Der Weihnachtswunsch
Roman. Deutsche Erstausgabe
James ist erfolgreicher Immobilienentwickler und will nach ganz oben. Dafür geht er über Leichen. Als er eines Tages fälschlicherweise für tot erklärt wird, liest er allenthalben, ohne ihn sei die Welt besser dran. Das wirft James...
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Produktinformationen zu „Der Weihnachtswunsch “
James ist erfolgreicher Immobilienentwickler und will nach ganz oben. Dafür geht er über Leichen. Als er eines Tages fälschlicherweise für tot erklärt wird, liest er allenthalben, ohne ihn sei die Welt besser dran. Das wirft James völlig aus der Bahn. Ist er wirklich so schlecht, wie seine Mitmenschen sagen? James möchte das Gegenteil beweisen.
Sein Plan: das Leid der Menschen wiedergutzumachen, denen er am meisten geschadet hat, und zwar bis Weihnachten. Doch dafür bleiben ihm nur wenige Tage.
Sein Plan: das Leid der Menschen wiedergutzumachen, denen er am meisten geschadet hat, und zwar bis Weihnachten. Doch dafür bleiben ihm nur wenige Tage.
Klappentext zu „Der Weihnachtswunsch “
James ist erfolgreicher Immobilienentwickler und will nach ganz oben. Dafür geht er über Leichen. Als er eines Tages fälschlicherweise für tot erklärt wird, liest er allenthalben, ohne ihn sei die Welt besser dran. Das wirft James völlig aus der Bahn. Ist er wirklich so schlecht, wie seine Mitmenschen sagen? James möchte das Gegenteil beweisen. Sein Plan: das Leid der Menschen wiedergutzumachen, denen er am meisten geschadet hat, und zwar bis Weihnachten. Doch dafür bleiben ihm nur wenige Tage -
Lese-Probe zu „Der Weihnachtswunsch “
Der Weihnachtswunsch von Richard Paul EvansERSTES KAPITEL - Samstag, drei Wochen vor Weihnachten
James Kier sah zwischen der Schlagzeile in der Zeitung und dem Foto von sich hin und her und wusste nicht recht, ob er lachen oder seinen Anwalt anrufen sollte. Es war das gleiche Bild, das die Tribune ein paar Jahre zuvor für ein Porträt von ihmauf derTitelseitedesWirtschaftsteils verwendethatte.Beim Fototermin hatte er über einem schwarzen Seiden-T-Shirt einen silbergrauen Armani-Anzug mit Fischgrätmuster getragen, aus dessen Brusttasche strategisch geschickt ein ebenholzfarbenes Seidentuch hervorgelugt hatte. Das Schwarzweißfoto war mit Bedacht so geschossen worden, dass eine Gesichtshälfte ausgeleuchtetwar, während die andere im Schatten lag.Der Fotograf, ein schwarz gekleideter junger Japaner mit einem Haarschopf in leuchtendem Pink, bevorzugte ein Bild in Schwarzweiß, weil er, in seinen Worten gesprochen, »auf einen Yin-Yang-Effekt aus« war, um Kiers »innere Komplexität vollständig erfassen zu können«. Der Fotograf war gut in seinem Metier. Kiers Gesichtsausdruck verriet schwindende Zuversicht.
Während die Fotografie die gleiche war, hätte sich die Schlagzeile von der früheren nicht krasser unterscheiden können.
Nicht vieleMenschen bekommen ihren eigenen Nachruf zu lesen.
Hiesiger Immobilienmogul stirbt bei Verkehrsunfall
James Kier, in Utah ansässiger Bauunternehmer, wurde für tot erklärt, nachdemseinWagen an der I-80, Fahrtrichtung Süden, gegen einen Betonpfeiler geprallt war. Rettungskräfte arbeiteten über eine Stunde, umdie Leiche desMannes aus Salt Lake City aus demWrack zu bergen.Die Polizei vermutet, dass Kier einen Herzinfarkt erlitten hatte, bevor er von der Fahrbahn abkam. Kier war Präsident der Kier Company, einer der größten Bauträgerfirmen desWestens. Er war als
... mehr
unerbittlicher, häufig rücksichtsloser Geschäftsmann bekannt. Einst sagte er: »Wenn Sie Freundschaften schließen wollen, treten Sie einem Buchklub bei.Wenn Sie Geld machen wollen, gehen Sie in die Wirtschaft. Nur Dummköpfe verwechseln diese beiden Bereiche.«
Kier hinterlässt einen Sohn, James Kier II., und seine Frau, Sara.
Weitere Informationen über James Kier finden Sie auf Seite 1 desWirtschaftsteils.
Kier ließ die Zeitung sinken. Für das hier wird irgendein Idiot seinen Job verlieren, dachte er.
Er ahnte noch nicht, was dieser Artikel bewirken würde.
ZWEITES KAPITEL - Celeste Hatt
AlleinerziehendeMutter, 29 Jahre alt. Sohn,Henry, 7Monate alt. Hatt verlor ihr Zuhause, nachdem Sie sie überredet hatten, sich ein größeres Haus zu kaufen, als sie es sich leisten konnte, und sie ihre gesamten Ersparnisse in die Anzahlung gesteckt hatte. SechsMonate später verkauften SieHatts Haus mit beträchtlichem Gewinn nach einer Zwangsversteigerung. Wo sich Ms Hatt derzeit aufhält, ist nicht bekannt.
