Das Sündenopfer
Roman. Deutsche Erstausgabe
Irgendwo in Südafrika ist ein Geistlicher auf dem Weg zu seiner neuen Gemeinde. Als er auf einer einsamen staubigen Landstraße einem vermeintlichen Anhalter begegnet, nimmt er den Mann mit. Doch der namenlose Fremde ist auf der Flucht. Er tötet den Pfarrer,...
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Produktinformationen zu „Das Sündenopfer “
Irgendwo in Südafrika ist ein Geistlicher auf dem Weg zu seiner neuen Gemeinde. Als er auf einer einsamen staubigen Landstraße einem vermeintlichen Anhalter begegnet, nimmt er den Mann mit. Doch der namenlose Fremde ist auf der Flucht. Er tötet den Pfarrer, stiehlt dessen Identität und übernimmt sogar die Stelle des Toten in einer nahen Missionarskirche. Doch von Anfang an erregt er das Misstrauen des Ortspolizisten, der den Fremden wie ein Tier in der Falle umkreist...
Ein Roman um Schuld und Sühne - von geradezu archaischer Kraft und Intensität.
Ein Roman um Schuld und Sühne - von geradezu archaischer Kraft und Intensität.
Irgendwo in Südafrika ist ein Geistlicher auf dem Weg zu seiner neuen Gemeinde. Als er auf einer einsamen staubigen Landstraße einem vermeintlichen Anhalter begegnet, nimmt er den Mann mit. Doch der namenlose Fremde ist auf der Flucht. Er tötet den Pfarrer, stiehlt dessen Identität und übernimmt sogar die Stelle des Toten in einer nahen Missionarskirche. Doch von Anfang an erregt er das Misstrauen des Ortspolizisten, der den Fremden wie ein Tier in der Falle umkreist ...
Ein Roman um Schuld und Sühne - von geradezu archaischer Kraft und Intensität.
"Eine Reise mitten in das Herz des dunkelsten Südafrika." The Literary Review
"Galgut hat das Zeug, eine der bedeutendsten literarischen Stimmen Südafrikas zu werden." The Economist
"Dieser Roman beweist, dass Galgut das Zeug hat, neben den Nobelpreisträgern Nadine Gordimer und J.M. Coetzee eine der bedeutendsten literarischen Stimmen Südafrikas zu werden." The Economist
Ein Roman um Schuld und Sühne - von geradezu archaischer Kraft und Intensität.
"Eine Reise mitten in das Herz des dunkelsten Südafrika." The Literary Review
"Galgut hat das Zeug, eine der bedeutendsten literarischen Stimmen Südafrikas zu werden." The Economist
"Dieser Roman beweist, dass Galgut das Zeug hat, neben den Nobelpreisträgern Nadine Gordimer und J.M. Coetzee eine der bedeutendsten literarischen Stimmen Südafrikas zu werden." The Economist
Lese-Probe zu „Das Sündenopfer “
Dann kam er aus dem Gras am Stra enrand hervor und blieb regungslos stehen. Er wippte ganz sacht auf den Fersen. Er hatte Blasen an den F en, die vom Gehen herr hrten, Blasen im Mund, die allenfalls von seinem Schweigen herr hren konnten, und Bartstoppeln, spitz wie Glassplitter, am Kinn.Er setzte sich auf einen Stein am Stra enrand. Nach einer Weile barg er, scheinbar grundlos, den Kopf in den H nden und weinte. Dann h rte er auf zu weinen. Er sah sich um. Die Stra e war ein staubiges Band. Links und rechts davon erstreckte sich das flache Grasland, weit und breit kein Baum.
"Herr im Himmel", sagte der Mann.
Aus seiner rechten Ges tasche zog er eine gl serne Trinkflasche, die er gestern mit brackigem Wasser aus einem Bach gef llt hatte. Er schraubte den Deckel ab, spuckte auf die Erde und nahm einen tiefen Schluck. Er sah nach, wie viel Wasser noch in der Flasche war, schraubte sie zu und schob sie wieder in die Tasche.
Er sa eine Weile da und starrte vor sich hin. Er betrachtete die Linien in seiner Hand. Er wollte etwas sagen. Aber zum Sprechen war es zu hei . Er sagte nichts. Er sch ttelte einmal kurz den Kopf, wahrscheinlich um eine Fliege aus seinem Gesicht zu verscheuchen.
Dann stand er auf und taumelte vorw rts. Wankend ging er den leeren wei en Weg entlang. Er sah aus wie eine Tonfigur, die man, noch qualmend und versengt, aus einem Brennofen gezogen hat. Eine Zeit lang folgte ihm eine M we, schwebte wei und kreischend ber seinem Kopf. Er blieb stehen, warf einen Stein nach ihr, und sie drehte Fl gel schlagend ab. Sie verschwand ber das Gras in Richtung Meer. Er ging weiter.
Die Stra e machte eine Linksbiegung. Sie erklomm eine Anh he, und dann konnte auch er das Wasser sehen, wie es flach und endlos weit ans Ufer brandete. Dort wollte er hin. Zwischen Stra e und Strand befand sich ein Bett aus trockenem Schilf, und er schob sich zwischen den spr den, knisternden Rohren hindurch. Er kam zum Sand, der wei war und fein und gezeichnet von
... mehr
den Notenlinien fr herer Gezeiten. Muscheln und Seegras, Krabbenskelette.
