Der kleine Wählerhasser
Was Politiker wirklich über die Bürger denken
Was Politiker wirklich über ihre Wähler denken
Über die Politikverdrossenheit der Bürger ist viel geschrieben und alles gesagt. Höchste Zeit, endlich auch über die Bürgerverdrossenheit der Politiker zu reden! Denn was...
Über die Politikverdrossenheit der Bürger ist viel geschrieben und alles gesagt. Höchste Zeit, endlich auch über die Bürgerverdrossenheit der Politiker zu reden! Denn was...
Leider schon ausverkauft
versandkostenfrei
Buch
14.99 €
Produktdetails
Produktinformationen zu „Der kleine Wählerhasser “
Was Politiker wirklich über ihre Wähler denken
Über die Politikverdrossenheit der Bürger ist viel geschrieben und alles gesagt. Höchste Zeit, endlich auch über die Bürgerverdrossenheit der Politiker zu reden! Denn was die Politiker über die Deutschen denken, prägt die Politik, die sie für die Deutschen machen - und zwar viel stärker als jedes Parteiprogramm. Wen haben Merkel und Co. vor Augen, wenn es ihnen um die >Menschen draußen im Land< geht? Ist es die schweigende Mehrheit, ahnungslos und undankbar, desinteressiert und im Herzen reformfeige? Wählerinnen und Wähler, die immer unberechenbarer werden, leicht zu verführen sind und unangenehme Wahrheiten gar nicht gerne hören? Und was, wenn die Politiker mit diesem Bild vom Bürger nicht nur falsch lägen?
Nikolaus Blome entlarvt die Entfremdung zwischen Wählern und Gewählten und gibt dem Leser faszinierende Einblicke in das politische Denken im Zentrum der Macht.
Über die Politikverdrossenheit der Bürger ist viel geschrieben und alles gesagt. Höchste Zeit, endlich auch über die Bürgerverdrossenheit der Politiker zu reden! Denn was die Politiker über die Deutschen denken, prägt die Politik, die sie für die Deutschen machen - und zwar viel stärker als jedes Parteiprogramm. Wen haben Merkel und Co. vor Augen, wenn es ihnen um die >Menschen draußen im Land< geht? Ist es die schweigende Mehrheit, ahnungslos und undankbar, desinteressiert und im Herzen reformfeige? Wählerinnen und Wähler, die immer unberechenbarer werden, leicht zu verführen sind und unangenehme Wahrheiten gar nicht gerne hören? Und was, wenn die Politiker mit diesem Bild vom Bürger nicht nur falsch lägen?
Nikolaus Blome entlarvt die Entfremdung zwischen Wählern und Gewählten und gibt dem Leser faszinierende Einblicke in das politische Denken im Zentrum der Macht.
Klappentext zu „Der kleine Wählerhasser “
Was Politiker wirklich über ihre Wähler denkenÜber die Politikverdrossenheit der Bürger ist viel geschrieben und alles gesagt. Höchste Zeit, endlich auch über die Bürgerverdrossenheit der Politiker zu reden! Denn was die Politiker über die Deutschen denken, prägt die Politik, die sie für die Deutschen machen - und zwar viel stärker als jedes Parteiprogramm. Wen haben Merkel und Co. vor Augen, wenn es ihnen um die 'Menschen draußen im Land' geht? Ist es die schweigende Mehrheit, ahnungslos und undankbar, desinteressiert und im Herzen reformfeige? Wählerinnen und Wähler, die immer unberechenbarer werden, leicht zu verführen sind und unangenehme Wahrheiten gar nicht gerne hören? Und was, wenn die Politiker mit diesem Bild vom Bürger nicht nur falsch lägen?
Nikolaus Blome entlarvt die Entfremdung zwischen Wählern und Gewählten und gibt dem Leser faszinierende Einblicke in das politische Denken im Zentrum der Macht.
"Die deutschen Politiker sind feige, sie haben Angst vor dem Volk, behauptet Nikolaus Blome in seinem Buch 'Der kleine Wählerhasser'. Es ist der durchaus ernsthafte Versuch zu erklären, wie die Regierenden ticken - und warum sie nicht aufrichtiger sind. Ein lesenswertes Buch.' -- Spiegel Online, 14.04.2011
"Ein unterhaltsames, auch kluges Buch, das beiden Seiten den Spiegel vorhält." -- Die ZEIT
"Das Buch ist flott geschrieben, man kann es über längere Zeit kapitelweise und fast immer mit einem Schmunzeln lesen. Der Reiz liegt darin, dass Blome den Spieß umdreht. Nicht die Politiker sind seine Zielscheibe, sondern die oft larmoyanten, häufig beleidigenden und fast immer fordernden Bürger. - Eine köstliche Lektüre." -- Handelblatt
"Ein unterhaltsames, auch kluges Buch, das beiden Seiten den Spiegel vorhält." -- Die ZEIT
"Das Buch ist flott geschrieben, man kann es über längere Zeit kapitelweise und fast immer mit einem Schmunzeln lesen. Der Reiz liegt darin, dass Blome den Spieß umdreht. Nicht die Politiker sind seine Zielscheibe, sondern die oft larmoyanten, häufig beleidigenden und fast immer fordernden Bürger. - Eine köstliche Lektüre." -- Handelblatt
Lese-Probe zu „Der kleine Wählerhasser “
Der kleine Wählerhasser von Nikolaus BlomeEinleitung:
Blöd, beschränkt und undankbar?