Einen Tag zuvor
CelesteHatt durchforstete eine Kistemit Kinderbüchern nach dem dünnsten Buch imStapel. Es war eindeutig ein Abend für eine kurze Geschichte. Obwohl es noch nicht mal neun war, fühlte sie sich bereits erschöpft. Der Alltag einer alleinerziehendenMutter schien nie einfacher zuwerden.Tagsüber,wenn ihr Sohn Henry in der Schule war, arbeitete sie als Kassiererin bei Smith's Food and Drug; außerdem an den Wochenenden abends als Serviererin im Blue PlateGrill, einem kleinen Lokal, das nur wenige Gehminuten von ihrerWohnung entfernt lag. Zusätzlich zu ihren beiden Jobs baute sie fast jedenAbend noch in Heimarbeit Platinen für eine örtliche Elektronikfirma zusammen. In ihrer winzigen Küche stapelten sich bis zur Decke braune Pappkartons, die mit chinesischen Schriftzeichen bedruckt waren.
An den meisten Abenden sahen Henry und sie nach dem Essen,demAbwasch und denHausaufgaben ihres Sohnes noch fern, während sie die Platinenteile zusammensteckte.Der Vorgang war eher langweilig als technisch anspruchsvoll; eineMaschine wäre besser geeignet gewesen, diese Arbeit zu erledigen. Aber immerhin konnte Celeste so zusätzlich Geld verdienen. ZweiDollar und fünfzig Cent pro Platine mal fünf pro Stunde brachten rund dreißig Dollar pro Abend.
Zwischen ihren Jobs, der Hausarbeit und der Versorgung eines lebhaften Siebenjährigen hatte Celeste nur die wenigen Minuten für sich allein, die zwischenHenrysZubettgehen und dem Moment lagen, in dem ihr eigener Kopf auf das Kissen sank. Es heißt, die beste Art, den Tag zu verlängern, bestehe darin, der Nacht ein paar Stunden zu stehlen. Doch für jeden Diebstahl muss man einen Preis bezahlen, und der zeigte sich in den dunklen Ringen um Celestes Augen. Sie zog ein Buch aus dem Stapel und nahm es mit in Henrys winziges Zimmer. Ihr Sohn lag bereits imBett.Der Raum wurde von einer kleinen Lampe erleuchtet, die auf dem Boden stand.
»Hallo, Kumpel«, sagte sie. »Wie wär's mit dem Grinch? Es ist baldWeihnachten.«
»Okay«,meinte er und stützte sich auf einen Ellenbogen. Sie setzte sich auf die Bettkante und öffnete das Buch. Henry strich sich eine vorwitzige Strähne seines seidigen Blondhaars aus dem Gesicht. »Mom, wie lange müssen wir hier noch wohnen?«
Sie sah vom Buch auf. »Das weiß ich nicht, Schatz. Noch eineWeile.«
»Wie lang ist eineWeile?«
»Ich wünschte, ich wüsste das.«
»Mir gefällt es hier nicht. Ich will wieder in unser Haus zurück.«
Celeste hatte drei Jahre lang geknausert, verzichtet und gespart, damit sie in ein eigenes Haus ziehen konnten. Aber schon fünfMonate später hatte sie es verloren und damit ihre gesamte Anzahlung. Jetzt wohnten sie in einer heruntergekommenenDoppelhaushälfte mit zwei Schlafzimmern an der stark befahrenen Durchgangsstraße 7th East. Inzwischen war Celeste klar, dass sie das Haus niemals hätte kaufen dürfen. Warum hatte sie bloß auf den Mann von der Baufirma gehört? Aber vielleicht war es passender zu fragen, warum sie das nicht hätte tun sollen. Er konnte so gut reden, klang so weise; wie ein Vater, der seiner Tochter einen väterlichen Rat erteilt. Seine Argumentation wirkte unwiderlegbar, denn er wählte Wortewie»Wohneigentum«, »persönlichesVermögen«, »steuerlicheAbsetzbarkeit «oder »finanzielle Sicherheit«, die eine eigene Überzeugungskraft besaßen. Verunsichert, wie sie war, fiel jedes dieser Worte bei ihr auf fruchtbaren Boden. Sie hatte ihm vertraut, dass er das Beste für sie wollte.
»Das geht nicht. Es ist nicht mehr unser Haus.«
»Wieso nicht?«
»Wenn du die Hypothek nicht bezahlst, nimmt dir die Bank dein Haus weg.«
»Was ist eine Hypothek?«
»Das ist das Geld, das wir uns von der Bank geliehen haben. «
»Warum kriegst du nicht einfach mehr Geld?« Celeste seufzte. »Das geht nicht so einfach, Schatz.«
Als sie das Buch wieder hob, fragte Henry: »Wiesomusste Daddy nicht umziehen?«
Sie runzelte die Stirn. »Willst du nun, dass ich dir was vorlese oder nicht?«
»Okay.«
Sie begann zu lesen und bemühte sich, den Zorn zu unterdrücken, den Henrys letzte Frage in ihr ausgelöst hatte. Während sie darum kämpfte, sich und ihren Sohn durchzubringen, weigerte sich ihr Exmann Randy weiterhin, sie und ihren Sohn finanziell zu unterstützen.Verschlimmert wurde die Lage noch dadurch, dass Henry in der Schule Probleme hatte und seine Lehrer meinten, dass er eine Therapie brauche.
