Das autobiographische Gedächtnis
Hirnorganische Grundlagen und biosoziale Entwicklung
Das Gedächtnis ist es, was den Menschen von anderen Lebewesen unterscheidet. Genauer muß man sagen: Es ist das autobiographische Gedächtnis, das den Menschen zum Menschen macht. Es handelt sich um das Vermögen, »Ich« sagen zu können und damit eine...
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Produktinformationen zu „Das autobiographische Gedächtnis “
Klappentext zu „Das autobiographische Gedächtnis “
Das Gedächtnis ist es, was den Menschen von anderen Lebewesen unterscheidet. Genauer muß man sagen: Es ist das autobiographische Gedächtnis, das den Menschen zum Menschen macht. Es handelt sich um das Vermögen, »Ich« sagen zu können und damit eine einzigartige Person zu meinen, die eine besondere Lebensgeschichte, eine bewußte Gegenwart und eine erwartbare Zukunft hat.Das Buch beschäftigt sich in interdisziplinärer Sicht auf der Basis neuester Forschungsergebnisse mit der Entwicklung des autobiographischen Gedächtnissystems, die erst mit dem Erwachsenenalter vollständig abgeschlossen ist. Seine Entstehung basiert auf einem komplexen Zusammenspiel hirnorganischer Reifungsvorgänge, sozialer Entwicklungsanreize und psychischer Entwicklungsschritte.
Weil das Gehirn und mit ihm das Gedächtnis sich selbst erst in der Auseinandersetzung mit seiner physischen und sozialen Umwelt ausbildet und strukturiert, ist die Gehirn- und Gedächtnisentwicklung prinzipiell ein biosozialer Prozeß; organische und psychosoziale Reifung sind in der menschlichen Entwicklung lediglich unterschiedliche Aspekte ein und desselben Vorgangs. Die Autoren zeigen, daß die unfruchtbaren Dualismen von Gehirn und Geist, Natur und Kultur in interdisziplinärer Forschungsarbeit überwunden werden können. Sie liefern zugleich einen aktuellen Überblick über die Entstehung des menschlichen Gedächtnisses und einen Einstieg in ein neues Feld der Gedächtnis- und Erinnerungs forschung.
Lese-Probe zu „Das autobiographische Gedächtnis “
1 Eine neue Betrachtungsweise des GedächtnissesDas Gedächtnis ist es, was den menschlichen Geist von dem anderer Primaten und anderer Säugetiere überhaupt unterscheidet. Genauer muß man sagen: Es ist das autobiographische Gedächtnis, was den Menschen zum Menschen macht, also das Vermögen, "Ich" sagen zu können und damit eine einzigartige Person zu meinen, die eine besondere Lebensgeschichte, eine bewußte Gegenwart und eine erwartbare Zukunft hat. Abstrakter formuliert liefert ihm das autobiographische Gedächtnis das Vermögen, die persönliche Existenz in einem Raum-Zeit-Kontinuum zu situieren und auf eine Vergangenheit zurückblicken zu können, die der Gegenwart vorausgegangen ist. Offensichtlich dient dieses Vermögen, "mentale Zeitreisen" (Endel Tulving) vornehmen zu können, dem Zweck, Orientierungen für zukünftiges Handeln zu ermöglichen. Erlerntes und Erfahrenes kann auf diese Weise für die Gestaltung und Planung von Zukünftigem genutzt werden.
Um diese Orientierungsleistung zu ermöglichen, muß das autobiographische Gedächtnis aber noch drei weitere Merkmale aufweisen: Die Erinnerungen müssen einen Ich-Bezug haben, um sinnvoll genutzt werden zu können - das Kind scheut das Feuer nur dann, wenn es sich selbst verbrannt hat. Damit hängt zweitens zusammen, daß autobiographische Erinnerungen einen emotionalen Index haben, also jeweils mit einem positiv oder negativ bewerteten Gefühl verknüpft sind, das uns anzeigt, welche Schlußfolgerungen aus dem Erinnern oder Wiedererkennen einer Situation sinnvollerweise zu ziehen sind. Und drittens sind autobiographische Erinnerungen "autonoetisch", das heißt, wir erinnern uns nicht nur, sondern können uns auch dessen bewußt sein, daß wir uns erinnern. Dieses Vermögen zur autonoetischen Erinnerung liefert den unschätzbaren Vorteil eines bewußten, expliziten Abrufs von Erinnerungen. Das bedeutet, daß man sich willentlich in längst vergangene Situationen zurückversetzen kann, zum Beispiel, um sich eine Handlung und ihre nicht
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wahrgenommenen Alternativen vor Augen zu führen, weil man in einer analogen Situation in der Gegenwart ein breiteres Handlungsspektrum nutzen und eine begründete Entscheidung treffen möchte.
