Mein dunkler Prinz / Dark Carpathians Bd.1
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Mein dunklerPrinz von Christine Feehan
LESEPROBEKapitel 1
Es war sinnlos, sich noch länger etwas vorzumachen. Langsamund unendlich erschöpft schloss Mikhail Dubrinsky dieledergebundene Erstausgabe. Dies war das Ende. Er konnte es einfach nicht mehrertragen. Selbst die Bücher, die er so liebte, vermochten die gnadenlose,grausame Einsamkeit seines Daseins nicht mehr zu vertreiben. Das Arbeitszimmerwurde von Bücherregalen gesäumt, die bis zur Decke reichten. Mikhail hattejedes der Bücher gelesen und sich viele der Texte im Laufe der Jahrhunderteeingeprägt. Doch nun fand sein Geist in ihnen keine Zuflucht mehr. Die Bücherregten zwar seinen Intellekt an, brachen ihm jedoch das Herz.
Bei Tagesanbruch würde er keinen Schlaf finden, jedenfallsnicht den heilsamen Schlaf der Erneuerung; er würde die ewige Ruhe suchen, mögesich Gott seiner Seele erbarmen. Sein Volk war in alle Winde zerstreut, verfolgtund beinahe ausgelöscht. Dabei hatte er wirklich alles versucht, hatte allseine geistigen und körperlichen Fähigkeiten aufgeboten und jede neueTechnologie erforscht. Er hatte sein Leben mit Kunst und Philosophiebereichert, mit Arbeit und Wissenschaft. Alle Heilkräuter und giftigen Pflanzenwaren ihm bekannt, er wusste um jede Waffe der Menschheit und hatte gelernt,selbst eine Waffe zu sein. Und doch war er allein geblieben.
Er gehörte einer aussterbenden Rasse an und hatte sein Volkim Stich gelassen. Als ihr Anführer war es seine Aufgabe gewesen, Mittel undWege zu finden, um diejenigen zu schützen, für die er die Verantwortung trug.Zu viele der Männer gaben auf und verwandelten sich aus lauter Verzweiflung in Untote. Es gab keine Frauen mehr, die für den Fortbestanddes Volkes sorgen und die Männer vor der Finsternis retten konnten, in der sielebten. Es gab keine Hoffnung mehr. Die Männer glichen mehr und mehrRaubtieren, während sich die Finsternis in ihren Seelen ausbreitete, bis allihre Gefühle erloschen waren, bis die Welt ihnen nur noch als ein grauer undkalter Ort erschien. Für jeden von ihnen war es absolut notwendig, seine andereHälfte zu finden, die Gefährtin, die ihn aus der Dunkelheit ins Licht führte.
Tiefe Trauer überwältigte Mikhail und drohte, ihn zuverschlingen. Er hob den Kopf, und ein Schmerzenslaut entrang sich seinerKehle, der dem Schrei eines verwundeten Tieres glich. Er konnte es einfachnicht länger aushalten, allein zu sein.
Das Problem ist docheigentlich nicht das Alleinsein, sondern die Einsamkeit. Man kann sich auchinmitten einer Menschenmenge einsam fühlen, nicht wahr?
Mikhail erstarrte. Nur seinen Blick ließ er wachsam umhergleiten, als wäre er eine Raubkatze, die Gefahrwittert. Er atmete tief ein und schirmte seine Gedanken blitzschnell ab,während er all seine Sinne schärfte, um den Eindringling aufzuspüren. Nein, erwar allein. Er konnte sich unmöglich irren, schließlich war er der Älteste und Erfahrenste von allen. Niemandem konnte es gelingen, seinenSchutzzauber zu überwinden und sich ihm zu nähern, ohne dass er davon erfuhr.Verwundert dachte er über die Worte nach, lauschte im Geiste noch einmal derStimme. Weiblich, jung, intelligent. Vorsichtig öffnete er seinen Geist einwenig, um ihre telepathische Spur zu verfolgen. Ja, so empfinde ich es auch, stimmte er zu. Ohne es zu merken,hielt Mikhail den Atem an. Er wünschte sich einen erneuten Kontakt. EineSterbliche, die Interesse an ihm zeigte? Er wurde neugierig.