Natürlich hat er Probleme, dachte sie. Sein Vater hat ihn praktisch fallenlassen und ist in den vergangenen sechsMonaten nicht zu den vereinbarten Besuchsterminen erschienen. Celeste fragte sich, wie Randy diesen wunderbaren kleinen Jungen so leicht aus seinem Leben streichen konnte. Das erste Mal, als ihr Exmann nicht zum Besuch erschien, hatte Henry fast eine Stunde lang mit gepacktem Koffer an der Tür gestanden. Als Celeste ihren Exmann schließlich telefonisch erreichte, behauptete er zunächst, dass ihm etwas dazwischengekommensei. Schließlich gab er zu, dass er es einfach vergessen und andere Pläne gemacht hatte. Er erklärte ihr, Henry behindere ihn in seinem Lebensstil. Nachdem sie ihn gefragt hatte, ob er mit »Stil« »Egoismus« oder »Dummheit« meine, legte er auf.
Henry unterbrach ihren Gedankengang erneut.
»Mom, wie wird uns derWeihnachtsmann denn in diesem Jahr finden?«
»Er wird uns finden. Aber erwarte nicht zu viel. Auch für denWeihnachtsmann sind die Zeiten hart.«
»Ich werde ihn nur bitten, dafür zu sorgen, dass die Bank uns unser Haus zurückgibt.«
»Das fällt in die Kategorie ›Zu viel‹.«
»Nicht für den Weihnachtsmann. Der kann Wunder vollbringen. «
Celeste seufzte. »Henry, wir müssen mal über den Weihnachtmann sprechen.«
Er erstarrte. »Was?«
Sie blickte in seine erschrockenen Augen. »Es ist nicht weiter wichtig. Weißt du, ich bin ziemlich müde. Was hältst du davon, wenn wir den Rest der Geschichte heute Abend ausfallen lassen. Okay?«
»In Ordnung.«
Sie schloss das Buch und stand vom Bett auf. Henry griff nach ihrer Hand. Celeste sah zu ihm hinab.
»Mom, wolltest du mir sagen, dass es in Wirklichkeit gar keinenWeihnachtsmann gibt?«
»Warum denkst du das?«
»Ich weiß das bereits.Miss Covey hat es mir gesagt.«
Celeste spürte Ärger in sich aufsteigen. »Ach, hat sie das?«
Er nickte.
»Das tutmir leid,mein Schatz.Du hättest es von mir erfahren sollen.«
»MissCovey hat gesagt, dass unsere Eltern uns anlügen.«
Celeste stieß einen missbilligenden Laut aus. »Ich glaube, ich muss malmit Miss Covey reden.«
»Hast du gelogen?«
»Henry, der Weihnachtsmann steht für den Geist des Gebens. Und manchmal ist es gut, wenn man etwas hat, an das man glaubt. Ich wollte einfach, dass du jetzt etwas hast, an das du glauben kannst.«
»Woran glaubst du?«
Sie sah ihn einenMoment lang an und zwang sich dann zu einem Lächeln. »Ich glaube an dich.« Sie fuhr ihm mit den Fingern durch die Haare. »Und ich glaube, dass alles mit uns gut wird. Jetzt lass uns beten.«
Sie kniete neben seinemBett nieder. »Kannst du heuteAbend das Gebet sprechen?«
»Klar.« Henry schloss die Augen. »Lieber Gott . . .« Er hielt inne. Dann öffnete er ein Auge und flüsterte: »Mom?«
»Ja?«
»Ist Gott ein Schwindel, so wie derWeihnachtsmann?«
»Nein.«
Er schloss die Augen wieder. »Himmlischer Vater, danke für deine Segnungen. Bitte, hilfMom, damit sie sich besser fühlt. Hilf uns, mehr Geld zu bekommen. Und bitte hilf uns, dass wir unser Haus zurückkriegen. Amen.« »Amen«, sagte Celeste sanft. Sie beugte sich vor und küsste ihn auf die Stirn. »Ich hab dich lieb, mein Kleiner.«
»Ich hab dich auch lieb.«
Sie schaltete das Licht aus, schloss die Tür und ging in die Küche. Sie wünschte, sie könne wirklich glauben, was sie zu ihrem Sohn gesagt hatte: dass alles gut werden würde. Sie wünschte, etwas möge geschehen, das ihr diesen Glauben eingeben würde.
DurchdasFenster sahsie,dassdraußenSchnee fiel.Sie schaltete das Radio an. »Santa Claus Is Comin' to Town« wurde gespielt. Mitch Miller. Sie schaltete das Gerät wieder aus. Das Lied war zu festlich für ihre gegenwärtige Stimmung. Thanksgiving war gerade vorbei.Henry und sie hatten es mit Essen vor dem Fernseher gefeiert, das aus Truthahnscheiben und Kartoffelbrei bestand. Anschließend war sie zu ihrer Arbeit in dem Lokal gegangen.Wann würde ihr etwasGutes widerfahren? Sie erhitzte etwasWasser in derMikrowelle, warf einen Beutelmit Kamillentee hinein und fügte einenTeelöffel vollHonig hinzu. Dann ging sie zum Schaukelstuhl im Wohnzimmer, rührte den Tee um und setzte sich. Ein ständiger Strom von Autos brauste laut vorbei. Es war, als wohnten sie an einem quietschenden, hupenden Strom. Sie nahm einen SchluckTee. Dann schlug sie die Hände vors Gesicht und brach in Tränen aus.
