Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod.Folge.3
Wie kommt man nach Aldi? Und wie zu gutem Deutsch?
Bastian Sick hat auch im dritten Teil seiner Sprachführer Unglaubliches und Amüsantes zusammengetragen. Er zeigt wieder Wege aus der Wirrnis - z. B. bei der Getrennt- und Zusammenschreibung. Auch...
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Wie kommt man nach Aldi? Und wie zu gutem Deutsch?
Bastian Sick hat auch im dritten Teil seiner Sprachführer Unglaubliches und Amüsantes zusammengetragen. Er zeigt wieder Wege aus der Wirrnis - z. B. bei der Getrennt- und Zusammenschreibung. Auch Dialekt wird diesmal behandelt.
Mit neuem "Zwiebelfisch"-ABC!
Das wesentliche Problem der Reform - und somit erheblicher Nachbesserungsbedarf - zeigte sich auf dem Gebiet der Zusammen- und Getrenntschreibung. Da waren nämlich Wörter auseinander gerissen worden, die in zusammengeschriebener Form nie ernsthafte Probleme bereitet hatten. Der diensthabende Offizier war zum Dienst habenden Offizier degradiert worden. Dem Gesetzgeber tut es längst leid, dass er die Rechtschreibung überhaupt je zur Reformsache gemacht hat. Zwischendurch tat es ihm Leid (mit großem L), und nun doch wieder leid. Die Lehrer und Schüler, die von »leid tun« auf »Leid tun« umdenken mussten und sich nun an »leidtun« gewöhnen sollen, können einem nur leid ... Leid ... also, die kann man nur bedauern.
Bastian Sick hat auch in der dritten Folge seiner Sprachführer Unglaubliches und Amüsantes, Seltsames und Ungeheuerliches zusammengetragen. Auf seine unnachahmliche Art zeigt er uns den Weg aus den Wirrnissen, gibt kluge Hinweise und lässt auch mal den Dialekt zu seinem Recht kommen.
Nach den ersten beiden Bänden, die sich weit über 2 Millionen Mal verkauft haben, schließt diese Folge die Reise durch den Irrgarten der deutschen Sprache ab.
Mit neuem »Zwiebelfisch«-ABC!
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Der Dativist dem Genitiv sein Tod. Folge 3 von Bastian Sick
LESEPROBE
Ich glaub,es hakt!
Das kennen wir alle: Beim Hacken auf der Tastatur bleibt mangelegentlich mal haken. Und Hühner scharren im Hof, während Könige ihren Hof umsich scharen. Alles klar so weit. Oder doch nicht? Ein paar Gedanken überSpuckgespenster, Bettlacken und andere eckelhafte Phänomene der deutschenVerkehrtschreibung.
»Ich warte hier«, steht auf einem Hundeverbotsschild vor einemFleischerladen, und darunter ist der Hinweis zu lesen: »Bitte Hacken für Leinebenützen.« Das stellt die Hundebesitzer vor ein Problem: Wie sollen sie denHund draußen lassen, wenn sie sich die Leine an der Ferse befestigen sollen?Oder ist mit »Hacken« ein Werkzeug gemeint, eine Spitzhacke womöglich oder einHackebeil? Wenn ja, wo befindet sich dieses Gerät dann? Alles, was man draußen sieht,ist ein Haken an der Wand. Und man erkennt: Da hat wohl jemand Hacken mit Hakenverwechselt.
