Der Schneeleopard
Tschingis Aitmatows neuer Roman ist ein großer Wurf:...
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Tschingis Aitmatows neuer Roman ist ein großer Wurf: kirgisische Mythen werden lebendig und finden neue Bedeutung in unserer Zeit.
Die Zeit scheint für beide abgelaufen. Der einst unbezwingbare Schneeleopard Dschaa-Bars fühlt seine Kräfte schwinden und will sich zum Sterben in ein unzugängliches Tal im kirgisischen Hochgebirge zurückziehen. Und Arsen Samantschin, der unabhängige Journalist, wird von der Welle des entfesselten Kommerzes in seiner Heimat überrollt. Die Medien kuschen, Oligarchen und Fanatiker drängen sich vor, und seine große Liebe, die Sopranistin Aidana, feiert als Popstar Triumphe.
Das Schicksal führt Arsen und den Schneeleoparden in einer atemberaubenden Wendung zusammen: arabische Prinzen haben sich zu einer luxuriösen Jagdpartie angekündigt. Arsen soll sie als Tourmanager und Dolmetscher begleiten. Aber nicht alle im Dorf wollen es hinnehmen, dass es bei diesem Geschäft so wenige Gewinner und so viele Verlierer gibt.
Tschingis Aitmatows neuer Roman ist ein großer Wurf: kirgisische Mythen werden lebendig und finden neue Bedeutung in unserer Zeit.
Die Zeit scheint für beide abgelaufen. Der einst unbezwingbare Schneeleopard Dschaa-Bars fühlt seine Kräfte schwinden und will sich zum Sterben in ein unzugängliches Tal im kirgisischen Hochgebirge zurückziehen. Und Arsen Samantschin, der unabhängige Journalist, wird von der Welle des entfesselten Kommerzes in seiner Heimat überrollt. Die Medien kuschen, Oligarchen und Fanatiker drängen sich vor, und seine große Liebe, die Sopranistin Aidana, feiert als Popstar Triumphe.
Das Schicksal führt Arsen und den Schneeleoparden in einer atemberaubenden Wendung zusammen: arabische Prinzen haben sich zu einer luxuriösen Jagdpartie angekündigt. Arsen soll sie als Tourmanager und Dolmetscher begleiten. Aber nicht alle im Dorf wollen es hinnehmen, dass es bei diesem Geschäft so wenige Gewinner und so viele Verlierer gibt.
Der Schneeleopard von Tschingis Aitmatow
LESEPROBE
Die Stunde der Jagd brichtfür Dschaa-Bars zumeist um Mittag an. Zu der Zeitmachen sich die Pflanzenfresser, die Grauziege und der Steinbock - Etschki und Archar -, von überallher auf den Weg zu den Bächen und Flüssen im Gebirge, um ihren Durst zustillen, was mitunter über die Nacht bis zum nächsten Tag dauert. Zur Tränkeziehen sie alle wohlgeordnet. Mit flinkem, federndem Tritt scheinen sie denBoden der Pfade kaum zu berühren, bewegen sich wie hüpfende Ketten in kleinenGruppen, scharf um sich spähend und mit feinem Gehör für alles ringsum, um beiGefahr wie eine Sprungfeder augenblicklich über den Erdboden davonzuschnellen.
Großartig ist aber auch dieJagdkunst, die Dschaa-Bars beherrscht. Er erwartetseine Beute, geschickt getarnt und verborgen hinter einem Felsen, von wo er inzwei Takten den Überraschungssprung von oben herab vollzieht - seineMeisterleistung. Oder aber er stürzt sich seitwärts aus einem Busch jählingsauf das Opfer, reißt es nieder, beißt im gleichen Augenblick die Kehle durch,beginnt noch im heiß strömenden Blut seine Happen zu verschlingen und vollendetdas, wozu er bestimmt ist
An diesem frühherbstlichenTag strahlt der Tienschan, das Himmelsgebirge, in allseiner Fülle. Die Schneestürme werden erst später hereinbrechen, noch sind diePässe seit dem Sommer frei zum Herumstreunen. Das Wild genießt die hohe Zeitdes Äsens und hat bereits eine verlockende Körperfülle angesetzt, auch dieVögel lärmen, trällern und zwitschern noch ganz ausgelassen, die Nestkleinensind schon recht kräftig. Die Vogelbrut kann ja nicht bis zum Winter bleiben,den sie hier nicht aushält, eines Tages wird alles, was Flügel hat, bis zumnächsten Sommer verschwinden.
