Die BKA-Story
Wilhelm Dietl, Geheimdienstspezialist und investigativer Journalist von Rang, beschreibt die 50jährige Geschichte der deutschen Elite-Cops: von den Schatten des Nationalsozialismus über die Spiegel-Affäre und den deutschen Linksradikalismus bis zur...
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Produktinformationen zu „Die BKA-Story “
Wilhelm Dietl, Geheimdienstspezialist und investigativer Journalist von Rang, beschreibt die 50jährige Geschichte der deutschen Elite-Cops: von den Schatten des Nationalsozialismus über die Spiegel-Affäre und den deutschen Linksradikalismus bis zur Reemtsma-Entführung und Internet-Kriminalität. Auch über die High-Tech-Errungenschaften, die z.B. die DNA-Analyse beim genetischen Fingerabdruck ermöglichen, wird berichtet.
Umfassend, akribisch recherchiert und packend wie ein Polit-Thriller!
Umfassend, akribisch recherchiert und packend wie ein Polit-Thriller!
Lese-Probe zu „Die BKA-Story “
Die Chronik der frühen Jahre Vom Preußischen Landrecht zum Nazi-UnrechtAm 25. Oktober 1949 kündigte Bundesinnenminister Gustav Heinemann, der damals noch der CDU angehörte, auf einer Pressekonferenz die Errichtung des Bundeskriminalamts an. Die Aufgabe dieses Amtes werde die Verfolgung von Verbrechern über die Grenzen der einzelnen Bundesländer hinaus. Die Polizeihoheit der Länder werde dadurch nicht beeinträchtigt Bestimmten Verbrechergruppen, zum Beispiel Rauschgifthändler oder Falschmünzer, müßten über alle Grenzen hinweg bekämpft werden. Das Bundesinnenministerium werde ein besonderes Augenmerk auf 'undemokratische Elemente' richten. Auf die Frage des Vertreters der DDR-Nachrichtenagentur ADN, was denn 'undemokratische Elemente' seien, sagte Heinemann: 'Ich verstehe darunter all diejenigen, die damit anfangen, die demokratische Staatsordnung mit illegalen Mitteln zu bekämpfen'." (Süddeutsche Zeitung)
Der Weg zur heutigen Zentralstelle der deutschen Verbrechensbekämpfung war lang. Eine erste klare Aufgabenstellung "zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Sicherheit und Ordnung" und zur Abwendung von Gefahren ist bereits dem Preußischen Allgemeinen Landrecht von 1794 zu entnehmen. Vor zwei Jahrhunderten entstand die Urform der modernen Kriminalpolizei. Hatte bis dahin der "Einheitspolizist" sämtliche polizeilichen Aufgaben wahrgenommen, so gab es nun, Ende des 18. Jahrhunderts, eine "Kriminalkommission". Ihre Wiege stand in Berlin.
1809 richtete der Polizeipräsident der Hauptstadt ein "Sicherheitsbüro" ein. Hier wurden Verbrechen zentral bearbeitet und sogar Fahndungsblätter herausgegeben. Die Bevölkerung nahm zu, und damit stieg auch die Zahl der Verbrechen. Die damaligen Gangster wurden immer mobiler und entfernten sich zunehmend von ihren Heimatorten. Ihnen konnte die Polizei nur durch verstärkte Zusammenarbeit begegnen.
Im Juni 1897 versuchte eine Polizeikonferenz in Berlin, die Verbrechensbekämpfung zwischen den deutschen Ländern und den Freien
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Städten zu koordinieren. Der erste Anlauf schlug fehl. Nach der Jahrhundertwende gingen die europäischen Staaten daran, ihre Kriminalpolizeien zu zentralisieren. Das Deutsche Reich befaßte sich mit diesem Vorhaben erst wieder 1907. Die Politik erkannte, daß Länderpolizeien alleine nicht genügten. Der mobile Ganove konnte nur durch eine Zentralstelle erfaßt und im Auge behalten werden.
