Das Lied des Todes
Historischer Roman
Thankmar von Merseburg ist besessen davon, Odo den sächsischen Königsthron zu entreißen. Mit seinen Leuten zieht er eine blutige Spur durch ganz Nordeuropa, plündert Städte und spinnt Intrigen. Nur einer stellt sich ihm in den Weg: Die Seherin Voelva die Thankmar mit dem Lied des Todes verflucht.
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Produktinformationen zu „Das Lied des Todes “
Thankmar von Merseburg ist besessen davon, Odo den sächsischen Königsthron zu entreißen. Mit seinen Leuten zieht er eine blutige Spur durch ganz Nordeuropa, plündert Städte und spinnt Intrigen. Nur einer stellt sich ihm in den Weg: Die Seherin Voelva die Thankmar mit dem Lied des Todes verflucht.
Klappentext zu „Das Lied des Todes “
Ein düsteres Lied, stärker als Krieg, Tod und Verrat Im Spätsommer 955 tobt eine Schlacht, die die Zukunft des Abendlandes verändern wird: König Otto siegt über die Magyaren und zieht sich damit den Neid seiner Gegner zu. Thankmar von der Mersburg ist einer von ihnen: besessen davon, seinem Onkel den Thron zu entreißen. Mit seinen Anhängern, den «Blutmänteln», zieht er durch die Länder des Nordens. Er brennt Städte nieder, raubt, plündert und foltert, spinnt Intrigen an den Herrscherhöfen. Nur eine stellt sich ihm in den Weg - die mächtige Seherin Velva. Als auch sie sterben soll, verflucht sie Thankmar mit dem «Lied des Todes». Ihr Sohn Aki schwört Rache. Und nicht nur er, sondern auch der geheimnisvolle Normannenkrieger Hakon versucht, das Unheil abzuwenden, das das Reich bedroht ...
Ein düsteres Lied, stärker als Krieg, Tod und Verrat
Im Spätsommer 955 tobt eine Schlacht, die die Zukunft des Abendlandes verändern wird: König Otto siegt über die Magyaren und zieht sich damit den Neid seiner Gegner zu. Thankmar von der Mersburg ist einer von ihnen: besessen davon, seinem Onkel den Thron zu entreißen. Mit seinen Anhängern, den "Blutmänteln", zieht er durch die Länder des Nordens. Er brennt Städte nieder, raubt, plündert und foltert, spinnt Intrigen an den Herrscherhöfen. Nur eine stellt sich ihm in den Weg - die mächtige Seherin Velva. Als auch sie sterben soll, verflucht sie Thankmar mit dem "Lied des Todes".
Ihr Sohn Aki schwört Rache. Und nicht nur er, sondern auch der geheimnisvolle Normannenkrieger Hakon versucht, das Unheil abzuwenden, das das Reich bedroht ...
Im Spätsommer 955 tobt eine Schlacht, die die Zukunft des Abendlandes verändern wird: König Otto siegt über die Magyaren und zieht sich damit den Neid seiner Gegner zu. Thankmar von der Mersburg ist einer von ihnen: besessen davon, seinem Onkel den Thron zu entreißen. Mit seinen Anhängern, den "Blutmänteln", zieht er durch die Länder des Nordens. Er brennt Städte nieder, raubt, plündert und foltert, spinnt Intrigen an den Herrscherhöfen. Nur eine stellt sich ihm in den Weg - die mächtige Seherin Velva. Als auch sie sterben soll, verflucht sie Thankmar mit dem "Lied des Todes".
Ihr Sohn Aki schwört Rache. Und nicht nur er, sondern auch der geheimnisvolle Normannenkrieger Hakon versucht, das Unheil abzuwenden, das das Reich bedroht ...
Lese-Probe zu „Das Lied des Todes “
Das Lied des Todes von Axel S. MeyerPROLOG
10. August 955
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Am Tag des heiligen Laurentius stand die Schlacht, die über das Schicksal der Welt entscheiden sollte, unmittelbar bevor.
Thankmar ritt in der Legion des Königs, der Legio Regia, einen Hügel hinauf. Von der Kuppe schaute er über die weite Ebene, durch die sich der Lech schlängelte, und sah den Feind - Tausende Magyaren, Ungarn, die sich in den Niederungen sammelten.
