Der Verrat
Der junge Anwalt Michael hat eine vielversprechende Karriere vor sich. Doch sein Leben ändert sich schlagartig, als er in seiner Kanzlei von einem Obdachlosen gekidnappt wird. Der Mann wird wenig später von der Polizei überwältigt, doch Michael beginnt,...
- Lastschrift, Kreditkarte, Paypal, Rechnung
- Kostenlose Rücksendung
Der junge Anwalt Michael hat eine vielversprechende Karriere vor sich. Doch sein Leben ändert sich schlagartig, als er in seiner Kanzlei von einem Obdachlosen gekidnappt wird. Der Mann wird wenig später von der Polizei überwältigt, doch Michael beginnt, Nachforschungen anzustellen. Um an sein Ziel zu kommen, sind einige nicht ganz legale Schritte nötig.
Doch eine gewalttätige Begegnung mit einem Obdachlosen gibt seinem Leben eine unerwartete Richtung. Michael überlebt, der Geiselnehmer nicht. Wer war dieser Mann, was trieb ihn zu dieser Wahnsinnstat? Michael stellt Nachforschungen an, gräbt in der Geschichte des Mannes und findet ein schmutziges Geheimnis, in das die ehrbare Kanzlei Drake & Sweeney verwickelt ist.
Der Verrat von John Grisham
LESEPROBE
Der Mann mit den Gummistiefeln trat hinter mir in den Aufzug, doch
zunächst sah ich ihn nicht. Allerdings roch ich ihn: denstechenden
Geruch nach Rauch und billigem Wein und einem Leben auf derStraße,
ohne Seife. Auf der Fahrt hinauf waren wir allein, und als ich ihm
schließlich einen Blick zuwarf, sah ich die schwarzen, schmutzigen
und viel zu großen Stiefel. Unter dem abgetragenen, zerrissenenTrenchcoat,
der ihm bis zu den Knien reichte, waren Schichten ungewaschenerKleider,
die am Bauch Falten warfen und ihn stämmig, ja beinahe dick wirken
ließen. Dabei war er alles andere als das. Im Winter tragen dieObdachlosen
in Washington alle Kleider, die sie besitzen, am Körper - jedenfalls
sehen sie so aus.
Er war schwarz und nicht mehr jung. Sein Bart und seine Haarewaren
halb ergraut und seit Jahren weder gewaschen noch geschnittenworden.
Er trug eine dunkle Sonnenbrille, sah starr geradeaus undignorierte
mich vollkommen. Sein Verhalten war so, dass ich mich einenAugenblick
lang fragte, warum ich ihn eigentlich musterte.
Er gehörte nicht hierher. Er gehörte nicht in dieses Gebäude undin
diesen Auf zug. Es war ein Ort, den er sich nicht leisten konnte.
Die Rechtsanwälte auf diesen acht Etagen arbeiteten fürStundensätze,
die mir auch nach sieben Jahren noch obszön erschienen.
Er war bloß irgendein Penner, der sich mal aufwärmen wollte. Inder
Innenstadt von Washington passierte das andauernd. Bei uns gab es
für so was einen Sicherheitsdienst.
Der Aufzug hielt in der fünften Etage, und jetzt erst fiel mirauf,
dass der Mann keinen Knopf gedrückt, keine Etage gewählt hatte. Er
folgte mir. Ich stieg schnell aus, und als ich in das schicke, mit
Marmor ausgekleidete Foyer von Drake & Sweeney trat, warf icheinen
kurzen Blick über die Schulter. Der Mann stand im Aufzug, sah noch
immer starr geradeaus und beachtete mich auch jetzt nicht.
Madame Devier, eine unserer sehr energischen Empfangsdamen,begrüßte
mich mit ihrem üblichen geringschätzigen Blick. »Behalten Sie den
Aufzug im Auge«, sagte ich.
»Warum?«
»Ein Penner. Sie sollten vielleicht den Sicherheitsdienst rufen.«
»Diese schräcklischen Menschen«, sagte sie mit ihrem dickaufgetragenen
französischen Akzent.
»Und Desinfektionsspray.«
Ich zog im Gehen meinen Mantel aus und hatte den Mann mit denGummistiefeln
schon fast vergessen. Heute Nachmittag würde ich eine Besprechung
nach der anderen haben, wichtige Besprechungen mit wichtigen Leuten.
Ich bog um eine Ecke und wollte gerade etwas zu Polly, meinerSekretärin,
sagen, als ich den ersten Schuss hörte.
Madame Devier stand wie versteinert hinter ihrem Tisch und starrte
in die Mündung einer beeindruckend langen Pistole, die unser Freund,
der Penner, in der Hand hielt. Da ich der Erste war, der ihr zuHilfe
eilte, richtete er die Waffe höflicherweise auf mich, worauf ichebenfalls
zu Stein erstarrte.
»Nicht schießen«, sagte ich und hob die Hände. Ich hatte so vieleFilme
gesehen, dass ich genau wusste, wie ich mich zu verhalten hatte.
»Halten Sie die Klappe«, nuschelte er sehr gelassen.
Hinter mir hörte ich Stimmen auf dem Gang. Jemand schrie: »Er hateine
Pistole!« Dann entfernten sich die Stimmen und wurden leiser undleiser:
Meine Kollegen rannten zur Feuertreppe. Wahrscheinlich fehltenicht
viel und sie wären aus den Fenstern gesprungen.
Links von mir war eine schwere Holztür, die zu einem Konferenzraum
führte. Dort saßen gerade acht unserer Anwälte aus der Prozessabteilung
- acht abgebrühte, furchtlose Prozessanwälte, die ihre Zeit aufErden
damit verbrachten, andere fertig zu machen. Der Härteste von ihnen
war ein kampflustiger kleiner Terrier namens Rafter, und als erdie
Tür aufriss und rief: »Was ist das für ein Lärm hier?«, richtetesich
die Waffe auf ihn, und der Mann in den Gummistiefeln hattegefunden,
was er gesucht hatte.
»Runter mit der Pistole!«, befahl Rafter, und im nächstenAugenblick
zerriss ein weiterer Schuss die Stille im Foyer. Die Kugel schlug
weit über Rafters Kopf in die Decke ein und verwandelte ihn ineinen
bloßen Sterblichen. Der Mann zielte wieder auf mich und nickte.Ich
gehorchte und trat hinter Rafter in den Konferenzraum. Das Letzte,
was ich von der Welt außerhalb dieses Raumes sah, war MadameDevier,
die geschockt und zitternd an ihrem Tisch stand. Der Kopfhörer mit
Mikrofon hing um ihren Hals, die hochhackigen Schuhe standenordentlich
neben dem Papierkorb. (...)
© Heyne Verlag
Übersetzung: Dirk van Gunsteren
- Autor: John Grisham
- 2005, 430 Seiten, Maße: 11,5 x 18,3 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Gunsteren, Dirk van
- Verlag: Heyne
- ISBN-10: 3453720210
- ISBN-13: 9783453720213
Zustand | Preis | Porto | Zahlung | Verkäufer | Rating |
---|
Schreiben Sie einen Kommentar zu "Der Verrat".
Kommentar verfassen