Er zog sich aus und h ngte seine Kleider ber ein St ck salzwei es Treibholz, das aus dem Sand ragte. Es war ein sonderbares Sammelsurium von Kleidungsst cken. Die Stiefel schienen aus Milit rbest nden zu stammen, ebenso die Socken. Das rote Baumwollhemd mit schiefer Knopfleiste hatte er im Vorbeigehen in einer namenlosen Siedlung mitgehen lassen. Auch die derbe blaue Hose hatte er gestohlen, von einer W scheleine am Stadtrand. Er streifte sie ab und war nackt, umsp lt vom kalten Sonnenlicht. Sein K rper war ein bizarrer Flickenteppich aus wei er und sonnenverbrannter Haut, aus Sauberkeit und Schmutz. Er war ein Harlekin.
Er ging hinab zum Wasser. Wieder kreisten M wen ber ihm. Er beachtete sie nicht. Er watete ein St ck hinein, bis er knietief im Wasser stand. Es war kalt.
Er wusch sich. Seine Bewegungen waren teilnahmslos, mechanisch, und alle T tigkeiten waren eins. Ob Weinen oder Waschen, das Eine war ihm so gut wie das Andere. Er klatschte sich das eisige Wasser mit vollen H nden ber den R cken, ins Gesicht. Er schrubbte seine Haut mit Sand. Dann wartete er eine Weile, lie die Arme h ngen und betrachtete den schmalen Horizont, der wie mit Tinte hingetupft schien und die Welt als perlmuttener Bogen berspannte.
Er watete wieder an den Strand. Seine Kleider hingen ber dem St ck Treibholz, wo er sie zur ckgelassen hatte, und er starrte sie ungl ubig an. Er konnte sich nicht entsinnen, sie dort hingeh ngt zu haben, und einen Augenblick lang schien es ihm, als geh rten sie einem Anderen. Dann fiel es ihm wieder ein. Langsam zog er sich an, der Stoff klebte an seiner feuchten Haut. Die Kleider rochen nach irgendwem, nach irgendwas, vielleicht aber auch nach nichts.
Er ging durch das Schilf zur ck zur Stra e. Er ging nach Norden, mit unbekanntem Ziel.
Am sp ten Nachmittag kam ihm auf der leeren Stra e eine Gestalt wie er selbst entgegen, die in die andere Richtung ging, nach S den. Auf gleicher H he angekommen, blieben sie stehen. Jetzt, wo er einem anderen Menschen gegen berstand, sah man, dass er sehr gro und kr ftig war. Der andere Mann war schwarz und trug einen dunkelblauen Anzug. Sie blickten einander misstrauisch an.
Er beschloss, etwas zu sagen.
"Hallo", sagte er.
Der Andere nickte vorsichtig.
"Wohin f hrt diese Stra e?", fragte er.
Der Andere l chelte geheimnisvoll.
"Wissen Sie, wo ich hier Wasser finde?"
Er zog die Flasche aus der Tasche und zeigte sie ihm.
Darauf wurde der Andere redselig. Er deutete in die Richtung, aus der er gekommen war. Dabei sprach er, in einer Sprache, die der Mann nicht verstand. Hektisch und mit hoher Stimme. Dann verstummte er wieder und r hrte sich nicht. Sie sahen sich an.
"Wiedersehen", sagte er.
Der Andere nickte l chelnd. "Wiedersehen", sagte er und brachte das Wort nur schwer ber die Lippen.
Sie gingen ihrer Wege. Langsam entfernten sie sich voneinander, auf dem fahlen wei en Band der Stra e, drehten sich immer wieder nacheinander um, wie zwei winzige Gewichte auf einer Fl che, die durch einen komplizierten Flaschenzug verbunden und in ihrer kontinuierlichen Bewegung voneinander abh ngig sind. Dann verschwand der Schwarze hinter einer Biegung. Die Stra e ging schnurgerade weiter.
Gegen Abend sah er in der Ferne eine winzige Ansammlung von H tten. Vielleicht war der andere Mann von dort gekommen. Sie lagen etwas abseits zur Linken, am Meer, und er verlie die Stra e und ging auf sie zu. Es waren Fischerh tten mit wei get nchten W nden, und er sah Boote im Sand liegen. Die Kinder, die im Kies vor den H usern spielten, hielten inne und betrachteten ihn mit dumpfer Verwunderung, als er wie aus dem Nichts auftauchte. Ein K ter bellte ihn an, ein zweiter fiel mit ein, und unter ihrem ohrenbet ubenden Gebell und Geheul erreichte er den Rand der Siedlung und blieb leicht schwankend stehen.
Sp ter boten ihm ein paar M nner etwas zu essen an, und er plauderte eine Weile mit ihnen, am Feuer kniend, sein langer Schatten ein flackernder, pantomimischer Fortsatz seiner selbst. Ein Wind kam auf, und die Wolken, die am Nachmittag aufgezogen waren, ballten sich nun am Himmel, durchzuckt von schrillem innerem Licht. Sie teilten ihren Fisch mit ihm, und er a mit den Fingern. Sie boten ihm Bier an, aber er trank stattdessen Wasser aus einem ligen Bach hinter den H usern. Sie fragten nicht, was ihn hierher f hrte, woher er kam, wohin er wollte. Er sprach wenig. Es waren seltsame Leute, gegerbt von Wind und Sonne, und die Gesichter unter den Wollm tzen waren unergr ndlich und verschlossen. Sie boten ihm ein Bett f r die Nacht, aber er lehnte h flich ab und machte sich wieder auf in die Dunkelheit. Er stemmte sich gegen den Wind, w hrend Lichtexplosionen den hohen, pflaumenfarbenen Himmel erhellten.