... mehr
Was die Politiker von den Wählern denken, prägt die Politik, die sie für die Wähler machen, und zwar viel stärker als die Persönlichkeit des Einzelnen oder das Programm seiner Partei. Zugegeben, irgendwie ahnte man das: Was jene, die den Vorteil aller Deutschen mehren sollen, von eben diesen Deutschen denken, ist nicht immer vorteilhaft. Aber darüber ließe sich ja reden: Was dem Volk nicht schmeichelt, muss nicht automatisch falsch sein. Damit ließe sich auch leben, wäre dieses Bild vom Bürger ein regelmäßig reflektiertes oder offen diskutiertes. Ist es aber nicht. Denn die allermeisten Spitzenpolitiker halten ihre Vorstellung vom Wähler vorm Wähler geheim. Für ihr Bild von der »schweigenden Mehrheit« gilt: Immer daran denken, niemals davon reden. Und weil sie nicht darüber reden, bleibt dieses Bild wie ein blinder Spiegel, wie ein Spiegel der Blinden. Das nährt die Politikverdrossenheit der Bürger (bekannt), aber eben auch die Bürgerverdrossenheit der Politiker (kaum bekannt): Die einen überlegen, ob sie überhaupt noch wählen wollen, und die anderen, warum sie überhaupt noch reden sollen. Frust ist überall. Er beruht auf Gegenseitigkeit. Das ist gefährlich.
Daran ändern auch viele Wahlen offenkundig nichts, weder im »Superwahljahr« 2009 noch im »Superwahljahr« 2011 mit weiteren sieben Landtags- und vier Kommunalwahlen. Dabei gelten Wahlkampfzeiten immer noch als die Momente größtmöglicher Nähe von Wählern und Gewählten. Wer nun sarkastisch schlussfolgert, dass ihrer beider Verhältnis umso mehr zerrüttet, je häufiger sich Bürger und Politiker nahe kommen, der muss erkennen: Auch ein weitgehend wahlfreies Jahr wie 2010 hat den Graben nicht schrumpfen lassen. Überraschend, potenziell geradezu belebend, kam Ende 2009 zwar eine »kleine« Koalition ins Amt, was viele bei fünf Parteien im Bundestag nicht mehr zu hoffen gewagt hatten. Aber schon nach acht Monaten hatte die schwarz-gelbe Regierung ihre Mehrheit im Bundesrat eingebüßt, ohne sie zuvor in spürbarer Form genutzt zu haben. Keine der Wahlen 2011 kann daran etwas ändern. Stolperstart, Ernüchterung, mürrische Verdrossenheit -- die Bürger sind es gründlich leid und lassen es die etablierten Parteien immer häufiger auch in kurzzeitig organisierter Form wissen, zum Beispiel beim Volksentscheid gegen die schwarz-grüne Schulpolitik in Hamburg oder beim bunt gescheckten Protest gegen das Bahnhofsgroßprojekt »Stuttgart 21« - wo Volk und Volksvertreter sogar eine regelrechte »Schlichtung« eingingen. Wutbürger war das Wort des Jahres 2010.
Dieser mehltauartige Frust bleibt auch von der schwersten Wirtschafts- und Finanzkrise der Nachkriegszeit weitgehend unberührt. Im Angesicht von taumelnden Banken und Staaten, von Märkten, die durchgehen wie Rinderherden bei Gewitter, ist Politik irgendwie zwar wieder »in«. Aber Politiker bleiben weiterhin »out«. Wie alle Umfragen zeigen, verstehen die Wähler ihre Politiker immer weniger, halten sie für unfähig, für ebenso ziel- wie zügellos. Immer öfter lehnen gut organisierte Gruppen zudem die eingeübten Verfahren der repräsentativen Demokratie ab, mit der Deutschland in den letzten Jahrzehnten so gut gefahren ist. Und viele applaudieren sogar, wenn ein Bundespräsident die Brocken hinschmeißt - und ziemlich deutlich die ach so garstige Medien- und Parteienkritik an seiner ungelenken Amtsführung dafür verantwortlich macht.
