Der kleine Trommler
Drei chinesische Geschichten
Nach dem Welterfolg von "Balzac und die kleine chinesische Schneiderin" neue Geschichten aus dem heutigen
China: ein Junge, der zum Zirkus will, die Tochter des Stauseewächters, der Sohn der Schmiedin: drei wahrhaft tragikomische Leben, geschildert mit...
China: ein Junge, der zum Zirkus will, die Tochter des Stauseewächters, der Sohn der Schmiedin: drei wahrhaft tragikomische Leben, geschildert mit...
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Produktinformationen zu „Der kleine Trommler “
Klappentext zu „Der kleine Trommler “
Nach dem Welterfolg von "Balzac und die kleine chinesische Schneiderin" neue Geschichten aus dem heutigenChina: ein Junge, der zum Zirkus will, die Tochter des Stauseewächters, der Sohn der Schmiedin: drei wahrhaft tragikomische Leben, geschildert mit bezaubernder Leichtigkeit.
Der Kantinendirektor kauft den dreizehnjährigen Neffen der Stummen für einen monströsen Plan. Die kleine Eistänzerin ist überzeugt davon, dass ihr Vater, der Wächter des Stausees, ihre Mutter ermordet hat. Die alte Schmiedin schürt noch einmal das Feuer, um eine Kette herzustellen, mit der sie ihren Sohn an einen Baum fesseln kann. Auf der Insel der Edlen gibt es eigentlich nur Müll und die Ärmsten der Armen, die versuchen, durch "Wertstoffgewinnung" ihr Leben zu bestreiten. Vor dieser sehr realen Kulisse, die dennoch jedem Science-Fiction-Film zur Ehre gereichen würde, spielen drei gespenstisch gute Geschichten, in denen Dai Sijie dem modernen China ein unvergessliches Gesicht gibt.
Lese-Probe zu „Der kleine Trommler “
Ho Chi MinhEines Abends im September 2002 geriet das Auftauchen eines Fremden bei den zwei Bewohnern des alten Containers zu einem Ereignis, auf das die beiden in keiner Weise gefasst gewesen waren.
Selbst der älteste Container auf der Insel der Edlen vielleicht sogar der älteste ganz Chinas , der sich die Gelegenheit nie entgehen ließ, wenn es darum ging, sich in einen Marktplatz zu verwandeln, in einen Ort also, wo Käufer und Verkäufer um die vielfältigsten Waren feilschen Nudelmarkt, Möhrenmarkt, Kohlmarkt, Tomatenmarkt, Gurkenmarkt, Fleischmarkt, Polizeihundemarkt, Ausweiskartenmarkt, Pferdemarkt, Haarmarkt, Fernsehermarkt, Computerschwarzmarkt , selbst dieser altehrwürdige Container, der schon so viele hinterlistige Verkaufsverhandlungen erlebt hatte, bei denen nicht selten beträchtliche Summen auf dem Spiel standen, war nicht auf diesen abendlichen Besucher vorbereitet, dank dem er einen Rekordpreis erreichte, der alle seine bisherigen Erfolge in den Schatten stellen sollte.
Der Mann erschien gegen neunzehn Uhr, kurz vor Einbruch der Dunkelheit. Der Neffe der Stummen sah ihn als Erster. Er versuchte gerade, mittels eines von ihm selbst gebastelten Windrads genug Strom zu produzieren, um damit eine Glühbirne zu speisen. Er unterbrach seine Arbeit, lehnte sich ans Windrad und beobachtete den Fremden, der, mit einem Köfferchen in der Hand, über die Steinbrücke kam. Es war kühl. Der Wind trieb die Blätter vor sich her. Der Min-Fluss riffelte sich golden. Dunkle Schatten krochen über den Weg.
Der Unbekannte, er mochte um die fünfzig sein, trug über seinem Fettwanst eine abgewetzte offene Wildlederjacke, und sein Doppelkinn wabbelte, als er keuchend und hustend den Damm hinaufschritt. Der glatt rasierte Schädel hob sein schlaffes Gesicht und seinen kräftigen Kiefer noch hervor.
Natürlich hatte man ihm gesagt, was er zu sehen bekäme. Aber auf diesen Anblick war er doch nicht vorbereitet gewesen.
"Du bist nicht zufällig ?", vor Schreck verschlug es ihm die
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Sprache.
"Ja, das bin ich", antwortete der Neffe, weil er glaubte, der Mann frage nach seiner Verwandtschaft mit der Stummen.
"Ich bin der Direktor der Gefängniskantine. Ich kenne deine Tante gut."
Er wandte den Blick ab, und um seine Verlegenheit zu verbergen, brach er in dröhnendes Lachen aus, und die auf dem Dach sitzenden Sperlinge flatterten erschrocken davon.
Die Stumme kannte ihn tatsächlich. Er gehörte zu denjenigen, die weder Freund noch Feind waren und mit denen sie Geschäftsbeziehungen pflegte. Ein Tofukunde also, aber ein guter Kunde, der einer Kantine für täglich fünfhundert Personen vorstand.