Bald darauf fing es an zu regnen. Er ging eine Weile durch das silbrige Nass, der Wind schlug ihm ins Gesicht wie eine Faust, bis er zu einem Kanal unter der Stra e kam. Der Kanal f hrte Wasser, aber er fand ein trockenes Pl tzchen und rollte sich zusammen. Er war noch nie so dankbar f r ein Bett gewesen. Er schlief wie ein Toter. Das Gewitter verzog sich, und die Wolken trieben ber das Meer davon. Ein nachtaktives Tier, unsichtbar bis auf die roten Schlitze seiner Augen, erschien am Eingang des Kanals, starrte ihn an und lief weiter. Er schlief weiter, tief und traumlos, und zuckte nicht einmal im Schlaf.
Als er erwachte, war es noch duster, und er kroch aus dem Kanal und streckte sich am Stra enrand. Dunkel spannte sich der weite Himmel, gepunktet mit den Spuren unz hliger Sterne. Wieder trank er Wasser aus einer Pf tze am Eingang des Kanals und brach dann auf, ebenso entschlossen wie zuvor, w hrend sich der Himmel zu seiner Rechten langsam hell f rbte. Er kam vorbei an einem Haus, vielleicht ein Farmhaus, in der Ferne. Dort brannte einsam, wie ein Stern, ein Licht in einem Fenster, und drau en machten sich Arbeiter langsam, tr ge an ihr Werk. Dann ging, wie vermutlich alle Zeit, die Sonne auf, auch sie ein Stern, und ihr Licht und ihre Hitze erstrahlten ber der Erde.
Es tat gut, zu Fu zu gehen. Rosig schimmerte das Gras, und die Luft strich mild ber die Haut. Das Gel nde war hier nicht mehr ganz so flach, ringsum erhoben sich sanft kleine H gel. Er kam an einem Baum vorbei, aber der war bald verschwunden, und kein zweiter trat an seine Stelle.
Dann kletterte die Sonne, die Luft verlor ihre Milde, und es gab keinen Schatten. Er ging jetzt langsamer als gestern, denn seine steifen Gelenke machten ihm das Gehen schwer. Er versuchte zu pfeifen, doch ihm wollte keine Melodie einfallen, au erdem hatte er einen trockenen Mund, darum lie er es bleiben. Seine Gedanken waren jetzt schwerelos, nicht mehr an sein Leben gekettet. Ein kleines Tier, vermutlich ein Mungo, huschte vor ihm ber die Stra e und verschwand im Gras, aber er blieb nicht stehen. In der Ferne kreischten V gel, und hier und da erhoben sich Termitenh gel wie Zitadellen, die einst die Welt beherrscht haben mochten, und er ging weiter, als k nnte Stehenbleiben das Ende bedeuten.
Als er das Ger usch h rte, z gerte er nicht, sondern schlug sich ins Gras zu seiner Rechten und schloss die gelben Garben wie einen Vorhang hinter sich. Er kauerte sich auf die harte Erde, die warm war wie das atmende Fleisch eines in der Sonne d senden Reptils, starrte durch einen Spalt zwischen den Halmen auf ein etwa zehn Meter langes St ck Stra e und horchte, wie das Motorenger usch n her kam und lauter wurde, bis es die vor ihm liegende Arena ausf llte wie die B hne eines kleinen Theaters und er einen ebenso kurzen wie eindrucksvollen Blick auf einen blauen Pickup-Truck erhaschte, in dessen F hrerhaus ein rotgesichtiger, hemds rmeliger Farmer mit Hut und seine d ster dreinblickende Gattin sa en, w hrend auf der Ladefl che ein Arbeiter auf zwei Metallf ssern ausgestreckt lag und kr ftig durchgesch ttelt wurde, alle drei im Profil, wie vom Pinsel eines manischen Malers hingeworfen, der zwar fantasievoll und gelegentlich sogar genial, aber mit ziemlicher Sicherheit verr ckt ist. Dann war der Wagen vorbei, Staub hing in der Luft, und das Gras zitterte und bebte. Da er nicht weitergehen mochte, w lzte er sich auf die Seite, machte es sich bequem und war im Nu eingeschlafen, wie ausgel scht von einer interesselosen u eren Macht, die sein Bewusstsein tilgte wie eine Kreidezeichnung von einer Tafel. Diesmal tr umte er, von alten, l ngst vergessen geglaubten Zeiten.
Als er diesmal erwachte, brach bereits die Dunkelheit herein, und unter demselben, fast unmerklich verschobenen Sternbild, das vielleicht alles, vielleicht aber auch nichts bedeutet, setzte er seinen Weg fort, mit sonderbar steifgliedrigem Gang, auf Beinen wie aus Stroh. Bisweilen schossen vergl hende Himmelsk rper als winzige Feuerblitze ber ihn hinweg. Eigentlich h tte er sich etwas w nschen m ssen, aber ihm fiel nichts ein. Die Nacht zog ber ihm dahin, und er ging weiter nach Norden, in stetig abnehmendem Tempo. Kurz vor Tagesanbruch ging der Mond auf und hing schief vor ihm, wie ein Ziel, dem er zustrebte, aber dann kam die Sonne hervor, und der Mond verblasste zu einem blo en Umriss. Er ging wie gestern in immer glei enderem Licht und dr ckenderer Hitze vor sich hin, sp rte heute jedoch nichts von der Gnade, die ihn gestern noch erf llt hatte. Er hatte vielmehr das Gef hl, dass alles sich dem Ende zuneigte, dachte an Federn, die brachen, und R der, die zum Stillstand kamen, und er wusste, dass er sich in seinem tr ben, geisterhaften D mmer aus Bewegung und Schlaf unaufhaltsam dem letzten Rand der Dinge n herte.
