Der Schwur der Sünderin
Roman. Originalausgabe
Das Schicksal einer jungen Frau, die in einer Welt aus Angst und Aberglauben um ihre große Liebe kämpfen muss
Als die junge Anna Maria nach einer gefahrvollen Reise in ihr Heimatdorf Mehlbach zurückkehrt, wird ihr ein...
Als die junge Anna Maria nach einer gefahrvollen Reise in ihr Heimatdorf Mehlbach zurückkehrt, wird ihr ein...
Leider schon ausverkauft
versandkostenfrei
Taschenbuch
9.99 €
Produktdetails
Produktinformationen zu „Der Schwur der Sünderin “
Das Schicksal einer jungen Frau, die in einer Welt aus Angst und Aberglauben um ihre große Liebe kämpfen muss
Als die junge Anna Maria nach einer gefahrvollen Reise in ihr Heimatdorf Mehlbach zurückkehrt, wird ihr ein kühler Empfang bereitet. Denn mit Veit befindet sich ein geheimnisvoller Fremder an der Seite der jungen Frau, den die Mehlbacher misstrauisch beäugen. Als Veit kurz darauf mit Wölfen im Wald gesehen wird, hängt ihm bald der Ruf an, selbst ein Wolf zu sein. So schlägt das Misstrauen im Dorf in Angst um, und Anna Maria, die nun für alle die "Wolfsbraut" ist, setzt alles daran, den Mann, den sie liebt, vor einem grausamen Schicksal zu retten.
Als die junge Anna Maria nach einer gefahrvollen Reise in ihr Heimatdorf Mehlbach zurückkehrt, wird ihr ein kühler Empfang bereitet. Denn mit Veit befindet sich ein geheimnisvoller Fremder an der Seite der jungen Frau, den die Mehlbacher misstrauisch beäugen. Als Veit kurz darauf mit Wölfen im Wald gesehen wird, hängt ihm bald der Ruf an, selbst ein Wolf zu sein. So schlägt das Misstrauen im Dorf in Angst um, und Anna Maria, die nun für alle die "Wolfsbraut" ist, setzt alles daran, den Mann, den sie liebt, vor einem grausamen Schicksal zu retten.
Klappentext zu „Der Schwur der Sünderin “
Das Schicksal einer jungen Frau, die in einer Welt aus Angst und Aberglauben um ihre große Liebe kämpfen mussAls die junge Anna Maria nach einer gefahrvollen Reise in ihr Heimatdorf Mehlbach zurückkehrt, wird ihr ein kühler Empfang bereitet. Denn mit Veit befindet sich ein geheimnisvoller Fremder an der Seite der jungen Frau, den die Mehlbacher misstrauisch beäugen. Als Veit kurz darauf mit Wölfen im Wald gesehen wird, hängt ihm bald der Ruf an, selbst ein Wolf zu sein. So schlägt das Misstrauen im Dorf in Angst um, und Anna Maria, die nun für alle die "Wolfsbraut" ist, setzt alles daran, den Mann, den sie liebt, vor einem grausamen Schicksal zu retten ...
Die Fortsetzung des Erfolgromans "Die Gabe der Jungfrau".
Lese-Probe zu „Der Schwur der Sünderin “
Der Schwur der Sünderin von Deana ZinßmeisterProlog
In der Nähe des Ortes Mehlbach im November 1525
... mehr
Der zehnjährige Johannes kickte mürrisch Steine zur Seite und wäre dabei beinahe auf dem glitschigen Boden ausgerutscht. Nach den tagelangen Regenfällen war die Erde aufgeweicht, und der Junge musste breite Pfützen überspringen. Lustlos schlenderte er den Weg vom Ausgang Mehlbachs in Richtung Wald. »Immer muss ich das Holz herbeischaffen!«, murrte er und sah zum Himmel. Dichte Wolken zogen darüber hinweg.
»Dabei ist das Weiberarbeit«, brummte er leise weiter. Als er ein Eichhörnchen am Waldesrand erspähte, rannte er ihm hinterher, doch rasch sprang das Tier einen Baumstamm hinauf. Johannes hieb mit der Faust gegen das Holz und blickte dem Eichhörnchen zornig hinterher. »Mistvieh!«, schimpfte er laut.
Anstatt zurück auf den Weg zu gehen, wollte der Junge seine Strecke abkürzen und marschierte quer durch den Wald. Es war ein gutes Stück zu gehen, bis er zu der Stelle kommen würde, wo die Holzarbeiter des Grundherrn die dünnen Äste aufgeschichtet hatten. Nur dieses Holz konnten die Familien aus Mehlbach mitnehmen, alles andere durften sie nicht anrühren. Damit nicht die dicken Holzscheite entwendet wurden, mussten Kinder das Holz sammeln. Das war die Anweisung des Försters des Grundherrn. Würde Johannes' Vater am Sammelplatz angetroffen, würde man ihn sofort bestrafen - selbst, wenn er kein Holz gestohlen hätte.
Johannes hätte an diesem Tag lieber mit seinem Freund gespielt. Durch den heftigen Regen der letzten Tage würde der Mehlbach schneller als sonst durch sein Bett fließen. Das wollten die beiden Burschen ausnutzen, und deshalb hatten sie sich dort verabredet. Sie wollten sich aus Holzstücken Boote bauen und Wettrennen veranstalten. Doch jetzt würde der Freund vergeblich auf Johannes warten.