Manchmal wandere ichin die Berge und bleibe dort ganz allein, oft wochenlang, fühle mich aberniemals einsam. Wenn ich jedoch auf eine Party gehe und von vielen Leutenumgeben bin, empfinde ich die Einsamkeit sehr deutlich.
Mikhail spürte plötzlich heißes Verlangen. Ihre Stimme, dieseinen Geist erfüllte, war so sanft und melodisch, so sexy in ihrer Unschuld.Schon seit Jahrhunderten hatte Mikhail keine Empfindungen mehr gekannt undkeine Frau mehr begehrt. Und jetzt hörte er plötzlich die Stimme einerSterblichen und war überrascht von dem flüssigen Feuer, das durch seine Adernzu rinnen schien. Wie kommt es, dass dumit mir sprechen kannst?
Es tut mir Leid, wennich zu aufdringlich gewesen bin. Deutlich spürte Mikhail, dass sie dieEntschuldigung ernst meinte. Doch deinSchmerz war so groß, so grausam, dass ich ihn einfach nicht ignorieren konnte.Ich dachte, du brauchst vielleicht jemanden, mit dem du reden kannst. Der Todist kein Ausweg, das weißt du wohl auch selbst. Aber ich lasse dich sofort inRuhe, wenn du möchtest.
Nein! SeineAntwort war ein deutlicher Befehl, gegeben von einem Wesen, das an unbedingtenGehorsam gewöhnt war.
Mikhail spürte ihr Lachen, noch bevor der Klang zu ihm durchdrang.Leise, unbeschwert, einladend. Erwartestdu, dass man immer auf dein Kommando hört?
Allerdings. Erwusste nicht, was er von ihrem Lachen halten sollte. Sie faszinierte ihn. Esstürzten so viele Empfindungen auf ihn ein, dass er davon schier überwältigtwurde.
Du bist ein echtereuropäischer Aristokrat, nicht wahr? Unermesslich reich und ebenso arrogant.
Mikhail musste über ihre Neckerei lächeln. Dabei hatte erseit etwa sechshundert Jahren nicht mehr gelächelt. Ja, genau. Ungeduldig wartete er darauf, wieder ihr Lachen zuhören, denn das erste Mal hatte ihn bereits geradezu süchtig danach gemacht.
Als sie schließlich lachte, schienen ihn die Laute zuliebkosen wie die sanfte Berührung einer Hand auf seiner Haut. Ich bin Amerikanerin, damit wären wir dannwohl so unvereinbar wie Feuer und Wasser.
Endlich hatte Mikhail ihre Spur gefunden und wusste, wo siesich aufhielt. Sie würde ihm nicht entwischen können. Auch Amerikanerinnen kann man mit den richtigen Methoden Gehorsambeibringen, antwortete er mit bewusst übertriebenem Akzent und wartetegespannt auf ihre Reaktion.
Du bist wirklichausgesprochen eingebildet. Er liebte das Geräusch ihres fröhlichen Lachensund nahm es so tief wie möglich in sich auf. Dann spürte er ihre Müdigkeit. Siegähnte. Umso besser. Er gab ihr einen kaum merklichen mentalen Stoß, um sieeinschlafen zu lassen, damit er sie in Ruhe überprüfen konnte.
Lass das! Sie zogsich augenblicklich von ihm zurück, verletzt und misstrauisch. Blitzschnellschirmte sie ihren Geist ab, sodass Mikhail über ihre Geschicklichkeit staunte.Trotz ihrer Jugend war sie sehr stark, besonders für eine Sterbliche. Es standaußer Frage, dass sie eine Sterbliche war. Ohne auf die Uhr zu sehen, wussteMikhail, dass ihm noch fünf Stunden bis Tagesanbruch blieben. Allerdingskonnten ihm die Morgen- und Abendsonne auch nichts anhaben. Vorsichtig prüfteer ihre geistige Blockade und lächelte dann leicht. Ja, sie war stark, aberlängst nicht stark genug.
Sein muskulöser, athletischer Körper begann zu schimmern undsich in hauchzarten Nebel aufzulösen, der unter der Tür hindurchströmte, hinausin die kühle Nacht. Dort sammelten sich die winzigen Tropfen wieder, verbandensich und formten die Umrisse eines majestätischen Vogels. Er erhob sich in dieLüfte und zog seine Kreise am nächtlichen Himmel, leise, gefährlich und vonerhabener Schönheit.