DRITTES KAPITEL - Derselbe Freitag
Saras Sohn öffnete leise die Tür und spähte in den abgedunkelten Raum, um zu sehen, ob sie noch schlief. Aus der Dunkelheit kam ihre Stimme, schwach und mühsam.
»Jimmy?«
»Ja,Mom.«
»Ist es Zeit?«
»Ja. Fast.«
Jimmys vollständiger Name war James Kier II., was für den Enkel eines einfachenMaurers seltsam klang. SeinName hatte sich vom Augenblick seiner Geburt an entwickelt - von kleiner Jimmy zu Jim, zu J. J., zu Jim junior bis hin zu Jimmy, wie er seit dem Besuch der High School gerufen wurde. Jimmy trat ins Zimmer.
»Habe ich dich geweckt?«
»Nein, ich habe hier bloß noch ein wenig gelegen. Machst du bitte das Licht an?«
»Ja.« Jimmy betätigte den Schalter.
SeineMutter trug ihr Flanellnachthemd. Sie hatte die Bettdecke bis zur Brust hochgezogen, und man sah ihren kahlen Kopf.
Bello, ein schwarzer ShihTzu, hatte sich zwischen ihren Fußknöcheln zusammengerollt. Der Hund blickte hoch und warf sich auf den Rücken in der Hoffnung, dass ihm der Bauch gekrault würde.
»Jetzt nicht, Bello.« Sara suchte nach ihrer Mütze, fand sie und zog sie schnell über. »Entschuldige«, sagte sie verle gen. »Du solltest deine Mutter nicht kahlköpfig sehen müssen. «
Jimmysetzte sich neben sie aufs Bett. »Manche Frauen sehen schön aus mit einer Glatze. Du bist eine von ihnen.«
Sie lächelte. »Danke. Einige Männer sehen mit einer Glatze schön aus.«
»Und der Rest bescheuert.«
Sara lachte. »Bist du fertig?«
»Ja. Juliet wird in ein paar Minuten hier sein. Zumindest sollte sie das, sonst verpasse ich mein Flugzeug.«
»Ich kenneMädchen, die sich nicht darüber beklagen würden. «
»Und ich kenne Professoren, die das durchaus tun würden. «
»Ich weiß. Komm, drückmichmal.« Sie zog ihn eng an sich und umarmte ihn, so fest sie konnte. »Es war so schön, dich hier zu haben. Ich vermisse dich, wenn du weg bist.«
»Ich vermisse dich auch, Mom.« Er streckte die Hand aus und streichelte das lange, seidige Fell des Hundes. »Und was ist mit Bello?«
»Er ist schrecklich«, meinte sie. »Ich kann ihn nicht ertragen. Er erzählt mir nichts.«
Jimmy lachte. Dann schob er die Finger unter Bellos Halsband und kraulte demHund denNacken. »Und wie fühlst du dich?«
»Ganz gut.«
Er blickte zweifelnd zu seinerMutter auf. »Wirklich?«
»Ich bin vielleicht ein wenig benommen.«
»Du solltest weiterschlafen.«
»Ich muss aufstehen. Ich habe heute Morgen einen Termin. «
Jimmy runzelte die Brauen. »Was für einen Termin?«
Sie zögerte, weil sie wusste, dass die Antwort ihn verärgern würde. »Mit deinem Vater und den Anwälten.«
Jimmy reagierte, wie sie es erwartet hatte. »Du machst wohl Witze!«
»Es ist okay.«
»Was ist okay? Dass er dich aus dem Bett aufscheucht, nur weil es ihm gerade passt? Zum Teufel mit ihm! Du hattest gerade eine Chemo.«
»Ich habe dem Termin zugestimmt. Er sollte heute oder nächste Woche sein.« Sara atmete hörbar aus. »Ich muss es hinter mich bringen.«
»Ich weiß nicht, wieso du dich noch mit ihm abgibst. Er ist ein gefühlloser, egoistischer . . .«
»Jimmy, hör auf!« Saras Ton war schärfer, als sie es beabsichtigt hatte.