Johannes blieb stehen und schaute sich um. Er war so in Gedanken vertieft gewesen, dass er nicht mehr auf den Weg geachtet hatte. Wo war er? Der Junge drehte sich im Kreis, doch nichts kam ihm bekannt vor. Wenn er den Platz nicht finden und ohne Holz zurückkommen würde, gäbe es eine Tracht Prügel vom Vater. Verzweifelt blickte Johannes sich um. Jeder Baum sah gleich aus, und die Kronen standen dicht zusammen, sodass das Licht im Wald düster wirkte, obwohl gerade die Mittagszeit vorbei war.
»Verdammt!«, schimpfte Johannes und fragte sich leise: »Aus welcher Richtung bin ich gekommen?« Doch er wusste es nicht mehr. Einen umgestürzten Baumstamm, der den Weg versperrte, übersprang der Junge mit Leichtigkeit. Dabei hörte er plötzlich ein Geräusch, das ihn zusammenzucken ließ. Als er ein zweites Mal den ungewohnten Laut vernahm, beschleunigte sich sein Herzschlag, und sein Atem ging keuchend. Johannes duckte sich und suchte Schutz hinter dem Baumstamm, dessen Rinde an einer Seite dick mit Moos bewachsen war.
Johannes wartete einige Atemzüge, und als es im Wald still blieb und sich sein Herzschlag wieder beruhigt hatte, kam er aus der Hocke hoch. Vorsichtig blickte er sich nach allen Seiten um - und erstarrte.
Von einem Augenblick zum anderen sah er sie plötzlich vor sich. Wie gebannt schaute Johannes in die Augen mehrerer Wölfe, die ihn ebenfalls starr anblickten. Er war unfähig, sich zu rühren, obwohl er weglaufen wollte. Zähnefletschend zogen sie ihre Lefzen hoch und kamen Schritt für Schritt näher. Gerade als sie über Johannes herzufallen und ihn zu zerreißen drohten, ertönte ein Pfiff, und sofort spitzten die Wölfe ihre Ohren. Als ein zweiter Pfiff zu hören war, wandte sich das Rudel winselnd von Johannes ab und verschwand zwischen den Bäumen.
Johannes, aus seiner Erstarrung erwachend, wagte nicht, sich zu bewegen. Er hatte Angst, dass das Rudel zurückkommen würde. Voller Furcht schaute er den Tieren nach, als er ihn vor sich sah.
Auf einem nahen Erdwall erkannte Johannes einen Wolf, der größer war als jeder andere Wolf, den der Junge in seinem ganzen bisherigen Leben gesehen hatte. Wie ein Mensch stand dieser Wolf aufrecht auf zwei Beinen auf der Anhöhe und blickte Johannes aus tiefblauen Augen an. Als der Riesenwolf eine Pfote zu heben schien, lief der Junge schreiend fort und merkte nicht, wie er sich in die Hose nässte.
Kapitel 1
Mehlbach, ein Dorf in der Kurpfalz, im Sommer 1525
Jakob Hofmeister lag in seinem Bett und starrte mit weit aufgerissenen Augen in die Dunkelheit der Schlafstube. »Woher kam das Geräusch?«, murmelte er beunruhigt und lauschte angestrengt. Da es im Haus aber ruhig blieb, schloss er müde die brennenden Augen.
Hofmeister war kaum eingeschlafen, als ein erneuter Laut ihn aufscheuchte und sein Herz schneller klopfen ließ. Hastig setzte er sich hoch und stupste vorsichtig seine neben ihm schlafende Frau an. Sarahs Nachtruhe schien das nicht zu stören, denn sie atmete leise schnarchend ein und aus. Jetzt glaubte Hofmeister sogar verhaltene Stimmen aus dem Stockwerk unter seiner Schlafstube zu hören.
»Sarah!«, flüsterte Jakob aufgeregt und stieß sein Weib an, sodass sie erwachte. »Da ist jemand in der Küche!«
»Das wird die Katze sein, die sich ins Haus geschlichen hat. Schlaf weiter, Jakob«, nuschelte sie und drehte ihm den Rücken zu.
»Das ist nicht die Katze. Ich kann Stimmen unter uns in der Küche hören.«
Ungehalten setzte sich Sarah nun auf und horchte ebenfalls. »Nein, das wird dieser unsägliche Knecht Mathis sein, der sich über das restliche Abendessen hermacht!«, schimpfte sie leise.
»Unfug!«, grummelte Jakob. »Warum sollte Mathis dabei lärmen? Da unten sind mehrere Personen. Ich sag dir, Sarah: Wir haben Einbrecher im Haus!«
Erschrocken zog die Frau die Bettdecke hoch bis zum Kinn, während ihr Mann beherzt das Bett verließ. Jakob griff nach dem Knüppel, der für solch einen Fall in der Ecke neben der Wäschetruhe stand, und öffnete leise die Tür. Vorsichtig streckte er die Nasenspitze durch den Türschlitz. Als er nichts hören konnte, schob er die Tür mit dem blanken Fuß weiter auf, den Prügel mit beiden Händen hoch über den Kopf haltend.
»Was siehst du?«, flüsterte seine Frau.
»Schscht! Sei still!«, wies er sie unwirsch zurecht.
Jakob Hofmeister verließ die Kammer und trat auf den dunklen Flur hinaus. Als die Dielenbretter unter seinen nackten Füßen knarrten, zuckte er zusammen, und als Sarah dicht hinter ihm flüsterte: »Sei vorsichtig!«, hätte er vor Schreck beinahe den Holzknüppel fallen gelassen.
»Geh zurück ins Bett!«, zischte er seiner Frau zu.