Mikhail genoss die Macht des Fliegens, den Wind, der anseinem Körper vorbeirauschte, die Nachtluft, die zu ihm sprach, ihm ihreGeheimnisse zuflüsterte und die Witterung von Beute zu ihm trug. Mühelos folgteer der schwachen telepathischen Spur. Sein Blut geriet in Wallung. EineSterbliche, jung, voller Lebensfreude, eine Sterbliche, die mit ihm intelepathischer Verbindung stand. Sie besaß Mitgefühl, Intelligenz und Stärke.Tod und Verdammnis würden warten müssen, bis er seine Neugier befriedigt hatte.
Der kleine Gasthof lag am Waldrand am Fuße der Berge. Nur inwenigen Zimmern brannte noch Licht, da sich die Bewohner bereits zur Ruhegelegt hatten. Mikhail landete auf der Balkonbrüstung vor dem Fenster ihresZimmers im zweiten Stock und hielt sich ganz ruhig, sodass er mit der Nachtverschmolz. Ihr Zimmer gehörte zu den Räumen, in denen noch Licht brannte.Offensichtlich konnte sie nicht schlafen. Der Blick seiner dunklen, funkelndenAugen fand sie, ruhte auf ihr und ergriff von ihr Besitz.
Sie war zierlich, mit verführerischen weiblichen Kurven undschmaler Taille. Ihr langes schwarzes Haar fiel ihr offen den Rücken hinunterund lenkte die Aufmerksamkeit auf ihren festen, wohl gerundeten Po. Mikhailhielt den Atem an. Sie war bezaubernd, bildschön. Ihre Haut schimmerte wie Seide,und ihre großen Augen leuchteten in tiefem Blau, umrahmt von langen, dunklenWimpern. Ihm entging keine Einzelheit. Sie trug ein weißes Spitzennachthemd,das die Rundungen ihrer Brüste betonte und ihren zarten Hals und diemilchweißen Schultern entblößte. Ihre Hände und Füße waren schmal und zierlich.So viel Stärke in so zarter Verpackung.
Sie bürstete sich das Haar, während sie am Fenster stand undgedankenverloren hinausblickte. Um ihren sinnlichen Mund herum zeigten sichfeine Linien der Anspannung. Mikhail konnte ihren Schmerz spüren, ihr Bedürfnisnach Schlaf, der sich einfach nicht einstellen wollte. Sein Blick folgte jedemeinzelnen Bürstenstrich. Ihre Bewegungen wirkten unschuldig und erotischzugleich. Gefangen in der Gestalt des Vogels spürte Mikhail Erregung. Dankbarwandte er den Kopf gen Himmel. Die bloße Freude, nach all den Jahrhunderten deremotionalen Leere endlich wieder etwas empfinden zu können, war überwältigend.
Mit jeder Armbewegung hoben und senkten sich ihre Brüste.Die weiße Spitze lag eng an ihrer schmalen Taille an, und das dunkle Dreieckzwischen ihren Schenkeln zeichnete sich verführerisch unter dem dünnen Stoffab. Mikhail schlug seine Krallen tief in die Balkonbrüstung und hinterließtiefe Kratzer in dem weichen Holz. Er ließ sie nicht aus den Augen. Sie war soanmutig und begehrenswert! Immer wieder glitt sein Blick zu ihrem weichen Hals,zu ihrem kaum sichtbaren, ruhigen Pulsschlag. Sie ist mein. Schnell verdrängte er den Gedanken und schüttelte denKopf.
Blaue Augen. Blau.Sie hatte blaue Augen. Erst in diesem Augenblick wurde Mikhail bewusst, dass erFarben sehen konnte, strahlende, lebendige Farben. Er saß wie erstarrt da. Eswar unmöglich. Die Männer seines Volkes verloren die Fähigkeit, etwas andereszu sehen als triste Grautöne, zusammen mit der Fähigkeit, etwas zu empfinden.Nur eine Gefährtin vermochte es, einem Mann Gefühle und Farben zurückzugeben.Eine Karpatianerin war für einen Mann das Licht inder Finsternis. Seine zweite Hälfte. Ohne sie ergriffen die animalischenInstinkte immer mehr von ihm Besitz, bis die Finsternis schließlich siegte. Esgab keine Karpatianerinnen mehr, die künftigeGefährtinnen gebären konnten. Die wenigen Frauen, die überhaupt noch übriggeblieben waren, schienen nur Männer zur Welt bringen zu können. Es war eineausweglose Situation. Menschliche Frauen konnten nicht verwandelt werden, ohnedabei den Verstand zu verlieren. Man hatte es versucht. Diese Frau konnteunmöglich seine Gefährtin sein.