»Du weißt, dass er das ist.«
»Sprich nicht so über ihn. Er ist dein Vater.«
»Kein Richter könnte ihn davon überzeugen.« Er sah seine Mutter an und bereute, dass er sie aufgebracht hatte. »Es tut mir leid. Aber wegen dir, nicht wegen ihm.«
Sie legte ihre Hand auf seine. »Ich verstehe deineWut, Jimmy, aber sie gefällt mir nicht. Wenn ich das hier nicht überstehe, wird er der einzige Elternteil sein, den du dann noch hast.«
»Mom, red doch nicht so. Du wirst es packen.«
»Natürlich werde ich das. Ich will nur, dass du darüber nachdenkst.«
»Ich begreife es bloß nicht, Mom. Warum bist du ihm gegenüber noch immer so loyal? Er hat dich verlassen, als du ihn am meisten brauchtest.«
Sara blickte ihren Sohn traurig an. »Das hat vermutlich etwas mit der Vergangenheit zu tun. Ich weiß, warum dein Vater so ist, wie er ist. Und ich glaube, dass in seinem Innersten noch immer ein guter Mensch steckt. Er hat sich derzeit nur verrannt.«
»Woherweißt du, dass er sich nicht endgültig verrannt hat?«
»Wir verrennen uns alle mal.DerTrick besteht darin zu glauben, dass wir es verdienen, auf den richtigen Weg zurückzufinden. «
Jimmy lächelte reumütig. »Also gut. Soll ich dich hinfahren? «
»Ichkommschon klar.Und dumusst deinFlugzeug kriegen.«
Zart strich sie über seineHand. »Wie steht's um deine Hochzeitspläne? «
»Gut, vermute ich. Juliet und ihre Mom hatten Probleme, für den Empfang Räumlichkeiten zu finden, die amNeujahrstag geöffnet sind. Alles Verfügbare ist zu teuer.«
»Ich wünschte, sie würden unserHilfsangebot annehmen.«
»Ich weiß, aber ihre Eltern wollen nichts davon wissen. Aber Juliet kümmert sich so ziemlich um alles. Sie hat mich in den paar Tagen, die ich hier gewesen bin, völlig geschafft. Das Smokinggeschäft, Hochzeitsfotos, das Catering. Ich kann es kaum erwarten, dass der Urlaub vorbei ist, damit ich ein wenig zur Ruhe komme.«
Sara lachte. »Juliet ist ein reizendesMädchen. Und es ist ein besonderer Tag für sie, an dem sie den perfektenMann heiratet. So einen kriegt man nur einmal.« Sie drückte die Hand ihres Sohnes. »Wann kommst du wieder?«
»Meine letzte Abschlussprüfung ist am19.AmselbenNachmittag breche ich auf.«
»Wir warten auf dich.«
In diesem Moment hupte ein Auto.
Copyright © 2009 by Richard Paul Evans
Copyright © 2011 by Bastei Lübbe GmbH & Co. KG, Köln
Kier hinterlässt einen Sohn, James Kier II., und seine Frau, Sara.
Weitere Informationen über James Kier finden Sie auf Seite 1 desWirtschaftsteils.
Kier ließ die Zeitung sinken. Für das hier wird irgendein Idiot seinen Job verlieren, dachte er.
Er ahnte noch nicht, was dieser Artikel bewirken würde.
ZWEITES KAPITEL - Celeste Hatt
AlleinerziehendeMutter, 29 Jahre alt. Sohn,Henry, 7Monate alt. Hatt verlor ihr Zuhause, nachdem Sie sie überredet hatten, sich ein größeres Haus zu kaufen, als sie es sich leisten konnte, und sie ihre gesamten Ersparnisse in die Anzahlung gesteckt hatte. SechsMonate später verkauften SieHatts Haus mit beträchtlichem Gewinn nach einer Zwangsversteigerung. Wo sich Ms Hatt derzeit aufhält, ist nicht bekannt.
Einen Tag zuvor
CelesteHatt durchforstete eine Kistemit Kinderbüchern nach dem dünnsten Buch imStapel. Es war eindeutig ein Abend für eine kurze Geschichte. Obwohl es noch nicht mal neun war, fühlte sie sich bereits erschöpft. Der Alltag einer alleinerziehendenMutter schien nie einfacher zuwerden.Tagsüber,wenn ihr Sohn Henry in der Schule war, arbeitete sie als Kassiererin bei Smith's Food and Drug; außerdem an den Wochenenden abends als Serviererin im Blue PlateGrill, einem kleinen Lokal, das nur wenige Gehminuten von ihrerWohnung entfernt lag. Zusätzlich zu ihren beiden Jobs baute sie fast jedenAbend noch in Heimarbeit Platinen für eine örtliche Elektronikfirma zusammen. In ihrer winzigen Küche stapelten sich bis zur Decke braune Pappkartons, die mit chinesischen Schriftzeichen bedruckt waren.
An den meisten Abenden sahen Henry und sie nach dem Essen,demAbwasch und denHausaufgaben ihres Sohnes noch fern, während sie die Platinenteile zusammensteckte.Der Vorgang war eher langweilig als technisch anspruchsvoll; eineMaschine wäre besser geeignet gewesen, diese Arbeit zu erledigen. Aber immerhin konnte Celeste so zusätzlich Geld verdienen. ZweiDollar und fünfzig Cent pro Platine mal fünf pro Stunde brachten rund dreißig Dollar pro Abend.
Zwischen ihren Jobs, der Hausarbeit und der Versorgung eines lebhaften Siebenjährigen hatte Celeste nur die wenigen Minuten für sich allein, die zwischenHenrysZubettgehen und dem Moment lagen, in dem ihr eigener Kopf auf das Kissen sank. Es heißt, die beste Art, den Tag zu verlängern, bestehe darin, der Nacht ein paar Stunden zu stehlen. Doch für jeden Diebstahl muss man einen Preis bezahlen, und der zeigte sich in den dunklen Ringen um Celestes Augen. Sie zog ein Buch aus dem Stapel und nahm es mit in Henrys winziges Zimmer. Ihr Sohn lag bereits imBett.Der Raum wurde von einer kleinen Lampe erleuchtet, die auf dem Boden stand.