Über ein solches Schild kann man schmunzeln, die Hundeleine vomHaken lösen und unbekümmert seines Weges ziehen. Doch schon bald wird man gewahr,dass diese Haken/ Hacken-Verwechslung kein Einzelfall ist. Man begegnet ihrimmer wieder. »Ich werde wegen der Software bei meinem Kollegen nochmalnachhacken«, schreibt jemand in einem Online-Forum - und man kann nur hoffen,dass er das nicht wörtlich meint, denn sonst wird der Kollege im Krankenhauslanden, wenn nicht gar im Leichenschauhaus. Aber gehackt wird nicht nurlaienhaft in Foren, sondern auch professionell in Nachrichten: »Köhler hacktbei Schröder wegen Vertrauensfrage nach«, schrieb die »Neue Zürcher Zeitung« inihrer Online-Ausgabe im Juli 2006. Da mag so mancher Leser empört gerufenhaben: »Es hackt jawohl!«
Auf jeden Fall hakt es - und zwar mit dem Verständnis vonkurzen und langen Lauten. »Dortmund hackt den Uefa-Pokal ab« lautete eineÜberschrift auf FAZ.net am 30. April. Ein Serviceportal für Studenten bieteteinen Preisvergleich für »Bettlacken« an. Man kennt »lacken« als Kurzform für»lackieren« - und fragt sich erstaunt, ob sich derart viele Maler auf dasLackieren von Betten spezialisiert haben, dass sich inzwischen sogar einPreisvergleich lohnt.
Als Tippfehler kann man diese Irrtümer kaum entschuldigen, denn»c« und »k« liegen auf der Tastatur nicht nebeneinander. Womöglich ist diesesPhänomen mit Besonderheiten der regionalen Aussprache zu erklären, vielleicht werdenin manchen Dialekten »hacken« und »haken« gleich ausgesprochen. Noch tollertreibt es der Deutsche mit dem Spucken. »Ich find das Spuken am Fußballplatzmegaeckelhaft!«, beschwert sich ein Diskutant in einem anderen Forum. Mit Rechtzwar, aber mit fragwürdigen orthografischen Mitteln. Für »eckelhaft« spucktGoogle übrigens mehr als 13.000 Treffer aus. Kein Zweifel: Es spukt in der deutschenSprache! Dass einige auch die Wörter »Bodenluke« und »Dachluke« mit »ck« schreiben,erscheint schon fast konsequent, denn durch eine »Lucke« kann man immerhin »gucken«und »lucki-lucki« machen. Geradezu schockiert steht man allerdings vor jenerTafel an einer Eisdiele, auf der die Geschmacksrichtung »Schockolade« angebotenwird. Und fast jedes dritte Küken, das im deutschsprachigen Internet schlüpft,ist ein »Kücken«.
Einige dieser Verkürzungsfehler entstehen durch Analogien -man orientiert sich an bekannten Formen. Da man ein Paket erst einmal packenmuss, bevor man es am Paketschalter abgeben kann, haben es viele Menschenbeharrlich mit »ck« geschrieben. So beharrlich offenbar, dass die Rechtschreibreformererwogen, die Schreibweise »Packet« zuzulassen - so wie ja auch Päckchen undPackung mit »ck« geschrieben werden. Doch ein mit »ck« geschriebenes »Packet«müsste - wie Becken, Dackel und Zucker - auf der ersten Silbe betont werden -wäre also kein »Pakeet« mehr, sondern ein »Packet«. So blieb es bei derSchreibweise mit einfachem »k«.
Wer hingegen »Dampflock« mit »ck« schreibt, der ist auch ohnereformatorische Verwirrung so gut wie entschuldigt, denn während das erste »o«in »Lokomotive« noch deutlich länger ausgesprochen wird, klingt es in derKurzform »Lok« tatsächlich so kurz wie in »Bock« und »Rock«. Auch bei dem Wort»Plastik« ließe es sich noch verstehen, wenn es mit »ck« geschrieben wird, denndas »i« ist kurz. Es sei denn, man spricht es, in Anlehnung an seinefranzösische Herkunft, »Plastieke« aus. Plastik ist in der Tat ein Fremdwort, ebensowie Lok und Paket, und für Fremdwörter sieht unsere Rechtschreibung nur seltenDehnungs- oder Verkürzungszeichen vor, wie wir sie von deutschen Wörtern kennen.Daher schreibt sich auch die Maschine trotz langen I-Klangs eben nicht»Maschiene«. Auch wenn bei Ikea bereits »spühlmaschienenfeste« Gläser gesichtetwurden. Bei deutschen Wörtern hingegen sind diverse Formen der Klangdehnung und-verkürzung möglich - und erforderlich. Es gibt kesse Hüte und Hüttenkäse,schiefen Boden und Boddenschiffe, legende Hennen und leckende Hähne, gepflegteBeete und befleckte Betten. Und es gibt Pfarrer mit Mähnen und Männer mitFahrer. »MTV-Chefin Catherine Mühlenberg hat offenbar ein Faible für privateBande und scharrt gern die ihren um sich«, war am 10. Juli in der »Welt« zulesen. Jeder, der schon einmal einer Schar Hühner beim Scharren zugesehen hat,weiß, dass Hühner in Scharen scharren - und dass sie sich zum Scharren scharen.Nun ist Frau Mühlenberg aber kein Huhn, deshalb ist ihr »Welt«-liches»Scharren« in Wahrheit ein bildliches »Scharen«. Auch hierbei fällt dieUnterscheidung zwischen langem und kurzem A-Klang offenbar nicht allen ganzleicht.
