Den Staat herausfordern
Attentate in Europa im späten 19. Jahrhundert
Terroristische Attentate erschütterten am Ende des 19. Jahrhunderts ganz Europa. Zwischen 1880 und 1914 kamen durch Revolverschüsse, Messerstiche oder Bomben so viele Monarchen, Staatsoberhäupter, Minister und Beamte ums Leben wie in keiner Zeit zuvor und...
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Produktinformationen zu „Den Staat herausfordern “
Klappentext zu „Den Staat herausfordern “
Terroristische Attentate erschütterten am Ende des 19. Jahrhunderts ganz Europa. Zwischen 1880 und 1914 kamen durch Revolverschüsse, Messerstiche oder Bomben so viele Monarchen, Staatsoberhäupter, Minister und Beamte ums Leben wie in keiner Zeit zuvor und danach. Anhand von Beispielen aus Deutschland, Frankreich und Italien untersucht dieses Buch das Phänomen Attentat als Herausforderung des staatlichen Gewaltmonopols: Wie reagierten die Nationalstaaten auf anarchistische Anschläge? Führte ein schwacher Staat zu vermehrten Exzessen der Gewaltsamkeit? Galten die staatlichen Repressionen der Bedrohung oder benutzten die Behörden diese nur als Vorwand, um andere Ziele zu erreichen? Gibt es Kontinuitäten zur staatlichen Reaktion auf den Terrorismus des 20. und 21. Jahrhunderts?
Großformatiges Paperback. Klappenbroschur
Lese-Probe zu „Den Staat herausfordern “
Vorwort Attentate erschrecken uns - mehr noch in unserem europäischen Schonraum als in Afrika oder Asien, wo sie ungleich häufiger und blutiger sind. In ihnen verfolgen in der Regel Minderheiten politische und gesellschaftliche Ziele, oft auch Herrschaftsansprüche aus einer Situation der Schwäche heraus. Diese Ziele rechtfertigen gleichwohl nicht die gewaltsamen Mittel, die immer auch Unbeteiligte und Unschuldige treffen und deren Leben vernichten. Es ist von Theoretikern und Akteuren immer wieder versucht worden, politische Gewalt aus ihren vermeintlich progressiven Zielen zu rechtfertigen - allerdings ohne Erfolg. Die gewaltsamen Mittel diskreditieren nachhaltig die Zielsetzungen, selbst wenn sie in Extremsituationen wie Fremdherrschaft, Diktaturen oder Unterdrückung eingesetzt wurden. Auch in diesen ist die Sensibilität des Gewalttäters gefordert, die Albert Camus in seinem Stück »Die Gerechten« (»Les justes«) so beschrieben hat: Er zögert, eine Bombe auf den Großfürsten zu werfen, weil dieser neben Kindern, seinen Neffen, sitzt. Um Attentäter mit durchweg politischen Motiven geht es in diesem Buch, nämlich um Anarchisten, die in einer bestimmten Phase des 19. Jahrhunderts mit der »Propaganda der Tat« Gewalt befürworteten und benutzten. Es geht um ihre Ziele - eine klassen- und herrschaftsfreie Gesellschaft zu errichten -, nachdem es ihnen nicht gelungen war, eine Massenbewegung zu bilden oder erfolgreiche Aufstände zu organisieren. Die Anarchisten trafen dabei auf den Widerstand des modernen Sicherheitsstaates, für den bis heute die Reaktionen auf Attentate zu den großen Herausforderungen gehören. In ihnen müssen Regierungen strategischen Weitblick mit sensibler Behandlung und politischer Prinzipientreue verbinden. Die wechselseitigen Beziehungen zwischen Attentätern und dem Staat stehen im Mittelpunkt der Studie und damit die zentrale Frage, ob und wie die staatlichen Instanzen im Deutschen Reich, in Frankreich und in Italien die Prinzipien der
