Das Lächeln deines Mörders
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Das Lächeln deines Mörders von Karen Rose
LESEPROBE
1
Raleigh, North Carolina,
Montag, 26. September, 10.00 Uhr
DieTatsache, dass er im Laufe seiner Karriere schon weit scheußlichere Szeneriengesehen hatte, hätte es ihm leichter machen müssen, diese hier mental zuverarbeiten. Hätte.
Aber so wares nicht.
SpecialAgent Steven Thatcher lockerte seine Krawatte, aber es änderte nichts daran,dass die Luft nur mühsam in seine Lungen strömte. Es änderte auch nichts andem, was er auf dieser Lichtung gefunden hatte, nachdem er einem anonymenHinweis gefolgt war, der beim State Bureau of Investigation von North Carolinaeingegangen war.
Und esänderte ganz sicher nichts daran, dass die arme Frau tot war. Steven richteteden Knoten seiner Krawatte, bis dieser über dem Kloß saß, der in seiner Kehlesteckte. Behutsam trat er einen Schritt vor und kassierte prompt einenmahnenden Blick von dem jungen Mann, den die Spurensicherung an den Tatortgeschickt hatte. Der Junge war neu, ein echter Frischling.
Normalerweisehätte sich die Chefin des Neulings für einen Fall wie diesen selbst herbequemt, aber sie hatte sich ausgerechnet die Woche, inder sie einen brutalen, grausigen Mord entdecken mussten, für ihreKaribikkreuzfahrt ausgesucht. Wie schön. Und während Steven auf dengeschundenen Körper blickte, dem die Kreaturen des Waldes heftig zugesetzthatten, wünschte er sich nichts sehnlicher, als ebenfalls auf irgendeinemSchiff fern jeglicher Zivilisation dahinzudümpeln.
»Passen Sieauf, wo Sie hintreten«, warnte der junge Forensikerverärgert. Er hockte auf allen vieren neben der Leiche im Gras. Kent Thompsonwar angeblich recht gut in seinem Job, aber Steven war entschlossen, sich seinUrteil selbst zu bilden. Die Tatsache, dass Kent sich noch nicht übergebenhatte, sprach allerdings für ihn.
»Danke fürdie Lektion in Tatortsicherung«, gab Steven trocken zurück.
KentsGesicht rötete sich. Er hockte sich auf die Fersen und blickte zur Seite. »Tutmir Leid«, sagte er leise. »Aber ich bin wirklich vollkommen frustriert. Ichhabe mir die Umgebung drei Mal ganz genau angesehen. Wer immer die Leiche hierhingelegt hat, war enorm vorsichtig. Hier ist nichts.«
»Vielleichtfindet das Labor etwas auf dem Körper.«
Kentseufzte. »Auf dem, was davon übrig ist.« Er musterte die Leiche mit einemAusdruck professioneller Distanziertheit, doch Steven entging nicht das kurzeAufflackern in seinen Augen, das von Mitgefühl zeugte. Steven war zufrieden.Kent würde seinen Job erledigen, aber das Opfer darüber nicht vergessen. Nochein Punkt, der für ihn sprach.
»Tut mirLeid, Steven«, sagte eine gepresste Stimme hinter ihm. Steven drehte sich zuAgent Harry Grimes um, der noch immer heftig atmete.Sein Gesicht war blass, doch die grünliche Färbung war verschwunden, seit erseinen Magen um das kürzlich eingenommene Frühstück erleichtert hatte. Harrywar neu beim SBI und noch in der Ausbildung. Er war Steven zugewiesen wordenund entwickelte sich sehr vielversprechend. Daseinzige Problem war sein empfindlicher Magen. Aber Steven konnte es ihm nichtverdenken.
Auch erhätte sich wahrscheinlich übergeben müssen, wenn er sich die Zeit genommenhätte zu frühstücken. »Schon gut, Harry. So was kommt vor.«
»Haben wiretwas gefunden?«
»Nochnicht.« Steven hockte sich mit einem Stift in der behandschuhten Hand neben dieLeiche. »Nackt, keine Papiere oder Kleider in der Nähe. Es ist gerade nochgenug von ihr da, um sie als weibliche Person zu identifizieren.«
»Weibliche,jugendliche Person«, fügte Kent hinzu. Stevens Kopf fuhr hoch.