Wieder h rte er ein Auto hinter sich. Wie gestern schlug er sich ins Gras am Stra enrand und stie gegen einen Zaun, der die Grenze eines Grundst cks markierte. Er blieb am Stacheldraht h ngen, und als er sich endlich befreit hatte, lief aus einer Schnittwunde an seinem Finger Blut hellrot in seine Hand. Schei e, sagte er. Schei e. Er kauerte sich auf die Erde und starrte auf seine gezeichnete Hand. Inzwischen hatte ihn der Wagen fast erreicht, und er lauschte auf das Motorenger usch und wartete, dass es vorbeizog. Aber es zog nicht vorbei. Es schwoll an, stoppte gegen ber der Stelle, wo er sich versteckt hielt, und verstummte dann. Er lag still und lauschte. Er h rte, wie eine Wagent r ge ffnet wurde, und Stra enstaub, der unter Schuhsohlen knirschte. Kurz darauf stie eine M nnerstimme ein Wort hervor, und er h rte, wie die T r ge ffnet wurde, das Klirren von Metall, dann weitere Ger usche.
Da er die Stra e heute nicht sehen konnte, wusste er auch nicht, wer und zu wievielt sie waren. Pl tzlich kam ihm die Erkenntnis: Wenn er sich ergeben w rde, w re es endlich vorbei. Dann brauchte er sich nicht mehr zu verstecken. Er stand langsam auf, schob sich durch das Gras und trat auf die Stra e. Er stand da und sah zu Boden.
Der Wagen war ein wei er Toyota. Ein gedrungener Mann mit kahl werdendem Sch del machte sich an einem platten Hinterreifen zu schaffen. Er trug eine runde Brille mit goldenem Rand, die seine Augen gr er wirken lie . Er war um die vierzig.
Der Mann rappelte sich hoch, auf krummen Beinen. Er schien davonlaufen zu wollen. Doch keiner von beiden r hrte sich.
Da sprach ihn der Fahrer an.
"Was wollen Sie?", fragte er.
Der Wanderer versuchte zu antworten, aber seine Zunge war schlaff und ausgetrocknet und versagte ihm den Dienst. Er wollte essen und trinken und machte eine entsprechende Geste.
Der Fahrer sch ttelte den Kopf. Er blickte sich um. Dann sah er den Mann an und seufzte.
"Warten Sie hier", sagte er. "Ja?"
Der Wanderer r hrte sich nicht von der Stelle und wartete, w hrend der Fahrer chzend in die Hocke ging und den Reifen wechselte. Er wartete, w hrend der Andere den platten Reifen in den Kofferraum lud. Dann wurde ihm die Beifahrert r ge ffnet. Als er um den Wagen herumging, warf der Wanderer einen Blick auf den R cksitz und sah einen Stapel von Kisten und Paketen und, sorgf ltig dar ber drapiert, ein Kleidungsst ck von charakteristischer Farbe und unverwechselbarem Schnitt, woraus er schloss, dass der zweite Mann Priester war. Er stieg ein, und der Priester schloss die T r und ging zur Fahrerseite. Er stieg ein und schloss die T r. Er lie den Motor an.
Nun fuhren sie mit hohem Tempo weiter, auf der Stra e quer durch die Graslandschaft, in der sich nichts bewegt, nur das, was man in ihr ertr umt.
Kurz danach kamen sie zu einer Tankstelle mit Caf unweit einer Ansammlung von H usern. Sie parkten den Wagen am Rande des Asphalts und stiegen aus.
Der Priester wollte den Arm des Mannes nehmen, doch der sch ttelte ihn ab.
"Lassen Sie mich los", sagte er. "Ich kann alleine laufen."
"Schon gut", sagte der Priester. "Schon gut."
Sie betraten das Caf . Es war leer, bis auf eine ltere Frau hinter dem Tresen. Blaue Adern schimmerten wie kryptische Runen durch die Haut an ihren Armen, und unter ihren gestrengen Augen, aus denen ihnen namenloser Zorn entgegenschlug, gingen sie zu einem Plastiktisch am Fenster. Fast alles im Lokal war aus Plastik.
Eine Schwarze in einem fleckigen gelben Kleid kam aus der K che. Sie hatte ein Notizbuch und einen Stift in der Hand. Sie war korpulent. Der Mann wusste, was er wollte, konnte aber nicht sprechen. Er schlug die Speisekarte auf und zeigte auf etwas, und sie schrieb es in ihr Notizbuch. Sie nahm auch die Bestellung des Priesters auf. Dann ging sie wieder in die K che.
Sie warteten schweigend auf ihr Essen. Der Mann starrte auf den Tisch. Der Priester lehnte sich zur ck und musterte den Mann die ganze Zeit mit feuchten, dunklen Augen. Was er dachte, blieb sein Geheimnis.
