Der Sturm
In einem Jahrhundertsturm vor der Küste Kanadas verschwand 1991 der Schwertfischtrawler ''Andrea Gail'' und mit ihm die sechs Mann starke Besatzung. Sebastian Junger, amerikanischer Reporter, der damals im Heimathafen der Männer lebte, hat die Geschichte...
In einem Jahrhundertsturm vor der Küste Kanadas verschwand 1991 der Schwertfischtrawler ''Andrea Gail'' und mit ihm die sechs Mann starke Besatzung. Sebastian Junger, amerikanischer Reporter, der damals im Heimathafen der Männer lebte, hat die Geschichte minutiös rekonstruiert: Gestützt auf Berichte von Augenzeugen, Überlebenden und Angehörigen dokumentiert er die Extreme menschlicher Existenz.
''Ein magisches Buch.''
Süddeutsche Zeitung
Der Sturm von Sebastian Junger
LESEPROBE
Als Chris Cotter das »Crow's Nest« zumersten Mal zu Gesicht bekam, schwor sie sich, dag sie niemals hineingehen würde;es lag einfach zu weit unten auf einem Weg im Leben, den sie nicht gehenwollte. Sie war jedoch mit Mary Anne Shaffordbefreundet, und eines Tages zog Mary Anne sie einfach mit durch die schwereHolztür und machte sie mit allen bekannt. Es gefiel ihr: Ganz selbstverständlichluden die Gäste einander zu Drinks ein, und Ethel kochte von Zeit zu Zeit einengroßen Topf Fischsuppe, und bevor sich Chris noch darüber im klarenwar, gehörte sie zu den Stammgästen. Eines Abends fiel ihr ein großgewachsener junger Mann auf, der zu ihr herüberstarrte, und sie wartete darauf,daß er zu ihr an den Tisch käme' aber das tat ernicht. Er hatte ein straffes, hageres Gesicht, breite Schultern und einen etwasschüchternen Ausdruck in den Augen, der sie an Bob Dylan erinnerte. Die Augenallein reichten schon. Er sah weiterhin zu ihr herüber, blieb jedoch an seinemPlatz sitzen; schließlich stand er auf und ging zur Tür. Wohin willst du denn?fragte sie und versperrte ihm den Weg. In den »Mariner«!
Der »Irish Mariner« lag praktisch nebenan und nach Chris' Ansichtwirklich auf dem Weg zur Hölle. Da hin wechsle ich nicht, dachte Chris, ich binim »Nest« und das reicht; der »Mariner« ist das allerletzte. Und so verschwandBobby Shatford für einen Monat lang aus ihrem Leben.Erst am Silvesterabend bekam sie ihn wieder zu Gesicht. »Ich sitze da also im>Nest<«, sagt sie, »und er steht hinter der Bar, und das Lokal istgerammelt voll und fast am Kochen, und es geht langsam auf Mitternacht zu, undschließlich kommen Bobby und ich ins Gespräch und gehen zu einer anderen Party.Ich blieb bei ihm, und schließlich schleppte ich ihn ab und brachte ihn zu mirnach Hause, und dann machten wir es, voll wie wir waren, und ich erinnere mich,wie ich am nächsten Morgen aufwachte und ihn ansah und dachte, oh, mein Gott,das ist wirklich ein netter Mann, was hab' ich gemacht? Ich sagte ihm, du mußt verschwinden, bevor meine Kinder aufwachen. Danachfing er an, mich anzurufen.« Chris war geschieden undhatte drei Kinder, und Bobby lebte getrennt und hatte zwei. Er arbeitete alsBarmann und Fischer, um seine Unterhaltsschulden für die Kinder abzuzahlen, undlebte abwechselnd in der Haskell Street und in seinemZimmer über dem »Nest«. (Es gibt dort ungefähr ein Dutzend Zimmer, und sie sindsehr billig, wenn man die richtigen Leute kennt. Wie zum Beispiel die eigeneMutter, die hinter der Bar arbeitet.) Bald verbrachten Chris und Bobby jedefreie Minute zusammen, als hätten sie sich schon ein Leben lang gekannt. EinesAbends, als sie »Mudslides« im »Mariner« tranken - Chris hatte nun doch ihreMeinung geändert -, fiel Bobby vor ihr auf die Knie und fragte sie, ob sie ihn heiratenwollte. Natürlich will ich! schrie sie, und von da an war es nur eine Frage derZeit, bis sie zusammenleben würden.
ã Diana Verlag
Aus dem Englischenübersetzt von Eckhard Kiehl
- Autor: Sebastian Junger
- 2006, 333 Seiten, Maße: 13 x 21 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzung: Kiehl, Eckhard
- Verlag: Spiegel-Verlag
- ISBN-10: 3877630197
- ISBN-13: 9783877630198
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