Über ein autobiographisches Gedächtnis zu verfügen, bedeutet in evolutionärer Perspektive einen enormen Anpassungsvorteil: Es schafft die Möglichkeit, sich bewußt und reflexiv zu dem zu verhalten, was einem widerfahren ist und wie man darauf reagiert hat. In begrenztem Umfang verfügen auch Tiere über diese Fähigkeit, indem sie sich etwa an Fundstellen von Nahrung "erinnern", sich Freßfeinde und Gefahrensituationen "merken". Insofern ist Gedächtnis in einem außerordentlich weitgehenden Sinn konstitutiv für Leben überhaupt: Selbst die einfachsten Lebewesen existieren in einer Umwelt und können in dieser nur dann erfolgreich bestehen, wenn sie bestimmte Anforderungen dieser ihrer Umwelt in ihr Reaktionssystem einbauen. Tatsächlich sind viele entscheidende Erkenntnisfortschritte der Gedächtnisforschung an Untersuchungen darüber gewonnen worden, wie sich die neuronalen Verschaltungsstrukturen sehr einfacher Organismen (z. B. der Meeresschnecke Aplysia, vgl. Bailey & Kandel, 1995) aufgrund von Umwelterfahrungen entwickeln und verändern. Auf dieser Ebene ist Gedächtnis zunächst ein Mechanismus, der die Erfahrung mit einer Umwelt in die Struktur des Nervensystems des entsprechenden Organismus umsetzt. So betrachtet, hat Gedächtnis prinzipiell einen Bezug auf die Entwicklung eines Lebewesens in einer spezifischen Umwelt, und diese Entwicklung verläuft erfahrungs- oder nutzungsabhängig.
Die basalen Funktionen von Gedächtnis sind im Grundsatz bei Menschen dieselben wie bei anderen Organismen. Wie wir im Verlauf dieses Buches zeigen werden, entwickeln Menschen neben den Gedächtnisfunktionen, die sie mit anderen Säugetieren und besonders mit anderen Primaten teilen, sowohl phylogenetisch als auch on
Über ein autobiographisches Gedächtnis zu verfügen, bedeutet in evolutionärer Perspektive einen enormen Anpassungsvorteil: Es schafft die Möglichkeit, sich bewußt und reflexiv zu dem zu verhalten, was einem widerfahren ist und wie man darauf reagiert hat. In begrenztem Umfang verfügen auch Tiere über diese Fähigkeit, indem sie sich etwa an Fundstellen von Nahrung "erinnern", sich Freßfeinde und Gefahrensituationen "merken". Insofern ist Gedächtnis in einem außerordentlich weitgehenden Sinn konstitutiv für Leben überhaupt: Selbst die einfachsten Lebewesen existieren in einer Umwelt und können in dieser nur dann erfolgreich bestehen, wenn sie bestimmte Anforderungen dieser ihrer Umwelt in ihr Reaktionssystem einbauen. Tatsächlich sind viele entscheidende Erkenntnisfortschritte der Gedächtnisforschung an Untersuchungen darüber gewonnen worden, wie sich die neuronalen Verschaltungsstrukturen sehr einfacher Organismen (z. B. der Meeresschnecke Aplysia, vgl. Bailey & Kandel, 1995) aufgrund von Umwelterfahrungen entwickeln und verändern. Auf dieser Ebene ist Gedächtnis zunächst ein Mechanismus, der die Erfahrung mit einer Umwelt in die Struktur des Nervensystems des entsprechenden Organismus umsetzt. So betrachtet, hat Gedächtnis prinzipiell einen Bezug auf die Entwicklung eines Lebewesens in einer spezifischen Umwelt, und diese Entwicklung verläuft erfahrungs- oder nutzungsabhängig.