"Da kommt das Essen", sagte er schlie lich.
Dieselbe korpulente Frau brachte es herein. Sie nahm die Teller von ihrem Tablett, stellte sie auf den Tisch und ging wieder hinaus. Der Priester hatte eine Tasse Kaffee bestellt, der Mann ein komplettes Fr hst ck.
Er schlang das Essen mit furchterregender Gier in sich hinein. Noch immer fiel kein Wort. Nur das Klappern des Bestecks und das Kauen des Mannes waren zu h ren, und die alte Frau sa mit finsterem Blick hinter dem Tresen und lie die beiden seltsamen Gestalten die blinde Wut sp ren, die sich im Laufe ihres Lebens in ihr angesammelt hatte.
Als er aufgegessen hatte, lehnte er sich zur ck.
"Kann ich noch was haben?"
Der Priester l chelte matt. "Nur zu", sagte er mit einer tr gen Handbewegung.
Der Mann machte der alten Frau ein Zeichen, und sie rief im Befehlston etwas in die K che. Kurz darauf kam die andere Frau herein und brachte ihm ein zweites Fr hst ck, genauso angerichtet wie das erste. Sie stellte es vor ihn hin und ging hinaus.
Als er aufgegessen hatte, lehnte er sich zur ck und sah zu, wie der Priester seinen Kaffee trank. Die Sonne war weitergewandert, und das Licht, das durchs Fenster fiel, lie die Staubk rnchen in der Luft ringsum sichtbar werden.
"Geht es Ihnen jetzt besser?"
"Ja", sagte er. "Viel besser."
"M chten Sie ...?"
"Ich m chte gar nichts", sagte er.
Sie sa en sich eine Weile gegen ber.
"Sie haben nicht zuf llig einen Rasierapparat und etwas Seife, die Sie mir leihen k nnten?"
Der Priester zog den Autoschl ssel aus der Hosentasche. Er gab ihn dem Mann. "Im Handschuhfach", sagte er.Er stand auf und ging hinaus. Die Tankstelle war verlassen, bis auf den Tankwart, der es sich auf einer Zementinsel bequem gemacht und sich die blaue M tze ber die Augen gezogen hatte. Der Mann schloss den Wagen auf und holte eine kleine schwarze Kulturtasche aus dem Handschuhfach.
Er zog sich aus und h ngte seine Kleider ber ein St ck salzwei es Treibholz, das aus dem Sand ragte. Es war ein sonderbares Sammelsurium von Kleidungsst cken. Die Stiefel schienen aus Milit rbest nden zu stammen, ebenso die Socken. Das rote Baumwollhemd mit schiefer Knopfleiste hatte er im Vorbeigehen in einer namenlosen Siedlung mitgehen lassen. Auch die derbe blaue Hose hatte er gestohlen, von einer W scheleine am Stadtrand. Er streifte sie ab und war nackt, umsp lt vom kalten Sonnenlicht. Sein K rper war ein bizarrer Flickenteppich aus wei er und sonnenverbrannter Haut, aus Sauberkeit und Schmutz. Er war ein Harlekin.
Er ging hinab zum Wasser. Wieder kreisten M wen ber ihm. Er beachtete sie nicht. Er watete ein St ck hinein, bis er knietief im Wasser stand. Es war kalt.
Er wusch sich. Seine Bewegungen waren teilnahmslos, mechanisch, und alle T tigkeiten waren eins. Ob Weinen oder Waschen, das Eine war ihm so gut wie das Andere. Er klatschte sich das eisige Wasser mit vollen H nden ber den R cken, ins Gesicht. Er schrubbte seine Haut mit Sand. Dann wartete er eine Weile, lie die Arme h ngen und betrachtete den schmalen Horizont, der wie mit Tinte hingetupft schien und die Welt als perlmuttener Bogen berspannte.
Er watete wieder an den Strand. Seine Kleider hingen ber dem St ck Treibholz, wo er sie zur ckgelassen hatte, und er starrte sie ungl ubig an. Er konnte sich nicht entsinnen, sie dort hingeh ngt zu haben, und einen Augenblick lang schien es ihm, als geh rten sie einem Anderen. Dann fiel es ihm wieder ein. Langsam zog er sich an, der Stoff klebte an seiner feuchten Haut. Die Kleider rochen nach irgendwem, nach irgendwas, vielleicht aber auch nach nichts.
Er ging durch das Schilf zur ck zur Stra e. Er ging nach Norden, mit unbekanntem Ziel.
Am sp ten Nachmittag kam ihm auf der leeren Stra e eine Gestalt wie er selbst entgegen, die in die andere Richtung ging, nach S den. Auf gleicher H he angekommen, blieben sie stehen. Jetzt, wo er einem anderen Menschen gegen berstand, sah man, dass er sehr gro und kr ftig war. Der andere Mann war schwarz und trug einen dunkelblauen Anzug. Sie blickten einander misstrauisch an.
Er beschloss, etwas zu sagen.
"Hallo", sagte er.
Der Andere nickte vorsichtig.
"Wohin f hrt diese Stra e?", fragte er.
Der Andere l chelte geheimnisvoll.
"Wissen Sie, wo ich hier Wasser finde?"
Er zog die Flasche aus der Tasche und zeigte sie ihm.