»Bist du des Wahnsinns? Ich bleibe nicht allein in der Schlafstube!«, antwortete sie und zog das dünne Betttuch, das sie sich um die Schultern gelegt hatte, fester um sich. Schritt für Schritt pirschten beide zur Treppe und verharrten vor der obersten Stufe. Alles im Haus schien ruhig zu sein. Achselzuckend wollte Jakob zurückgehen, als Topfklappern aus der Küche drang.
»Jetzt reicht es! Dem Knecht werde ich die Ohren langziehen. Sich nachts in die Küche zu schleichen und die Vorräte zu essen. Wo gibt es denn so was?«, brummte Sarah und wollte an Jakob vorbeistürmen, doch er hielt sie am Arm fest.
»Ich glaube nicht, dass es Mathis ist. Lass uns vorsichtig an der Türe lauschen, um sicherzugehen«, hielt Jakob seine Frau zurück und stieg die Treppe nach unten.
Vor der Küchentür ließ Jakob den Knüppel entkräftet zu Boden sinken. Sein kranker Arm schmerzte. Er rieb sich den Unterarm und gab Sarah ein Zeichen, ihr Ohr gegen die Tür zu pressen. Mit angehaltenem Atem lauschte seine Frau und wich dann erschrocken zurück. Verängstigt flüsterte sie: »Du hast Recht, Jakob! Es sind tatsächlich Einbrecher in der Küche! Lass uns die Knechte wecken.«
Jakob stimmte nickend zu und wies sie mit einer Kopfbewegung an, sich leise davonzuschleichen, als die Tür geöffnet wurde. Erschrocken hob Jakob den Knüppel in die Höhe. Im Lichtschein, der aus der Küche auf den dunklen Gang fiel, erkannte Jakob, wer vor ihm stand. »Jesus und Maria!«, rief er und ließ den Prügel fallen, sodass der hart auf den Boden aufschlug. Sarah hielt sich die Hand vor den Mund, um nicht laut aufzuschreien.
»Jesus und Maria!«, flüsterte Jakob erneut und umarmte seinen Bruder Peter. Zaghaft lächelnd musterte er ihn. »Gott sei gedankt. Ihr seid wohlbehalten zurückgekommen.«
»Du wolltest uns wohl mit einer Tracht Prügel willkommen heißen?«, lachte Peter und zeigte auf den Schlagstock.
»Unfug! Wir dachten, dass Einbrecher im Haus wären«, erklärte Jakob verlegen und zog glücklich den Bruder erneut an sich. Über Peters Schulter hinweg blickte Jakob in die Küche und erkannte seine Schwester sowie zwei fremde Männer, die abseits standen. Jakob löste sich von seinem Bruder und ging auf Anna Maria zu, um sie voller Freude an sich zu ziehen. »Gott hat dich zu ihnen geleitet, sodass du sie nach Hause bringen konntest.«
Anna Maria konnte nur mit Mühe die Tränen zurückhalten. Fest presste sie ihr Gesicht gegen die Brust des ältesten Bruders, sodass der lachend rief: »Lass nach, Schwesterherz! Ich bekomme kaum noch Luft.« Jakob umfasste mit beiden Händen ihr Gesicht, und mit einem verräterischen Schimmer in den Augen flüsterte er: »Vater wäre stolz auf dich!«
Anna Marias Stirn kräuselte sich. »Was heißt ›wäre‹? Ist Vater etwas zugestoßen?«, fragte sie bestürzt. Doch im gleichen Augenblick wurde ihr bewusst, dass es ihrem Vater gutgehen musste. Er hat sich nicht von mir im Traum verabschiedet, also lebt er, dachte sie.
»Ich hoffe, dass Vater noch lebt, obwohl ich nichts von ihm gehört habe, seit er vor geraumer Zeit aufgebrochen ist, um erneut zu pilgern.«
»Als ich damals losmarschierte, um unsere Brüder zu finden, hatte er aber doch mich an seiner Stelle losgeschickt ...«, sagte Anna Maria nachdenklich. Dann wurde ihr Ton ärgerlich. »Wie kann er unbesorgt wallfahren, wenn drei seiner Kinder in die Fremde gezogen sind?«
»Auch für uns kam Vaters Entscheidung, auf Pilgerreise zu gehen, unerwartet. Zuerst habe ich ihn nicht verstanden. Dann kam mir der Gedanke, dass Vater diese Reise auf sich genommen hat, um Gott zu bitten, es möge euch unterwegs nichts geschehen. Ich vermute, dass der fremde Besucher ihm dazu geraten hat.«
»Welcher Fremde?«
Jakob zuckte mit den Schultern. »Es ist schon einige Monate her. Vater hatte im Hof mit unserem kleinen Bruder Nikolaus geschimpft, weil er sich eine nicht gedeckte Sau von Bauer Glöckner hatte andrehen lassen. Aufgescheucht durch den Lärm trat ich ans Fenster und sah einen fremden Mann auf Vater zugehen. Zuerst dachte ich, dass der Fremde Böses wollte, doch Vater schien ihn zu kennen. Ich konnte nicht verstehen, was sie miteinander sprachen. Beide verschwanden für einige Zeit in der guten Stube. Es war bereits Melkzeit, als der Fremde von dannen zog. Vater hat ihn noch ein Stück des Weges begleitet. Als sie am Stall vorbeikamen, konnte ich hören, wie Vater den Mann Kilian nannte.«
Erschrocken weiteten sich Anna Marias Augen, doch sie sagte kein Wort. Sarah war inzwischen in die Küche getreten, um Schwager und Schwägerin willkommen zu heißen. Neugierig sah die Bäuerin die zwei fremden Männer an, die ihr stumm grüßend zunickten.
