Das fünfte Zeichen
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Seit seine Kollegin Ellen bei einem Einsatz getötet wurde, steckt Harry Hole, Hauptkommissar der Osloer Polizei, in einer Krise. Als er wiederzu trinken beginnt, wendet sich auch seine Freundin Rakel von ihm ab.Schließlich steht seine Entlassung aus dem Polizeidienst bevor. Doch dann geschehen in Oslo drei spektakuläre Morde, und Hole bekommt eine letzte Chance. Den grausam zugerichteten Frauen fehlt jeweils ein Finger, undan den Tatorten findet sich immer ein Pentagramm, das auf weitere Opfer hinweist. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt. Die Ermittlungen gehen nur zäh voran, bis der Täter plötzlich einen Fehler macht ...Harry Hole ist ein Ermittler mit exzellenten Fähigkeiten, großen Schwächen, liebenswerten Eigenschaften und Witz. In Norwegen gehört Nesbø längst zu den gefeierten Bestsellerautoren, in-zwischen erscheinen seine Bücher in 14 Ländern.
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Das fünfte Zeichen von Jo Nesbø
LESEPROBE
DasPolizeipräsidium im Stadtteil Grønland, der Hauptsitzdes Polizeidistrikts Oslo, lag auf einem Höhenzug, der sich von Grønland bis hinauf nach Tøyenzog. Von hier aus hatte man eine gute Aussicht auf die östlichen Viertel der Innenstadt.Das Gebäude, ganz aus Glas und Stahl erbaut, wurde seit 1978 genutzt. Hier warnichts schief, sondern alles bis in den letzten Winkel korrekt, wofür dieArchitekten Telje-Torp-Aasen eine Auszeichnungerhalten hatten. Der Fernmeldetechniker, der in den beiden sieben und neunStockwerke hohen Büroflügeln die Kabel verlegt hatte, war vom Gerüst gestürzt,hatte sich das Rückgrat gebrochen und bekam eine Berufsunfähigkeitsrente - und eineStandpauke von seinem Vater.
»Seitsieben Generationen sind wir jetzt Maurer, sind zwischen Himmel und Erdebalanciert, haben der Schwerkraft getrotzt, bis sie uns zu Boden riss. MeinGroßvater hat versucht, diesem Fluch zu entgehen, doch er verfolgte ihn überdie Nordsee bis hierher. Deshalb habe ich bei deiner Geburt geschworen, dass dunicht zu diesem Schicksal verdammt sein solltest. Und ich dachte, ich hätte esgeschafft. Telefontechniker. Was zum Teufel hat ein Fernmeldetechniker sechsMeter über dem Boden verloren?«
Durch dasKupfer ebenjener vom Sohn verlegten Leitungen kam an diesem Tag das Signal vonder Notrufzentrale. Es schoss durch die Etagendecken, die aus Industriebeton gegossenwaren, bis hinauf in die sechste Etage, in das Büro von Bjarne Møller, dem Leiter des Dezernats für Gewaltver- brechen. Møller grübelte gerade darüber nach, ob er sich auf diebevorstehenden Familienferien in der Hütte in Os vor den Toren Bergens freuen oder ob ihm davor grauen sollte. Os im Juli bedeutetemit großer Wahrscheinlichkeit Scheißwetter. Dabei hatte Bjarne Møller gar nichts dagegen, die für Oslo angekündigteHitzewelle gegen ein wenig Sprühregen einzutauschen. Aber zwei höchst lebhaftekleine Jungen bei Dauerregen ohne andere Hilfsmittel als ein Kartenspiel beiLaune zu halten, dem überdies der Herz-König fehlte, war wirklich eineHerausforderung.
Bjarne Møller streckte die langen Beine aus und kratzte sichhinter dem Ohr, während er sich auf die Nachricht konzentrierte. »Wie haben diedas entdeckt?«, fragte er.
»Es hatgetropft, beim Mieter drunter«, antwortete die Stimme aus der Notrufzentrale.»Der Hausmeister und ein Nachbar haben geklingelt, aber es hat keinergeantwortet. Da die Tür unverschlossen war, sind sie schließlich hineingegangen.« »In Ordnung. Ich schicke zwei meiner Leute.« Møller legte auf, seufzte undfuhr mit einem Finger die Liste der Diensthabenden entlang, die unter einerPlastikhülle auf seinem Schreibtisch lag.
Das halbeDezernat war verwaist. Wie jedes Jahr in den Sommerferien. Was freilich nichtbedeutete, dass die Bewohner Oslos jetzt in Lebensgefahr schwebten, denn auchdie Verbrecher der Stadt schienen etwas von Sommerferien zu halten. Jedenfallswar der markante Rückgang der Straftaten, die in den Zuständigkeitsbereich desDezernats für Gewaltverbrechen fielen, anders kaum zu erklären. Møllers Finger stoppte unter dem Namen Beate Lønn. Er wählte die Nummer der Kriminaltechnik in der Kjølberggata. Niemand hob ab. Er wartete, bis der Anruf andie Zentrale weitergeleitet wurde.
»Beate Lønn ist im Labor«, sagte eine helle Stimme.
»Hier ist Møller vom Morddezernat. Holen Sie sie bitte.« Møller wartete.