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Rechtsstaatlichkeit bei ihren Antworten auf Gewalttaten respektierten. Die Beschäftigung mit politischer Gewalt ist aus dem lebendigen und anregenden Lehr- und Forschungszusammenhang der Universität Bielefeld und des Europäischen Hochschulinstituts in Florenz entstanden. In dem Sonderforschungsbereich »Das Politische als Kommunikationsraum in der Geschichte«, in dem ich vor allem mit Ute Frevert und Willibald Steinmetz zusammengearbeitet habe, ging es besonders um die Gewaltmanifestationen, die die Grenzen des politischen Raumes verschoben. Mit Wilhelm Heitmeyer habe ich mich in einem Forschungsjahr am Zentrum für Interdisziplinäre Forschung in Bielefeld unter der Fragestellung nach der Kontrolle der Gewalt weiter mit der Problematik beschäftigt. In Florenz konnte ich eine Reihe von Dissertationen betreuen, in denen in unterschiedlichen europäischen Gesellschaften gewaltsame Akteure und Situationen untersucht wurden. Mit Donatella della Porta habe ich im European Forum des Europäischen Hochschulinstituts zu Prozessen der gewaltsamen Radikalisierung im globalen Kontext geforscht. Meine eigenen Arbeiten blieben - schon aufgrund begrenzter Sprachkenntnisse - auf den französischen, italienischen und deutschen Kontext begrenzt. Sie wurden maßgeblich motiviert durch das Erschrecken über die Gewalt der RAF in den 1970er Jahren und das Ausmaß der staatlichen Gegengewalt, die ich nicht als verhältnismäßig empfand. Ob Sachnotwendigkeiten oder politische Strategien dafür verantwortlich waren, hat mich im europäischen Vergleich schon damals und erneut vor allem nach »9/11« beschäftigt. Die Frage, ob bereits am Ende des 19. Jahrhunderts in ähnlichen Situationen Staaten ähnliche Mittel benutzten und welche Folgen diese hatten, ist ebenso wie der Blick auf die heutige Situation in das Schreiben des Buches eingegangen. Dieses hat sowohl profitiert von zwei angenehmen und fruchtbaren Aufenthalten am französischen Institut d'études avancées in Nantes und am Iméra in Marseille als auch von den Kommen
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Inhaltsverzeichnis zu „Den Staat herausfordern “
Inhalt Vorwort 7 Einleitung 11 Die Attentate 25 1.Semantik der Gewalt 39 1.1Begriffe wechseln die Seiten 41 1.2Ausschlussbegriffe50 1.3Ansätze einer Gegenrhetorik 57 1.4Ein Krieg der Wörter?69 2.Prävention und Repression79 2.1Attentate verhindern 83 2.2Polizei- und Spitzeltätigkeiten84 2.3Ausweisungen95 2.4Staatlicher Repressionsapparat 101 2.5Strafverfolgung 109 2.6Prozesse119 2.7Gesinnungsjustiz124 2.8Neue Gesetze133 2.9Repression und Prävention im europäischen Vergleich 137 3.Staatliche Sicherheitspolitik und Emotionen-Management147 3.1Anarchistische Emotionspolitik151 3.2Beispiele proaktiver Emotionspolitik 156 3.3Reaktives Emotionen-Management 168 3.4Staatliche Emotionspolitik 169 3.5Produktion von Angst und ihre Wirkung 199 Schluss: Attentate - eine Erfolgsgeschichte für wen? 225 Anmerkungen 237 Bibliografie 269
Autoren-Porträt von Heinz-Gerhard Haupt
Heinz-Gerhard Haupt lehrte Geschichte u.a. an der Universität Bielefeld, der Universität Lyon 2 und am Europäischen Hochschulinstitut Florenz.
Bibliographische Angaben
- Autor: Heinz-Gerhard Haupt
- 2019, 289 Seiten, Maße: 14,1 x 21,4 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: CAMPUS VERLAG
- ISBN-10: 3593511126
- ISBN-13: 9783593511122
- Erscheinungsdatum: 07.10.2019
Pressezitat
»Nie wurden mehr politische Attentate verübt als Ende des 19. Jahrhunderts. Der Historiker Heinz-Gerhard Haupt beschreibt, wie die Europäer der Bedrohung damals begegneten - und was heutige Staaten daraus lernen könnten.« Florian Keisinger, NZZ, 23.10.2019»Bei Haupts Buch [handelt es sich] um eine gut lesbare und anregende Studie, die zum Nachdenken über die geeigneten Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung anregt. Der Autor folgert aus seiner Analyse staatlicher Terrorismusbekämpfung, dass nur der Verzicht auf staatliche Repressionen sowie die Ermöglichung politischer Teilhabe geeignet seien, die Gewalt nachhaltig zu beenden. Diese zentrale Aussage bleibt auch für unsere Gegenwart bedenkenswert.« Moritz Florin, Kulturgeschichtliche Umschau, 13.10.2021
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