre bloßen Schultern, während sie immer tiefer in die tanzende Masse eintauchte. Der Puls der Musik erbebte in seinen Adern und trieb ihn voran. Er bahnte sich seinen Weg zu ihr, ohne Rücksicht auf Verluste.
Als er ihr nahe genug war, schloss er seine Finger um ihren Arm. Ihre Haut fühlte sich an wie die eines Neugeborenen, so zart und weich. Ihr Bizeps spannte sich unter seinem fester werdenden Griff an. Die Lust strömte von seinen Fingerspitzen direkt in seinen Unterleib. Sie erstarrte und drehte sich um. Von Weitem war sie schön. Von Nahem göttlich.
Mit einem Blick erfasste er ihre hohen Wangenknochen, ihre vollen Lippen, ihre großen, vertrauensvollen Augen. Die Unschuld, die er in ihnen las, hatte nichts mit Arglosigkeit zu tun, sondern mit Glauben. Er wollte sie verschlingen. Sich in sie versenken, Teil von ihr werden und sie nie mehr gehen lassen.
Die Zeit schien stehen geblieben zu sein. Kein Ton war mehr zu hören. Aber mit einem Mal platzte in die Stille das Rascheln von Federn hinein, das Ausbreiten von Flügeln. Kaum war ihm klar geworden, was da geschah, wurde er von einer neuen Energie erfasst: Sie war ein Engel. Ein Schutzengel, der niedrigste Rang der Himmelswesen, verantwortlich für den Schutz der Menschheit auf Erden.
Warum ihn diese Tatsache so überraschte, wusste er nicht zu sagen. Er hatte schon viele Engel getroffen, oft mit ihnen gekämpft. Aber keiner war je so dumm gewesen, einen Fuß in einen seiner Klubs zu setzen. Was hatte sie hier zu suchen? In seinem Hoheitsgebiet?
Um ihn herum kam das Leben wieder in Gang; der hämmernde Bass der Musik ergriff wieder von ihm Besitz. Sie wand sich, um sich ihm endlich zu entziehen. Er verstärkte seinen Griff, wollte sie nicht gehen lassen.
Aus welchem Grund auch immer - sie war ins Devil's Paradise gekommen, mit ihrem unschuldigen Sommerkleidchen und ihrem lachhaften Glauben an das Gute im Menschen.
Jetzt war sie auf seinem Territorium.
Übersetzung: Gisela Schmitt
MIRA Taschenbuch Band 65063 © 2011 by Stephanie Chong Originaltitel: Where Demons Fear To Tread
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Autoren-Porträt von Stephanie Chong
Stephanie Chong hat als Anwältin gearbeitet, bevor sie in Oxford Kreatives Schreiben studiert und ihren Traumjob entdeckt hat: Schriftstellerin. Wenn sie nicht schreibt, macht sie Yoga, reist oder ist in der Natur unterwegs. Sie lebt in Vancouver, zusammen mit ihrem Ehemann und ihrem Mops Dexter.
Bibliographische Angaben
- Autor: Stephanie Chong
- 2012, 1. Aufl., 316 Seiten, Maße: 12,4 x 18,4 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Schmitt, Gisela
- Übersetzer: Gisela Schmitt
- Verlag: MIRA Taschenbuch
- ISBN-10: 3862784665
- ISBN-13: 9783862784660
- Erscheinungsdatum: 01.10.2012
Rezension zu „Die Sehnsucht des Dämons “
Gefährlich sexy - ein Muss für Romantic-Thriller-Fans!"RT Bookclub"Eine berauschende Lektüre, die man nicht aus der Hand legen kann. Verbotene Leidenschaft brennt glühend heiß zwischen Serena und Julian."- Romance Junkies"Eine wunderbar geschriebene Geschichte um Gut und Böse"- Literal Addiction
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