»Wo ist Matthias?«, fragte Sarah.
Jetzt schweifte auch Jakobs Blick suchend umher. »Ja, wo ist Matthias? Hat er sich schlafen gelegt, ohne uns zu begrüßen?«, fragte er lachend.
Plötzlich wurde es still in der Küche. Immer noch lächelnd sah Jakob seine Geschwister an. Als sie ihre Lider niederschlugen, um seinem Blick auszuweichen, wusste er von einem Herzschlag zum nächsten, dass sein jüngerer Bruder nicht mehr lebte. Jakobs Beine zitterten, und er musste sich setzen.
Sarah sah das bleiche Gesicht ihres Mannes, und da ahnte auch sie, dass ihr Schwager Matthias nicht wiederkommen würde. Fassungslos setzte sie sich neben Jakob und drückte seine Hand, die er ihr entzog. Jakob sah zuerst Anna Maria, dann Peter an. »Was ist passiert?«, fragte er.
Anna Maria und Peter setzten sich schweigend auf die Bank hinter dem blankgescheuerten Holztisch. Keiner wagte den anderen anzuschauen. Für einen Augenblick vergrub Peter sein Gesicht in beiden Händen und sagte dann mit leiser Stimme: »Das ist eine lange Geschichte!«
»Wir haben Zeit. Erzähl!«, forderte Jakob ihn auf.
Peter blickte Anna Maria an, die ihm stumm zunickte. Er begann zu berichten: »Damals, als Matthias und ich unseren Heimatort Mehlbach verließen, um in der Fremde für die Rechte der Bauern zu kämpfen, ahnten wir nicht, was uns erwarten würde. Wir sind blind und unerfahren in eine Welt marschiert, von der wir kaum etwas wussten.«
»Euer Vater hätte euch nicht ziehen lassen dürfen!«, presste Sarah bitter hervor.
Doch Peter schüttelte den Kopf. »Uns hätte nichts und niemand aufhalten können, Schwägerin! Wir waren überzeugt, diesen Krieg gewinnen zu können.«
»Krieg?«, fragte Jakob irritiert. »Es war doch nur ein Aufstand, der dem Adel und dem Klerus bedeuten sollte, dass die Zeiten der Unterdrückung der Bauern vorbei sind.«
»Das glaubten wir zuerst auch«, sagte Peter und schüttelte leicht den Kopf. »Wir sind frohen Mutes losgezogen. Selbst als wir erkannten, dass die Anführer der Bauernaufstände ihre Ziele mit dem Schwert erreichen wollten, konnte uns nichts aufhalten. Als Matthias und ich einige Tage unterwegs waren, trafen wir auf andere Burschen, denen wir uns anschlossen. Im Laufe des gemeinsamen Marschierens verließen uns manche von ihnen, um ihre eigenen Ziele zu verfolgen. Andere kamen hinzu, sodass es nie langweilig wurde und wir Mehlbach und unsere Familie nicht vermissten. Irgendwann waren wir noch zu fünft. Matthias und ich, Michael, Johannes und Friedrich, der hier mit uns am Tisch sitzt.« Dabei zeigte er auf den jungen Mann. Jakob nickte ihm stumm zu. Sein Blick schweifte über den zweiten Fremden, jedoch sagte er nichts, sondern sah wieder seinen Bruder an.
»Kurz vor Mühlhausen gerieten wir in einen Hinterhalt von Banditen, die mir den Arm zertrümmerten.« Zum Beweis hielt Peter seinen versteiften Ellbogen in die Höhe.
»Jesus und Maria!«, flüsterte Jakob, der erst jetzt bemerkte, dass der Arm seines Bruders gekrümmt vom Körper abstand.
»Es hätte für mich schlimm enden können, doch zum Glück brachte Hauser mich in Mühlhausen zu einem Bader, der dank seiner medizinischen Kenntnisse den Arm erhalten konnte. Auf unserer Reise hörten wir dann von einem Mann namens Thomas Müntzer, dem die Bauern angeblich in Scharen nach Mühlhausen folgten. Wir wollten ihn kennenlernen und machten uns ebenfalls auf den Weg nach Thüringen. Dort begeisterte uns Müntzer mit seinen Reden und Ansichten, sodass wir ihm unsere Dienste anboten. Alles verlief ohne Schwierigkeiten, bis Ende April die Bürger der Stadt Frankenhausen Müntzers Hilfe erbaten, da sie sich gegen ihren Stadtrat erheben wollten.«
Peter verstummte, holte tief Luft und starrte auf die Tischplatte. Leiser Spott durchzog seine Stimme, als er weitersprach: »Diese Stadt Frankenhausen, die so beschaulich am Südhang des Kyffhäusergebirges im Norden Thüringens liegt, wurde unsere Hölle.« Seine Augen, um die dunkle Schatten lagen, blickten ins Leere.
»Ihr seid Müntzer dorthin gefolgt!«, schlussfolgerte Jakob.