Er wischte sich den Schweiß von der Stirn. In der Nacht hatte es geregnet, aber jetzt, in der Mittagszeit, drückte sengende Hitze auf das Land und auf die Soldaten des Königs. Unter den Stiefeln der mit Rüstungen und Waffen beladenen Männer dampfte die Feuchtigkeit aus den Wiesen wie der Atem eines wilden Tieres.
Aber nicht die Hitze oder der zahlenmäßig überlegene Feind unten am Fluss trieb Thankmar den Schweiß aus den Poren. Es war die Angst, sein Plan könnte scheitern.
Er richtete sich in den Steigbügeln auf und sah König Otto inmitten der verbündeten Heerführer stehen. Die Lanze mit der goldenen Spitze und dem Banner des heiligen Michael in der rechten Hand, stand Otto wie versteinert da. Den Blick hatte er fest auf die Magyaren gerichtet, die ihre Heimat verlassen hatten, um das Königreich zu vernichten.
Auf den Hügeln wuchs das königliche Heer. Immer mehr Soldaten drängten von hinten nach, die Hänge hinauf. Bayern, Franken, Sachsen, Schwaben und Böhmen bezogen Stellung an den Flanken der Legio Regia, die Otto unterstellt war und aus dreitausend sächsischen und fränkischen Panzerreitern bestand. Insgesamt waren es an die zehntausend Männer, die dem Ruf des Königs gefolgt waren, um das Reich gegen die Ungarn zu verteidigen. Doch deren Krieger waren in der Überzahl. Sie hatten die Steppen im Osten verlassen und in den vergangenen Monaten die Länder im Westen überschwemmt wie eine alles verschlingende Welle.
Nach einer Weile hatte Thankmar genug gesehen. Er saß ab und führte sein Pferd durch die Reihen der berittenen Soldaten. In der Nähe des Königs blieb er stehen und lauschte den Worten der Heerführer. Er hörte, wie sie sich gegenseitig Mut zusprachen, die Stärke ihrer Heere beschworen und die der gepanzerten Reiter. Wie sie Treue gegenüber dem König gelobten - und gegenüber Gott, dem Allmächtigen.
«Mit Gottes Hilfe werden wir die Ungarn schlagen», rief Otto.
Er reckte die Lanze, und das Sonnenlicht ließ die goldene Spitze erstrahlen.
Jubel erhob sich. Priester und Bischöfe eilten herbei, warfen sich auf den von Pferdehufen gefurchten Boden und beteten. Für Gott und für den König!
Für den König!
Plötzlich lösten sich einige Hundert Ungarn aus der Frontlinie und jagten auf die Hügel zu, um das königliche Heer zu einem Gegenangriff zu provozieren. Sie waren geschickte Reiter und Bogenschützen. Im vollen Galopp schossen die Jobbágy, wie man die Reiterkrieger nannte, ihre Pfeile ab. Sie waren in ihren leichten Mänteln und mit den spitzen Filzkappen schneller und wendiger als die Panzerreiter, die unter dem Gewicht ihrer Helme, Brustpanzer und Kettenhemden schwitzten.
Beim ersten Angriff waren die Jobbágy noch zu weit entfernt. Ihre Pfeile erreichten nicht einmal die Hügel. Die Ungarn stellten fest, dass Otto sich von dem Angriff nicht beeindrucken ließ. Sie hielten ihre Pferde an und verlegten sich für einen Moment wieder darauf, aus sicherer Entfernung das Heer auf den Hügeln zu beobachten.
Ottos geistliche Eiferer hatten inzwischen ihre Gebete beendet. Da hörte Thankmar, wie der König die anderen Heerführer nach Konrad fragte. Konrad der Franke war ein enger Vertrauter des Königs. Ohne ihn wollte Otto nicht in die Schlacht ziehen.
Hin und wieder preschten Jobbágy vor und schossen Pfeile ab. Immer näher wagten sie sich heran, und als ein sächsischer Soldat getroffen von seinem Pferd fiel, breitete sich Unruhe im königlichen Heer aus.
Otto wartete noch immer.
Endlich drang die Nachricht durch, dass Konrad eingetroffen sei. Kurz darauf stieß der Franke zu den anderen Heerführern. Er war völlig außer Atem, und sein Gesicht war dunkelrot vor Anstrengung. Keuchend erstattete er dem König Bericht.
