Das Maikäfermädchen
Roman
Sommer 1945: Eines Nachts taucht bei der Hebamme Käthe Mertens eine schwangere und völlig verstörte Frau auf, die sie um Hilfe bittet. Käthe zögert nicht und steht ihr bei. Sie beschließt, zusammen mit ihrer Freundin Lilo...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Das Maikäfermädchen “
Sommer 1945: Eines Nachts taucht bei der Hebamme Käthe Mertens eine schwangere und völlig verstörte Frau auf, die sie um Hilfe bittet. Käthe zögert nicht und steht ihr bei. Sie beschließt, zusammen mit ihrer Freundin Lilo bedrängten Frauen zu helfen. Doch dann wird sie erpresst.
Klappentext zu „Das Maikäfermädchen “
"Maikäfer flieg - der Vater ist im Krieg" Sommer 1945. Deutschland liegt in Trümmern, von Düsseldorf sind nur noch Ruinen übrig. Die Hebamme Käthe Mertens leidet unter der Trennung von ihrem Mann Wolf, der im Krieg verschollen ist. Eines Nachts taucht eine junge Frau bei ihr auf. Ingrid ist schwanger und völlig verstört. Sie will Käthe nicht sagen, wer der Vater ihres Kindes ist, sondern summt immer nur die Melodie von "Maikäfer flieg". Käthe zögert nicht lange, sie hilft Ingrid, indem sie in einer halb zerstörten Arztpraxis eine Abtreibung vornimmt. Ingrid verschwindet nach dem Eingriff spurlos, aber wenige Wochen später erscheint ein anderes junges Mädchen bei Käthe, das ebenfalls schwanger ist. Zusammen mit ihrer Freundin Lilo beschließt Käthe, bedrängten Frauen zu helfen - trotz der Gefahr, als "Engelmacherin" im Gefängnis zu landen. Dann taucht Ingrid wieder auf, erneut schwanger, und beginnt Käthe zu erpressen. Die berührende Geschichte zweier Frauen im unmittelbaren Nachkriegsdeutschland - ein Roman über Suche, Wahrheit und die Kraft, sein Leben zu meistern.
Lese-Probe zu „Das Maikäfermädchen “
Das Maikäfermädchen von Gina MayerSie folgte ihr bis ans Ende der Straße, dann verschwand das Mädchen hinter einer Mauer. Wer weiß, was sie vorhat, dachte Käthe unbehaglich.
»Kommen Sie doch«, hörte sie das Mädchen zischen.
Käthe reckte den Hals und warf einen Blick über die Mauer, hinter der das Mädchen seinen zerschlissenen Mantel auszog. Wollte sie sich etwa hier entkleiden? Unter dem zerschlissenen Mantel aus Drill kam ein Pelzmantel zum Vorschein.
Glänzendes, weiches, warmes, kostbares graues Fell.
Kaninchen, dachte Käthe. Oder Silberfuchs. Wolf hätte es auf den ersten Blick erkannt, aber sie tat sich schwer damit, die verschiedenen Pelzarten zu unterscheiden.
»Was soll das?«, fragte sie.
»Sie können den Mantel haben«, sagte das Mädchen. »Wenn Sie mir helfen.«
Sie können den Mantel haben. Dieser Satz drang in Käthes Kopf und wand sich durch ihr Gehirn wie ein Entenschnabel durch den Schlick auf dem Boden eines Teiches.
Wie viel mochte der Mantel wohl wert sein? Einen Sack Kartoffeln, Kohle für zwei Wochen, Fett und Grieben und Kohl und vielleicht sogar ein paar Eier. Fleisch. Auf dem Land würde man ihr Fleisch dafür geben.
Sie spürte, wie sich das Wasser in ihrem Mund sammelte. Sie hörte, wie ihr Magen knurrte.
Hatte das Mädchen das Geräusch ebenfalls gehört? Es starrte Käthe ausdruckslos an.
... mehr
»Wobei soll ich dir denn helfen?«, fragte Käthe und wusste schon Bescheid. Und ahnte bereits die Folgen. Dass es nicht bei diesem einen Pelzmantel bleiben würde und bei einem einzigen Mal, sondern dass das, was nun begann, immer weitergehen würde, bis es nicht mehr weiterging. Weil der Krug eben nur so lange zum Brunnen geht, bis er bricht.
Das Mädchen knöpfte auch den zweiten Mantel auf und zog ihn aus und legte ihn auf die zerschossene Mauer, die sie und Käthe voneinander trennte.