Peter nickte. Als er in Jakobs Augen sah, zwang ihn dessen Blick weiterzuerzählen. Peter schluckte, dann sprach er mit leiser Stimme: »In Frankenhausen hörten wir, dass die Heere verschiedener Fürsten sich zu einer großen Armee vereinigt hätten. Zu unserem Schutz stellten wir vor der Stadtmauer von Frankenhausen zahlreiche Fuhrwerke in einem weitläufigen Kreis zusammen. Hinter dieser Wagenburg verschanzten sich hunderte von uns und beobachteten die Soldaten, die ihre Kanonen in Stellung brachten.«
»Jesus und Maria! Bauern gegen Kanonen!«, murmelte Jakob und schüttelte den Kopf. Peter schloss kurz die Augen. »Ich höre jede Nacht im Schlaf das Ratattatom der Landsknecht-trommeln. Das gleichmäßige Schlagen der Trommeln war wie eine Folter und hat uns zermürbt. In den Gesichtern von Männern, die eben noch entschlossen als freie Bürger hatten kämpfen wollen, konnte man blanke Angst erkennen. Jeder verlor den Mut. Aber es gab kein Zurück, und das wusste jeder Einzelne von uns. Müntzer erkannte unsere Hoffnungslosigkeit und versuchte, mit einer Predigt unseren Kampfgeist wiederzuerwecken.«
»Damit hätte mich niemand zum Kampf mitreißen können!«, warf Jakob ein.
...
Copyright © dieser Ausgabe 2011
by Wilhelm Goldmann Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Der zehnjährige Johannes kickte mürrisch Steine zur Seite und wäre dabei beinahe auf dem glitschigen Boden ausgerutscht. Nach den tagelangen Regenfällen war die Erde aufgeweicht, und der Junge musste breite Pfützen überspringen. Lustlos schlenderte er den Weg vom Ausgang Mehlbachs in Richtung Wald. »Immer muss ich das Holz herbeischaffen!«, murrte er und sah zum Himmel. Dichte Wolken zogen darüber hinweg.
»Dabei ist das Weiberarbeit«, brummte er leise weiter. Als er ein Eichhörnchen am Waldesrand erspähte, rannte er ihm hinterher, doch rasch sprang das Tier einen Baumstamm hinauf. Johannes hieb mit der Faust gegen das Holz und blickte dem Eichhörnchen zornig hinterher. »Mistvieh!«, schimpfte er laut.
Anstatt zurück auf den Weg zu gehen, wollte der Junge seine Strecke abkürzen und marschierte quer durch den Wald. Es war ein gutes Stück zu gehen, bis er zu der Stelle kommen würde, wo die Holzarbeiter des Grundherrn die dünnen Äste aufgeschichtet hatten. Nur dieses Holz konnten die Familien aus Mehlbach mitnehmen, alles andere durften sie nicht anrühren. Damit nicht die dicken Holzscheite entwendet wurden, mussten Kinder das Holz sammeln. Das war die Anweisung des Försters des Grundherrn. Würde Johannes' Vater am Sammelplatz angetroffen, würde man ihn sofort bestrafen - selbst, wenn er kein Holz gestohlen hätte.
Johannes hätte an diesem Tag lieber mit seinem Freund gespielt. Durch den heftigen Regen der letzten Tage würde der Mehlbach schneller als sonst durch sein Bett fließen. Das wollten die beiden Burschen ausnutzen, und deshalb hatten sie sich dort verabredet. Sie wollten sich aus Holzstücken Boote bauen und Wettrennen veranstalten. Doch jetzt würde der Freund vergeblich auf Johannes warten.
Johannes blieb stehen und schaute sich um. Er war so in Gedanken vertieft gewesen, dass er nicht mehr auf den Weg geachtet hatte. Wo war er? Der Junge drehte sich im Kreis, doch nichts kam ihm bekannt vor. Wenn er den Platz nicht finden und ohne Holz zurückkommen würde, gäbe es eine Tracht Prügel vom Vater. Verzweifelt blickte Johannes sich um. Jeder Baum sah gleich aus, und die Kronen standen dicht zusammen, sodass das Licht im Wald düster wirkte, obwohl gerade die Mittagszeit vorbei war.
»Verdammt!«, schimpfte Johannes und fragte sich leise: »Aus welcher Richtung bin ich gekommen?« Doch er wusste es nicht mehr. Einen umgestürzten Baumstamm, der den Weg versperrte, übersprang der Junge mit Leichtigkeit. Dabei hörte er plötzlich ein Geräusch, das ihn zusammenzucken ließ. Als er ein zweites Mal den ungewohnten Laut vernahm, beschleunigte sich sein Herzschlag, und sein Atem ging keuchend. Johannes duckte sich und suchte Schutz hinter dem Baumstamm, dessen Rinde an einer Seite dick mit Moos bewachsen war.
Johannes wartete einige Atemzüge, und als es im Wald still blieb und sich sein Herzschlag wieder beruhigt hatte, kam er aus der Hocke hoch. Vorsichtig blickte er sich nach allen Seiten um - und erstarrte.
Von einem Augenblick zum anderen sah er sie plötzlich vor sich. Wie gebannt schaute Johannes in die Augen mehrerer Wölfe, die ihn ebenfalls starr anblickten. Er war unfähig, sich zu rühren, obwohl er weglaufen wollte. Zähnefletschend zogen sie ihre Lefzen hoch und kamen Schritt für Schritt näher. Gerade als sie über Johannes herzufallen und ihn zu zerreißen drohten, ertönte ein Pfiff, und sofort spitzten die Wölfe ihre Ohren. Als ein zweiter Pfiff zu hören war, wandte sich das Rudel winselnd von Johannes ab und verschwand zwischen den Bäumen.
Johannes, aus seiner Erstarrung erwachend, wagte nicht, sich zu bewegen. Er hatte Angst, dass das Rudel zurückkommen würde. Voller Furcht schaute er den Tieren nach, als er ihn vor sich sah.