Kein Wunder, dass die Politiker reagieren. Sie ziehen sich trotzig in ihre Berliner und Brüsseler Wagenburgen zurück. Sie nennen, was um sie herum ist, in unbedachten Momenten den »vorpolitischen Raum«, so wie man früher »Wildnis« nannte, was sich von der Stadtmauer bis zum Horizont erstreckte. Und auf Horst Köhler folgte Christian Wulff, eben weil er ein jung gebliebener Profi ist und kein zart besaiteter Quereinsteiger.
Mitten im furiosen Wiederaufstieg aus dem wirtschaftlichen Krisentief ist die vorläufige Diagnose also niederschmetternd: beschädigtes Vertrauen, gestörte Verbindung, kein Anschluss unter dieser Nummer. Selbst zur Bundestagswahl gingen so wenige Wähler wie nie zuvor seit dem Zweiten Weltkrieg; drei von zehn Bürgern blieben daheim.
Was frustrierte Wähler (und Publizisten) über ihre Politiker denken und warum, weiß fast jeder. Ungezählt die Bücher, die sich - gern auch ziemlich billig - an dieser »Politik ohne Volk« abarbeiten. Was weitgehend fehlt, ist die Gegenfrage: Was denken die Gewählten von ihren Wählern? Stimmt es, dass immer mehr Politiker längst meinen, die große Mehrheit der Wähler in Deutschland sei ungerecht und ungebildet, denkfaul oder schlichtweg undankbar? Viel mehr als die Politikverdrossenheit der Bürger prägt diese Bürgerverdrossenheit der Politiker die deutsche Politik, ihre Ziele ebenso wie die Art, sie zu verfolgen: Entweder wird Politik gemacht für Deutsche, die es so nicht gibt, oder für Deutsche, die es besser so nicht gäbe. Entweder geht die Politik selber in die Irre, oder sie nimmt als gottgegeben hin, dass die Bürger irren, und lässt sie damit davonkommen.
Gleichwohl ist dies ist kein Buch gegen Politiker, sondern eines über Politiker. Das ist ein Unterschied - und zwar immer dann, wenn die Politiker zu Recht, zumindest aber mit guten Gründen am Wähler und seiner kollektiven Vernunft zweifeln. Und von diesen Momenten gibt es einige, warten Sie nur ab. Zwei Beispiele vorweg. Erstens: Aus Angst vor der Wut der Rentner erhöhte die Regierung 2008 willfährig die gesetzlichen Altersbezüge und garantierte 2009 sogar, dass die Rente, Krise hin oder her, in Zukunft nie mehr sinken werde. Diese Garantie griff zum ersten Mal im Jahr 2010 und würde auch 2011 die Renten vom Absinken der realen Durchschnittslöhne abkoppeln. Mit diesem Manöver trennte sich die Regierung endgültig von der seit 1957 geltenden Rentenformel, vom letzten Generationenvertrag für nachhaltige Politik in Deutschland - und das aufgrund eines Zerrbilds. Denn in Wahrheit sind viele Rentner zum tagtäglichen Verzicht für die Jüngeren bereit. Gerade in der Krise teilten sie die Sorgen und Fragen der Jüngeren, und in Umfragen hält die Hälfte der Deutschen die Rentengarantie für ungerecht, auch diejenigen in den oberen Altersegmenten. Kurzum: Erst werden »die Rentner« falsch eingeschätzt, und daraus abgeleitet wird dann falsche Politik für alle gemacht.
Zweites Beispiel: Weil sich die Deutschen nachweislich immer weniger für Tagespolitik interessieren und immer weniger davon verstehen, machen sich auch immer weniger Politiker die Mühe, ihre Politik in der Sache zu erklären. Bei- leibe nicht nur niederschmetternd blutarme Wahlkämpfe führen das vor; bezeichnend ist auch der Bürgerprotest gegen »Stuttgart 21«: Mehr als ein Jahrzehnt, während aller Beschlüsse und Planungen, blieb er vergleichsweise überschaubar. Zum Massensturm kam es erst, als Bagger und Baumsägen tatsächlich zu Werke gingen, derweil die regierenden Politiker dachten, sie hätten die schläfrigen Bürger mit Erklärungen längst genug gelangweilt.