»Hallo, Kumpel«, sagte sie. »Wie wär's mit dem Grinch? Es ist baldWeihnachten.«
»Okay«,meinte er und stützte sich auf einen Ellenbogen. Sie setzte sich auf die Bettkante und öffnete das Buch. Henry strich sich eine vorwitzige Strähne seines seidigen Blondhaars aus dem Gesicht. »Mom, wie lange müssen wir hier noch wohnen?«
Sie sah vom Buch auf. »Das weiß ich nicht, Schatz. Noch eineWeile.«
»Wie lang ist eineWeile?«
»Ich wünschte, ich wüsste das.«
»Mir gefällt es hier nicht. Ich will wieder in unser Haus zurück.«
Celeste hatte drei Jahre lang geknausert, verzichtet und gespart, damit sie in ein eigenes Haus ziehen konnten. Aber schon fünfMonate später hatte sie es verloren und damit ihre gesamte Anzahlung. Jetzt wohnten sie in einer heruntergekommenenDoppelhaushälfte mit zwei Schlafzimmern an der stark befahrenen Durchgangsstraße 7th East. Inzwischen war Celeste klar, dass sie das Haus niemals hätte kaufen dürfen. Warum hatte sie bloß auf den Mann von der Baufirma gehört? Aber vielleicht war es passender zu fragen, warum sie das nicht hätte tun sollen. Er konnte so gut reden, klang so weise; wie ein Vater, der seiner Tochter einen väterlichen Rat erteilt. Seine Argumentation wirkte unwiderlegbar, denn er wählte Wortewie»Wohneigentum«, »persönlichesVermögen«, »steuerlicheAbsetzbarkeit «oder »finanzielle Sicherheit«, die eine eigene Überzeugungskraft besaßen. Verunsichert, wie sie war, fiel jedes dieser Worte bei ihr auf fruchtbaren Boden. Sie hatte ihm vertraut, dass er das Beste für sie wollte.
»Das geht nicht. Es ist nicht mehr unser Haus.«
»Wieso nicht?«
»Wenn du die Hypothek nicht bezahlst, nimmt dir die Bank dein Haus weg.«
»Was ist eine Hypothek?«
»Das ist das Geld, das wir uns von der Bank geliehen haben. «
»Warum kriegst du nicht einfach mehr Geld?« Celeste seufzte. »Das geht nicht so einfach, Schatz.«
Als sie das Buch wieder hob, fragte Henry: »Wiesomusste Daddy nicht umziehen?«
Sie runzelte die Stirn. »Willst du nun, dass ich dir was vorlese oder nicht?«
»Okay.«
Sie begann zu lesen und bemühte sich, den Zorn zu unterdrücken, den Henrys letzte Frage in ihr ausgelöst hatte. Während sie darum kämpfte, sich und ihren Sohn durchzubringen, weigerte sich ihr Exmann Randy weiterhin, sie und ihren Sohn finanziell zu unterstützen.Verschlimmert wurde die Lage noch dadurch, dass Henry in der Schule Probleme hatte und seine Lehrer meinten, dass er eine Therapie brauche.
Natürlich hat er Probleme, dachte sie. Sein Vater hat ihn praktisch fallenlassen und ist in den vergangenen sechsMonaten nicht zu den vereinbarten Besuchsterminen erschienen. Celeste fragte sich, wie Randy diesen wunderbaren kleinen Jungen so leicht aus seinem Leben streichen konnte. Das erste Mal, als ihr Exmann nicht zum Besuch erschien, hatte Henry fast eine Stunde lang mit gepacktem Koffer an der Tür gestanden. Als Celeste ihren Exmann schließlich telefonisch erreichte, behauptete er zunächst, dass ihm etwas dazwischengekommensei. Schließlich gab er zu, dass er es einfach vergessen und andere Pläne gemacht hatte. Er erklärte ihr, Henry behindere ihn in seinem Lebensstil. Nachdem sie ihn gefragt hatte, ob er mit »Stil« »Egoismus« oder »Dummheit« meine, legte er auf.
Henry unterbrach ihren Gedankengang erneut.
»Mom, wie wird uns derWeihnachtsmann denn in diesem Jahr finden?«
»Er wird uns finden. Aber erwarte nicht zu viel. Auch für denWeihnachtsmann sind die Zeiten hart.«
»Ich werde ihn nur bitten, dafür zu sorgen, dass die Bank uns unser Haus zurückgibt.«
»Das fällt in die Kategorie ›Zu viel‹.«
»Nicht für den Weihnachtsmann. Der kann Wunder vollbringen. «
Celeste seufzte. »Henry, wir müssen mal über den Weihnachtmann sprechen.«
Er erstarrte. »Was?«
Sie blickte in seine erschrockenen Augen. »Es ist nicht weiter wichtig. Weißt du, ich bin ziemlich müde. Was hältst du davon, wenn wir den Rest der Geschichte heute Abend ausfallen lassen. Okay?«
»In Ordnung.«
Sie schloss das Buch und stand vom Bett auf. Henry griff nach ihrer Hand. Celeste sah zu ihm hinab.
»Mom, wolltest du mir sagen, dass es in Wirklichkeit gar keinenWeihnachtsmann gibt?«
»Warum denkst du das?«
»Ich weiß das bereits.Miss Covey hat es mir gesagt.«
Celeste spürte Ärger in sich aufsteigen. »Ach, hat sie das?«
Er nickte.