Auf einem nahen Erdwall erkannte Johannes einen Wolf, der größer war als jeder andere Wolf, den der Junge in seinem ganzen bisherigen Leben gesehen hatte. Wie ein Mensch stand dieser Wolf aufrecht auf zwei Beinen auf der Anhöhe und blickte Johannes aus tiefblauen Augen an. Als der Riesenwolf eine Pfote zu heben schien, lief der Junge schreiend fort und merkte nicht, wie er sich in die Hose nässte.
Kapitel 1
Mehlbach, ein Dorf in der Kurpfalz, im Sommer 1525
Jakob Hofmeister lag in seinem Bett und starrte mit weit aufgerissenen Augen in die Dunkelheit der Schlafstube. »Woher kam das Geräusch?«, murmelte er beunruhigt und lauschte angestrengt. Da es im Haus aber ruhig blieb, schloss er müde die brennenden Augen.
Hofmeister war kaum eingeschlafen, als ein erneuter Laut ihn aufscheuchte und sein Herz schneller klopfen ließ. Hastig setzte er sich hoch und stupste vorsichtig seine neben ihm schlafende Frau an. Sarahs Nachtruhe schien das nicht zu stören, denn sie atmete leise schnarchend ein und aus. Jetzt glaubte Hofmeister sogar verhaltene Stimmen aus dem Stockwerk unter seiner Schlafstube zu hören.
»Sarah!«, flüsterte Jakob aufgeregt und stieß sein Weib an, sodass sie erwachte. »Da ist jemand in der Küche!«
»Das wird die Katze sein, die sich ins Haus geschlichen hat. Schlaf weiter, Jakob«, nuschelte sie und drehte ihm den Rücken zu.
»Das ist nicht die Katze. Ich kann Stimmen unter uns in der Küche hören.«
Ungehalten setzte sich Sarah nun auf und horchte ebenfalls. »Nein, das wird dieser unsägliche Knecht Mathis sein, der sich über das restliche Abendessen hermacht!«, schimpfte sie leise.
»Unfug!«, grummelte Jakob. »Warum sollte Mathis dabei lärmen? Da unten sind mehrere Personen. Ich sag dir, Sarah: Wir haben Einbrecher im Haus!«
Erschrocken zog die Frau die Bettdecke hoch bis zum Kinn, während ihr Mann beherzt das Bett verließ. Jakob griff nach dem Knüppel, der für solch einen Fall in der Ecke neben der Wäschetruhe stand, und öffnete leise die Tür. Vorsichtig streckte er die Nasenspitze durch den Türschlitz. Als er nichts hören konnte, schob er die Tür mit dem blanken Fuß weiter auf, den Prügel mit beiden Händen hoch über den Kopf haltend.
»Was siehst du?«, flüsterte seine Frau.
»Schscht! Sei still!«, wies er sie unwirsch zurecht.
Jakob Hofmeister verließ die Kammer und trat auf den dunklen Flur hinaus. Als die Dielenbretter unter seinen nackten Füßen knarrten, zuckte er zusammen, und als Sarah dicht hinter ihm flüsterte: »Sei vorsichtig!«, hätte er vor Schreck beinahe den Holzknüppel fallen gelassen.
»Geh zurück ins Bett!«, zischte er seiner Frau zu.
»Bist du des Wahnsinns? Ich bleibe nicht allein in der Schlafstube!«, antwortete sie und zog das dünne Betttuch, das sie sich um die Schultern gelegt hatte, fester um sich. Schritt für Schritt pirschten beide zur Treppe und verharrten vor der obersten Stufe. Alles im Haus schien ruhig zu sein. Achselzuckend wollte Jakob zurückgehen, als Topfklappern aus der Küche drang.
»Jetzt reicht es! Dem Knecht werde ich die Ohren langziehen. Sich nachts in die Küche zu schleichen und die Vorräte zu essen. Wo gibt es denn so was?«, brummte Sarah und wollte an Jakob vorbeistürmen, doch er hielt sie am Arm fest.
»Ich glaube nicht, dass es Mathis ist. Lass uns vorsichtig an der Türe lauschen, um sicherzugehen«, hielt Jakob seine Frau zurück und stieg die Treppe nach unten.
Vor der Küchentür ließ Jakob den Knüppel entkräftet zu Boden sinken. Sein kranker Arm schmerzte. Er rieb sich den Unterarm und gab Sarah ein Zeichen, ihr Ohr gegen die Tür zu pressen. Mit angehaltenem Atem lauschte seine Frau und wich dann erschrocken zurück. Verängstigt flüsterte sie: »Du hast Recht, Jakob! Es sind tatsächlich Einbrecher in der Küche! Lass uns die Knechte wecken.«
Jakob stimmte nickend zu und wies sie mit einer Kopfbewegung an, sich leise davonzuschleichen, als die Tür geöffnet wurde. Erschrocken hob Jakob den Knüppel in die Höhe. Im Lichtschein, der aus der Küche auf den dunklen Gang fiel, erkannte Jakob, wer vor ihm stand. »Jesus und Maria!«, rief er und ließ den Prügel fallen, sodass der hart auf den Boden aufschlug. Sarah hielt sich die Hand vor den Mund, um nicht laut aufzuschreien.
»Jesus und Maria!«, flüsterte Jakob erneut und umarmte seinen Bruder Peter. Zaghaft lächelnd musterte er ihn. »Gott sei gedankt. Ihr seid wohlbehalten zurückgekommen.«
»Du wolltest uns wohl mit einer Tracht Prügel willkommen heißen?«, lachte Peter und zeigte auf den Schlagstock.