Darauf wurde der Andere redselig. Er deutete in die Richtung, aus der er gekommen war. Dabei sprach er, in einer Sprache, die der Mann nicht verstand. Hektisch und mit hoher Stimme. Dann verstummte er wieder und r hrte sich nicht. Sie sahen sich an.
"Wiedersehen", sagte er.
Der Andere nickte l chelnd. "Wiedersehen", sagte er und brachte das Wort nur schwer ber die Lippen.
Sie gingen ihrer Wege. Langsam entfernten sie sich voneinander, auf dem fahlen wei en Band der Stra e, drehten sich immer wieder nacheinander um, wie zwei winzige Gewichte auf einer Fl che, die durch einen komplizierten Flaschenzug verbunden und in ihrer kontinuierlichen Bewegung voneinander abh ngig sind. Dann verschwand der Schwarze hinter einer Biegung. Die Stra e ging schnurgerade weiter.
Gegen Abend sah er in der Ferne eine winzige Ansammlung von H tten. Vielleicht war der andere Mann von dort gekommen. Sie lagen etwas abseits zur Linken, am Meer, und er verlie die Stra e und ging auf sie zu. Es waren Fischerh tten mit wei get nchten W nden, und er sah Boote im Sand liegen. Die Kinder, die im Kies vor den H usern spielten, hielten inne und betrachteten ihn mit dumpfer Verwunderung, als er wie aus dem Nichts auftauchte. Ein K ter bellte ihn an, ein zweiter fiel mit ein, und unter ihrem ohrenbet ubenden Gebell und Geheul erreichte er den Rand der Siedlung und blieb leicht schwankend stehen.
Sp ter boten ihm ein paar M nner etwas zu essen an, und er plauderte eine Weile mit ihnen, am Feuer kniend, sein langer Schatten ein flackernder, pantomimischer Fortsatz seiner selbst. Ein Wind kam auf, und die Wolken, die am Nachmittag aufgezogen waren, ballten sich nun am Himmel, durchzuckt von schrillem innerem Licht. Sie teilten ihren Fisch mit ihm, und er a mit den Fingern. Sie boten ihm Bier an, aber er trank stattdessen Wasser aus einem ligen Bach hinter den H usern. Sie fragten nicht, was ihn hierher f hrte, woher er kam, wohin er wollte. Er sprach wenig. Es waren seltsame Leute, gegerbt von Wind und Sonne, und die Gesichter unter den Wollm tzen waren unergr ndlich und verschlossen. Sie boten ihm ein Bett f r die Nacht, aber er lehnte h flich ab und machte sich wieder auf in die Dunkelheit. Er stemmte sich gegen den Wind, w hrend Lichtexplosionen den hohen, pflaumenfarbenen Himmel erhellten.
Bald darauf fing es an zu regnen. Er ging eine Weile durch das silbrige Nass, der Wind schlug ihm ins Gesicht wie eine Faust, bis er zu einem Kanal unter der Stra e kam. Der Kanal f hrte Wasser, aber er fand ein trockenes Pl tzchen und rollte sich zusammen. Er war noch nie so dankbar f r ein Bett gewesen. Er schlief wie ein Toter. Das Gewitter verzog sich, und die Wolken trieben ber das Meer davon. Ein nachtaktives Tier, unsichtbar bis auf die roten Schlitze seiner Augen, erschien am Eingang des Kanals, starrte ihn an und lief weiter. Er schlief weiter, tief und traumlos, und zuckte nicht einmal im Schlaf.
Als er erwachte, war es noch duster, und er kroch aus dem Kanal und streckte sich am Stra enrand. Dunkel spannte sich der weite Himmel, gepunktet mit den Spuren unz hliger Sterne. Wieder trank er Wasser aus einer Pf tze am Eingang des Kanals und brach dann auf, ebenso entschlossen wie zuvor, w hrend sich der Himmel zu seiner Rechten langsam hell f rbte. Er kam vorbei an einem Haus, vielleicht ein Farmhaus, in der Ferne. Dort brannte einsam, wie ein Stern, ein Licht in einem Fenster, und drau en machten sich Arbeiter langsam, tr ge an ihr Werk. Dann ging, wie vermutlich alle Zeit, die Sonne auf, auch sie ein Stern, und ihr Licht und ihre Hitze erstrahlten ber der Erde.
Es tat gut, zu Fu zu gehen. Rosig schimmerte das Gras, und die Luft strich mild ber die Haut. Das Gel nde war hier nicht mehr ganz so flach, ringsum erhoben sich sanft kleine H gel. Er kam an einem Baum vorbei, aber der war bald verschwunden, und kein zweiter trat an seine Stelle.
Dann kletterte die Sonne, die Luft verlor ihre Milde, und es gab keinen Schatten. Er ging jetzt langsamer als gestern, denn seine steifen Gelenke machten ihm das Gehen schwer. Er versuchte zu pfeifen, doch ihm wollte keine Melodie einfallen, au erdem hatte er einen trockenen Mund, darum lie er es bleiben. Seine Gedanken waren jetzt schwerelos, nicht mehr an sein Leben gekettet. Ein kleines Tier, vermutlich ein Mungo, huschte vor ihm ber die Stra e und verschwand im Gras, aber er blieb nicht stehen. In der Ferne kreischten V gel, und hier und da erhoben sich Termitenh gel wie Zitadellen, die einst die Welt beherrscht haben mochten, und er ging weiter, als k nnte Stehenbleiben das Ende bedeuten.