In der Regel richten sich Politiker aller Parteien nämlich mit dem Desinteresse der Bürger ein, lassen den Deutschen ihre billig-bequeme, europaweit unerreichte Politikverdrossenheit einfach durchgehen. Denn: Abgesehen davon, dass sie ein, zwei Tage Krokodilstränen wegen der niedrigen Wahlbeteiligung vergießen, bleibt ihre Arbeit ja unbehelligt. Die Logik darin ist (leider) bestechend. Die Deutschen trauen den Politikern immer weniger zu, erwarten von ihnen aber die Lösung immer größerer Probleme. Deshalb muss ja in jedem Fall regiert werden, ganz gleich, wie viele Bürger zur Wahl gingen. Mit so wenigen Stimmen wie seit 1949 nicht reichte es für CDU/CSU und FDP zu ihrer schwarz-gelben Wunschkoalition. Und sie hatten dabei mit Recht so gut wie keine Skrupel wegen der niedrigen Wahlbeteiligung. Mehrheit ist Mehrheit. Nämlich die der Sitze im Parlament.
Es ist an der Zeit, dieser Denke auf den Grund zu gehen. In den Menschenbildern der offiziellen Parteiprogramme spiegelt sie sich kaum wider. Wenn die SPD darin um Begriffe wie Emanzipation und Teilhabe kreist oder die CDU von christlich-konservativen Werten spricht, dann sagt das einiges über den eigenen Markenkern - und fast nichts über die eigenen Vorstellungen von der real existierenden Wählerschaft im Land. Wie findige Verkäufer aber denken Politiker dieser Republik unablässig über »die Menschen draußen im Land« nach, über König Kunde eben. Warum sagt er auf ein und dieselbe Frage mal ja und dann wieder nein? Kann er nicht verstehen, wie Politik funktioniert, oder will er nicht? Ist der Wähler einfach blöd, beschränkt und undankbar? Verunsichert, im Herzen reformfeige und zur Freiheit nicht fähig? Ist er wirklich verführbar und himmelschreiend naiv? Oder ist das Volk, wie es immer neu in Gruppen und Grüppchen zerfällt, einfach nur »der große Lümmel«?
Die wichtigste Frau der deutschen Politik jedenfalls, Angela Merkel, hat in den letzten zehn Jahren ihr Bild vom Wähler befeilt, nachjustiert, neu gefasst und kann sich trotz vieler Umfragtiefs gute Chancen ausrechnen, über 2013 hinaus Kanzlerin zu sein. Dabei spielt es kaum eine Rolle, ob Kanzlerin, Kabinett und all' die übrigen maßgeblichen Politiker sich ihren Eindruck vom Bürger aus den Medien und der Demoskopie zusammensetzen, also aus zweiter Hand, oder ob sie dies überwiegend aus eigener Anschauung, Kontakten und Erfahrungen tun. Es mag offen bleiben, welcher der beiden Wege »objektiver« zu nennen wäre, falls es überhaupt so etwas wie Objektivität geben kann, wenn die wenigen Gewählten ihre circa 60 Millionen Wähler in den Blick nehmen. Am Ende entsteht, so oder so, ein Bild, das gegen kurzfristige Stimmungsschwünge in der Bevölkerung weitgehend resistent ist, das sich von Partei zu Partei erstaunlich wenig unterscheidet - aber nie, nie öffentlich verhandelt wird.
Dieses Buch bezieht sich auf Bundespolitiker der etablierten Parteien. Vertreter von Regierungs- und »Volksparteien« spielen dabei naturgemäß eine größere Rolle, weil sie wegen dieses Anspruchs vermutlich (noch) mehr als die Grünen oder Vertreter der Linkspartei über die Deutschen insgesamt nachdenken, nachdenken müssen. Hier versammelt sind Szenen und Gespräche, die sich im Laufe mehrerer Jahre zugetragen haben. Bei ganz vielen Begegnungen mit Politikern unterschiedlicher Parteien war und ist massive Bürgerverdrossenheit zu spüren. Das Phänomen ist weit verbreitet. Umso erstaunlicher, dass darüber meines Wissens nach nie eine zusammenhängende Darstellung erschienen ist.
Nur in der Kölner »Stunksitzung« durfte das Publikum schon einmal tief in ein Politikerherz blicken: In den Jahren 2005 und 2006 trat der Kabarettist Bruno Schmitz mit einer ebenso kurzen wie umjubelten Nummer auf und ließ den - frei erfundenen - SPD-Politiker Peter Holzmeier reden, fluchen, schwadronieren. Kostprobe: »Und wenn ich das schon höre: Wir sind das Volk! Wir sind das Volk! Da krieg ich die Krätze. Ja klar seid ihr das Volk. Aber wir sind die Regierung! Und wir hätten auch lieber ein Volk, das nicht so brunzdumm ist. Was war das erfolgreichste deutsche Buch der letzten Jahre? Die Biographie von Dieter Bohlen. Was war die erfolgreichste deutsche Platte? Die letzte von Dieter Bohlen. Und wer war in der Pisa-Studie hinter Bangladesch? Ihr. Ihr seid einfach doof wie 100 Hektar Mischwald. Ich bin hochaus- gebildet. Ich hab studiert. Und nur weil ihr mich drei Minu- ten wählt, soll ich mich von euch dafür vier Jahre anpissen lassen?«
Frei erfunden, gewiss. Aber gar nicht weit weg von der Wirklichkeit.
