Der letzte Steinmagier
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Und um eine Schuld zu begleichen. Denn einst wurde die Kaiserin von einem abtrünnigen Steinmagier in eine Statue verwandelt und nur ihre Erlösung kann die Finsternis, die seitdem über das Reich hereingebrochen ist, vertreiben. Mit dem Erbe seines Meisters, einer kostbaren Schriftrolle, macht sich Yu an die schier unlösbare Aufgabe, wird aber schon bald von dem machthungrigen Fürsten Dayku Quan verfolgt, der sich in den Besitz des Geheimnisses der ewigen Jugend bringen will. Doch dann erhält Yu unerwartet Hilfe.
Der letzte Steinmagier von James A. Sullivan LESEPROBE
„Das hast du gut gemacht, Leyuun.“
Wurishi Yu betrachtete den Sohn des Kaisers voller Bewunderung. Der Junge war fünf Jahre alt und zeigte die Klugheit eines Zehnjährigen. Ein Jammer, dass man ihn zum Krieger ausbilden würde.
„Danke, Meister Yu“, sagte Leyuun.
„Du hast dir eine Belohnung verdient. Einen Zauberstein oder ein …“
„Eine Geschichte möchte ich“, rief der Junge.
„Eine Geschichte? Ob das ein guter Handel ist?“
„Du hast am Hof die Geschichte der ersten Steinmagier erzählt.“
„Hast du etwa gelauscht?“
Leyuun grinste. „Manche Wände im Palast sind dünn.“
Der Magier lachte. „Und welche Geschichte möchtest du hören?“
Meister Yu nickte und legte die Stirn in Falten. „Die Antwort darauf liegt in einer Zeit, in der die Steinmagier sich zerstritten hatten.“ Meister Yu schaute ins Leere. „Ich war ein junger Mann, fast noch ein Kind. Und es herrschte Chaos im Kaiserreich.“
„Chaos im Kaiserreich?“, fragte der Junge überrascht.
Leyuun wusste nichts von dem, was damals geschehen war. Kaiser Irishi Beyuun, Leyuuns Vater, hatte verfügt, dass niemand außer Meister Yu dem Jungen erzählen durfte, welches Unglück einst über das Kaiserhaus gekommen war. Leyuun kannte nur den Glanz der Herrscherfamilie, die Geschichten, die man einem Kind gerne erzählte. Man hatte ihm nur von Kaiser Irishi Yang, dem Begründer der Irishi-Dynastie erzählt. Doch über dessen Nachfolger und die finsteren Jahre durfte niemand zu dem Jungen sprechen. Es oblag allein Meister Yu zu entscheiden, wann Leyuun so weit war, die Wahrheit zu erfahren.
„Wir setzen uns nach draußen“, sagte Yu. „Dort erzähle ich dir, was damals geschah.“
So verließen der Magier und der Schüler die Studierstube und traten auf eine Terrasse hinaus, wo sie über die Hauptstadt Irishien und das Herzland des Kaiserreiches blicken konnten.
Dem jungen Thronfolger lag ein Lächeln auf den Lippen, wie jedes Mal, wenn er über das Land schaute, über die Dächer und Mauern Irishiens hinweg, über das Grasland bis hin zu den Wäldern und den Festungen, die den Rand des Herzlandes markierten.
Schließlich wandte der Junge seinen Blick von der Landschaft ab und schaute Meister Yu mit erwartungsvollen Augen an. Er wollte die Geschichte hören, die Yu ihm versprochen hatte.
„Es ist an der Zeit, dass du erfährst, wie nahe die Irishi-Dynastie am Abgrund stand“, sagte Yu mit der Stimme eines Geschichtenerzählers. „Es war ein Abgrund, der sich durch die Steinmagie aufgetan hatte und durch sie wieder geschlossen wurde.“
„Aber unsere Dynastie begründet sich auf die Steinmagie. Mein Vater sagt, unsere Macht blüht und welkt mit der Steinmagie. Heißt das, in der Zeit des Chaos stand es schlecht um die Steinmagie? War unsere Herrschaft bedroht?“
Meister Yu war stolz auf seinen Schüler. „So ist es, Leyuun. Es ist unsere Schuld. Hätten wir Steinmagier stets hinter dem Thron deiner Familie gestanden, wäre Niwaen-ju eine finstere Zeit erspart geblieben. Doch die Wahrheit ist, dass bei uns ebenso Feindseligkeit, Neid und Missgunst herrschten wie unter allen anderen, die am Hof ein- und ausgehen. Der Kaiser schenkte manchen Steinmagiern mehr Vertrauen als anderen. Die anderen zogen es schließlich vor, lieber mächtige Magier eines Fürsten zu werden, als einer unter vielen am Hof des Kaisers zu bleiben. Da aber gerade jene Fürsten, die davon träumten, selbst auf dem Kaiserthron zu sitzen, die Steinmagier zu sich lockten, war es nur eine Frage der Zeit, ehe sich die Steinmagier auf dem Schlachtfeld gegenüberstanden.“
Meister Yu erzählte dem Jungen, wie die Nachfolger Kaiser Irishi Yangs versucht hatten, die Einheit Niwaen-jus zu erhalten. Doch sie alle waren an eigenen Charakterschwächen, am Machtstreben der Fürsten und den Streitigkeiten unter den Steinmagiern gescheitert. So war das Kaiserreich allmählich geschrumpft.