Die basalen Funktionen von Gedächtnis sind im Grundsatz bei Menschen dieselben wie bei anderen Organismen. Wie wir im Verlauf dieses Buches zeigen werden, entwickeln Menschen neben den Gedächtnisfunktionen, die sie mit anderen Säugetieren und besonders mit anderen Primaten teilen, sowohl phylogenetisch als auch on
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Inhaltsverzeichnis zu „Das autobiographische Gedächtnis “
Aus dem Inhalt: Bereich I
Das Gedächtnis aus interdisziplinärer Sicht
1 Eine neue Betrachtungsweise des Gedächtnisses
2 Konvergenzzonen zwischen den Disziplinen
3 Warum Tiere kein autobiographisches Gedächtnis habenBereich II
Die Entwicklung des autobiographischen Gedächtnisses auf Hirnebene
4 Gedächtnis und andere kognitive und emotive Funktionen entwickeln sich interdependent
Die Funktionen des Stirnhirns
Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit
Exekutive Funktionen
Motivation und Emotion - das limbische System
Bereich III
Das autobiographische Gedächtnis: eine lebenslange Entwicklungsaufgabe
5 Entwicklung von Lernen und Gedächtnis pränatal und während der ersten Lebensmonate
Pränatale und transnatale Gedächtnisentwicklung - früheste Formen des Lernens
6 Der erste Quantensprung der Gedächtnisentwicklung: Die Neun-Monats-Revolution
Die Sozialisierung von Gefühlen
7 Der zweite Quantensprung der Gedächtnisentwicklung: Sprache
Protospracherwerb
Protokonversationen
Spracherwerb
Memory talk
Theory of Mind - Psychologisches Verstehen
8 Eine Exploration zum autobiographischen Gedächtnis bei kleinen
Kindern
Selbsterkennen
Erinnerung an ein EreignisÖrtlicher Kontext eines Ereignisses
Zeitliche Einordnung eines Ereignisses
9 Das autobiographische Gedächtnis: ein Wandlungskontinuum
10 Das Alter des Erinnerns - Einige Ergebnisse unseres interdisziplinären Forschungsprojektes"Erinnerung und Gedächtnis"$11 Eine formative Theorie der Gedächtnisentwicklung
12 Gedächtnis im Alter
Arbeitsgedächtnis, exekutive Funktionen und Langzeitgedächtnis Defizite in anderen kognitiven und emotiven Funktionsbereichen
Benigne Altersvergeßlichkeit, leichte kognitive Beeinträchtigung, Demenz
13 Das autobiographische Gedächtnis: ein biokulturelles Relais zwischen Individuum und Umwelt
Autoren-Porträt von Hans J. Markowitsch, Harald Welzer
Hans J. Markowitsch ist Professor für Physiologische Psychologie an der Universität Bielefeld. Er ist Autor oder Herausgeber von einem Dutzend Büchern und mehr als 400 Buch- und Zeitschriftenartikeln zu den Themen Gedächtnis und Gedächtnisstörungen sowie Wechselwirkungen zwischen Gedächtnis und Emotion. Harald Welzer ist Direktor des Center for Interdisciplinary Memory Research am Kulturwissenschaftlichen Institut Essen und Forschungsprofessor für Sozialpsychologie an der Universität Witten / Herdecke. Zahlreiche Buch- und Zeitschriftenveröffentlichungen zu den Themen Erinnerung, Gedächtnis und Tradierung. ISBN3-608-94409-5
Bibliographische Angaben
- Autoren: Hans J. Markowitsch , Harald Welzer
- 2005, 301 Seiten, 70 Abbildungen, Maße: 16,4 x 23,6 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Klett-Cotta
- ISBN-10: 3608944060
- ISBN-13: 9783608944068
- Erscheinungsdatum: 10.10.2005
Rezension zu „Das autobiographische Gedächtnis “
»Markowitsch und Welzer haben ein in jeder Hinsicht spannendes Buch vorgelegt ...« H. J. Freyberger (Psychodynamische Psychotherapie, 12/2008)»... Mit ihrem "biosozialen" Ansatz wollen sich die Autoren von vornherein über die leidige Kluft zwischen Geistes- und Naturwissenschaften hinwegsetzen. Wer erst das fertig ausgereifte erwachsene Gehirn untersucht, argumentieren sie, der kommt zu spät und landet vor der notorischen Erklärungslücke - vor dem Problem, wie aus hirnpsychologischen Daten der sinnliche Reichtum unserer Erfahrungen und Erinnerungen hervorgehen soll. Wer hingegen der Entwicklung des Menschenhirns vom Fötus bis zur Adoleszenz nachspürt, erforscht einen biologischen Prozess in seinem sozialen, kulturellen, historischen Kontext. ...«Michael Springer (Spektrum der Wissenschaft, November 2006)»Markowitsch und Welzer haben ein anspruchsvolles Sachbuch über die Entwicklungsneuropsychologie des autobiographischen Gedächtnisses vorgelegt. ... detailreich und dennoch übersichtlich.