Thankmar konnte hören, dass Konrad gute Nachrichten überbrachte. Je länger Otto ihm zuhörte, desto mehr entspannten sich seine Gesichtszüge. Als das königliche Heer am Morgen von der Augusburg zu den Hügeln gezogen war, so erzählte Konrad, hätten Ungarn die Nachhut angegriffen, den Tross geplündert und Dutzende getötet. Aber dann war es Konrads Männern gelungen, die Feinde zurückzudrängen und zu vertreiben. Somit hatten die verbündeten Franken dem König eine große Sorge genommen: dass die Magyaren sein Heer in die Zange nehmen könnten.
Für diese Tat versprach der König Konrad eine angemessene Belohnung. Der winkte jedoch ab. Fürs Erste würde er sich mit einem Schluck Wasser begnügen. Von allen Seiten reichte man ihm Trinkschläuche. Konrad nahm den Helm ab, setzte einen Schlauch an die Lippen und trank gierig.
Da griff erneut ein Trupp an. An die hundert Jobbágy kamen dieses Mal bis dicht vor den Hügel, auf dem das Banner des heiligen Michael wehte.
Schnell hoben Thankmar, der König und alle anderen Männer ihre Schilde. Unter seinem Schild konnte Thank-mar sehen, wie sich die Pfeile der Ungarn in die Luft erhoben, wie sie stiegen und stiegen. Wie sie sich auf dem Höhepunkt ihrer Flugbahn wieder senkten - um dann wie giftige Stacheln riesiger Insekten auf das königliche Heer niederzuprasseln.
Als die Feinde wieder abdrehten, hörte Thankmar einen gellenden Schrei. Er drehte den Kopf und sah den König zu Boden starren. Vor ihm wälzte sich ein Mann vor Schmerzen im Dreck. Es war Konrad. Ein Pfeil hatte sich durch den Trinkschlauch in den Hals des Franken gebohrt. Priester und heilkundige Mönche eilten herbei, doch Konrad starb unter ihren Händen.
Die Heerführer beknieten Otto, endlich mit einem Gegenangriff zu antworten. Man könne nicht warten, bis einer nach dem anderen von einem Pfeil getroffen würde. Die Furcht unter den Männern wuchs mit jedem Augenblick.
Doch Otto unternahm nichts. Seine Miene war wie aus Stein gemeißelt, als er sich von Konrads Leiche abwandte und den Blick wieder auf die Ebene richtete. Tatsächlich bereiteten dort die Ungarn ihre nächste Attacke vor. Weitere Jobbágy schlossen sich den Männern an, die die ersten Angriffe unternommen hatten, und nun näherten sich an die tausend Reiterkrieger der Frontlinie des königlichen Heeres.
Hinter den Reihen liefen Priester schreiend hin und her. Lamentierend baten sie um göttlichen Beistand und beteten um Wunder, die den König und die Seinen vor den wilden Horden beschützen mochten.
Otto zögerte noch immer.
Da brauste eine Böe über die Ebene und die Hügel hinauf. Die Banner knatterten im Wind. Vom Lech her verdunkelte sich der Himmel. Wie gewaltige Fäuste ballten sich graue Wolken. Pferde wieherten; sie spürten das nahende Gewitter.
Als triebe der aufkommende Sturm sie an, ritten die Ungarn immer schneller. In wenigen Augenblicken würden sie bis auf Schussweite herangekommen sein - und dieses Mal würde nicht nur ein Mann sterben.
Thankmar spürte einen feinen Regentropfen auf der Nase. Dann sah er die Regenwand, die die Ebene wie einen Schleier verhüllte, und das Gewitter brach los. Erbsengroße Tropfen prasselten auf die Rüstungen der Soldaten. Ungeduldig warteten sie auf die Befehle ihres Königs, und der hatte endlich ein Einsehen.
Es war so weit.
Otto ließ sich sein Pferd bringen, saß auf und trieb es vor die Linie seiner Soldaten. Der König brüllte gegen Wind und Regen an.
«Die Feinde mögen uns an Menge übertreffen, aber nicht an Tapferkeit und Rüstung! Und sie können nicht auf den Schutz unseres Gottes vertrauen. Hört mich an! Sachsen, Bayern, Franken, Schwaben und Böhmen! Was auch immer nun geschehen wird: Lieber wollen wir im Kampf ruhmvoll sterben, wenn unser Ende bevorsteht! Wir werden uns nicht der Knechtschaft der Ungarn unterwerfen!»
Eine Welle des Jubels rollte über die Menge und breitete sich bis in die entferntesten Reihen aus. Zehntausend Männer reckten die Waffen.