Die Deutsche Polizeikonferenz erörterte das Problem 1912. Wieder blieb es bei Absichtserklärungen. Sachsen und Württemberg sollten als Vorreiter in die Bresche springen. In Dresden entstand die "Mobile Landeskriminalpolizei". Kenntnisse und Möglichkeiten der Großstadtpolizei wurden auf diese Weise den ländlichen Dienststellen weitergegeben. Württemberg gründete noch vor dem Ersten Weltkrieg eine Landespolizeizentrale.
Auf französische Initiative tagte 1914 in Monaco der erste "Kongreß für internationales Kriminalpolizeiwesen". In Abwesenheit der Deutschen ging es um
- Mittel und Wege zur Beschleunigung und Vereinfachung der Verfolgung flüchtiger Verbrecher, - Verbesserung der Hilfsmittel des Erkennungsdienstes,
- Schaffung einer internationalen Auskunftsstelle über das gewerbsmäßige Verbrechertum und die Vereinheitlichung des Auslieferungsverfahrens.
Nach den Kriegsjahren war es erwartungsgemäß um Recht und Ordnung nicht gut bestellt. Die Berufs- und Gewohnheitsverbrecher nutzten die anarchischen Umstände und zeigten sich nach dem Ersten Weltkrieg mobiler denn je. Auf den Straßen bekämpften sich die Extremisten. Das Militär mußte eingreifen. Also wurde bald wieder über eine Zentralisierung des Polizeiwesens gesprochen. Der Geheime Legationsrat Robert Heindl, ein Pionier der Daktyloskopie (Fingerabdruckverfahren), regte schon 1919 das spätere Reichskriminalpolizeigesetz an. Erst 1922 jedoch, nach der Ermordung der Minister Matthias Erzberger und Walther Rathenau, passierte es den Reichstag.
Dieses erste grundlegende Gesetz ordnete die Errichtung eines Reichskriminalpolizeiamts in Berlin und von dezentralen Landeskriminalpolizeiämtern an. Die Landesbehörden, so hieß es in Paragraph 3, sollten eng mit Gerichten und Staatsanwaltschaften zusammenarbeiten. In Fällen, deren Bedeutung den Bereich einzelner Länder übersteigt, werde sich das Reichskriminalpolizeiamt um die Ermittlungen kümmern. Paragraph 8: "Die Vollzugsbeamten des Reichskriminalpolizeiamts und der Landeskriminalbehörden können innerhalb ihrer Zuständigkeit im ganzen Reichsgebiete polizeiliche Amtshandlungen vornehmen."
Außerdem wurden die Länderbehörden verpflichtet, der Berliner Oberbehörde Meldung über überregional bedeutende Straftaten und Rechtsbrecher zu erstatten. Der spätere BKA-Präsident Horst Herold zum Schicksal des Reichskriminalpolizeigesetzes von 1922: "Das Gesetz wurde zwar verkündet, scheiterte aber im Reichsrat am Einspruch Bayerns und trat nie in Kraft. Damit beraubte sich die erste deutsche Demokratie zentraler Abwehrmöglichkeiten gegenüber der einsetzenden politischen Verrohung und gegenüber dem rapiden Verfall der öffentlichen Sicherheit." Auf der Grundlage dieses Gesetzes sollte viel später, am 8. März 1951, das Bundeskriminalpolizeigesetz entstehen.
1923 wurde beim Polizeikongreß in Wien eine "lnternationale Kriminalpolizeiliche Kommission" (IKPK) gegründet, die Vorläuferorganisation der späteren Interpol-Organisation. Das veranlaßte im Gegenzug die Polizeien des Reiches, 1925 eine "Deutsche Kriminalpolizeiliche Kommission" (DKK) ins Leben zu rufen. Partner der IKPK blieben aber die Länder.
Weitere wichtige Beschlüsse auf dem Weg zum heutigen Bundeskriminalamt waren: die Schaffung einer zentralen Fingerabdrucksammelstelle, eines kriminalistischen Nachrichtennetzes und einer gemeinsamen zentralen Nachrichtensammelstelle für Vermißte und unbekannte Tote. Die "Deutsche Polizeikonferenz" gründete außerdem ein Reichsfahndungsblatt und eine Zentralstelle zur Bekämpfung von reisenden Taschendieben. Ausweise, Ausbildung und Besoldung der Kriminalpolizei wurden vereinheitlicht, die Kriminalstatistik flächendeckend organisiert.
Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten änderte sich die Struktur. Die Länder fielen weg. Für das gesamte Reich wurde eine zentrale Polizeiorganisation geschaffen. Das Reichskriminalpolizeiamt (RKPA) unterstand ab Juni 1936 dem "Reichsführer SS und Chef der deutschen Polizei", Heinrich Himmler. Dieser delegierte die Kriminalpolizei wie auch die Gestapo an den "Chef der Sicherheitspolizei im Reichsinnenministerium", SS-Brigadeführer Reinhard Heydrich.
Das Amt gliederte sich in 13 Reichszentralen, unter anderem für die Bekämpfung von Geldfälschungen und Rauschgiftdelikten, von Glücks- und Falschspiel sowie von Kapitalverbrechen. Das Reichskriminalpolizeiamt sammelte zentral alle einlaufenden Nachrichten und wertete sie aus, koordinierte den gesamten Auslandsschriftverkehr der deutschen Polizei. Selbstverständlich beaufsichtigte die Zentralstelle in Berlin auch die Tätigkeit der regionalen und lokalen Kriminalpolizeien. 1939 wurde zusätzlich ein Kriminaltechnisches Institut eingerichtet.
Generalleutnant Arthur Nebe, der vom Volksgerichtshof 1945 zum Tode verurteilte Chef des Reichskriminalpolizeiamts, an Heydrich: "Gruppenführer! In Ausführung der Weisung des Reichsführers SS haben Sie eine schlagkräftige Reichskriminalpolizei geschaffen, die volksverbunden und lebensnah zu arbeiten im Stande ist. Als soldatische Beamte und SS-Männer werden wir Mitarbeiter des Reichskriminalpolizeiamts unsere ganze Kraft hingeben an die Aufgaben, die Sie nach den Befehlen des Führers und des Reichsführers SS zu erfüllen haben."
Das Regime hatte seine Polizei voll im Griff. Den nächsten Schritt der Zentralisierung brachte die Eingliederung des Reichskriminalpolizeiamts als Amt V in das berüchtigte Reichssicherheitshauptamt (RSHA). Von unten nach oben verloren die Dienststellen der Kriminalpolizei ihre Führungsaufgaben. Die Befehle kamen aus Berlin, und sie reichten bis in alle Verästelungen des Systems. Die neue Elite wuchs in der Führerschule der Sicherheitspolizei in Berlin-Charlottenburg heran. Von ihrem Schicksal wird später noch die Rede sein.
Dem politischen Mißbrauch der deutschen Kriminalpolizei waren bis zum Zusammenbruch des Reiches keine Grenzen gesetzt. Das NS-Regime hatte die alte, preußische Polizei radikal gesäubert und die eigene Organisationsstruktur mit SA- und SS-Männern durchsetzt. Die Beamten gehörten fast vollzählig der NSDAP an, und für diese Partei arbeiteten sie auch. Dazu der im März 1999 verstorbene Professor Armand Mergen, einer der führenden Kriminologen und ausgewiesener Kenner der deutschen Polizei: "Sie waren entweder gute und erfahrene Kriminalisten oder überzeugte Nazis und SS-Männer. Nur selten waren sie beides. Polizeipräsidenten waren in der Regel ranghohe SS-Führer. Fachkönnen war wohl gefragt, aber politische Zuverlässigkeit wurde höher eingestuft."
