Das Moorehouse-Erbe
Träume, zart wie Seide: Joy weiß, dass es hoffnungslos ist, Sommer für Sommer von Gray Bennett zu träumen! Welten trennen sie und den reichen Politiker. Doch dann wird Joy plötzlich als Modedesignerin entdeckt. Auf der Suche nach Glück und Geld verlässt sie die Pension und reist nach New York begleitet von Gray. ;
Liebe, unendlich wie das Meer: Frankie und Joy beauftragen die Architektin Cass Cutler, Moorehouse umzugestalten. Sie ahnen nicht, was sie ihrem Bruder Alex damit antun: Cass ist die Frau, die er liebt, seit sie mit seinem Freund Reese vor dem Altar stand. Jetzt ist Reese tot, und Alex will bei Cass stark bleiben. Aber sein Herz sehnt sich verzweifelt nach ihr.
Man nehme: dich und mich AUS „DAS MOOREHOUSE – ERBE“ von Jessica Bird
1. KAPITEL
E in einzelner, harmloser Tropfen war die einzige Vorwarnung für den Sturzbach. Er
fiel auf die Monatsabrechnung, die vor Frances Moorehouse auf dem Schreibtisch
lag, und zeigte ihr noch deutlicher als die roten Zahlen, wie schlecht es um die
Hotelpension White Caps stand. War das Dach etwa schon wieder undicht? So
elegant und verwunschen die alte Villa mit ihren vielen Erkern und Türmchen wirkte,
die Dachkonstruktion war ein Albtraum. In den vielen Winkeln und Überständen
sammelten sich ständig Feuchtigkeit und Laub, und irgendwo gab es bei Regen
Frankie aus dem Fenster. Aber es regnete doch gar nicht! Als sie zur Decke schaute
und den riesigen dunklen Fleck sah, blieb ihr gerade noch Zeit für ein entsetztes
„Was, zum Teufel …“, bevor an die hundert
Liter Wasser über sie und den Schreibtisch hereinbrachen. Leider war es auch kein
sauberes Regenwasser, sondern eine übel riechende Brühe, vermischt mit
Gipsbrocken aus der Decke und verrotteten Pflanzenteilen. Als der Sturzbach endlich
verebbte, nahm Frankie die Brille ab und hob hilflos die Arme. Dann hörte sie im Flur
Schritte, und sie stand hastig auf und zog die Bürotür von innen zu. „Hey, Frankie,
ist was passiert?“, erklang von draußen Georges unverkennbare Bassstimme. Doch
von ihm war leider keine Hilfe zu erwarten. George arbeitete jetzt seit sechs Wochen
im White Caps, und manchmal hatte sie das Gefühl, eine Schnecke bewege sich
schneller als er. Eigentlich hatte sie ihn als Hilfskoch eingestellt,
aber die meiste Zeit stand er nur herum und den anderen im Weg – was bei seiner
Größe von fast zwei Metern bei an die hundertfünfzig Kilo Lebendgewicht kein
Wunder war. Am liebsten hätte Frankie ihn schon am zweiten Tag wieder gefeuert,
aber er brauchte den Job nun mal. Außerdem hatte er ein gutes Herz und war nett zu
ihrer Großmutter. „Ist alles okay bei dir?“, fragte er besorgt. „Ja, alles bestens.“ Es
war ihre Standardantwort auf die verhasste Frage. „Kümmere dich um das Brot für
die Brotkörbe, ja?“ „Ist gut, Frankie.“ Erschöpft schloss sie die Augen. Von der Decke
tropfte es noch immer, und sie freute sich nicht darauf, hier sauber zu machen. Aber
zum Glück funktionierte wenigstens der Nasssauger noch, die Aufgabe war also zu
bewältigen. Die finanziellen Probleme von White Caps dagegen schienen nie ein
Ende zu nehmen. Die große Hotelpension mit angeschlossenem Restaurant stand
am Ufer des Saranac Lake in den Adirondack Mountains. Das Haus befand sich seit
dem Bau im Besitz ihrer Familie, und zehn der geschichtsträchtigen Räume dienten
als Gästezimmer. Doch seit einigen Jahren lief das Geschäft
schleppend. Die Leute reisten nicht mehr so viel, es gab weniger Übernachtungen,
und auch das Restaurant warf nicht genug ab, obwohl es fast das einzige in der
Gegend war. Ein Grund für die schlechte Auftragslage war das Haus selbst. Es war
im 18. Jahrhundert als Sommerresidenz gebaut worden und musste eigentlich von
Grund auf renoviert werden. Ein neuer Anstrich hier und hübsch bepflanzte
Blumenkästen dort konnten nicht mehr verbergen, dass überall die Trockenfäule saß,
die Dachrinnen sich lösten und die Verandastufen durchhingen. Und jedes Jahr kam
etwas Neues dazu. Entweder leckte das Dach, oder ein Boiler gab seinen Geist auf.