Unterdessen sausten Pfeile auf das Heer herab.
«Jetzt lasst uns mit Schwertern statt mit Worten die Verhandlungen beginnen!», rief Otto.
In dem Moment, als er die Lanze zum Himmel stieß, bohrte sich ein Sonnenstrahl wie ein glühendes Schwert durch einen Riss in der dunklen Wolkendecke und ließ die goldene Spitze aufleuchten.
«Otto! Pater patriae! Vater des Vaterlands!», erklang es aus Tausenden Kehlen.
Dann schlug das Heer des Königs mit der Wucht einer göttlichen Faust zurück. Große Teile des Heeres fluteten von den Hügeln hinunter in die Ebene, den Feinden entgegen.
Thankmar blieb zurück, wie es sein Plan vorsah. Er beobachtete, wie Otto vom Pferd absaß. Die Zügel gab er einem Mann seiner Leibgarde und ging dann zu einem Zelt, das man auf dem höchsten Punkt des Hügels errichtet hatte. Als Soldaten und Priester ihn begleiten wollten, schickte er sie zurück. Offenbar wollte der König einen Augenblick allein sein, bevor er sich mit der zweiten Angriffswelle selbst in den Kampf begeben würde.
Nachdem die Gegner in der Ebene aufeinandergeprallt waren, tobte eine erbitterte Schlacht, und die Welt begann, den Geruch des Todes zu atmen. Anfänglich zeigte sich die Überlegenheit der schnellen und wendigen Jobbágy, die dem königlichen Heer empfindliche Verluste zufügten.
Doch die gepanzerten Reiter drängten die Jobbágy immer weiter zum Fluss zurück.
Otto hatte inzwischen das Zelt erreicht und war dahinter verschwunden. Thankmar setzte sich in Bewegung. Im Gehen griff er nach dem Messer unter seinem Mantel. Er hatte es am Vortag einem Ungarn abgenommen, den er beim Kampf an der Augusburg getötet hatte. Es war ein gutes Messer mit einer scharfen Klinge. Einer sehr scharfen Klinge.
Aus den Augenwinkeln beobachtete er die Soldaten der Leibgarde. Sie blickten aufs Schlachtfeld.
Thankmar ging weiter. Kam zum Zelt. Drehte sich ein letztes Mal um. Niemand beachtete ihn.
Otto kniete hinter dem Zelt auf dem Boden und kehrte Thankmar den Rücken zu. Die goldene Lanze lehnte an der Zeltwand.
Thankmar berührte mit der linken Hand seinen Talisman, einen etwa fingerlangen, spitz zulaufenden Holzspan, den er an einem Lederband um den Hals trug. Während er sich an den König heranschlich, hörte er ihn murmeln. Otto hatte die Hände vor der Brust gefaltet und sprach ein Gebet.
«O Herr!», sagte er. «Du lässt deine Feinde zurückweichen, und sie kommen um vor deinem Angesicht. Denn du sitzt auf dem Thron als gerechter Richter ...»
Thankmar schnellte vor, das Messer in der rechten Hand. Da sah er zwei Jobbágy aus den Wäldern jenseits der Hügel in vollem Galopp heranstürmen. Es musste ihnen gelungen sein, die Linien des königlichen Heeres zu umgehen, oder sie gehörten zu den Überlebenden des Trupps, der von Konrad aufgerieben worden war.
Auch der König hatte die Angreifer bemerkt und hob den Kopf. Thankmar stand einen Schritt hinter ihm und hatte das Messer ausgestreckt.
Da schoss einer der Ungarn einen Pfeil ab. Er verfehlte den König um Haaresbreite, streifte aber Thankmar und bohrte sich dann in die Zeltwand. Ein brennender Schmerz flammte in Thankmars Schulter auf.
Er machte den letzten Schritt.
...
Copyright © 2012 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek
Am Tag des heiligen Laurentius stand die Schlacht, die über das Schicksal der Welt entscheiden sollte, unmittelbar bevor.
Thankmar ritt in der Legion des Königs, der Legio Regia, einen Hügel hinauf. Von der Kuppe schaute er über die weite Ebene, durch die sich der Lech schlängelte, und sah den Feind - Tausende Magyaren, Ungarn, die sich in den Niederungen sammelten.