Mikhail beobachtete, wie sie das Licht ausschaltete und sichaufs Bett legte. Er spürte, dass sie nach ihm suchte. Bist du wach? Die Frage klang zaghaft.
Zuerst weigerte er sich zu antworten, denn es gefiel ihmnicht, dass er den Kontakt so sehr brauchte. Er konnte es sich nicht leisten,die Kontrolle zu verlieren; er wagte es nicht. Niemand durfte Macht über ihnerlangen, schon gar nicht diese zierliche Amerikanerin, eine Frau mit mehr telepathischenFähigkeiten als gesundem Menschenverstand.
Ich weiß, dass du michhören kannst. Es tut mir Leid, dass ich dich gestört habe. Es war unüberlegtvon mir. Ich werde es nicht wieder tun. Trotzdem will ich eines klarstellen:Versuch nie wieder, deine Tricks bei mir anzuwenden.
Mikhail war froh darüber, dass er die Gestalt eines Vogelsangenommen hatte, denn so konnte er nicht lächeln. Sie hatte ja keine Ahnung,wozu er fähig war. Ich fühlte mich nichtgestört. Er sandte ihr seine Antwort in sanftem Tonfall. Er musste denKontakt wiederherstellen, es war beinahe wie ein Zwang. Er brauchte den Klangihrer Stimme, das sanfte Flüstern, das seine Seele berührte wie eineLiebkosung.
Sie drehte sich um, zupfte ihr Kissen zurechtund rieb sich dann die Schläfe, als hätte sie Kopfschmerzen. Eine Hand ruhteauf der Bettdecke. Mikhail wünschte sich, sie zu berühren, ihre Haut unterseinen Fingern zu spüren. Warum hast duversucht, mich zu kontrollieren? Sie fragte nicht allein interessehalber,obwohl sie sich bemühte, es so wirken zu lassen. Mikhail spürte, dass er sie ingewisser Weise verletzt und enttäuscht hatte. Sie bewegte sich unruhig, alswartete sie auf ihren Liebhaber.
Die Vorstellung von ihr mit einem anderen Mann erzürnte ihn.Nach hunderten von Jahren empfand er endlich wieder etwas. Klare, echteGefühle. Es liegt in meiner Natur,Kontrolle auszuüben. Mikhail spürte überschwängliche Freude, war sichjedoch gleichzeitig darüber im Klaren, dass die Gefühle ihn aufbrausender, jagefährlicher machten als je zuvor. Macht bedurfte immer einer gewissenSelbstbeherrschung. Je weniger er empfand, desto leichter konnte er sich in derGewalt behalten.
Aber versuche es nichtnoch einmal bei mir. Es lag ein Unterton in ihrer Stimme, den er zwarwahrnehmen, jedoch nicht bestimmen konnte. Es war, als spürte sie, dass er eineBedrohung für sie darstellte. Denn so war es auch.
Wie soll ich gegenmeine Natur handeln, Kleines?
Mikhail sah ihr Lächeln, während es die Leere in seinemInnern ausfüllte, als es sein Herz zu durchdringen und sein Blut in Wallung zubringen schien. Wie kommst du darauf,dass ich klein sei? Tatsächlich bin ich nämlich riesengroß.
Und das soll ichglauben?
Das fröhliche Lachen schwand aus ihrer Stimme und ihrenGedanken, hallte jedoch noch in Mikhail nach. Ich bin müde und bitte dich noch einmal um Verzeihung. Es war schön,dich kennen gelernt zu haben.
Aber?,fragte er leise.
Leb wohl. Es klangendgültig.
Mikhail erhob sich in die Lüfte und stieg hoch über den Waldauf. Dies war kein Abschied. Er würde es nicht zulassen. Er konnte es nichtzulassen, denn sein Leben hing von ihr ab. Etwas, nein, jemand hatte seinInteresse geweckt und seinen Lebenswillen gestärkt. Sie hatte ihn daranerinnert, dass es so etwas wie Lachen und Frohsinn gab, dass das Leben aus soviel mehr bestand als der bloßen Existenz.