So wie lange Vokale fälschlicherweise orthografisch verkürztwerden, werden kurze Vokale auch gern verlängert: »Vor zwei Wochen wurde mirder rechte Bakenzahn entfernt!«, jammert ein zahnleidender Mensch im Internet. Dasschönste Beispiel für eine missverständliche Vokaldehnung war am 7. Mai auf»Spiegel Online« zu finden: »In Beiräten großer Unternehmen verdienen Politikerstaatliche Honorare - fraglich ist nur wofür«, hieß es dort. Fraglich ist vorallem, ob es statt staatlich nicht stattlich hätte heißen müssen. Darum habeich bei den Kollegen nachgehackt, und prompt wurde dem Spuck ein Ende bereitet.
© Verlag Kiepenheuer & Witsch
Interview mit Bastian Sick
Nach Ihrem überwältigenden Erfolgmit dem Buch "Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod", in dem Sie unseren"Sprachmissbrauch" witzig und lehrreich kommentieren, gibt es nun die "Folge 2".Was gibt es Neues zu berichten?
Die deutscheSprache ist ja nicht nur überaus lebendig und vielseitig, sie ist auch sehrkomplex und stellt uns immer wieder vor neue Rätsel. In der zweiten Folge des"Dativs" geht es um so gewichtige Themen wie gefühlte Kommas, den traurigenKonjunktiv, den geschundenen Imperativ; es geht um verschwundene Fälle, falscheFreunde, verdrehte Redensarten und um die Leidenschaft der Deutschen fürHäkchen. Eine Leidenschaft, die sehr viel Leiden schafft.
"Zwei Espressi, bitte!" oder "ZweiEspressos, bitte!"? Laut Duden stimmt beides. Aber wer will schon denOberlehrer geben, wenn er zwei Kaffee möchte? Soll man lieber Pizze(n)bestellen?
Stimmt,beides ist richtig. Wenn Fremdwörter sich lange genug in Deutschlandaufgehalten und Eingang in unsere Alltagssprache gefunden haben, werden sienicht mehr als fremd empfunden und nach den Regeln der deutschen Grammatikbehandelt. Das ist ein ganz natürlicher Vorgang, andere Kulturen halten esgenauso. In Italien ist ein Espresso übrigens immer ein "caffè". Das, was wirDeutschen unter Kaffee verstehen, würde ein Italiener niemals anrühren.
EineSprachkolumne kann immer nur ein Streiflicht auf einzelne Aspekte werfen, siekann unmöglich die unendlichen Weiten unseres sprachlichen Universumsvollständig ausleuchten. Ich bin ja auch nicht angetreten, um den Deutschen dasFunktionieren ihrer Sprache grundsätzlich neu zu erklären. Das ist nach wie vorAufgabe der Schulen. Übrigens habe auch ich mit vielen Formularen meine liebeNot. Der Staat kümmert sich um vieles, aber nicht um die Verständlichkeit undLesbarkeit seiner Formulare.