Er wischte sich den Schweiß von der Stirn. In der Nacht hatte es geregnet, aber jetzt, in der Mittagszeit, drückte sengende Hitze auf das Land und auf die Soldaten des Königs. Unter den Stiefeln der mit Rüstungen und Waffen beladenen Männer dampfte die Feuchtigkeit aus den Wiesen wie der Atem eines wilden Tieres.
Aber nicht die Hitze oder der zahlenmäßig überlegene Feind unten am Fluss trieb Thankmar den Schweiß aus den Poren. Es war die Angst, sein Plan könnte scheitern.
Er richtete sich in den Steigbügeln auf und sah König Otto inmitten der verbündeten Heerführer stehen. Die Lanze mit der goldenen Spitze und dem Banner des heiligen Michael in der rechten Hand, stand Otto wie versteinert da. Den Blick hatte er fest auf die Magyaren gerichtet, die ihre Heimat verlassen hatten, um das Königreich zu vernichten.
Auf den Hügeln wuchs das königliche Heer. Immer mehr Soldaten drängten von hinten nach, die Hänge hinauf. Bayern, Franken, Sachsen, Schwaben und Böhmen bezogen Stellung an den Flanken der Legio Regia, die Otto unterstellt war und aus dreitausend sächsischen und fränkischen Panzerreitern bestand. Insgesamt waren es an die zehntausend Männer, die dem Ruf des Königs gefolgt waren, um das Reich gegen die Ungarn zu verteidigen. Doch deren Krieger waren in der Überzahl. Sie hatten die Steppen im Osten verlassen und in den vergangenen Monaten die Länder im Westen überschwemmt wie eine alles verschlingende Welle.
Nach einer Weile hatte Thankmar genug gesehen. Er saß ab und führte sein Pferd durch die Reihen der berittenen Soldaten. In der Nähe des Königs blieb er stehen und lauschte den Worten der Heerführer. Er hörte, wie sie sich gegenseitig Mut zusprachen, die Stärke ihrer Heere beschworen und die der gepanzerten Reiter. Wie sie Treue gegenüber dem König gelobten - und gegenüber Gott, dem Allmächtigen.
«Mit Gottes Hilfe werden wir die Ungarn schlagen», rief Otto.
Er reckte die Lanze, und das Sonnenlicht ließ die goldene Spitze erstrahlen.
Jubel erhob sich. Priester und Bischöfe eilten herbei, warfen sich auf den von Pferdehufen gefurchten Boden und beteten. Für Gott und für den König!
Für den König!
Plötzlich lösten sich einige Hundert Ungarn aus der Frontlinie und jagten auf die Hügel zu, um das königliche Heer zu einem Gegenangriff zu provozieren. Sie waren geschickte Reiter und Bogenschützen. Im vollen Galopp schossen die Jobbágy, wie man die Reiterkrieger nannte, ihre Pfeile ab. Sie waren in ihren leichten Mänteln und mit den spitzen Filzkappen schneller und wendiger als die Panzerreiter, die unter dem Gewicht ihrer Helme, Brustpanzer und Kettenhemden schwitzten.
Beim ersten Angriff waren die Jobbágy noch zu weit entfernt. Ihre Pfeile erreichten nicht einmal die Hügel. Die Ungarn stellten fest, dass Otto sich von dem Angriff nicht beeindrucken ließ. Sie hielten ihre Pferde an und verlegten sich für einen Moment wieder darauf, aus sicherer Entfernung das Heer auf den Hügeln zu beobachten.
Ottos geistliche Eiferer hatten inzwischen ihre Gebete beendet. Da hörte Thankmar, wie der König die anderen Heerführer nach Konrad fragte. Konrad der Franke war ein enger Vertrauter des Königs. Ohne ihn wollte Otto nicht in die Schlacht ziehen.
Hin und wieder preschten Jobbágy vor und schossen Pfeile ab. Immer näher wagten sie sich heran, und als ein sächsischer Soldat getroffen von seinem Pferd fiel, breitete sich Unruhe im königlichen Heer aus.
Otto wartete noch immer.
Endlich drang die Nachricht durch, dass Konrad eingetroffen sei. Kurz darauf stieß der Franke zu den anderen Heerführern. Er war völlig außer Atem, und sein Gesicht war dunkelrot vor Anstrengung. Keuchend erstattete er dem König Bericht.