Es war KarlWeber gewesen, der erst kürzlich pensionierte Leiter der Kriminaltechnik, derBeate Lønn vom Morddezernat zur Kriminaltechnik hatteversetzen lassen. Møller sah darin einen neuerlichenBeweis für die Theorie der Neodarwinisten, dass der einzige Antrieb desIndividuums darin bestand, die eigenen Gene zu vererben. Und Weber schien derMeinung zu sein, dass Beate Lønn eine ganze Menge Kriminaltechnikergene hatte. Auf den ersten Blick schienen KarlWeber und Beate Lønn sehr verschieden. Weber war mürrischund reizbar, Lønn eine stille, graue Maus, die, als siefrisch von der Polizeischule gekommen war, schon rot wurde, wenn man sie bloßansprach. Aber ihr Polizeiinstinkt war gleich stark ausgeprägt. Sie gehörten zudem Typ passionierter Ermittler, der, wenn er erst Beute gewittert hat, alles ausblendenund sich einzig und allein auf eine Spur konzentrieren kann, ein Indiz, eineVideoaufzeichnung, eine vage Zeugenaussage, bis schließlich alles einen Sinnergibt. Böse Zungen behaupteten, Weber und Lønngehörten ins Labor und nicht unter Menschen, weil die Menschenkenntnis einesErmittlers schließlich wichtiger als ein Fußabdruck oder die Faser einer Jackesei.
Weber und Lønn stimmten zu, was das Labor, nicht aber, was denFußabdruck oder die Jackenfaser betraf.
»Lønn.«
»HalloBeate, hier ist Bjarne Møller. Störe ich?«
»Natürlich.Was gibts?«
Møllererklärte ihr kurz die Sachlage und gab ihr die Adresse. »Ich schicke auch zweivon meinen Jungs«, fügte er hinzu.
»Wen?«
»Mal sehen,wen ich finde, du weißt ja, Urlaubszeit.«
Møllerlegte auf und fuhr mit dem Finger weiter nach unten. Er stoppte bei dem NamenTom Waaler.
Die Rubrik»Urlaub« war leer, was Bjarne Møller nicht weiterverwunderte. Man konnte leicht das Gefühl bekommen, Hauptkommissar Tom Waaler mache niemals Ferien, ja, er schlafe kaum. AlsErmittler war er eines der beiden Asse der Abteilung. Immer zur Stelle, immereinsatzfreudig und fast immer mit den entsprechenden Resultaten. Und im Gegensatzzu dem anderen Superermittler war Tom Waaler verlässlich,hatte eine blitzsaubere Akte und wurde von allen respektiert. Kurz gesagt: einTraum von einem Untergebenen.
Und beiToms unbezweifelbaren Führungseigenschaften war es wohl nur eine Frage derZeit, bis er Møllers Job als Leiter des Dezernatsübernehmen würde. Das Klingeln hallte durch die dünnen Wände.
»Waaler«, antwortete eine klangvolle Stimme.
»Møller hier, wir «
»EinenAugenblick, Bjarne. Ich muss eben erst ein anderes Gespräch beenden.« Bjarne Møller trommelte beimWarten mit den Fingern auf die Tischplatte. Tom Waalerkonnte der jüngste Dezernatsleiter werden, der jemals dem Morddezernatvorgestanden hatte. War es das, was Møller manchmalzweifeln ließ, wenn er daran dachte, Tom eines Tages die Verantwortung zuübertragen? Oder waren es die zwei Fälle, bei denen Waalerin einen Schusswechsel geraten war? Beide Male hatte der Hauptkommissar beieiner Festnahme zur Waffe gegriffen und als einer der besten Schützen derPolizei tödliche Treffer gelandet. Aber Møller wussteauch, dass es paradoxerweise gerade diese beiden Episoden sein konnten, die beider Ernennung des neuen Leiters die Entscheidung zu Toms Gunsten beeinflussenmochten. Die internen Ermittlungen hatten nichts zutage gefördert, was demwidersprach, dass Tom Waaler zur Selbstverteidigunggeschossen hatte. Im Gegenteil. Es war vielmehr festgehalten worden, dass erdie Situation richtig eingeschätzt und in einer äußerst kritischen LageTatkraft bewiesen hatte. Konnte es ein besseres Zeugnis für jemanden geben, dersich um eine leitende Stellung bewarb?
»Tut mirLeid, Møller, das Handy. Womit kann ich dienen?«
»Wir habeneinen Fall.«
»Endlich.«
Der Restdes Gesprächs war in weniger als zehn Sekunden erledigt. Jetzt fehlte ihm nurnoch der zweite Mann. Møller hatte anKriminalassistent Halvorsen gedacht, doch auf der Listestand, dass der zu Hause in Steinkjer Urlaub machte. Erfuhr mit dem Finger weiter nach unten. Urlaub, Urlaub, krank.
DerDezernatsleiter seufzte tief, als sein Finger bei einem Namen stoppte, den erzu umgehen gehofft hatte. Harry Hole.
DerEigenbrötler. Der Alkoholiker. Das Enfant terrible der Abteilung. Aber - nebenTom Waaler - tatsächlich der beste Ermittler dersechsten Etage. Hätte Bjarne Møller mit den Jahrennicht eine geradezu perverse Lust entwickelt, seinen Hals für diesen großgewachsenen Polizisten mit dem Alkoholproblem zu riskieren, Harry Hole wärelängst aus dem Polizeidienst geflogen. Normalerweise hätte er Harry als Erstesangerufen, um ihm den neuen Fall zu übertragen, aber die Lage war nicht normal.
Odergenauer gesagt: Sie war nur allzu normal.
© UllsteinBuchverlage
Übersetzung:Günther Frauenlob
- Autor: Jo Nesbø
- 2006, 2. Aufl., 496 Seiten, Maße: 18,5 x 22 cm, Gebunden, Deutsch
- Herausgegeben von Frauenlob, Günther
- Verlag: CLAASSEN VERLAG
- ISBN-10: 3546003977
- ISBN-13: 9783546003971
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