Dschaa-Bars hält Ausschau nach Beute und späht nach einem Platzfür die Jagd. Ziehen da nicht durstige Grauziegen zum Wasser? Jetzt ist esZeit, sich zwischen Büschen und Felsen niederzukauern,wo sie den Gesprenkelten nicht bemerken können. Von hohem Wuchs ist Dschaa-Bars, elastisch, lang und stark, sein Nackenmakellos und geschmeidig, sein Hals mächtig und rund, der Schädel groß undwuchtig, mit katzenhaften Ohren, und seine durchdringenden Augen leuchten undstrahlen im Schatten. Die der Umgebung so gut angepassten, markant farbigenFlecken auf dichtem, wollig seidenen Fell besingen seit alters in Liedern die Schamanen und Hakane,die sein Fell auf ihrem Körper tragen
Dschaa-Bars platziert sich geschicktzwischen großen Steinbrocken im Gebüsch am Ufer des kleinen Flusses. Gutverborgen, spreizt er seine scharfen Krallen. Die Etschkiwerden bald eintreffen und sich am Wasser volltrinken,an die sieben sind es, die in einer Kette am Berghangdaherstelzen und zugleich ängstlich die Ohren spitzen. Aus seiner Felsspaltehat er sie schon lange erspäht. Und erstarrt jetzt voller Erwartung.
Die Sonne strahlt von hochoben am klaren Himmel, nur vereinzelte Wolken berühren im Vorüberziehen dieGletschergipfel. Wetter und Sonne könnten nicht besser passen zu dem, wasdieses einzigartige Raubtier vorhat. Innerlich und äußerlich bereitet es sichvor auf den Sprung. Der entscheidende Moment der Jagd rückt näher, nur einsbeunruhigt Dschaa-Bars - wie er da zwischen denFelsbrocken liegt und aufmerksam alles beobachtet, hört er plötzlich sichselbst, als würde er tief Atem holen. So etwas geschieht natürlich in vollemLauf und bei jähen Sätzen und Sprüngen, auch dann, wenn in erbittertenRaufereien ums Weibchen geröchelt, gebrüllt und wütend gekeucht wird, wenn dieFetzen fliegen und man bereit ist, allen Tieren ringsum an die Kehle zu gehen.Aber in dieser reglosen Stellung, wo er mit dem Ort des Hinterhalts völligverschmilzt und nur noch gespannte Aufmerksamkeit ist - da darf er doch nichtso schnaufen Er hört jetzt deutlich sein Einatmen und Ausatmen. Daswiderfährt ihm zum ersten Mal. Auch das Herz schlägt heute stärker als sonstund hallt nach in den Ohren.
Im Leben des Dschaa-Bars hat sich in der letzten Zeit einiges verändert.Schon seit dem vergangenen Winter ist er ein Einzelgänger, ein grimmiger Paria,den das Rudel verstoßen hat. So kommt es, wenn das Alter, zunächst unmerklich,über einen hereinbricht. Darauf geht alles zurück, plötzlich brauchte ihnniemand mehr. Ein jüngerer Bars hatte sich seiner Barsin genähert und sie umworben. Die Rauferei warfurchtbar. Er konnte ihn nicht besiegen. Ein zweites Mal gingen sie aufeinanderlos, verbissen sich ineinander, es ging um Leben und Tod, aber es misslang ihmerneut, den Rivalen ein für alle Mal zu verjagen. Das Krummohr war äußerstbösartig - man hatte dem wohl bei früheren Balgereien das eine Ohr zerfetzt -,ein zähes, hartnäckiges Raubtier, das der Barsin zuLeibe rückte, sich zu ihr legte und sich an ihr rieb, scharwenzelte und drohte.All das trieb der Eindringling schamlos vor Dschaa-Bars Blicken. So kam es, dass die Barsin, mit der Dschaa-Bars so lange zusammengelebt hatte und mit der erzwei Mal Nachkommen hatte, mit dem Rivalen, dem Krummohr, fortging.Sie stellte sich dabei zur Schau, schlenkerte mit dem Schwanz mal nach links,mal nach rechts, richtete ihn hoch und krümmte ihn zu einem Bogen, rieb undrüttelte Seiten und Schultern mit dem anderen, ihrem neuen Partner. Sie liefeinfach davon. Ungerührt.
Während er die Bergziegen ander Wassertränke abwartet, fühlt er erstmals, wie ihn der Atem noch vor Beginnder Jagd im Stich lässt.
Dieses Mal kann sich Dschaa-Bars nicht beim Schicksal beklagen. Es ist eineganze Herde dieser kühn gehörnten Steinböcke, wahre Springer und Felsenflitzer,die sich von Kräutern und Beeren in den unerreichbaren Höhen des Gebirgesernähren. Aus der Ferne bemerken sie ihn nicht, in der Nähe wittern sie nichtsund begeben sich jetzt seelenruhig zur Tränke, wo sie sich am Ufer in einerReihe aufstellen.
Dschaa-Bars bleibt regungslos, sein rechtes Auge folgt ihnenaufmerksam - alles geht den gewohnten Gang: Die Tiere trinken ihr Wasser mit Genuss,sie halten inne und schlürfen weiter, er muss nur noch genau abpassen, wann siefertig sind. Nur eines ist anders geworden: Dschaa-Barsschnauft, aus seiner Brust pfeift es dumpf. Noch wundert er sich nur über dasPfeifen, noch ängstigt es ihn nicht.