«Martin Kurthen (Psyche, 07/2007, www.psyche.de)»...[E]s ist das autobiographische Gedächtnis, was den Menschen zum Menschen macht. Es handelt sich um das Vermögen, "Ich" sagen zu können und damit eine einzigartige Person zu meinen, die eine besondere Lebensgeschichte, eine bewusste Gegenwart und eine erwartbare Zukunft hat. ... Die Autoren zeigen, dass die unfruchtbaren Dualismen von Gehirn und Geist, Natur und Kultur in interdisziplinärer Forschungsarbeit überwunden werden können. Sie liefern zugleich einen aktuellen Überblick über die Entstehung des menschlichen Gedächtnisses und einen Einstieg in ein neues Feld der Gedächtnis- und Erinnerungsforschung.« (Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik, April 2006) »Hans J. Markowitsch und Harald Welzer haben ein aufregendes Buch über hirnorganische Grundlagen und die biosoziale Entwicklung des autobiografischen
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Gedächtnisses geschrieben.« Michael Saager (Jungle World, Februar 2006) »Noch immer sucht die Wissenschaft nach der Verstehensformel, die den Menschen und das Tier zueinander in die notwendige Nähe setzt, sie aber doch nicht miteinander verschwistert. Der Physiologe Hans J. Markowitsch und der Psychologe Harald Welzer warten nun mit einem hirnorganischen Erklärungsansatz auf. Es sei das Gedächtnis, das den menschlichen Geist von dem anderer Primaten und anderer Säugetiere überhaupt unterscheidet. Nur der Mensch verfüge über ein Erinnerungsvermögen, das in der Lage ist, "Ich" zu sagen und autobiografischen Aussagen zu machen ... Für die beiden Wissenschaftler ist die evolutionäre Erfolgsgeschichte des homo sapiens sapiens elementar mit seinem reflexiven Gedächtnis verbunden; nur der Mensch könne langfristige Folgen seines Handelns antizipieren. Das mag alles nicht sehr neu klingen, doch die beiden Autoren unterlegen ihre Thesen mit Forschungsergebnissen aus der neueren Hirnphysiologie.« (Neue Zürcher Zeitung, 3./4.12.2005) »... Gleich im Titel beantworten Hans Markowitsch und Harald Welzer eine oft gestellte Frage: Was macht den Menschen zum Menschen, was unterscheidet ihn von anderen Primaten? Es ist das »autobiographische Gedächtnis«, die Fähigkeit des Menschen, sich selbst in seiner Lebensgeschichte zu verorten... Die Autoren verfolgen einen transdisziplinären Ansatz aus Entwicklungspsychologie, Sozialpsychologie und Physiologischer Psychologie; die hirnorganischen Grundlagen, vor allem die Reifung und Veränderung des Gehirns in der frühen Kindheit, werden ausführlich vermittelt, teilweise in separaten, grau unterlegten Kästen, sodass der weniger interessierte Leser einige dieser Abschnitte überspringen kann. Selbstverständlich berücksichtigen Markowitsch und Welzer die Erkenntnisse der neueren Neurowissenschaften, zeigen aber auch deren Grenzen auf. Der wohl zentralste Kritikpunkt ist, dass die Neurowissenschaften sich mit einzelnen Gehirnen befassen, ihre Theoriebildung also individualistisch, nicht sozial ist; Bewusstsein entsteht aber im Rahmen sozialer Interaktion. ...«Eva Lacour (www.wissenschaft-online.de, Januar 2006) (ansehen)»Hirnforschung und Geisteswissenschaft können auf fruchtbare Weise kooperieren. ...Markowitsch und Welzer ... entwickeln eine Theorie des autobiografischen Gedächtnisses, die den aktuellen Kenntnisstand der Neurowissenschaften widerspiegelt, gleichzeitig aber auf der Höhe der geistes- und sozialwissenschaftlichen Forschung ist. ...Markowitsch und Welzer gelingt eine Zusammenführung von sozialwissenschaftlichen, psychologischen und neurobiologischen Perspektiven, die in dieser Form selten ist. Das Ergebnis dient keineswegs nur der Befriedigung unserer Neugier. Wenn wir die Grundlagen unserer geistigen Fähigkeiten besser verstehen, dann vergrößern sich auch unsere Möglichkeiten, die Entstehung dieser Fähgikeiten zu fördern und Defizite zu korrigieren. Natürlich liefern die Autoren keine konkreten Handlungsanweisungen, doch aus ihren Erkenntnissen ergeben sich Ansatzpunkte für mögliche Strategien. ...«Michael Pauen (Die Zeit, Zeit-Literatur, Dezember 2005) (ansehen)»Das Buch ist so spannend wie ein anspruchsvoller Krimi.«Helga Levond, Saarländischer Rundfunk
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