Er kreiste über dem Wald und betrachtete seine Umgebung zumersten Mal seit Jahrhunderten. Der dunkle Baldachin aus Baumkronen, dieMondstrahlen, die in den Blättern schimmerten und die Flüsse in silbriges Lichttauchten. Es war wunderschön. Ihm war ein Geschenk von unschätzbarem Wertzuteil geworden. Eine Sterbliche hatte ihm all diese Dinge ermöglicht. Sie warzweifellos sterblich. Er hätte es sofort gespürt, wenn sie seiner Rasseangehört hätte. War es möglich, dass allein ihre Stimme auch andere Karpatianer vom Rande des Abgrunds zurückholen konnte?
Im Schutze seines Hauses ging Mikhail ruhelos auf und ab. Erdachte an ihre weiche Haut und stellte sich vor, wie sie sich wohl unter seinenHänden und auf seinem Körper anfühlen, wie sie schmecken würde. Der Gedanke an ihrseidiges Haar, das über seinen erhitzten Körper strich, und an ihren zartenHals, der sich ihm darbot, erregte ihn. Plötzlich spürte er die unerwarteteReaktion seines Körpers. Es war nicht die leichte, zaghafte Erregung, die er inseiner Jugend empfunden hatte, sondern eine wilde, unnachgiebige Sehnsucht.Mikhail erschrak über die erotischen Gedanken, die in ihm aufstiegen, underlegte sich sofort strenge Disziplin auf. Eine so tiefe Leidenschaft durfte ernicht riskieren. Besorgt musste er feststellen, dass er ein besitzergreifenderMann war, tödlich in seinem Zorn und maßlos in seinem Drang zu beschützen.Diese Gefühle konnte er keinesfalls mit einer Sterblichen teilen; es wäre vielzu gefährlich für sie.
Sie war eine freiheitsliebende Frau mit erstaunlichenFähigkeiten und würde sich ständig gegen seine Natur auflehnen. Er war keinMensch. Seine Rasse bestand aus Wesen, die über animalische Instinkteverfügten, die von Generation zu Generation vererbt wurden. Es würde klügersein, Abstand von ihr zu wahren und seine Neugier nur auf einer intellektuellenEbene zu befriedigen. Sorgfältig schloss Mikhail alle Fenster und Türen undsicherte sie mit einem Schutzzauber vor Eindringlingen, bevor er sich hinunterin sein Schlafzimmer begab. In diesem Raum war er selbst vor noch größerenGefahren sicher. Wenn er aus dem Leben schied, dann nur aus freien Stücken. Erlegte sich aufs Bett. Es gab keinen Grund, den tiefen Schlaf in der heilendenErde zu suchen, also konnte er die Annehmlichkeiten der menschlichen Weltnutzen. Er schloss die Augen und verlangsamte seinen Atem.
Doch sein Körper verweigerte ihm den Gehorsam. Noch immerwar Mikhail von der Erinnerung an diese Frau erfüllt und von erotischen,verführerischen Vorstellungen. Er sah sie vor sich, wie sie in ihrem Bett lag,ihr Körper nur verhüllt von weißer Spitze. Sie streckte die Arme nach ihremLiebsten aus. Mikhail fluchte leise. In seiner Fantasie sah er nicht sichselbst, sondern einen anderen Mann bei ihr. Einen Sterblichen. Unbezähmbare,tödliche Wut ließ ihn erbeben.
Haut wie Satin und Haar wie Seide. Mikhail rief sich ihreErscheinung ins Gedächtnis, absichtlich und präzise. Er ließ kein Detail aus,bis hin zu dem albernen Nagellack auf ihren Zehennägeln. Seine kräftigen Fingerumfassten ihren Knöchel, und er spürte ihre weiche Haut an seiner. Ihm stockteder Atem, und sein Körper reagierte auf die verlockenden Empfindungen. Langsamließ er seine Hand an ihrem Bein hinaufgleiten,streichelte sanft ihre Wade, strich über ihr Knie, ihren Oberschenkel.
Als sie erwachte, bemerkte Mikhail es sofort. Zwar war auchsie erregt, doch ihre panische Angst traf ihn wie ein Faustschlag. Bewusst, umihr zu verdeutlichen, mit welcher Macht sie es zu tun hatte, streichelte er dieInnenseite ihres Schenkels.