Doch dann stört die Atemnotwirklich: Als er in zwei blitzartigen Sätzen das am Rand stehende Leittier desRudels, einen großen gehörnten Steinbock, anspringt und mit einem schrecklichenPrankenschlag übers Rückgrat niederreißen will, sieht Dschaa-Barsschon im Anflug, wie die Herde erbebt, die Schädel jählings hochreißt. Er mussnur noch mit seiner Pranke und den ausgestreckten Krallen vernichtendzuschlagen, ja er fliegt schon ganz nah ans Ziel heran, doch er landet auf derErde, dicht neben dem Archar. Der war kurz zuvor zurSeite gesprungen. Das hätte nicht sein dürfen. Noch ist nichts verloren Inwilder Wut stürzt sich Dschaa-Bars nochmals auf denSteinbock, aber der hat schon kehrtgemacht und ist dem schrecklichen Raubtierentkommen, die Herde hinter ihm drein.
Dschaa-Bars verfolgt die Herde und will den erstbesten Archar niederreißen, er holt alles aus sich heraus, fastist es so weit, nur noch ein wenig, aber wieder umsonst. Er war doch so nah undhat keinen erlegt. So nahe war der Triumph Die Steinböcke entfernen sich mehrund mehr. Er keucht schwer und erstickt beinahe, dann rafft er sich nochmalsauf und setzt der Herde nach, aber zu spät
Solch ein Fehlschlag ist Dschaa-Bars noch nie widerfahren. Am schwersten trifft ihn,dass der Anführer der davonrennenden Herde, der schroff gehörnte Steinbock, aufden er einem Pfeil gleich zugeschossen war, im Lauf sich umdrehte und ihm, demGroßräuber, mit dem Geweih drohte, es herausfordernd schüttelte, mit den Hufenauf die Erde stampfte und dann weiterrannte. Daskonnte nur heißen: Dschaa-Bars hat ausgedient, dieZeit der Erfolge ist vorbei. Von nun an muss er betteln gehen und dieBeutereste anderer abnagen.
Er konnte sich nicht mehrberuhigen, verstört blickte er um sich, versuchte wieder zu Atem zu kommen undtrottete ziellos von dannen.
Um ihn war nur noch Leere.Wie gerne hätte Dschaa-Bars zum Abschied dieZauberklänge der Sonne und der Berge gehört, die Wasserfälle und Wälder - dieMusik des pulsierenden Universums, er wollte mit fordernder Stimme alles aussich herausbrüllen, aber nichts folgte dem Verlangen. Die Welt schwieg.
Gerade rechtzeitig also, amfrühen Morgen, klingelte das Telefon. Eigentlich wollte Arsen Samantschin in seinem Zustand mit niemandem reden und dasGespräch zunächst auf später verschieben, und auch für ein persönlichesZusammentreffen wäre ihm der Nachmittag lieber gewesen. Aber als er die sovertraute Stimme von Bektur hörte, der ihn dringendtreffen wollte, empfand er doch das Bedürfnis nach einer menschlichen Begegnung.Jetzt musste er zu sich kommen und über dieses »Seelenbeben« - so umschrieb erseinen Zustand - die Oberhand gewinnen. Und danach würde man weitersehen
»Endlich hab ich dich, hörmir gut zu«, hakte mit leicht vorwurfsvollem Ton der Onkel ein, den man in derganzen Verwandtschaft mit der ehrenwerten Bezeichnung Bektur-Agaanredete. »Seit zwei Tagen versuche ich dich anzurufen. Wo bist du versackt,Arsen? Auch dein Handy war abgeschaltet. Was ist mit dir nur los, hörst du mirüberhaupt zu?«
»Bektur-Aga,bist du etwa in der Stadt?«
»Was meinst denn du, dochnur deinetwegen bin ich hergekommen. Hast du denn die arabischen Prinzenvergessen? Und die Jagd auf Schneeleoparden für die Prinzen aus Arabien, ha? Hast doch selbst alles mit arrangiert? Damit eshundertprozentig klappt, brauchen wir dich als Dolmetscher. Und du lässt michhängen. Der vornehme Herr verschwindet einfach vom Erdboden. Was ist denn los?Hast wohl alles vergessen.«
»Nicht doch, Bektur-Aga! Überhaupt nichts vergessen.«
© Unionsverlag
Übersetzung: Friedrich Hitzer
- Autor: Tschingis Aitmatow
- 2007, 3, 313 Seiten, Maße: 14,7 x 22 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzung: Hitzer, Friedrich
- Verlag: UNIONSVERLAG
- ISBN-10: 3293003702
- ISBN-13: 9783293003705
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