»Unfug! Wir dachten, dass Einbrecher im Haus wären«, erklärte Jakob verlegen und zog glücklich den Bruder erneut an sich. Über Peters Schulter hinweg blickte Jakob in die Küche und erkannte seine Schwester sowie zwei fremde Männer, die abseits standen. Jakob löste sich von seinem Bruder und ging auf Anna Maria zu, um sie voller Freude an sich zu ziehen. »Gott hat dich zu ihnen geleitet, sodass du sie nach Hause bringen konntest.«
Anna Maria konnte nur mit Mühe die Tränen zurückhalten. Fest presste sie ihr Gesicht gegen die Brust des ältesten Bruders, sodass der lachend rief: »Lass nach, Schwesterherz! Ich bekomme kaum noch Luft.« Jakob umfasste mit beiden Händen ihr Gesicht, und mit einem verräterischen Schimmer in den Augen flüsterte er: »Vater wäre stolz auf dich!«
Anna Marias Stirn kräuselte sich. »Was heißt ›wäre‹? Ist Vater etwas zugestoßen?«, fragte sie bestürzt. Doch im gleichen Augenblick wurde ihr bewusst, dass es ihrem Vater gutgehen musste. Er hat sich nicht von mir im Traum verabschiedet, also lebt er, dachte sie.
»Ich hoffe, dass Vater noch lebt, obwohl ich nichts von ihm gehört habe, seit er vor geraumer Zeit aufgebrochen ist, um erneut zu pilgern.«
»Als ich damals losmarschierte, um unsere Brüder zu finden, hatte er aber doch mich an seiner Stelle losgeschickt ...«, sagte Anna Maria nachdenklich. Dann wurde ihr Ton ärgerlich. »Wie kann er unbesorgt wallfahren, wenn drei seiner Kinder in die Fremde gezogen sind?«
»Auch für uns kam Vaters Entscheidung, auf Pilgerreise zu gehen, unerwartet. Zuerst habe ich ihn nicht verstanden. Dann kam mir der Gedanke, dass Vater diese Reise auf sich genommen hat, um Gott zu bitten, es möge euch unterwegs nichts geschehen. Ich vermute, dass der fremde Besucher ihm dazu geraten hat.«
»Welcher Fremde?«
Jakob zuckte mit den Schultern. »Es ist schon einige Monate her. Vater hatte im Hof mit unserem kleinen Bruder Nikolaus geschimpft, weil er sich eine nicht gedeckte Sau von Bauer Glöckner hatte andrehen lassen. Aufgescheucht durch den Lärm trat ich ans Fenster und sah einen fremden Mann auf Vater zugehen. Zuerst dachte ich, dass der Fremde Böses wollte, doch Vater schien ihn zu kennen. Ich konnte nicht verstehen, was sie miteinander sprachen. Beide verschwanden für einige Zeit in der guten Stube. Es war bereits Melkzeit, als der Fremde von dannen zog. Vater hat ihn noch ein Stück des Weges begleitet. Als sie am Stall vorbeikamen, konnte ich hören, wie Vater den Mann Kilian nannte.«
Erschrocken weiteten sich Anna Marias Augen, doch sie sagte kein Wort. Sarah war inzwischen in die Küche getreten, um Schwager und Schwägerin willkommen zu heißen. Neugierig sah die Bäuerin die zwei fremden Männer an, die ihr stumm grüßend zunickten.
»Wo ist Matthias?«, fragte Sarah.
Jetzt schweifte auch Jakobs Blick suchend umher. »Ja, wo ist Matthias? Hat er sich schlafen gelegt, ohne uns zu begrüßen?«, fragte er lachend.
Plötzlich wurde es still in der Küche. Immer noch lächelnd sah Jakob seine Geschwister an. Als sie ihre Lider niederschlugen, um seinem Blick auszuweichen, wusste er von einem Herzschlag zum nächsten, dass sein jüngerer Bruder nicht mehr lebte. Jakobs Beine zitterten, und er musste sich setzen.
Sarah sah das bleiche Gesicht ihres Mannes, und da ahnte auch sie, dass ihr Schwager Matthias nicht wiederkommen würde. Fassungslos setzte sie sich neben Jakob und drückte seine Hand, die er ihr entzog. Jakob sah zuerst Anna Maria, dann Peter an. »Was ist passiert?«, fragte er.
Anna Maria und Peter setzten sich schweigend auf die Bank hinter dem blankgescheuerten Holztisch. Keiner wagte den anderen anzuschauen. Für einen Augenblick vergrub Peter sein Gesicht in beiden Händen und sagte dann mit leiser Stimme: »Das ist eine lange Geschichte!«
»Wir haben Zeit. Erzähl!«, forderte Jakob ihn auf.
Peter blickte Anna Maria an, die ihm stumm zunickte. Er begann zu berichten: »Damals, als Matthias und ich unseren Heimatort Mehlbach verließen, um in der Fremde für die Rechte der Bauern zu kämpfen, ahnten wir nicht, was uns erwarten würde. Wir sind blind und unerfahren in eine Welt marschiert, von der wir kaum etwas wussten.«
»Euer Vater hätte euch nicht ziehen lassen dürfen!«, presste Sarah bitter hervor.