Paulinus Dickopf, Absolvent des 13. Kriminalkommissaranwärter-Lehrgangs (KKA) der "Führerschule" (1938/39) und vierter Präsident des Bundeskriminalamts, brachte 1944 zu Papier: "Kurz nach der Machtübernahme gelang es Himmler, den Sicherheitsdienst der SS als Unterorganisation anzugliedern... 1936 wurde begonnen, die Staatspolizeibeamten nebenbei zu Mitgliedern der SS und des SD zu ernennen. Um die Verschmelzung mit der Exekutivgewalt noch enger zu gestalten - das Endziel ist die völlige Personalunion -, wurden ab 1939 die leitenden Beamten aller Polizeiarten ebenfalls in die SS und den SD eingegliedert. Die Ernennung erfolgte meist ohne vorherige Befragung des betreffenden Beamten und bedeutet für diesen die Unterwerfung unter die besonders scharfen Strafbedingungen der SS. Die Absicht des SD geht dahin, seinen personellen Einfluß nach und nach auf die gesamte Polizei auszudehnen und, wie es seit 1938 in der Praxis bereits gehandhabt wird, für alle Laufbahnen nur noch SS-fähige Bewerber einzustellen. Nach der Beendigung des so durchgeführten Regenerationsprozesses sollte dann der SD als selbständige Organisation verschwunden und in den speziellen Polizeiverbänden aufgegangen sein."
Die Polizei konnte das Dritte Reich nicht aussitzen und auf bessere, humanere Zeiten warten. Sie war, "berufsnotwendig bedingt" (Mergen), an allen Greueltaten der Nazis beteiligt. Armand Mergen sah es aus der Sicht der ersten Nachkriegstage: "Die Polizei hatte alle Etappen des Geschehens mitgemacht. Sie war zu jedem Zeitpunkt gebraucht und mißbraucht worden, ohne daß sie sich hätte, mit Aussicht auf Erfolg, zur Wehr setzen können. Aus den Kriminalisten der Weimarer Republik waren Kriminalisten des Dritten Reiches geworden." Und das machte den Neuanfang so unendlich schwer.
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung von Verlag Droemer Knaur
Die Deutsche Polizeikonferenz erörterte das Problem 1912. Wieder blieb es bei Absichtserklärungen. Sachsen und Württemberg sollten als Vorreiter in die Bresche springen. In Dresden entstand die "Mobile Landeskriminalpolizei". Kenntnisse und Möglichkeiten der Großstadtpolizei wurden auf diese Weise den ländlichen Dienststellen weitergegeben. Württemberg gründete noch vor dem Ersten Weltkrieg eine Landespolizeizentrale.
Auf französische Initiative tagte 1914 in Monaco der erste "Kongreß für internationales Kriminalpolizeiwesen". In Abwesenheit der Deutschen ging es um
- Mittel und Wege zur Beschleunigung und Vereinfachung der Verfolgung flüchtiger Verbrecher, - Verbesserung der Hilfsmittel des Erkennungsdienstes,
- Schaffung einer internationalen Auskunftsstelle über das gewerbsmäßige Verbrechertum und die Vereinheitlichung des Auslieferungsverfahrens.
Nach den Kriegsjahren war es erwartungsgemäß um Recht und Ordnung nicht gut bestellt. Die Berufs- und Gewohnheitsverbrecher nutzten die anarchischen Umstände und zeigten sich nach dem Ersten Weltkrieg mobiler denn je. Auf den Straßen bekämpften sich die Extremisten. Das Militär mußte eingreifen. Also wurde bald wieder über eine Zentralisierung des Polizeiwesens gesprochen. Der Geheime Legationsrat Robert Heindl, ein Pionier der Daktyloskopie (Fingerabdruckverfahren), regte schon 1919 das spätere Reichskriminalpolizeigesetz an. Erst 1922 jedoch, nach der Ermordung der Minister Matthias Erzberger und Walther Rathenau, passierte es den Reichstag.
Dieses erste grundlegende Gesetz ordnete die Errichtung eines Reichskriminalpolizeiamts in Berlin und von dezentralen Landeskriminalpolizeiämtern an. Die Landesbehörden, so hieß es in Paragraph 3, sollten eng mit Gerichten und Staatsanwaltschaften zusammenarbeiten. In Fällen, deren Bedeutung den Bereich einzelner Länder übersteigt, werde sich das Reichskriminalpolizeiamt um die Ermittlungen kümmern. Paragraph 8: "Die Vollzugsbeamten des Reichskriminalpolizeiamts und der Landeskriminalbehörden können innerhalb ihrer Zuständigkeit im ganzen Reichsgebiete polizeiliche Amtshandlungen vornehmen."