Als er das Ger usch h rte, z gerte er nicht, sondern schlug sich ins Gras zu seiner Rechten und schloss die gelben Garben wie einen Vorhang hinter sich. Er kauerte sich auf die harte Erde, die warm war wie das atmende Fleisch eines in der Sonne d senden Reptils, starrte durch einen Spalt zwischen den Halmen auf ein etwa zehn Meter langes St ck Stra e und horchte, wie das Motorenger usch n her kam und lauter wurde, bis es die vor ihm liegende Arena ausf llte wie die B hne eines kleinen Theaters und er einen ebenso kurzen wie eindrucksvollen Blick auf einen blauen Pickup-Truck erhaschte, in dessen F hrerhaus ein rotgesichtiger, hemds rmeliger Farmer mit Hut und seine d ster dreinblickende Gattin sa en, w hrend auf der Ladefl che ein Arbeiter auf zwei Metallf ssern ausgestreckt lag und kr ftig durchgesch ttelt wurde, alle drei im Profil, wie vom Pinsel eines manischen Malers hingeworfen, der zwar fantasievoll und gelegentlich sogar genial, aber mit ziemlicher Sicherheit verr ckt ist. Dann war der Wagen vorbei, Staub hing in der Luft, und das Gras zitterte und bebte. Da er nicht weitergehen mochte, w lzte er sich auf die Seite, machte es sich bequem und war im Nu eingeschlafen, wie ausgel scht von einer interesselosen u eren Macht, die sein Bewusstsein tilgte wie eine Kreidezeichnung von einer Tafel. Diesmal tr umte er, von alten, l ngst vergessen geglaubten Zeiten.
Als er diesmal erwachte, brach bereits die Dunkelheit herein, und unter demselben, fast unmerklich verschobenen Sternbild, das vielleicht alles, vielleicht aber auch nichts bedeutet, setzte er seinen Weg fort, mit sonderbar steifgliedrigem Gang, auf Beinen wie aus Stroh. Bisweilen schossen vergl hende Himmelsk rper als winzige Feuerblitze ber ihn hinweg. Eigentlich h tte er sich etwas w nschen m ssen, aber ihm fiel nichts ein. Die Nacht zog ber ihm dahin, und er ging weiter nach Norden, in stetig abnehmendem Tempo. Kurz vor Tagesanbruch ging der Mond auf und hing schief vor ihm, wie ein Ziel, dem er zustrebte, aber dann kam die Sonne hervor, und der Mond verblasste zu einem blo en Umriss. Er ging wie gestern in immer glei enderem Licht und dr ckenderer Hitze vor sich hin, sp rte heute jedoch nichts von der Gnade, die ihn gestern noch erf llt hatte. Er hatte vielmehr das Gef hl, dass alles sich dem Ende zuneigte, dachte an Federn, die brachen, und R der, die zum Stillstand kamen, und er wusste, dass er sich in seinem tr ben, geisterhaften D mmer aus Bewegung und Schlaf unaufhaltsam dem letzten Rand der Dinge n herte.
Wieder h rte er ein Auto hinter sich. Wie gestern schlug er sich ins Gras am Stra enrand und stie gegen einen Zaun, der die Grenze eines Grundst cks markierte. Er blieb am Stacheldraht h ngen, und als er sich endlich befreit hatte, lief aus einer Schnittwunde an seinem Finger Blut hellrot in seine Hand. Schei e, sagte er. Schei e. Er kauerte sich auf die Erde und starrte auf seine gezeichnete Hand. Inzwischen hatte ihn der Wagen fast erreicht, und er lauschte auf das Motorenger usch und wartete, dass es vorbeizog. Aber es zog nicht vorbei. Es schwoll an, stoppte gegen ber der Stelle, wo er sich versteckt hielt, und verstummte dann. Er lag still und lauschte. Er h rte, wie eine Wagent r ge ffnet wurde, und Stra enstaub, der unter Schuhsohlen knirschte. Kurz darauf stie eine M nnerstimme ein Wort hervor, und er h rte, wie die T r ge ffnet wurde, das Klirren von Metall, dann weitere Ger usche.
Da er die Stra e heute nicht sehen konnte, wusste er auch nicht, wer und zu wievielt sie waren. Pl tzlich kam ihm die Erkenntnis: Wenn er sich ergeben w rde, w re es endlich vorbei. Dann brauchte er sich nicht mehr zu verstecken. Er stand langsam auf, schob sich durch das Gras und trat auf die Stra e. Er stand da und sah zu Boden.
Der Wagen war ein wei er Toyota. Ein gedrungener Mann mit kahl werdendem Sch del machte sich an einem platten Hinterreifen zu schaffen. Er trug eine runde Brille mit goldenem Rand, die seine Augen gr er wirken lie . Er war um die vierzig.
Der Mann rappelte sich hoch, auf krummen Beinen. Er schien davonlaufen zu wollen. Doch keiner von beiden r hrte sich.
Da sprach ihn der Fahrer an.
"Was wollen Sie?", fragte er.
Der Wanderer versuchte zu antworten, aber seine Zunge war schlaff und ausgetrocknet und versagte ihm den Dienst. Er wollte essen und trinken und machte eine entsprechende Geste.
Der Fahrer sch ttelte den Kopf. Er blickte sich um. Dann sah er den Mann an und seufzte.