Käthe versuchte ihren Blick davon abzuwenden, aber der Mantel lag nun einmal dort und duftete nach Speck und gebratenen Kartoffeln und Zwiebeln. Ihre Hand hob sich, ohne dass sie es verhindern konnte. Sie fuhr über das weiche, dichte Fell, zog den Mantel von der Mauer und hob ihn hoch an ihr Gesicht, sodass sie die weiche Wärme an ihrer Wange spürte.
Das Mädchen ließ sie nicht aus den Augen. Vielleicht befürchtete es, dass Käthe den Mantel nehmen und damit weglaufen könnte.
»Wie lange?«, fragte Käthe, während sie den Mantel sinken ließ.
Das Mädchen schwieg.
»Wann hast du das letzte Mal geblutet?«, fragte Käthe und dann hoffte sie einen winzigen Moment lang, dass sie sich getäuscht hatte und dass es um etwas ganz anderes ging.
»Ich weiß nicht«, sagte das Mädchen. »Vor zwei Monaten etwa.«
Käthe legte den Mantel zurück auf die Mauer.
»Vielleicht ist es der Hunger und die Erschöpfung«, sagte sie. »Wenn man zu wenig isst, hört man auf zu menstruieren. Das geht vielen Frauen so in diesen Zeiten.«
Das Mädchen starrte sie wieder mit diesem leeren, verständnislosen Blick an. Vielleicht war sie ja schwachsinnig.
»Nein«, sagte sie. »Das ist es nicht.«
Käthe nickte.
»Ich bin kein Arzt«, sagte sie. »Ich bin Hebamme.«
»Aber Sie können mir helfen.«
»Wer hat dich zu mir geschickt?«, fragte Käthe.
»Ich hab schon selbst versucht, es wegzumachen«, sagte das Mädchen, als habe sie die Frage gar nicht gehört. »Aber es ging nicht. Wenn Sie mir nicht helfen, bring ich mich um.«
Käthe musste an Schwester Marlies denken, die sie auf der Hebammenschule unterrichtet hatte. Schwester Marlies hatte sie bereits im ersten Lehrjahr davor gewarnt, dass das unweigerlich passieren würde.
»Man wird versuchen, Sie unter Druck setzen«, hatte sie gesagt. »Aber vergessen Sie nie: Ihre Aufgabe ist es, das keimende Leben zur Welt zu bringen und nicht, es abzutöten. Nehmen Sie sich das zu Herzen, was immer auch geschieht.«
Doch das lag fast dreißig Jahre zurück. Es war eine andere Welt, in der Schwester Marlies gelebt hatte, in der sie alle damals gelebt hatten, eine Welt mit Häusern und Fensterscheiben, mit Straßen und Bäumen, eine Welt mit Litfaßsäulen und Fernsprechapparaten und Hebammenschulen. Aber diese Welt gab es nicht mehr, und Schwester Marlies gab es ebenfalls nicht mehr, sie war schon vor dem Krieg gestorben. Das alles war vorbei, und dadurch hatten auch Schwester Marlies' Ermahnungen ihre Bedeutung verloren, dachte Käthe und zog ihren Mantel aus. Sie schlüpfte in den Pelzmantel, der sich um ihren mageren Körper legte wie eine Daunendecke. Dann zog sie ihren alten Mantel über den Pelz, damit keiner die Kostbarkeit sah und auf falsche Gedanken kam.
»Was machen Sie?«, fragte das Mädchen misstrauisch.
»Ich muss ihn mitnehmen«, sagte Käthe. »Ich muss auf dem Schwarzmarkt einige Dinge besorgen. Äther, Verbandszeug. «
Essen, dachte sie. Sie würde sich wieder einmal richtig satt essen.
»Komm morgen Mittag wieder hierher«, sagte sie dann. »Um dieselbe Zeit.«
Des Herrn Tag ist nahe im Tal der Entscheidung.
Die Entscheidung war gefallen.
© Aufbau Verlag GmbH & Co. KG, Berlin 2012
»Wobei soll ich dir denn helfen?«, fragte Käthe und wusste schon Bescheid. Und ahnte bereits die Folgen. Dass es nicht bei diesem einen Pelzmantel bleiben würde und bei einem einzigen Mal, sondern dass das, was nun begann, immer weitergehen würde, bis es nicht mehr weiterging. Weil der Krug eben nur so lange zum Brunnen geht, bis er bricht.
Das Mädchen knöpfte auch den zweiten Mantel auf und zog ihn aus und legte ihn auf die zerschossene Mauer, die sie und Käthe voneinander trennte.