Was diese Wirklichkeit verändern könnte, ist paradoxerweise die schwerste Wirtschaftskrise seit 80 Jahren und wie Deutschland sie bis heute mit Bravour meistert. Die erschrockenen Bürger sollte es lehren, dass in Regierung und Parlament nicht nur selbstsüchtige Flachpfeifen umhertaumeln, sondern ernstzunehmende Sachwalter ihrer Interessen. Und die Politiker sollten viel mehr als bislang zur Kenntnis nehmen, dass sich die Deutschen seit Beginn dieses beispiellosen Wirtschaftseinbruchs so ganz und gar anders verhalten, als alle Parteien (und viele Medien) vorhergesagt haben. Monat um Monat wartete nicht nur die Linkspartei auf extreme Ausschläge von Volkes Stimmung vor allem in den Umfragen. Doch sie blieben aus, selbst dann noch, als nicht mehr nur die Banken ins Wanken gerieten, sondern ganze Staaten.
Die Deutschen wollen partout nicht wüten, sie wollen auch nicht panisch, hysterisch oder besonders larmoyant sein. Die Deutschen behalten bislang kühlen Kopf. Ein Rekordaufschwung, der mindestens bis ins Jahr 2011 tragen wird, ist ihr Lohn, weshalb man aus Politikermund inzwischen immer häufiger auch diesen Satz hören kann: »So kenne ich die Deutschen gar nicht.«
Soll heißen: Dieses Buch beginnt in Moll, aber es endet in Zuversicht.
Copyright © 2011 by Pantheon Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Was die Politiker von den Wählern denken, prägt die Politik, die sie für die Wähler machen, und zwar viel stärker als die Persönlichkeit des Einzelnen oder das Programm seiner Partei. Zugegeben, irgendwie ahnte man das: Was jene, die den Vorteil aller Deutschen mehren sollen, von eben diesen Deutschen denken, ist nicht immer vorteilhaft. Aber darüber ließe sich ja reden: Was dem Volk nicht schmeichelt, muss nicht automatisch falsch sein. Damit ließe sich auch leben, wäre dieses Bild vom Bürger ein regelmäßig reflektiertes oder offen diskutiertes. Ist es aber nicht. Denn die allermeisten Spitzenpolitiker halten ihre Vorstellung vom Wähler vorm Wähler geheim. Für ihr Bild von der »schweigenden Mehrheit« gilt: Immer daran denken, niemals davon reden. Und weil sie nicht darüber reden, bleibt dieses Bild wie ein blinder Spiegel, wie ein Spiegel der Blinden. Das nährt die Politikverdrossenheit der Bürger (bekannt), aber eben auch die Bürgerverdrossenheit der Politiker (kaum bekannt): Die einen überlegen, ob sie überhaupt noch wählen wollen, und die anderen, warum sie überhaupt noch reden sollen. Frust ist überall. Er beruht auf Gegenseitigkeit. Das ist gefährlich.
Daran ändern auch viele Wahlen offenkundig nichts, weder im »Superwahljahr« 2009 noch im »Superwahljahr« 2011 mit weiteren sieben Landtags- und vier Kommunalwahlen. Dabei gelten Wahlkampfzeiten immer noch als die Momente größtmöglicher Nähe von Wählern und Gewählten. Wer nun sarkastisch schlussfolgert, dass ihrer beider Verhältnis umso mehr zerrüttet, je häufiger sich Bürger und Politiker nahe kommen, der muss erkennen: Auch ein weitgehend wahlfreies Jahr wie 2010 hat den Graben nicht schrumpfen lassen. Überraschend, potenziell geradezu belebend, kam Ende 2009 zwar eine »kleine« Koalition ins Amt, was viele bei fünf Parteien im Bundestag nicht mehr zu hoffen gewagt hatten. Aber schon nach acht Monaten hatte die schwarz-gelbe Regierung ihre Mehrheit im Bundesrat eingebüßt, ohne sie zuvor in spürbarer Form genutzt zu haben. Keine der Wahlen 2011 kann daran etwas ändern. Stolperstart, Ernüchterung, mürrische Verdrossenheit -- die Bürger sind es gründlich leid und lassen es die etablierten Parteien immer häufiger auch in kurzzeitig organisierter Form wissen, zum Beispiel beim Volksentscheid gegen die schwarz-grüne Schulpolitik in Hamburg oder beim bunt gescheckten Protest gegen das Bahnhofsgroßprojekt »Stuttgart 21« - wo Volk und Volksvertreter sogar eine regelrechte »Schlichtung« eingingen. Wutbürger war das Wort des Jahres 2010.