Außerdem wurden die Länderbehörden verpflichtet, der Berliner Oberbehörde Meldung über überregional bedeutende Straftaten und Rechtsbrecher zu erstatten. Der spätere BKA-Präsident Horst Herold zum Schicksal des Reichskriminalpolizeigesetzes von 1922: "Das Gesetz wurde zwar verkündet, scheiterte aber im Reichsrat am Einspruch Bayerns und trat nie in Kraft. Damit beraubte sich die erste deutsche Demokratie zentraler Abwehrmöglichkeiten gegenüber der einsetzenden politischen Verrohung und gegenüber dem rapiden Verfall der öffentlichen Sicherheit." Auf der Grundlage dieses Gesetzes sollte viel später, am 8. März 1951, das Bundeskriminalpolizeigesetz entstehen.
1923 wurde beim Polizeikongreß in Wien eine "lnternationale Kriminalpolizeiliche Kommission" (IKPK) gegründet, die Vorläuferorganisation der späteren Interpol-Organisation. Das veranlaßte im Gegenzug die Polizeien des Reiches, 1925 eine "Deutsche Kriminalpolizeiliche Kommission" (DKK) ins Leben zu rufen. Partner der IKPK blieben aber die Länder.
Weitere wichtige Beschlüsse auf dem Weg zum heutigen Bundeskriminalamt waren: die Schaffung einer zentralen Fingerabdrucksammelstelle, eines kriminalistischen Nachrichtennetzes und einer gemeinsamen zentralen Nachrichtensammelstelle für Vermißte und unbekannte Tote. Die "Deutsche Polizeikonferenz" gründete außerdem ein Reichsfahndungsblatt und eine Zentralstelle zur Bekämpfung von reisenden Taschendieben. Ausweise, Ausbildung und Besoldung der Kriminalpolizei wurden vereinheitlicht, die Kriminalstatistik flächendeckend organisiert.
Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten änderte sich die Struktur. Die Länder fielen weg. Für das gesamte Reich wurde eine zentrale Polizeiorganisation geschaffen. Das Reichskriminalpolizeiamt (RKPA) unterstand ab Juni 1936 dem "Reichsführer SS und Chef der deutschen Polizei", Heinrich Himmler. Dieser delegierte die Kriminalpolizei wie auch die Gestapo an den "Chef der Sicherheitspolizei im Reichsinnenministerium", SS-Brigadeführer Reinhard Heydrich.
Das Amt gliederte sich in 13 Reichszentralen, unter anderem für die Bekämpfung von Geldfälschungen und Rauschgiftdelikten, von Glücks- und Falschspiel sowie von Kapitalverbrechen. Das Reichskriminalpolizeiamt sammelte zentral alle einlaufenden Nachrichten und wertete sie aus, koordinierte den gesamten Auslandsschriftverkehr der deutschen Polizei. Selbstverständlich beaufsichtigte die Zentralstelle in Berlin auch die Tätigkeit der regionalen und lokalen Kriminalpolizeien. 1939 wurde zusätzlich ein Kriminaltechnisches Institut eingerichtet.
Generalleutnant Arthur Nebe, der vom Volksgerichtshof 1945 zum Tode verurteilte Chef des Reichskriminalpolizeiamts, an Heydrich: "Gruppenführer! In Ausführung der Weisung des Reichsführers SS haben Sie eine schlagkräftige Reichskriminalpolizei geschaffen, die volksverbunden und lebensnah zu arbeiten im Stande ist. Als soldatische Beamte und SS-Männer werden wir Mitarbeiter des Reichskriminalpolizeiamts unsere ganze Kraft hingeben an die Aufgaben, die Sie nach den Befehlen des Führers und des Reichsführers SS zu erfüllen haben."
Das Regime hatte seine Polizei voll im Griff. Den nächsten Schritt der Zentralisierung brachte die Eingliederung des Reichskriminalpolizeiamts als Amt V in das berüchtigte Reichssicherheitshauptamt (RSHA). Von unten nach oben verloren die Dienststellen der Kriminalpolizei ihre Führungsaufgaben. Die Befehle kamen aus Berlin, und sie reichten bis in alle Verästelungen des Systems. Die neue Elite wuchs in der Führerschule der Sicherheitspolizei in Berlin-Charlottenburg heran. Von ihrem Schicksal wird später noch die Rede sein.