Die Stumme wiederum hatte die verschiedensten Positionen inne: Sie war die Chefin; sie war die Buchhalterin; sie war die Einkäuferin der Sojabohnen und der anderen für die Produktion erforderlichen Zutaten, und sie war die Arbeiterin. Ihr Tofu war weitum berühmt, denn sie fügte fein gehacktes, pfannengerührtes Gemüse hinzu, was ihm ein ganz besonderes Aroma verlieh. Und das Häutchen darum herum war so zart, dass es auf der Zunge zerging. Und schließlich war sie auch noch die Händlerin: Um nichts in der Welt hätte sie einem anderen das Vergnügen überlassen, ihren Tofu zu verkaufen oder die Münzen für jede verkaufte Portion zu zählen. Dennoch: die Konkurrenz schlief nicht. Und war gnadenlos. Eine Stumme konnte es nur schwer mit Rivalinnen aufnehmen, die die Kunden mit flötender Stimme anlockten. Ihre Waffe war eine Trommel. An jeder Straßenkreuzung im Zentrum der Insel, vor jeder Mietskaserne, vor jedem Amtsgebäude, das über eine Kantine verfügte, stoppte sie ihre mit Tofu beladene Rikscha und schlug die Trommel, mit der sie anhand von Rhythmus- und Lautstärkewechsel ihre verschiedenen Erzeugnisse anpries.
Ihr Tofu war auf der Insel so beliebt, dass jedermann mittels der Trommelschläge gleich verstand, was für eine Tagesspezialität sie anbot: roter Tofu mit Fisch und Tomate, grüner Spinattofu, gelb
"Ja, das bin ich", antwortete der Neffe, weil er glaubte, der Mann frage nach seiner Verwandtschaft mit der Stummen.
"Ich bin der Direktor der Gefängniskantine. Ich kenne deine Tante gut."
Er wandte den Blick ab, und um seine Verlegenheit zu verbergen, brach er in dröhnendes Lachen aus, und die auf dem Dach sitzenden Sperlinge flatterten erschrocken davon.
Die Stumme kannte ihn tatsächlich. Er gehörte zu denjenigen, die weder Freund noch Feind waren und mit denen sie Geschäftsbeziehungen pflegte. Ein Tofukunde also, aber ein guter Kunde, der einer Kantine für täglich fünfhundert Personen vorstand.
Die Stumme wiederum hatte die verschiedensten Positionen inne: Sie war die Chefin; sie war die Buchhalterin; sie war die Einkäuferin der Sojabohnen und der anderen für die Produktion erforderlichen Zutaten, und sie war die Arbeiterin. Ihr Tofu war weitum berühmt, denn sie fügte fein gehacktes, pfannengerührtes Gemüse hinzu, was ihm ein ganz besonderes Aroma verlieh. Und das Häutchen darum herum war so zart, dass es auf der Zunge zerging. Und schließlich war sie auch noch die Händlerin: Um nichts in der Welt hätte sie einem anderen das Vergnügen überlassen, ihren Tofu zu verkaufen oder die Münzen für jede verkaufte Portion zu zählen. Dennoch: die Konkurrenz schlief nicht. Und war gnadenlos. Eine Stumme konnte es nur schwer mit Rivalinnen aufnehmen, die die Kunden mit flötender Stimme anlockten. Ihre Waffe war eine Trommel. An jeder Straßenkreuzung im Zentrum der Insel, vor jeder Mietskaserne, vor jedem Amtsgebäude, das über eine Kantine verfügte, stoppte sie ihre mit Tofu beladene Rikscha und schlug die Trommel, mit der sie anhand von Rhythmus- und Lautstärkewechsel ihre verschiedenen Erzeugnisse anpries.
Ihr Tofu war auf der Insel so beliebt, dass jedermann mittels der Trommelschläge gleich verstand, was für eine Tagesspezialität sie anbot: roter Tofu mit Fisch und Tomate, grüner Spinattofu, gelb
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Autoren-Porträt von Dai Sijie
Dai Sijie, geboren 1954 in der Provinz Fujian in China, wurde von 1971 bis 1974 im Zuge der kulturellen Umerziehung in ein Bergdorf geschickt. Nach Maos Tod studierte er Kunstgeschichte und emigrierte 1984 nach Paris. »Balzac und die kleine chinesische Schneiderin«, sein erster Roman, wurde ein großer internationaler Erfolg und in einer französisch-chinesischen Produktion erfolgreich verfilmt. Zuletzt erschien von ihm auf deutsch »Der kleine Trommler«.
Bibliographische Angaben
- Autor: Dai Sijie
- 2012, 150 Seiten, Maße: 12,4 x 19,9 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzung: Findeisen, Eike
- Übersetzer: Eike Findeisen
- Verlag: Piper
- ISBN-10: 3492054935
- ISBN-13: 9783492054935
- Erscheinungsdatum: 01.10.2012
Rezension zu „Der kleine Trommler “
"Sprachlich brillant entwickelt Dai Sijie seine Geschichten mit einem jeweils überraschenden Ende. Sie sind kurzweilig und berührend. Selten ist eine Anklage gegen unmenschliche Lebensbedingungen so fein und humorvoll geschrieben worden.", Deutschlandradio Kultur, 31.01.2013
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