Dieser mehltauartige Frust bleibt auch von der schwersten Wirtschafts- und Finanzkrise der Nachkriegszeit weitgehend unberührt. Im Angesicht von taumelnden Banken und Staaten, von Märkten, die durchgehen wie Rinderherden bei Gewitter, ist Politik irgendwie zwar wieder »in«. Aber Politiker bleiben weiterhin »out«. Wie alle Umfragen zeigen, verstehen die Wähler ihre Politiker immer weniger, halten sie für unfähig, für ebenso ziel- wie zügellos. Immer öfter lehnen gut organisierte Gruppen zudem die eingeübten Verfahren der repräsentativen Demokratie ab, mit der Deutschland in den letzten Jahrzehnten so gut gefahren ist. Und viele applaudieren sogar, wenn ein Bundespräsident die Brocken hinschmeißt - und ziemlich deutlich die ach so garstige Medien- und Parteienkritik an seiner ungelenken Amtsführung dafür verantwortlich macht.
Kein Wunder, dass die Politiker reagieren. Sie ziehen sich trotzig in ihre Berliner und Brüsseler Wagenburgen zurück. Sie nennen, was um sie herum ist, in unbedachten Momenten den »vorpolitischen Raum«, so wie man früher »Wildnis« nannte, was sich von der Stadtmauer bis zum Horizont erstreckte. Und auf Horst Köhler folgte Christian Wulff, eben weil er ein jung gebliebener Profi ist und kein zart besaiteter Quereinsteiger.
Mitten im furiosen Wiederaufstieg aus dem wirtschaftlichen Krisentief ist die vorläufige Diagnose also niederschmetternd: beschädigtes Vertrauen, gestörte Verbindung, kein Anschluss unter dieser Nummer. Selbst zur Bundestagswahl gingen so wenige Wähler wie nie zuvor seit dem Zweiten Weltkrieg; drei von zehn Bürgern blieben daheim.
Was frustrierte Wähler (und Publizisten) über ihre Politiker denken und warum, weiß fast jeder. Ungezählt die Bücher, die sich - gern auch ziemlich billig - an dieser »Politik ohne Volk« abarbeiten. Was weitgehend fehlt, ist die Gegenfrage: Was denken die Gewählten von ihren Wählern? Stimmt es, dass immer mehr Politiker längst meinen, die große Mehrheit der Wähler in Deutschland sei ungerecht und ungebildet, denkfaul oder schlichtweg undankbar? Viel mehr als die Politikverdrossenheit der Bürger prägt diese Bürgerverdrossenheit der Politiker die deutsche Politik, ihre Ziele ebenso wie die Art, sie zu verfolgen: Entweder wird Politik gemacht für Deutsche, die es so nicht gibt, oder für Deutsche, die es besser so nicht gäbe. Entweder geht die Politik selber in die Irre, oder sie nimmt als gottgegeben hin, dass die Bürger irren, und lässt sie damit davonkommen.
Gleichwohl ist dies ist kein Buch gegen Politiker, sondern eines über Politiker. Das ist ein Unterschied - und zwar immer dann, wenn die Politiker zu Recht, zumindest aber mit guten Gründen am Wähler und seiner kollektiven Vernunft zweifeln. Und von diesen Momenten gibt es einige, warten Sie nur ab. Zwei Beispiele vorweg. Erstens: Aus Angst vor der Wut der Rentner erhöhte die Regierung 2008 willfährig die gesetzlichen Altersbezüge und garantierte 2009 sogar, dass die Rente, Krise hin oder her, in Zukunft nie mehr sinken werde. Diese Garantie griff zum ersten Mal im Jahr 2010 und würde auch 2011 die Renten vom Absinken der realen Durchschnittslöhne abkoppeln. Mit diesem Manöver trennte sich die Regierung endgültig von der seit 1957 geltenden Rentenformel, vom letzten Generationenvertrag für nachhaltige Politik in Deutschland - und das aufgrund eines Zerrbilds. Denn in Wahrheit sind viele Rentner zum tagtäglichen Verzicht für die Jüngeren bereit. Gerade in der Krise teilten sie die Sorgen und Fragen der Jüngeren, und in Umfragen hält die Hälfte der Deutschen die Rentengarantie für ungerecht, auch diejenigen in den oberen Altersegmenten. Kurzum: Erst werden »die Rentner« falsch eingeschätzt, und daraus abgeleitet wird dann falsche Politik für alle gemacht.