Doch Peter schüttelte den Kopf. »Uns hätte nichts und niemand aufhalten können, Schwägerin! Wir waren überzeugt, diesen Krieg gewinnen zu können.«
»Krieg?«, fragte Jakob irritiert. »Es war doch nur ein Aufstand, der dem Adel und dem Klerus bedeuten sollte, dass die Zeiten der Unterdrückung der Bauern vorbei sind.«
»Das glaubten wir zuerst auch«, sagte Peter und schüttelte leicht den Kopf. »Wir sind frohen Mutes losgezogen. Selbst als wir erkannten, dass die Anführer der Bauernaufstände ihre Ziele mit dem Schwert erreichen wollten, konnte uns nichts aufhalten. Als Matthias und ich einige Tage unterwegs waren, trafen wir auf andere Burschen, denen wir uns anschlossen. Im Laufe des gemeinsamen Marschierens verließen uns manche von ihnen, um ihre eigenen Ziele zu verfolgen. Andere kamen hinzu, sodass es nie langweilig wurde und wir Mehlbach und unsere Familie nicht vermissten. Irgendwann waren wir noch zu fünft. Matthias und ich, Michael, Johannes und Friedrich, der hier mit uns am Tisch sitzt.« Dabei zeigte er auf den jungen Mann. Jakob nickte ihm stumm zu. Sein Blick schweifte über den zweiten Fremden, jedoch sagte er nichts, sondern sah wieder seinen Bruder an.
»Kurz vor Mühlhausen gerieten wir in einen Hinterhalt von Banditen, die mir den Arm zertrümmerten.« Zum Beweis hielt Peter seinen versteiften Ellbogen in die Höhe.
»Jesus und Maria!«, flüsterte Jakob, der erst jetzt bemerkte, dass der Arm seines Bruders gekrümmt vom Körper abstand.
»Es hätte für mich schlimm enden können, doch zum Glück brachte Hauser mich in Mühlhausen zu einem Bader, der dank seiner medizinischen Kenntnisse den Arm erhalten konnte. Auf unserer Reise hörten wir dann von einem Mann namens Thomas Müntzer, dem die Bauern angeblich in Scharen nach Mühlhausen folgten. Wir wollten ihn kennenlernen und machten uns ebenfalls auf den Weg nach Thüringen. Dort begeisterte uns Müntzer mit seinen Reden und Ansichten, sodass wir ihm unsere Dienste anboten. Alles verlief ohne Schwierigkeiten, bis Ende April die Bürger der Stadt Frankenhausen Müntzers Hilfe erbaten, da sie sich gegen ihren Stadtrat erheben wollten.«
Peter verstummte, holte tief Luft und starrte auf die Tischplatte. Leiser Spott durchzog seine Stimme, als er weitersprach: »Diese Stadt Frankenhausen, die so beschaulich am Südhang des Kyffhäusergebirges im Norden Thüringens liegt, wurde unsere Hölle.« Seine Augen, um die dunkle Schatten lagen, blickten ins Leere.
»Ihr seid Müntzer dorthin gefolgt!«, schlussfolgerte Jakob.
Peter nickte. Als er in Jakobs Augen sah, zwang ihn dessen Blick weiterzuerzählen. Peter schluckte, dann sprach er mit leiser Stimme: »In Frankenhausen hörten wir, dass die Heere verschiedener Fürsten sich zu einer großen Armee vereinigt hätten. Zu unserem Schutz stellten wir vor der Stadtmauer von Frankenhausen zahlreiche Fuhrwerke in einem weitläufigen Kreis zusammen. Hinter dieser Wagenburg verschanzten sich hunderte von uns und beobachteten die Soldaten, die ihre Kanonen in Stellung brachten.«
»Jesus und Maria! Bauern gegen Kanonen!«, murmelte Jakob und schüttelte den Kopf. Peter schloss kurz die Augen. »Ich höre jede Nacht im Schlaf das Ratattatom der Landsknecht-trommeln. Das gleichmäßige Schlagen der Trommeln war wie eine Folter und hat uns zermürbt. In den Gesichtern von Männern, die eben noch entschlossen als freie Bürger hatten kämpfen wollen, konnte man blanke Angst erkennen. Jeder verlor den Mut. Aber es gab kein Zurück, und das wusste jeder Einzelne von uns. Müntzer erkannte unsere Hoffnungslosigkeit und versuchte, mit einer Predigt unseren Kampfgeist wiederzuerwecken.«
»Damit hätte mich niemand zum Kampf mitreißen können!«, warf Jakob ein.
...
Copyright © dieser Ausgabe 2011
by Wilhelm Goldmann Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH
... weniger
Autoren-Porträt von Deana Zinßmeister
Zinßmeister, DeanaDeana Zinßmeister widmet sich seit einigen Jahren ganz dem Schreiben historischer Romane. Bei ihren Recherchen wird sie von führenden Fachleuten unterstützt, und für ihren Bestseller »Das Hexenmal« ist sie sogar den Fluchtweg ihrer Protagonisten selbst abgewandert. Die Autorin lebt mit ihrer Familie im Saarland.
Bibliographische Angaben
- Autor: Deana Zinßmeister
- 2011, 479 Seiten, 1 Abbildungen, Maße: 11,8 x 18,7 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: Goldmann
- ISBN-10: 3442472490
- ISBN-13: 9783442472499
- Erscheinungsdatum: 19.09.2011
Rezension zu „Der Schwur der Sünderin “
"Eine packende, historisch fundierte Erzählung voller Spannung und Herzblut."
Kommentare zu "Der Schwur der Sünderin"
0 Gebrauchte Artikel zu „Der Schwur der Sünderin“
Zustand | Preis | Porto | Zahlung | Verkäufer | Rating |
---|
5 von 5 Sternen
5 Sterne 2Schreiben Sie einen Kommentar zu "Der Schwur der Sünderin".
Kommentar verfassen