Aufhören! IhrKörper sehnte sich nach ihm, nach seinen Berührungen. Er spürte deutlich ihrenschnellen Herzschlag und die Anstrengung ihres geistigen Kampfes mit ihm.
Hat dich ein andererMann je so berührt? Er flüsterte die Worte in ihrem Geist mit einerdunklen, gefährlichen Sinnlichkeit.
Verdammt, hör aufdamit! Tränen glitzerten in ihren Wimpern. Ich wollte dir doch nur helfen. Und ich habe mich schon dafürentschuldigt.
Wie unter Zwang ließ Mikhail seine Hand höher gleiten. Erstieß auf verführerische Hitze und auf ein Nest seidiger Locken, die einenSchatz verbargen. Besitzergreifend bedeckte er dasweiche Dreieck mit der Hand und genoss die Wärme und Feuchtigkeit. Du wirst mir antworten, Kleines. Noch habeich Zeit genug, um zu dir zu kommen und dich für immer zu der Meinen zu machen,warnte er sie leise. Antworte.
Warum tust du das?
Widersetze dich nicht.Seine Stimme klang rau vor Sehnsucht. Sacht bewegte er die Finger und fand ihreempfindlichste Stelle. Ich gehe in diesemAugenblick sehr sanft mit dir um.
Du weißt bereits, dassdie Antwort Nein lautet, flüsterte sie.
Mikhail schloss die Augen, und es gelang ihm, die Dämonen zubezwingen, die in seinem Innern zu toben schienen. Schlaf, Kleines, dir wird heute Nacht nichts geschehen. Er brachden Kontakt ab und bemerkte, dass er schweißgebadet war. Es schien zu spät zusein, um das wilde Tier in seinem Innern zu bändigen. Er brannte vorLeidenschaft. Sein Kopf dröhnte wie von Hammerschlägen, und Flammen schienengierig über seinen Körper zu lecken. Das Raubtier war frei, tödlich undhungrig. Er konnte nur hoffen, dass sie tatsächlich so stark war, wie erannahm.
Er schloss die Augen, überwältigt von Selbsthass. Schon vorJahrhunderten hatte er gelernt, dass es keinen Sinn hatte, seine animalischeSeite zu unterdrücken. Und diesmal wollte er es auch nicht. Mikhail fühlte sichnicht einfach nur sexuell angezogen; seine Empfindungen gingen tiefer. SeineUrinstinkte waren geweckt worden. Etwas tief in ihm verlangte nach ihr, und sieschien dieses Verlangen zu erwidern. Vielleicht brauchte sie seine Wildheit undLeidenschaft ebenso sehr, wie er ihr Lachen und Mitgefühl brauchte. Machte dasüberhaupt einen Unterschied? Sie beide konnten dem Schicksal nicht entrinnen.
Sanft berührte er ihren Geist, bevor er endlich die Augenschloss und seinen Atem langsam verebben ließ. Sie weinte. Noch immer spürtesie die Sehnsucht, die seine telepathischen Berührungen in ihr erweckt hatten.Sie war verletzt und verstört, und ihr Kopf schmerzte. Ohne darüber nachzudenken,schloss Mikhail sie in die Arme, strich ihr übers Haar und umgab sie mit Wärmeund Geborgenheit. Es tut mir Leid, dassich dich geängstigt habe, Kleines; es war unrecht von mir. Schlafjetzt, du bistin Sicherheit. Er flüsterte die Worte, während seine Lippen sanft ihreSchläfen und ihre Stirn berührten. Auf dieselbe Weise berührte er auch ihrenGeist.
Mikhail spürte eine seltsame Zerrissenheit in ihr. Esschien, als hätte sie ihre geistigen Fähigkeiten dazu benutzt, einerkrankhaften, abgrundtief bösen Gedankenspur zu folgen. Ihr Geist schien ausschmerzhaften klaffenden Wunden zu bestehen, die dringend heilen mussten. Siewar zu erschöpft von ihrem vorangegangenen Kräftemessen, als dass sie sichgegen ihn hätte wehren können. Er atmete mit ihr und ließ sein Herz imGleichklang mit ihrem schlagen, bis sie sich schließlich entspannte. Mit einemgeflüsterten Befehl versetzte er sie in einen tiefen Schlaf, und ihre Lidersenkten sich augenblicklich. Gemeinsam schliefen sie ein, Mikhail in seinen Gemächern,sie in ihrem Zimmer im Gasthof.