»Was?«
»Weibliche,jugendliche Person, würde ich vermuten.« Kent deuteteauf die Bauchregion der Leiche. »Gepiercter Nabel.«Harry schluckte hörbar. »Woher wissen Sie das?« KentsMund verzog sich. »Wenn Sie ein bisschen näher rangehen, können Sie s sehen.«
»Nein,danke«, gab Harry mit erstickter Stimme zurück. »Okay, ein weiblicher Teenager«,sagte Steven und verlagerte sein Gewicht auf die Fußballen, »sie liegt schonmindestens eine Woche hier. Wir müssen die Vermisstenanzeigen durchgehen.« Behutsam rollte er den toten Körper auf den Bauch, undsein Herz setzte einen Schlag aus. Gleichzeitig stieß Harry einen leisen Fluchaus.
»Was ist?« Kent schaute fragend von Steven zu Harry und wieder zuSteven. »Was denn?«
Stevendeutete mit dem Kugelschreiber auf das, was von der linken Gesäßhälfte desMädchens noch übrig war. »Sie hatte eine Tätowierung.«
Kent beugtesich vor und richtete sich dann blinzelnd wieder auf. »Sieht nach einem Peace-Zeichen aus.« Steven schautezu Harry auf, dessen Miene von bitterer Gewissheit zeugte. »Lorraine Rush«, sagte Steven, und Harry nickte.
»Wer warLorraine Rush?«, fragteKent.
»Lorraineist vor ungefähr zwei Wochen als vermisst gemeldet worden«, erklärte Harry.»Als ihre Eltern sie morgens zur Schule wecken wollten, war ihr Bett zwarbenutzt, aber leer.« »Keinerlei Anzeichen für dasgewaltsame Eindringen einer fremden Person ins Haus.« Steven musterte denLeichnam erneut. »Die logischste Erklärung war, dass sie von zu Hauseausgerissen war. Ihre Eltern behaupteten allerdings steif und fest, dass sie soetwas niemals getan hätte. Sie waren der Meinung, dass man sie entführt hat.«
»Elternbehaupten immer, dass ihre Kinder niemals abhauen würden«, sagte Harry. »Wirkönnen aber noch nicht sicher sagen, dass sie es nicht doch getan hat. Kanndoch sein, dass sie irgendeinem bösen Buben begegnet ist.«Steven sah vor seinem inneren Auge das Bild einer lächelnden Lorraine Rush, wie er es auf dem Foto im Wohnzimmer der Elterngesehen hatte. »Sie war sechzehn. Ein Jahr jünger als mein ältester Sohn.«Steven erlaubte sich einen kurzen Moment an Brad zu denken, der sich im letztenMonat so radikal verändert hatte, schüttelte die Sorge aber vorübergehendwieder ab. Er würde sich mit Brad und den Problemen, die sie beide miteinanderhatten, auseinander setzen müssen, aber nicht jetzt. Zuerst musste er sich Zeitfür Lorraine Rush nehmen. So viel sie brauchte.
»EineSchande«, murmelte Kent.
Steven erhobsich und starrte hinab auf das, was von der ehemals hübschen, lebendigen jungenFrau übrig geblieben war. Heißer Zorn auf diese Bestie, die brutal andere Lebenraubte, stieg in ihm auf, doch er drängte ihn zurück. »Wir müssen die Elternbenachrichtigen.« Auf diese Aufgabe freute er sichnicht.
Eigentlichhätte es ihm nach all den Jahren leichter fallen müssen, Angehörigen dieschreckliche Nachricht zu überbringen. Eigentlich. Tat es aber nicht.
© Verlag Droemer/Knaur
Übersetzung:Kerstin Winter
- Autor: Karen Rose
- 2007, 637 Seiten, Maße: 12 x 18 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Winter, Kerstin
- Verlag: Droemer/Knaur
- ISBN-10: 3426637863
- ISBN-13: 9783426637869
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