Zweites Beispiel: Weil sich die Deutschen nachweislich immer weniger für Tagespolitik interessieren und immer weniger davon verstehen, machen sich auch immer weniger Politiker die Mühe, ihre Politik in der Sache zu erklären. Bei- leibe nicht nur niederschmetternd blutarme Wahlkämpfe führen das vor; bezeichnend ist auch der Bürgerprotest gegen »Stuttgart 21«: Mehr als ein Jahrzehnt, während aller Beschlüsse und Planungen, blieb er vergleichsweise überschaubar. Zum Massensturm kam es erst, als Bagger und Baumsägen tatsächlich zu Werke gingen, derweil die regierenden Politiker dachten, sie hätten die schläfrigen Bürger mit Erklärungen längst genug gelangweilt.
In der Regel richten sich Politiker aller Parteien nämlich mit dem Desinteresse der Bürger ein, lassen den Deutschen ihre billig-bequeme, europaweit unerreichte Politikverdrossenheit einfach durchgehen. Denn: Abgesehen davon, dass sie ein, zwei Tage Krokodilstränen wegen der niedrigen Wahlbeteiligung vergießen, bleibt ihre Arbeit ja unbehelligt. Die Logik darin ist (leider) bestechend. Die Deutschen trauen den Politikern immer weniger zu, erwarten von ihnen aber die Lösung immer größerer Probleme. Deshalb muss ja in jedem Fall regiert werden, ganz gleich, wie viele Bürger zur Wahl gingen. Mit so wenigen Stimmen wie seit 1949 nicht reichte es für CDU/CSU und FDP zu ihrer schwarz-gelben Wunschkoalition. Und sie hatten dabei mit Recht so gut wie keine Skrupel wegen der niedrigen Wahlbeteiligung. Mehrheit ist Mehrheit. Nämlich die der Sitze im Parlament.
Es ist an der Zeit, dieser Denke auf den Grund zu gehen. In den Menschenbildern der offiziellen Parteiprogramme spiegelt sie sich kaum wider. Wenn die SPD darin um Begriffe wie Emanzipation und Teilhabe kreist oder die CDU von christlich-konservativen Werten spricht, dann sagt das einiges über den eigenen Markenkern - und fast nichts über die eigenen Vorstellungen von der real existierenden Wählerschaft im Land. Wie findige Verkäufer aber denken Politiker dieser Republik unablässig über »die Menschen draußen im Land« nach, über König Kunde eben. Warum sagt er auf ein und dieselbe Frage mal ja und dann wieder nein? Kann er nicht verstehen, wie Politik funktioniert, oder will er nicht? Ist der Wähler einfach blöd, beschränkt und undankbar? Verunsichert, im Herzen reformfeige und zur Freiheit nicht fähig? Ist er wirklich verführbar und himmelschreiend naiv? Oder ist das Volk, wie es immer neu in Gruppen und Grüppchen zerfällt, einfach nur »der große Lümmel«?
Die wichtigste Frau der deutschen Politik jedenfalls, Angela Merkel, hat in den letzten zehn Jahren ihr Bild vom Wähler befeilt, nachjustiert, neu gefasst und kann sich trotz vieler Umfragtiefs gute Chancen ausrechnen, über 2013 hinaus Kanzlerin zu sein. Dabei spielt es kaum eine Rolle, ob Kanzlerin, Kabinett und all' die übrigen maßgeblichen Politiker sich ihren Eindruck vom Bürger aus den Medien und der Demoskopie zusammensetzen, also aus zweiter Hand, oder ob sie dies überwiegend aus eigener Anschauung, Kontakten und Erfahrungen tun. Es mag offen bleiben, welcher der beiden Wege »objektiver« zu nennen wäre, falls es überhaupt so etwas wie Objektivität geben kann, wenn die wenigen Gewählten ihre circa 60 Millionen Wähler in den Blick nehmen. Am Ende entsteht, so oder so, ein Bild, das gegen kurzfristige Stimmungsschwünge in der Bevölkerung weitgehend resistent ist, das sich von Partei zu Partei erstaunlich wenig unterscheidet - aber nie, nie öffentlich verhandelt wird.
Dieses Buch bezieht sich auf Bundespolitiker der etablierten Parteien. Vertreter von Regierungs- und »Volksparteien« spielen dabei naturgemäß eine größere Rolle, weil sie wegen dieses Anspruchs vermutlich (noch) mehr als die Grünen oder Vertreter der Linkspartei über die Deutschen insgesamt nachdenken, nachdenken müssen. Hier versammelt sind Szenen und Gespräche, die sich im Laufe mehrerer Jahre zugetragen haben. Bei ganz vielen Begegnungen mit Politikern unterschiedlicher Parteien war und ist massive Bürgerverdrossenheit zu spüren. Das Phänomen ist weit verbreitet. Umso erstaunlicher, dass darüber meines Wissens nach nie eine zusammenhängende Darstellung erschienen ist.