Das laute Klopfen an ihrer Tür riss sie aus dem Schlaf. Raven Whitney kämpfte gegen die unsichtbare Macht an, dieihren Körper unendlich schwer erscheinen ließ und ihre Augen geschlossen hielt.Sie erschrak. Sie fühlte sich, als hätte jemand sie betäubt. Ein Blick auf denWecker auf ihrem Nachttisch verriet ihr, dass es bereits sieben Uhr abends war.Sie hatte den ganzen Tag verschlafen. Langsam setzte sie sich im Bett auf, alsmüsste sie ihre Glieder aus tiefem Treibsand befreien. Es klopfte wieder.
Das Geräusch hallte schmerzhaft in ihrem Kopf wider. »Ja,bitte?« Obwohl ihr Herz vor Angst hämmerte, zwang sie sich, ihrer Stimme einenruhigen Klang zu verleihen. Sie befand sich in großer Gefahr. Es blieb ihrnichts anderes übrig, als schnellstens zu packen und von diesem Ort zu fliehen,obwohl sie wusste, wie nutzlos dieser Versuch sein würde. Schließlich war siediejenige, die bereits vier Massenmörder gestellt hatte, indem sie ihrenGedankenspuren gefolgt war. Und dieser Mann verfügte über Fähigkeiten, dietausendmal stärker waren als ihre. Außerdem faszinierte es sie, einen Menschengefunden zu haben, der ihre Gabe teilte. Nie zuvor war sie jemandem begegnet,der ihr darin glich. Sie wünschte sich, in seiner Nähe zu bleiben, um von ihmzu lernen, doch durch den skrupellosen Gebrauch seiner Macht stellte er eine zugroße Bedrohung dar. Sie musste sich so schnell wie möglich vor ihm inSicherheit bringen.
»Raven, geht es Ihnen gut?« Die männliche Stimme klang besorgt.
Jacob. Sie hatte die Geschwister Jacob und Shelly Evans am vergangenen Abend im Speisesaal kennengelernt, als sie gerade angekommen waren. Sie unternahmen mit acht weiterenTouristen eine Rundreise durch die Karpaten. Ravenkonnte sich nicht mehr genau an das Gespräch mit den beiden erinnern, da siemüde gewesen war.
Sie war in die Karpaten gekommen, um allein zu sein und sichvon der letzten Tortur zu erholen, die sie erduldet hatte, um der Fährte einesperversen Serienmörders zu folgen. Sie hatte sich von der Reisegruppe ferngehalten, doch Jacob und Shelly waren dennoch mit ihrins Gespräch gekommen. Immerhin hatte sie die Geschwister schnell aus ihrerErinnerung streichen können. »Es geht mir gut, Jacob, ich habe mir wohl einkleines Virus eingefangen«, versicherte sie ihm, obwohl sie sich alles andereals wohl fühlte. Mit zitternden Händen fuhr sie sich durchs Haar. »Ich bin nursehr müde und möchte mich ausruhen.«
»Kommen Sie denn nicht zum Abendessen?«Sein gekränkter Tonfall ärgerte Raven. Sie wollte nicht,dass jemand Ansprüche an sie stellte, und der letzte Ort, an dem sie sich imAugenblick aufhalten wollte, war ein überfüllter Speiseraum.
»Nein, tut mir Leid. Vielleicht ein anderes Mal.« Raven hatte keine Zeit fürHöflichkeiten. Wie hatte ihr gestern Nacht nur dieser Fehler unterlaufenkönnen? Normalerweise war sie vorsichtig und ließ es nicht zu, in näheren odergar körperlichen Kontakt mit anderen Menschen zu kommen
© für die deutschsprachige Ausgabe 2003 byVerlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, Bergisch Gladbach
- Autor: Christine Feehan
- Altersempfehlung: 16 - 99 Jahre
- 2003, 446 Seiten, Maße: 12,4 x 18,5 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Übersetzung: Thomsen, Katja
- Verlag: Bastei Lübbe
- ISBN-10: 3404186648
- ISBN-13: 9783404186648
- Erscheinungsdatum: 28.10.2003
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