Leyuun nahm die Geschichte seines Hauses leichter auf, als Wurishi Yu gedacht hatte. Es war, als lauschte der Junge einem Märchen. Doch jedes Mal, wenn Meister Yu vom Tod eines Vorfahren berichtete, machte Leyuun ein bedrücktes Gesicht. Sobald aber Yu vom nächsten Mitglied aus dem Hause Irishi erzählte, schien wieder Hoffnung in dem Knaben aufzukeimen. Er strahlte und lauschte Yu mit großen Augen. Die Geschichte der Irishi-Dynastie verschlimmerte sich jedoch mit jedem Erben.
Nach einer Weile fragte der junge Thronfolger: „Aber wie wuchs das Kaiserreich wieder zu seiner alten Größe heran?“
„Es war eine Frau, die alles änderte. Es war Irishi Chan.“„Meine Großmutter!“
„Ja, deine Großmutter. Sie war zu jener Zeit die Letzte des Hauses Irishi. Und hätte sie einen Bruder oder auch nur einen Cousin gehabt, wäre sie nie auf den Thron gelangt.“
„Warum?“, fragte Leyuun.
„Weil damals eine Frau nur herrschen durfte, wenn kein Knabe die Herrschaft antreten konnte.“
„Dann war es ein Glück, dass keine anderen Verwandten da waren.“
Yu nickte. „Ihr Vater, Irishi Ang, hatte bereits viel erreicht, doch auf der Höhe seiner Macht fiel er im Kampf gegen den Fürst von Tjaifen-ju. Trotz seines Todes wurde die Schlacht gewonnen, und deine Großmutter konnte rasch das Kaiserreich einen. Sie war die größte Kaiserin, die Niwaen-ju je hatte. Sie war eine hervorragende Feldherrin, auch wenn sie selbst nie auf dem Schlachtfeld kämpfte. Sie verfügte nämlich über die Armee der lebenden Statuen.“
„So wie mein Vater?“, fragte Leyuun aufgeregt.
Yu lächelte. „Alles, was dein Vater über die Steinkrieger weiß, hat deine Großmutter ihm beigebracht. Irishi Chans Vorgänger hatten die lebenden Statuen nicht beherrschen können. Sie waren aus sehr unterschiedlichen Gründen für diese Art der Machtausübung nicht empfänglich gewesen. Deine Großmutter aber besaß die Gabe, die Steinfiguren aus dem Schlaf zu wecken und ihrem Willen zu unterwerfen.“
„Und mit diesen Kriegern konnte Großmutter das Reich wieder einen?“
„Ja. Und es hätte ein Goldenes Zeitalter werden können. Deine Großmutter war im richtigen Alter, den Zauber der ewigen Jugend zu empfangen. Sie war Mitte zwanzig. Doch sie zögerte es hinaus.“
Leyuun machte ein nachdenkliches Gesicht. „Natürlich. Frauen, die ewig jung sind, können keine Kinder kriegen.“
Es tat weh, diese Wahrheit aus dem Munde eines Kindes zu hören, denn auch Meister Yu litt mit seiner Frau unter dieser traurigen Tatsache.
„Ja, Leyuun“, sagte er. „Wer ewig jung ist, der altert nicht. Alles im Körper strebt danach, so zu bleiben, wie es ist. Da kann kein Kind heranwachsen. So schob deine Großmutter den Zauber hinaus und nahm sich Hujio Bing zum Gatten. Bald schon erwartete sie ein Kind. Doch ehe sie es gebären konnte, kam das Chaos, von dem ich sprach. Es erhob sich Widerstand im benachbarten Fürstentum Daykun-ju, und in diesem Krieg starb dein Großvater durch ein Attentat. Doch Irishi Chan konnte das Blatt wenden, und sie hätte den Widerstand gebrochen, wenn nicht …“ Meister Yu zögerte auszusprechen, was nie hätte geschehen dürfen. „Ein Steinmagier, den wir She-bi – die Schlange – nennen, drang in den Palast ein und sprach einen Zauber über die Kaiserin und damit auch über ihr ungeborenes Kind, deinen Vater. Sie erstarrten zu Stein. Zum Glück konnte She-bi die Insignien des Kaiserreiches nicht stehlen, denn die Leibwächterinnen der Kaiserin und die steinernen Palastwachen trieben ihn in die Flucht.“
„Wurde er gefasst?“, fragte Leyuun.