Was halten Sie von den Bestrebungen,die Rechtschreibreform zurückzunehmen? So bietet sich immerhin die schöneChance zu sagen: "Verdammt, das habe ich doch immer so geschrieben!" (Was oftbedeutet, dass man es schon immer falsch gemacht hat.)
Wie jedeReform hat auch die Rechtschreibreform gute und schlechte Seiten. Zu denVorzügen, die sich sicherlich auch durchsetzen werden, zählen die neuess/ß-Regelung (hinter kurzem Vokal ss, hinter langem Vokal ß) und dieGroßschreibung von substantivierten Adjektiven (im Dunkeln, im Stillen, imAllgemeinen). Unbefriedigend und verwirrungstiftend (oder: Verwirrung stiftend)ist die Neuregelung der Getrennt- und Zusammenschreibung. Ein Verb wie"stilllegen" wird weiterhin in einem Wort geschrieben, aber "lahm legen" mussman jetzt in zweien schreiben. Das ist nicht unbedingt logisch.
Getrenntschreibungen, Ablösung desGenitivs durch den Dativ, Apostrophe überall - was schmerzt Sie am meisten? Undwas könnte man zur "Arterhaltung" der deutschen Sprache tun?
Was ich ammeisten bedauere, ist die Tatsache, dass wir in fast allen Bereichen unsereAntennen ausschließlich auf Amerika ausgerichtet haben. Die USA sind ein wundervollesLand, aber Europa hat mindestens genauso viel zu bieten. Was wissen Sie überaktuelle französische Popmusik? Wann haben Sie zuletzt einen schwedischen Filmim Kino gesehen? Warum wird jede noch so dümmliche amerikanische Sitcom fürsdeutsche Fernsehen synchronisiert, während sehenswerte Produktionen aus Spanienund Italien bei uns nie gezeigt werden? Wir sind zu kritiklosen Anbetern der amerikanischenKultur geworden, das schlägt sich auch in der Sprache nieder, vor allem in derWerbung und im Management. Es würde unsere Kultur stärken und bereichern, wennwir uns darauf besännen, dass wir ein Teil Europas sind - und nicht bloß einSatellit der USA.
Kennen Sie auch ein positivesBeispiel, bei dem der Sprachgebrauch die Regeln "besiegt" hat?
Es gibt zahllose solcher Beispiele. Die Regeln sindja kein in Beton gegossenes, starres Fundament, sondern passen sich früher oderspäter dem veränderten Gebrauch an. Wir sprechen heute nicht mehr wie vorhundert Jahren, folglich wurden auch die Regeln seitdem immer wiederaktualisiert. Es passiert ständig, dass Wörter in einem anderen Sinne gebrauchtwerden, als es die Wörterbuchdefinition zulässt. Zum Beispiel "realisieren": Dasbedeutete lange Zeit nur "verwirklichen". Heute hat es, wie im Englischen auch,die Bedeutung "sich einer Sache bewusst werden". Früher ließen sich nur Städteund Gebäude evakuieren, denn "evakuieren" bedeutet "leer machen". Heute kannman auch Menschen evakuieren. Ob solche Definitionserweiterungen tatsächlich positivsind, weiß ich nicht, aber sie finden nun mal statt. Sprachwandel erfolgt nachäußerst demokratischen Prinzipien - was die Mehrheit für nützlich erachtet, dassetzt sich durch, allen alten Regeln zum Trotz.
Gibt es eine grammatische Regel, mitder auch Sie Ihre Schwierigkeiten haben? (So ein Eingeständnis würde uns alleberuhigen)
Selbstverständlich, ich muss ständig imGrammatikduden nachschlagen. Meine Leser stellen mir bisweilen sehr verzwickteFragen, die ich erst nach längerer Recherche beantworten kann. Durch meine Arbeitlerne ich immer irgendetwas Neues hinzu, das macht sie für mich gerade sospannend!
Die Fragen stellte Mathias Voigt,Literaturtest.
- Autor: Bastian Sick
- 2006, 8. Aufl., 272 Seiten, Maße: 12,4 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: Kiepenheuer & Witsch
- ISBN-10: 3462037420
- ISBN-13: 9783462037425
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