»Das tutmir leid,mein Schatz.Du hättest es von mir erfahren sollen.«
»MissCovey hat gesagt, dass unsere Eltern uns anlügen.«
Celeste stieß einen missbilligenden Laut aus. »Ich glaube, ich muss malmit Miss Covey reden.«
»Hast du gelogen?«
»Henry, der Weihnachtsmann steht für den Geist des Gebens. Und manchmal ist es gut, wenn man etwas hat, an das man glaubt. Ich wollte einfach, dass du jetzt etwas hast, an das du glauben kannst.«
»Woran glaubst du?«
Sie sah ihn einenMoment lang an und zwang sich dann zu einem Lächeln. »Ich glaube an dich.« Sie fuhr ihm mit den Fingern durch die Haare. »Und ich glaube, dass alles mit uns gut wird. Jetzt lass uns beten.«
Sie kniete neben seinemBett nieder. »Kannst du heuteAbend das Gebet sprechen?«
»Klar.« Henry schloss die Augen. »Lieber Gott . . .« Er hielt inne. Dann öffnete er ein Auge und flüsterte: »Mom?«
»Ja?«
»Ist Gott ein Schwindel, so wie derWeihnachtsmann?«
»Nein.«
Er schloss die Augen wieder. »Himmlischer Vater, danke für deine Segnungen. Bitte, hilfMom, damit sie sich besser fühlt. Hilf uns, mehr Geld zu bekommen. Und bitte hilf uns, dass wir unser Haus zurückkriegen. Amen.« »Amen«, sagte Celeste sanft. Sie beugte sich vor und küsste ihn auf die Stirn. »Ich hab dich lieb, mein Kleiner.«
»Ich hab dich auch lieb.«
Sie schaltete das Licht aus, schloss die Tür und ging in die Küche. Sie wünschte, sie könne wirklich glauben, was sie zu ihrem Sohn gesagt hatte: dass alles gut werden würde. Sie wünschte, etwas möge geschehen, das ihr diesen Glauben eingeben würde.
DurchdasFenster sahsie,dassdraußenSchnee fiel.Sie schaltete das Radio an. »Santa Claus Is Comin' to Town« wurde gespielt. Mitch Miller. Sie schaltete das Gerät wieder aus. Das Lied war zu festlich für ihre gegenwärtige Stimmung. Thanksgiving war gerade vorbei.Henry und sie hatten es mit Essen vor dem Fernseher gefeiert, das aus Truthahnscheiben und Kartoffelbrei bestand. Anschließend war sie zu ihrer Arbeit in dem Lokal gegangen.Wann würde ihr etwasGutes widerfahren? Sie erhitzte etwasWasser in derMikrowelle, warf einen Beutelmit Kamillentee hinein und fügte einenTeelöffel vollHonig hinzu. Dann ging sie zum Schaukelstuhl im Wohnzimmer, rührte den Tee um und setzte sich. Ein ständiger Strom von Autos brauste laut vorbei. Es war, als wohnten sie an einem quietschenden, hupenden Strom. Sie nahm einen SchluckTee. Dann schlug sie die Hände vors Gesicht und brach in Tränen aus.
DRITTES KAPITEL - Derselbe Freitag
Saras Sohn öffnete leise die Tür und spähte in den abgedunkelten Raum, um zu sehen, ob sie noch schlief. Aus der Dunkelheit kam ihre Stimme, schwach und mühsam.
»Jimmy?«
»Ja,Mom.«
»Ist es Zeit?«
»Ja. Fast.«
Jimmys vollständiger Name war James Kier II., was für den Enkel eines einfachenMaurers seltsam klang. SeinName hatte sich vom Augenblick seiner Geburt an entwickelt - von kleiner Jimmy zu Jim, zu J. J., zu Jim junior bis hin zu Jimmy, wie er seit dem Besuch der High School gerufen wurde. Jimmy trat ins Zimmer.
»Habe ich dich geweckt?«
»Nein, ich habe hier bloß noch ein wenig gelegen. Machst du bitte das Licht an?«
»Ja.« Jimmy betätigte den Schalter.
SeineMutter trug ihr Flanellnachthemd. Sie hatte die Bettdecke bis zur Brust hochgezogen, und man sah ihren kahlen Kopf.
Bello, ein schwarzer ShihTzu, hatte sich zwischen ihren Fußknöcheln zusammengerollt. Der Hund blickte hoch und warf sich auf den Rücken in der Hoffnung, dass ihm der Bauch gekrault würde.