Thankmar konnte hören, dass Konrad gute Nachrichten überbrachte. Je länger Otto ihm zuhörte, desto mehr entspannten sich seine Gesichtszüge. Als das königliche Heer am Morgen von der Augusburg zu den Hügeln gezogen war, so erzählte Konrad, hätten Ungarn die Nachhut angegriffen, den Tross geplündert und Dutzende getötet. Aber dann war es Konrads Männern gelungen, die Feinde zurückzudrängen und zu vertreiben. Somit hatten die verbündeten Franken dem König eine große Sorge genommen: dass die Magyaren sein Heer in die Zange nehmen könnten.
Für diese Tat versprach der König Konrad eine angemessene Belohnung. Der winkte jedoch ab. Fürs Erste würde er sich mit einem Schluck Wasser begnügen. Von allen Seiten reichte man ihm Trinkschläuche. Konrad nahm den Helm ab, setzte einen Schlauch an die Lippen und trank gierig.
Da griff erneut ein Trupp an. An die hundert Jobbágy kamen dieses Mal bis dicht vor den Hügel, auf dem das Banner des heiligen Michael wehte.
Schnell hoben Thankmar, der König und alle anderen Männer ihre Schilde. Unter seinem Schild konnte Thank-mar sehen, wie sich die Pfeile der Ungarn in die Luft erhoben, wie sie stiegen und stiegen. Wie sie sich auf dem Höhepunkt ihrer Flugbahn wieder senkten - um dann wie giftige Stacheln riesiger Insekten auf das königliche Heer niederzuprasseln.
Als die Feinde wieder abdrehten, hörte Thankmar einen gellenden Schrei. Er drehte den Kopf und sah den König zu Boden starren. Vor ihm wälzte sich ein Mann vor Schmerzen im Dreck. Es war Konrad. Ein Pfeil hatte sich durch den Trinkschlauch in den Hals des Franken gebohrt. Priester und heilkundige Mönche eilten herbei, doch Konrad starb unter ihren Händen.
Die Heerführer beknieten Otto, endlich mit einem Gegenangriff zu antworten. Man könne nicht warten, bis einer nach dem anderen von einem Pfeil getroffen würde. Die Furcht unter den Männern wuchs mit jedem Augenblick.
Doch Otto unternahm nichts. Seine Miene war wie aus Stein gemeißelt, als er sich von Konrads Leiche abwandte und den Blick wieder auf die Ebene richtete. Tatsächlich bereiteten dort die Ungarn ihre nächste Attacke vor. Weitere Jobbágy schlossen sich den Männern an, die die ersten Angriffe unternommen hatten, und nun näherten sich an die tausend Reiterkrieger der Frontlinie des königlichen Heeres.
Hinter den Reihen liefen Priester schreiend hin und her. Lamentierend baten sie um göttlichen Beistand und beteten um Wunder, die den König und die Seinen vor den wilden Horden beschützen mochten.
Otto zögerte noch immer.
Da brauste eine Böe über die Ebene und die Hügel hinauf. Die Banner knatterten im Wind. Vom Lech her verdunkelte sich der Himmel. Wie gewaltige Fäuste ballten sich graue Wolken. Pferde wieherten; sie spürten das nahende Gewitter.
Als triebe der aufkommende Sturm sie an, ritten die Ungarn immer schneller. In wenigen Augenblicken würden sie bis auf Schussweite herangekommen sein - und dieses Mal würde nicht nur ein Mann sterben.
Thankmar spürte einen feinen Regentropfen auf der Nase. Dann sah er die Regenwand, die die Ebene wie einen Schleier verhüllte, und das Gewitter brach los. Erbsengroße Tropfen prasselten auf die Rüstungen der Soldaten. Ungeduldig warteten sie auf die Befehle ihres Königs, und der hatte endlich ein Einsehen.
Es war so weit.
Otto ließ sich sein Pferd bringen, saß auf und trieb es vor die Linie seiner Soldaten. Der König brüllte gegen Wind und Regen an.
«Die Feinde mögen uns an Menge übertreffen, aber nicht an Tapferkeit und Rüstung! Und sie können nicht auf den Schutz unseres Gottes vertrauen. Hört mich an! Sachsen, Bayern, Franken, Schwaben und Böhmen! Was auch immer nun geschehen wird: Lieber wollen wir im Kampf ruhmvoll sterben, wenn unser Ende bevorsteht! Wir werden uns nicht der Knechtschaft der Ungarn unterwerfen!»
Eine Welle des Jubels rollte über die Menge und breitete sich bis in die entferntesten Reihen aus. Zehntausend Männer reckten die Waffen.
Unterdessen sausten Pfeile auf das Heer herab.