Bitter starrte Frankie zur Decke hinauf, wo durch das fußballgroße Loch marode
Leitungen zu sehen waren. Dieses Jahr war es dann wohl die Installation. Sie knüllte
den durchnässten Computerausdruck zusammen und warf ihn in den Papierkorb.
Mutlos zupfte
sie sich Gipsbröckchen aus dem Haar. Nicht nur das Haus wurde immer älter und
weniger anziehend – auch vor ihr machte die Zeit nicht halt. Mit einunddreißig fühlte
sie sich an den meisten Tagen wie Mitte
fünfzig. Seit zehn Jahren arbeitete sie nun schon sieben Tage die Woche. Wann war
sie das letzte Mal beim Friseur gewesen? Oder shoppen? Ihre Fingernägel brachen
ständig ab, die Brille war ein Kassengestell, und sie lebte von Kaffee und Brot, weil
ihr die Zeit für richtiges Essen fehlte. Mit lustlosen Bewegungen machte sie sich ans
Aufräumen. „Frankie?“ Das war Joy, ihre Schwester. Frankie musste sich schwer
zusammennehmen, um nicht zu brüllen: Frag jetzt nicht, ob alles okay ist! „Ist alles
okay?“ Seufzend schloss sie die Augen. „Ja, alles bestens.“ Eine Weile blieb es still.
Frankie stellte sich vor, wie Joy vor der Tür stand, eine Hand auf den Rahmen gelegt,
das wunderschöne, engelhafte Gesicht besorgt. „Wo ist Grand-Em?“, fragte Frankie.
Wenn sie die Sprache auf ihre Großmutter Emma brachte, ließ sich Joy vielleicht
ablenken. „Sie liest das Telefonbuch.“ Sehr schön, das würde sie eine Weile
beschäftigen. Die alte Dame litt unter immer schwererer Demenz und brauchte fast
ständig Betreuung. „Ach, Frankie, weshalb ich hier bin …“ „Ja?“ Die Antwort war so
leise, dass Frankie mit dem Aufräumen innehielt, um ihre Schwester besser zu
hören. „Kannst du etwas lauter reden, ich versteh dich ja kaum.“ „Tja, äh … Chuck
hat angerufen.“ Mit Schwung warf Frankie einen größeren Gipsbrocken in den
Papierkorb. „Sag jetzt nicht, dass er wieder zu spät kommt. Heute ist nicht irgendein
Freitag, Herrgott, sondern der vorm Feiertagswochenende!“ Frankie hoffte sehr, dass
wie schon letztes Jahr zum vierten Juli wieder ein paar Pärchen aus der Stadt zum
Abendessen kommen würden. Die vier Übernachtungsgäste mitgerechnet, würden
sie vielleicht neun oder zehn Menüs servieren – nicht so viele wie früher, aber doch
immerhin
mehr als sonst. Wieder sprach Joy so leise, dass Frankie sie nicht verstand. Entnervt
riss sie die Tür auf. „Was sagst du?“ Erschrocken prallte Joy zurück. Ihre blauen
Augen weiteten sich, als sie Frankies klatschnasses Haar und das Chaos hinter ihr
sah. „Sag jetzt lieber nichts“, warnte Frankie. „Ich will nur hören, was Chuck wollte,
und sonst kein Wort.“ Hastig sprudelte Joy die Nachricht des Kochs hervor: Er und
seine Freundin wollten heiraten und nach Las Vegas ziehen. Deshalb würde er nicht
mehr kommen
– weder heute Abend noch am Wochenende. Also eigentlich überhaupt nicht mehr.
Mit zitternden Knien lehnte sich Frankie an den Türrahmen. Die nassen Kleider
klebten ihr am Leib. Als Joy die Hand nach ihr ausstreckte, wehrte sie sie jedoch ab,
atmete tief durch und richtete sich auf. „Also schön, dann werde ich jetzt erst mal
duschen. Und dann machen wir Folgendes…“
Jessica Bird ist verheiratet und lebt mit Mann und Hund in Kentucky.
- Autor: Jessica Bird
- 2009, 428 Seiten, Maße: 14,1 x 20,6 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Stefanie Rudolph
- Verlag: MIRA Taschenbuch
- ISBN-10: 3899416678
- ISBN-13: 9783899416671
- Erscheinungsdatum: 26.11.2009
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