»Jetzt nicht, Bello.« Sara suchte nach ihrer Mütze, fand sie und zog sie schnell über. »Entschuldige«, sagte sie verle gen. »Du solltest deine Mutter nicht kahlköpfig sehen müssen. «
Jimmysetzte sich neben sie aufs Bett. »Manche Frauen sehen schön aus mit einer Glatze. Du bist eine von ihnen.«
Sie lächelte. »Danke. Einige Männer sehen mit einer Glatze schön aus.«
»Und der Rest bescheuert.«
Sara lachte. »Bist du fertig?«
»Ja. Juliet wird in ein paar Minuten hier sein. Zumindest sollte sie das, sonst verpasse ich mein Flugzeug.«
»Ich kenneMädchen, die sich nicht darüber beklagen würden. «
»Und ich kenne Professoren, die das durchaus tun würden. «
»Ich weiß. Komm, drückmichmal.« Sie zog ihn eng an sich und umarmte ihn, so fest sie konnte. »Es war so schön, dich hier zu haben. Ich vermisse dich, wenn du weg bist.«
»Ich vermisse dich auch, Mom.« Er streckte die Hand aus und streichelte das lange, seidige Fell des Hundes. »Und was ist mit Bello?«
»Er ist schrecklich«, meinte sie. »Ich kann ihn nicht ertragen. Er erzählt mir nichts.«
Jimmy lachte. Dann schob er die Finger unter Bellos Halsband und kraulte demHund denNacken. »Und wie fühlst du dich?«
»Ganz gut.«
Er blickte zweifelnd zu seinerMutter auf. »Wirklich?«
»Ich bin vielleicht ein wenig benommen.«
»Du solltest weiterschlafen.«
»Ich muss aufstehen. Ich habe heute Morgen einen Termin. «
Jimmy runzelte die Brauen. »Was für einen Termin?«
Sie zögerte, weil sie wusste, dass die Antwort ihn verärgern würde. »Mit deinem Vater und den Anwälten.«
Jimmy reagierte, wie sie es erwartet hatte. »Du machst wohl Witze!«
»Es ist okay.«
»Was ist okay? Dass er dich aus dem Bett aufscheucht, nur weil es ihm gerade passt? Zum Teufel mit ihm! Du hattest gerade eine Chemo.«
»Ich habe dem Termin zugestimmt. Er sollte heute oder nächste Woche sein.« Sara atmete hörbar aus. »Ich muss es hinter mich bringen.«
»Ich weiß nicht, wieso du dich noch mit ihm abgibst. Er ist ein gefühlloser, egoistischer . . .«
»Jimmy, hör auf!« Saras Ton war schärfer, als sie es beabsichtigt hatte.
»Du weißt, dass er das ist.«
»Sprich nicht so über ihn. Er ist dein Vater.«
»Kein Richter könnte ihn davon überzeugen.« Er sah seine Mutter an und bereute, dass er sie aufgebracht hatte. »Es tut mir leid. Aber wegen dir, nicht wegen ihm.«
Sie legte ihre Hand auf seine. »Ich verstehe deineWut, Jimmy, aber sie gefällt mir nicht. Wenn ich das hier nicht überstehe, wird er der einzige Elternteil sein, den du dann noch hast.«
»Mom, red doch nicht so. Du wirst es packen.«
»Natürlich werde ich das. Ich will nur, dass du darüber nachdenkst.«
»Ich begreife es bloß nicht, Mom. Warum bist du ihm gegenüber noch immer so loyal? Er hat dich verlassen, als du ihn am meisten brauchtest.«
Sara blickte ihren Sohn traurig an. »Das hat vermutlich etwas mit der Vergangenheit zu tun. Ich weiß, warum dein Vater so ist, wie er ist. Und ich glaube, dass in seinem Innersten noch immer ein guter Mensch steckt. Er hat sich derzeit nur verrannt.«
»Woherweißt du, dass er sich nicht endgültig verrannt hat?«
»Wir verrennen uns alle mal.DerTrick besteht darin zu glauben, dass wir es verdienen, auf den richtigen Weg zurückzufinden. «
Jimmy lächelte reumütig. »Also gut. Soll ich dich hinfahren? «
»Ichkommschon klar.Und dumusst deinFlugzeug kriegen.«
Zart strich sie über seineHand. »Wie steht's um deine Hochzeitspläne? «
»Gut, vermute ich. Juliet und ihre Mom hatten Probleme, für den Empfang Räumlichkeiten zu finden, die amNeujahrstag geöffnet sind. Alles Verfügbare ist zu teuer.«
»Ich wünschte, sie würden unserHilfsangebot annehmen.«
»Ich weiß, aber ihre Eltern wollen nichts davon wissen. Aber Juliet kümmert sich so ziemlich um alles. Sie hat mich in den paar Tagen, die ich hier gewesen bin, völlig geschafft. Das Smokinggeschäft, Hochzeitsfotos, das Catering. Ich kann es kaum erwarten, dass der Urlaub vorbei ist, damit ich ein wenig zur Ruhe komme.«
Sara lachte. »Juliet ist ein reizendesMädchen. Und es ist ein besonderer Tag für sie, an dem sie den perfektenMann heiratet. So einen kriegt man nur einmal.« Sie drückte die Hand ihres Sohnes. »Wann kommst du wieder?«
»Meine letzte Abschlussprüfung ist am19.AmselbenNachmittag breche ich auf.«
»Wir warten auf dich.«
In diesem Moment hupte ein Auto.
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Autoren-Porträt von Richard P. Evans
Anita Krätzer arbeitet freiberuflich in den Bereichen integrierter Umweltschutz, Märkte, Führung und Kommunikation, ferner als Wirtschaftsjournalistin, Lektorin und Übersetzerin.
Bibliographische Angaben
- Autor: Richard P. Evans
- 2011, 284 Seiten, Maße: 12,5 x 18,6 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Übersetzung: Krätzer, Anita
- Übersetzer: Anita Krätzer
- Verlag: Bastei Lübbe
- ISBN-10: 3404165861
- ISBN-13: 9783404165865
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