„Mein Meister und einige Gefährten spürten ihn auf, ließen ihn zu Stein erstarren und stürzten die Statue in einen Abgrund.“
Yu achtete darauf, wie Leyuun reagierte, und er war zufrieden zu sehen, dass der Junge keine Freude über die Rachetat zeigte. Stattdessen schien ihn etwas ganz anderes zu beschäftigen.
„Wie fühlt es sich wohl an, versteinert zu sein?“, fragte Leyuun. „Merkt man, was um einen herum geschieht?“
„Nein. Es ist, als würde man ganz und gar aus der Welt herausgeschnitten. Man schwebt in der Finsternis zwischen den Welten. Die meisten Menschen dort schlafen und merken nicht, wie die Zeit vergeht. Doch deine Großmutter war mit wachem Geist in der Dunkelheit gefangen. Und sie war nicht allein. Die Geister der steinernen Krieger waren bei ihr, denn sie waren an die Seele ihrer Herrin gebunden.“
„Haben die Steinkrieger Großmutter beschützt?“
„Ja. Die Kaiserin konnte ihnen zwar keine Befehle mehr geben, aber sie schützten den Thronsaal und bewachten weiterhin die Orte, die sie zuvor bewachen sollten.“ Meister Yu erhob sich und deutete auf das Feld vor der Stadt. „Jene Steinkrieger, die im Kaiserreich unterwegs waren, bildeten einen Wall um Irishien, damit kein Heer zu ihrer Herrin gelangen konnte. So war deine Großmutter sicher, und an die Insignien konnte niemand herankommen.“ Yu deutete in die Ferne. „Du kennst die Festungen, die die Stadt umgeben?“
„Ja“, antwortete Leyuun. „Dort endet das Herzland.“
„Heute sind die Festungen zum Schutz Irishiens da. Doch sie wurden nicht auf kaiserlichen Befehl erbaut. Sie wurden von den mächtigen Fürsten und Provinzverwaltern erbaut, nachdem deine Großmutter versteinert wurde. Die meisten von ihnen lauerten nur darauf, an die Insignien zu gelangen und sich zum Kaiser auszurufen. Im Grunde sind es Belagerungsfestungen gewesen. Von dort aus führten die Fürsten immer wieder Streitmächte an, um gegen die steinernen Krieger zu kämpfen und in die Stadt vorzudringen. Bald herrschte Krieg. Fürst kämpfte gegen Fürst, und Steinmagier gegen Steinmagier.“
„Und so gab es immer weniger von eurer Art?“
Yu nickte. „Und doch kämpften wir weiter. Wir gaben nicht nach. Manche dienten ihren Fürsten, indem sie andere Steinmagier töteten und deren Erbe erbeuteten. So wie die Fürsten davon träumten, einst Kaiser zu sein, so träumten viele Steinmagier davon, zum mächtigsten Zauberer Niwaen-jus zu werden. Indes versuchten andere, die Kaiserin zu retten, um die Ordnung wieder herzustellen. Doch sie scheiterten und versuchten fortan, dem Machtstreben der anderen Steinmagier Einhalt zu gebieten. Selbst die Ältesten von uns standen sich nun als Feinde gegenüber und sammelten Verbündete hinter sich. Am Ende gipfelte alles in der Schlacht von Wuchao.“
„Wuchao!“, sprach der Junge voller Ehrfurcht. Seine Augen glänzten. „Erzähl mir von Wuchao! Dort soll eine Art Festung der Steinmagier gestanden haben.“
„Einst war es so. Doch als ich jung war, gab es davon nur noch die Ruinen. Sie waren ein Mahnmal dafür, dass die Einheit auseinandergebrochen war. Aber es wirkte dort noch Magie.“
„Und dort haben sie sich zur Entscheidungsschlacht getroffen?“
„Eigentlich sollte es eine Schlacht nur zwischen Fürst Dayku Quan und Fürst Hujio Jin sein, dem Neffen deines Großvaters. Die Steinmagier beschlossen aber, diese Schlacht in Wuchao zum Anlass zu nehmen, den Streit unter ihnen selbst ein für alle Mal zu entscheiden.“
„Erzähle mir von dieser Schlacht, Meister. Und was dann geschah. Von deinen großen Taten. Und von der Rettung meiner Großmutter. Aber zuerst die Schlacht von Wuchao!“
Meister Yu legte dem jungen Thronfolger die Hand auf die Schulter. „Beruhige dich, Leyuun. Wir haben alle Zeit, die wir uns nehmen. Ich erzähle dir, was in Wuchao geschah und was dann passierte. Doch es wird dich wundern, dass ich damals selbst nicht in Wuchao war, sondern in der weit entfernten Stadt Hujio. Und dennoch konnte ich die Schlacht beobachten.“
© Mira Taschenbuch
- Autor: James Sullivan
- 2008, 604 Seiten, Maße: 12,6 x 18,6 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: MIRA Taschenbuch
- ISBN-10: 3899414284
- ISBN-13: 9783899414288
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