"Warten Sie hier", sagte er. "Ja?"
Der Wanderer r hrte sich nicht von der Stelle und wartete, w hrend der Fahrer chzend in die Hocke ging und den Reifen wechselte. Er wartete, w hrend der Andere den platten Reifen in den Kofferraum lud. Dann wurde ihm die Beifahrert r ge ffnet. Als er um den Wagen herumging, warf der Wanderer einen Blick auf den R cksitz und sah einen Stapel von Kisten und Paketen und, sorgf ltig dar ber drapiert, ein Kleidungsst ck von charakteristischer Farbe und unverwechselbarem Schnitt, woraus er schloss, dass der zweite Mann Priester war. Er stieg ein, und der Priester schloss die T r und ging zur Fahrerseite. Er stieg ein und schloss die T r. Er lie den Motor an.
Nun fuhren sie mit hohem Tempo weiter, auf der Stra e quer durch die Graslandschaft, in der sich nichts bewegt, nur das, was man in ihr ertr umt.
Kurz danach kamen sie zu einer Tankstelle mit Caf unweit einer Ansammlung von H usern. Sie parkten den Wagen am Rande des Asphalts und stiegen aus.
Der Priester wollte den Arm des Mannes nehmen, doch der sch ttelte ihn ab.
"Lassen Sie mich los", sagte er. "Ich kann alleine laufen."
"Schon gut", sagte der Priester. "Schon gut."
Sie betraten das Caf . Es war leer, bis auf eine ltere Frau hinter dem Tresen. Blaue Adern schimmerten wie kryptische Runen durch die Haut an ihren Armen, und unter ihren gestrengen Augen, aus denen ihnen namenloser Zorn entgegenschlug, gingen sie zu einem Plastiktisch am Fenster. Fast alles im Lokal war aus Plastik.
Eine Schwarze in einem fleckigen gelben Kleid kam aus der K che. Sie hatte ein Notizbuch und einen Stift in der Hand. Sie war korpulent. Der Mann wusste, was er wollte, konnte aber nicht sprechen. Er schlug die Speisekarte auf und zeigte auf etwas, und sie schrieb es in ihr Notizbuch. Sie nahm auch die Bestellung des Priesters auf. Dann ging sie wieder in die K che.
Sie warteten schweigend auf ihr Essen. Der Mann starrte auf den Tisch. Der Priester lehnte sich zur ck und musterte den Mann die ganze Zeit mit feuchten, dunklen Augen. Was er dachte, blieb sein Geheimnis.
"Da kommt das Essen", sagte er schlie lich.
Dieselbe korpulente Frau brachte es herein. Sie nahm die Teller von ihrem Tablett, stellte sie auf den Tisch und ging wieder hinaus. Der Priester hatte eine Tasse Kaffee bestellt, der Mann ein komplettes Fr hst ck.
Er schlang das Essen mit furchterregender Gier in sich hinein. Noch immer fiel kein Wort. Nur das Klappern des Bestecks und das Kauen des Mannes waren zu h ren, und die alte Frau sa mit finsterem Blick hinter dem Tresen und lie die beiden seltsamen Gestalten die blinde Wut sp ren, die sich im Laufe ihres Lebens in ihr angesammelt hatte.
Als er aufgegessen hatte, lehnte er sich zur ck.
"Kann ich noch was haben?"
Der Priester l chelte matt. "Nur zu", sagte er mit einer tr gen Handbewegung.
Der Mann machte der alten Frau ein Zeichen, und sie rief im Befehlston etwas in die K che. Kurz darauf kam die andere Frau herein und brachte ihm ein zweites Fr hst ck, genauso angerichtet wie das erste. Sie stellte es vor ihn hin und ging hinaus.
Als er aufgegessen hatte, lehnte er sich zur ck und sah zu, wie der Priester seinen Kaffee trank. Die Sonne war weitergewandert, und das Licht, das durchs Fenster fiel, lie die Staubk rnchen in der Luft ringsum sichtbar werden.
"Geht es Ihnen jetzt besser?"
"Ja", sagte er. "Viel besser."
"M chten Sie ...?"
"Ich m chte gar nichts", sagte er.
Sie sa en sich eine Weile gegen ber.
"Sie haben nicht zuf llig einen Rasierapparat und etwas Seife, die Sie mir leihen k nnten?"
Der Priester zog den Autoschl ssel aus der Hosentasche. Er gab ihn dem Mann. "Im Handschuhfach", sagte er.Er stand auf und ging hinaus. Die Tankstelle war verlassen, bis auf den Tankwart, der es sich auf einer Zementinsel bequem gemacht und sich die blaue M tze ber die Augen gezogen hatte. Der Mann schloss den Wagen auf und holte eine kleine schwarze Kulturtasche aus dem Handschuhfach.
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Autoren-Porträt von Damon Galgut
Damon Galgut, geboren 1963 in Pretoria. Bereits mit 17 Jahren Beginn des Schreibens. Sein Roman "Der gute Doktor" wurde nominiert für den Booker Prize und 'bestes Buch' mit dem Commonwealth Writers' Prize ausgezeichnet. Der Autor lebt in Cape Town.
Bibliographische Angaben
- Autor: Damon Galgut
- 2007, 191 Seiten, Maße: 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Ins Dtsch. übers. v. Thomas Mohr
- Verlag: Goldmann
- ISBN-10: 3442542324
- ISBN-13: 9783442542321
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