«Jetzt lasst uns mit Schwertern statt mit Worten die Verhandlungen beginnen!», rief Otto.
In dem Moment, als er die Lanze zum Himmel stieß, bohrte sich ein Sonnenstrahl wie ein glühendes Schwert durch einen Riss in der dunklen Wolkendecke und ließ die goldene Spitze aufleuchten.
«Otto! Pater patriae! Vater des Vaterlands!», erklang es aus Tausenden Kehlen.
Dann schlug das Heer des Königs mit der Wucht einer göttlichen Faust zurück. Große Teile des Heeres fluteten von den Hügeln hinunter in die Ebene, den Feinden entgegen.
Thankmar blieb zurück, wie es sein Plan vorsah. Er beobachtete, wie Otto vom Pferd absaß. Die Zügel gab er einem Mann seiner Leibgarde und ging dann zu einem Zelt, das man auf dem höchsten Punkt des Hügels errichtet hatte. Als Soldaten und Priester ihn begleiten wollten, schickte er sie zurück. Offenbar wollte der König einen Augenblick allein sein, bevor er sich mit der zweiten Angriffswelle selbst in den Kampf begeben würde.
Nachdem die Gegner in der Ebene aufeinandergeprallt waren, tobte eine erbitterte Schlacht, und die Welt begann, den Geruch des Todes zu atmen. Anfänglich zeigte sich die Überlegenheit der schnellen und wendigen Jobbágy, die dem königlichen Heer empfindliche Verluste zufügten.
Doch die gepanzerten Reiter drängten die Jobbágy immer weiter zum Fluss zurück.
Otto hatte inzwischen das Zelt erreicht und war dahinter verschwunden. Thankmar setzte sich in Bewegung. Im Gehen griff er nach dem Messer unter seinem Mantel. Er hatte es am Vortag einem Ungarn abgenommen, den er beim Kampf an der Augusburg getötet hatte. Es war ein gutes Messer mit einer scharfen Klinge. Einer sehr scharfen Klinge.
Aus den Augenwinkeln beobachtete er die Soldaten der Leibgarde. Sie blickten aufs Schlachtfeld.
Thankmar ging weiter. Kam zum Zelt. Drehte sich ein letztes Mal um. Niemand beachtete ihn.
Otto kniete hinter dem Zelt auf dem Boden und kehrte Thankmar den Rücken zu. Die goldene Lanze lehnte an der Zeltwand.
Thankmar berührte mit der linken Hand seinen Talisman, einen etwa fingerlangen, spitz zulaufenden Holzspan, den er an einem Lederband um den Hals trug. Während er sich an den König heranschlich, hörte er ihn murmeln. Otto hatte die Hände vor der Brust gefaltet und sprach ein Gebet.
«O Herr!», sagte er. «Du lässt deine Feinde zurückweichen, und sie kommen um vor deinem Angesicht. Denn du sitzt auf dem Thron als gerechter Richter ...»
Thankmar schnellte vor, das Messer in der rechten Hand. Da sah er zwei Jobbágy aus den Wäldern jenseits der Hügel in vollem Galopp heranstürmen. Es musste ihnen gelungen sein, die Linien des königlichen Heeres zu umgehen, oder sie gehörten zu den Überlebenden des Trupps, der von Konrad aufgerieben worden war.
Auch der König hatte die Angreifer bemerkt und hob den Kopf. Thankmar stand einen Schritt hinter ihm und hatte das Messer ausgestreckt.
Da schoss einer der Ungarn einen Pfeil ab. Er verfehlte den König um Haaresbreite, streifte aber Thankmar und bohrte sich dann in die Zeltwand. Ein brennender Schmerz flammte in Thankmars Schulter auf.
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Autoren-Porträt von Axel S. Meyer
Axel S. Meyer, 1968 in Braunschweig geboren, studierte Germanistik und Geschichte. Heute lebt er in Rostock, wo er als Reporter und Redakteur der «Ostsee-Zeitung» tätig ist. Den deutschen Lesern ist er bereits durch seine erfolgreiche Roman-Reihe um den Wikinger Hakon bekannt.
Bibliographische Angaben
- Autor: Axel S. Meyer
- 2014, 5. Aufl., 637 Seiten, Maße: 12,5 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: Rowohlt TB.
- ISBN-10: 349925767X
- ISBN-13: 9783499257674
- Erscheinungsdatum: 01.09.2012
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