Dem politischen Mißbrauch der deutschen Kriminalpolizei waren bis zum Zusammenbruch des Reiches keine Grenzen gesetzt. Das NS-Regime hatte die alte, preußische Polizei radikal gesäubert und die eigene Organisationsstruktur mit SA- und SS-Männern durchsetzt. Die Beamten gehörten fast vollzählig der NSDAP an, und für diese Partei arbeiteten sie auch. Dazu der im März 1999 verstorbene Professor Armand Mergen, einer der führenden Kriminologen und ausgewiesener Kenner der deutschen Polizei: "Sie waren entweder gute und erfahrene Kriminalisten oder überzeugte Nazis und SS-Männer. Nur selten waren sie beides. Polizeipräsidenten waren in der Regel ranghohe SS-Führer. Fachkönnen war wohl gefragt, aber politische Zuverlässigkeit wurde höher eingestuft."
Paulinus Dickopf, Absolvent des 13. Kriminalkommissaranwärter-Lehrgangs (KKA) der "Führerschule" (1938/39) und vierter Präsident des Bundeskriminalamts, brachte 1944 zu Papier: "Kurz nach der Machtübernahme gelang es Himmler, den Sicherheitsdienst der SS als Unterorganisation anzugliedern... 1936 wurde begonnen, die Staatspolizeibeamten nebenbei zu Mitgliedern der SS und des SD zu ernennen. Um die Verschmelzung mit der Exekutivgewalt noch enger zu gestalten - das Endziel ist die völlige Personalunion -, wurden ab 1939 die leitenden Beamten aller Polizeiarten ebenfalls in die SS und den SD eingegliedert. Die Ernennung erfolgte meist ohne vorherige Befragung des betreffenden Beamten und bedeutet für diesen die Unterwerfung unter die besonders scharfen Strafbedingungen der SS. Die Absicht des SD geht dahin, seinen personellen Einfluß nach und nach auf die gesamte Polizei auszudehnen und, wie es seit 1938 in der Praxis bereits gehandhabt wird, für alle Laufbahnen nur noch SS-fähige Bewerber einzustellen. Nach der Beendigung des so durchgeführten Regenerationsprozesses sollte dann der SD als selbständige Organisation verschwunden und in den speziellen Polizeiverbänden aufgegangen sein."
Die Polizei konnte das Dritte Reich nicht aussitzen und auf bessere, humanere Zeiten warten. Sie war, "berufsnotwendig bedingt" (Mergen), an allen Greueltaten der Nazis beteiligt. Armand Mergen sah es aus der Sicht der ersten Nachkriegstage: "Die Polizei hatte alle Etappen des Geschehens mitgemacht. Sie war zu jedem Zeitpunkt gebraucht und mißbraucht worden, ohne daß sie sich hätte, mit Aussicht auf Erfolg, zur Wehr setzen können. Aus den Kriminalisten der Weimarer Republik waren Kriminalisten des Dritten Reiches geworden." Und das machte den Neuanfang so unendlich schwer.
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Autoren-Porträt von Wilhelm Dietl
Wilhelm Dietl, geb. 1955, Redakteur und freier Autor, war in den vergangenen 25 Jahren unter anderem für "Stern", "Spiegel", "Quick" und "Focus" tätig. Er ist Mitbegründer und stellvertretender Leiter des Essener Instituts für Terrorismusforschung und Sicherheitspolitik und hat bereits zahlreiche Bücher mit den Themenschwerpunkten Naher und Mittlerer Osten, Südasien, Geheimdienste und Terrorismus veröffentlicht.
Bibliographische Angaben
- Autor: Wilhelm Dietl
- 2000, 320 Seiten, Maße: 14,5 x 22 cm, Geb. mit Su., Deutsch
- Verlag: DROEMER KNAUR
- ISBN-10: 342627194X
- ISBN-13: 9783426271940
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