Käthe versuchte ihren Blick davon abzuwenden, aber der Mantel lag nun einmal dort und duftete nach Speck und gebratenen Kartoffeln und Zwiebeln. Ihre Hand hob sich, ohne dass sie es verhindern konnte. Sie fuhr über das weiche, dichte Fell, zog den Mantel von der Mauer und hob ihn hoch an ihr Gesicht, sodass sie die weiche Wärme an ihrer Wange spürte.
Das Mädchen ließ sie nicht aus den Augen. Vielleicht befürchtete es, dass Käthe den Mantel nehmen und damit weglaufen könnte.
»Wie lange?«, fragte Käthe, während sie den Mantel sinken ließ.
Das Mädchen schwieg.
»Wann hast du das letzte Mal geblutet?«, fragte Käthe und dann hoffte sie einen winzigen Moment lang, dass sie sich getäuscht hatte und dass es um etwas ganz anderes ging.
»Ich weiß nicht«, sagte das Mädchen. »Vor zwei Monaten etwa.«
Käthe legte den Mantel zurück auf die Mauer.
»Vielleicht ist es der Hunger und die Erschöpfung«, sagte sie. »Wenn man zu wenig isst, hört man auf zu menstruieren. Das geht vielen Frauen so in diesen Zeiten.«
Das Mädchen starrte sie wieder mit diesem leeren, verständnislosen Blick an. Vielleicht war sie ja schwachsinnig.
»Nein«, sagte sie. »Das ist es nicht.«
Käthe nickte.
»Ich bin kein Arzt«, sagte sie. »Ich bin Hebamme.«
»Aber Sie können mir helfen.«
»Wer hat dich zu mir geschickt?«, fragte Käthe.
»Ich hab schon selbst versucht, es wegzumachen«, sagte das Mädchen, als habe sie die Frage gar nicht gehört. »Aber es ging nicht. Wenn Sie mir nicht helfen, bring ich mich um.«
Käthe musste an Schwester Marlies denken, die sie auf der Hebammenschule unterrichtet hatte. Schwester Marlies hatte sie bereits im ersten Lehrjahr davor gewarnt, dass das unweigerlich passieren würde.
»Man wird versuchen, Sie unter Druck setzen«, hatte sie gesagt. »Aber vergessen Sie nie: Ihre Aufgabe ist es, das keimende Leben zur Welt zu bringen und nicht, es abzutöten. Nehmen Sie sich das zu Herzen, was immer auch geschieht.«
Doch das lag fast dreißig Jahre zurück. Es war eine andere Welt, in der Schwester Marlies gelebt hatte, in der sie alle damals gelebt hatten, eine Welt mit Häusern und Fensterscheiben, mit Straßen und Bäumen, eine Welt mit Litfaßsäulen und Fernsprechapparaten und Hebammenschulen. Aber diese Welt gab es nicht mehr, und Schwester Marlies gab es ebenfalls nicht mehr, sie war schon vor dem Krieg gestorben. Das alles war vorbei, und dadurch hatten auch Schwester Marlies' Ermahnungen ihre Bedeutung verloren, dachte Käthe und zog ihren Mantel aus. Sie schlüpfte in den Pelzmantel, der sich um ihren mageren Körper legte wie eine Daunendecke. Dann zog sie ihren alten Mantel über den Pelz, damit keiner die Kostbarkeit sah und auf falsche Gedanken kam.
»Was machen Sie?«, fragte das Mädchen misstrauisch.
»Ich muss ihn mitnehmen«, sagte Käthe. »Ich muss auf dem Schwarzmarkt einige Dinge besorgen. Äther, Verbandszeug. «
Essen, dachte sie. Sie würde sich wieder einmal richtig satt essen.
»Komm morgen Mittag wieder hierher«, sagte sie dann. »Um dieselbe Zeit.«
Des Herrn Tag ist nahe im Tal der Entscheidung.
Die Entscheidung war gefallen.
© Aufbau Verlag GmbH & Co. KG, Berlin 2012
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Autoren-Porträt von Gina Mayer
Gina Mayer, 1965 in Ellwangen geboren, lebt mit ihrer Familie in Düsseldorf. Sie studierte Grafik-Design und arbeitete einige Zeit als Werbetexterin. Nach der Geburt ihrer beiden Kinder, begann sie Bücher zu schreiben. 2006 erschienen ihre ersten Romane. Sie schreibt für Erwachsene und Jugendliche, am liebsten Krimis.
Bibliographische Angaben
- Autor: Gina Mayer
- 2012, 2, 368 Seiten, Maße: 12,5 x 21,5 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: Rütten & Loening
- ISBN-10: 3352008434
- ISBN-13: 9783352008436
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