Nur in der Kölner »Stunksitzung« durfte das Publikum schon einmal tief in ein Politikerherz blicken: In den Jahren 2005 und 2006 trat der Kabarettist Bruno Schmitz mit einer ebenso kurzen wie umjubelten Nummer auf und ließ den - frei erfundenen - SPD-Politiker Peter Holzmeier reden, fluchen, schwadronieren. Kostprobe: »Und wenn ich das schon höre: Wir sind das Volk! Wir sind das Volk! Da krieg ich die Krätze. Ja klar seid ihr das Volk. Aber wir sind die Regierung! Und wir hätten auch lieber ein Volk, das nicht so brunzdumm ist. Was war das erfolgreichste deutsche Buch der letzten Jahre? Die Biographie von Dieter Bohlen. Was war die erfolgreichste deutsche Platte? Die letzte von Dieter Bohlen. Und wer war in der Pisa-Studie hinter Bangladesch? Ihr. Ihr seid einfach doof wie 100 Hektar Mischwald. Ich bin hochaus- gebildet. Ich hab studiert. Und nur weil ihr mich drei Minu- ten wählt, soll ich mich von euch dafür vier Jahre anpissen lassen?«
Frei erfunden, gewiss. Aber gar nicht weit weg von der Wirklichkeit.
Was diese Wirklichkeit verändern könnte, ist paradoxerweise die schwerste Wirtschaftskrise seit 80 Jahren und wie Deutschland sie bis heute mit Bravour meistert. Die erschrockenen Bürger sollte es lehren, dass in Regierung und Parlament nicht nur selbstsüchtige Flachpfeifen umhertaumeln, sondern ernstzunehmende Sachwalter ihrer Interessen. Und die Politiker sollten viel mehr als bislang zur Kenntnis nehmen, dass sich die Deutschen seit Beginn dieses beispiellosen Wirtschaftseinbruchs so ganz und gar anders verhalten, als alle Parteien (und viele Medien) vorhergesagt haben. Monat um Monat wartete nicht nur die Linkspartei auf extreme Ausschläge von Volkes Stimmung vor allem in den Umfragen. Doch sie blieben aus, selbst dann noch, als nicht mehr nur die Banken ins Wanken gerieten, sondern ganze Staaten.
Die Deutschen wollen partout nicht wüten, sie wollen auch nicht panisch, hysterisch oder besonders larmoyant sein. Die Deutschen behalten bislang kühlen Kopf. Ein Rekordaufschwung, der mindestens bis ins Jahr 2011 tragen wird, ist ihr Lohn, weshalb man aus Politikermund inzwischen immer häufiger auch diesen Satz hören kann: »So kenne ich die Deutschen gar nicht.«
Soll heißen: Dieses Buch beginnt in Moll, aber es endet in Zuversicht.
Copyright © 2011 by Pantheon Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
... weniger
Autoren-Porträt von Nikolaus Blome
Blome, NikolausNikolaus Blome studierte Geschichte, Volkswirtschaft und Politik in Bonn und Paris. Er war Büroleiter Brüssel und stellvertretender Chefredakteur der Zeitung Die Welt und arbeitete von 2006 bis 2013 bei BILD, als Leiter des Hauptstadtbüros und stellvertretender Chefredakteur. Nach zwei Jahren beim SPIEGEL in gleicher Funktion kehrte Blome Ende 2015 als stellvertretender Chefredakteur Print und Online zu BILD/BILD.de zurück. Blome wurde für seine Arbeiten mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Theodor-Wolff-Preis und dem Henri-Nannen-Preis. Zuletzt erschien von ihm "Angela Merkel - Die Zauderkünstlerin" (Pantheon 2013).
Bibliographische Angaben
- Autor: Nikolaus Blome
- 2011, 1, 157 Seiten, mit Abbildungen, Maße: 12,6 x 20 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: Pantheon
- ISBN-10: 3570551407
- ISBN-13: 9783570551400
- Erscheinungsdatum: 21.02.2011
Rezension zu „Der kleine Wählerhasser “
»Sein analytisches, aktuelles und erfrischend leicht zu lesendes Buch endet mit konkreten Forderungen - wohlgemerkt an beide "Lager".«
Kommentar zu "Der kleine Wählerhasser"
0 Gebrauchte Artikel zu „Der kleine Wählerhasser“
Zustand | Preis | Porto | Zahlung | Verkäufer | Rating |
---|
Schreiben Sie einen Kommentar zu "Der kleine Wählerhasser".
Kommentar verfassen