Der Wanderer / Die Bücher vom Heiligen Gral Bd.2
Historischer Roman. Historischer Roman
Thomas Hookton erhält vom englischen König den Auftrag, den Heiligen Gral zu suchen. Sein Vater war angeblich der letzte Besitzer und das Geheimnis um den Gral hat auch etwas mit seiner Familie zu tun. Auf seiner Suche gerät Thomas in...
lieferbar
versandkostenfrei
Taschenbuch
14.00 €
- Lastschrift, Kreditkarte, Paypal, Rechnung
- Kostenlose Rücksendung
Produktdetails
Produktinformationen zu „Der Wanderer / Die Bücher vom Heiligen Gral Bd.2 “
Thomas Hookton erhält vom englischen König den Auftrag, den Heiligen Gral zu suchen. Sein Vater war angeblich der letzte Besitzer und das Geheimnis um den Gral hat auch etwas mit seiner Familie zu tun. Auf seiner Suche gerät Thomas in Schlachten und Kriege und trifft schließlich auf seinen Erzfeind.
Klappentext zu „Der Wanderer / Die Bücher vom Heiligen Gral Bd.2 “
Tödlicher Kampf um den Heiligen Gral Mitten im Hundertjährigen Krieg erhält Thomas von Hookton einen Auftrag vom englischen König: Er soll den Heiligen Gral suchen. Der letzte Besitzer war angeblich sein Vater - das Geheimnis um die Reliquie ist auch das seiner eigenen Familie. Die Suche führt Thomas durch Schlachten und Kriegsgetümmel, bis er erneut auf seinen Erzfeind trifft, den schwarzen Ritter.
Der Kampf kann beginnen.
Die Bücher vom Heiligen Gral, Band 2
Tödlicher Kampf um den Heiligen Gral
Mitten im Hundertjährigen Krieg erhält Thomas von Hookton einen Auftrag vom englischen König: Er soll den Heiligen Gral suchen. Der letzte Besitzer war angeblich sein Vater - das Geheimnis um die Reliquie ist auch das seiner eigenen Familie. Die Suche führt Thomas durch Schlachten und Kriegsgetümmel, bis er erneut auf seinen Erzfeind trifft, den schwarzen Ritter.
Der Kampf kann beginnen.
Die Bücher vom Heiligen Gral, Band 2
Mitten im Hundertjährigen Krieg erhält Thomas von Hookton einen Auftrag vom englischen König: Er soll den Heiligen Gral suchen. Der letzte Besitzer war angeblich sein Vater - das Geheimnis um die Reliquie ist auch das seiner eigenen Familie. Die Suche führt Thomas durch Schlachten und Kriegsgetümmel, bis er erneut auf seinen Erzfeind trifft, den schwarzen Ritter.
Der Kampf kann beginnen.
Die Bücher vom Heiligen Gral, Band 2
Lese-Probe zu „Der Wanderer / Die Bücher vom Heiligen Gral Bd.2 “
Der Wanderer von Bernard Cornwell... mehr
Es war Oktober, die Zeit, in der das Jahr sich dem Ende zuneigt, das Vieh für den Winter geschlachtet wird und der Nordwind den ersten Frost ankündigt. Die Blätter der Kastanien leuchteten golden, die Buchen schienen in Flammen zu stehen, und die Eichen schimmerten wie Bronze. Es dunkelte bereits, als Thomas von Hookton, seine Gefährtin Eleanor und sein Freund, Vater Hobbe, den Bauernhof im Hochland erreichten. Der Bauer weigerte sich, die Tür zu öffnen, rief ihnen jedoch von drinnen zu, sie könnten im Stall schlafen. Regen prasselte auf das modrige Strohdach. Thomas führte ihr einziges Pferd in den Stall, in dem sich ein Stapel Brennholz, ein solider Holzkoben mit sechs Schweinen und ein Haufen Federn von einem gerupften Huhn befanden. Die Federn erinnerten Vater Hobbe daran, dass es der Tag des heiligen Gallus war, und er erzählte Eleanor die Geschichte, wie der Heilige eines Winterabends nach Hause gekommen war und dort einen Bären vorgefunden hatte, der gerade sein Abendessen stibitzen wollte. «Da hat er mächtig mit dem Bären geschimpft!», sagte Vater Hobbe. «Er hat ihm ordentlich den Marsch geblasen, und dann hat er ihn losgeschickt, Feuerholz zu holen.»
«Davon habe ich mal ein Bild gesehen», sagte Eleanor in ihrem gebrochenen Englisch. «Ist der Bär nicht sein Diener geworden?»
«Ja, aber nur, weil Gallus ein Heiliger war», erklärte Vater Hobbe. «Schließlich sammelt ein Bär ja nicht für jeden Dahergelaufenen Feuerholz. Nur für einen Heiligen.»
«Den Schutzheiligen der Hennen», ergänzte Thomas. Er wusste alles über die Heiligen, mehr sogar als Vater Hobbe. «Wozu braucht eine Henne wohl einen Schutzheiligen?», fragte er spöttisch.
«Gallus ist der Schutzheilige der Hennen?», fragte Eleanor verwirrt. «Nicht der der Bären?»
«Nein, der der Hennen», bestätigte Vater Hobbe. «Genau genommen ist er für das gesamte Geflügel zuständig.» «Aber warum?»
«Weil er einmal ein junges Mädchen von einem bösen Geist befreit hat.» Vater Hobbe stammte aus einfachen Verhältnissen, war klein und drahtig und hatte einen unbezähmbaren Wust schwarzer Haare. Er liebte es, Geschichten von Heiligen zu erzählen. «Ein ganzer Haufen Bischöfe hatte versucht, den Dämon auszutreiben, aber keinem war es gelungen. Dann kam der heilige Gallus vorbei und verfluchte den Dämon. Jawohl, er verfluchte ihn! Da stieß der böse Geist einen schauerlichen Schrei aus und floh aus dem Körper des Mädchens, und er sah aus wie eine Henne, eine schwarze Henne.»
«Davon habe ich noch nie ein Bild gesehen. Aber ich würde gerne mal einen echten Bären sehen, der Feuerholz sammelt», sagte Eleanor lächelnd.
Thomas setzte sich neben sie und blickte hinaus in die Dämmerung. Es hatte aufgehört zu regnen, und ein leichter Nebel lag über dem Land. Er war nicht sicher, ob es wirklich der Tag des heiligen Gallus war; während ihrer Reise hatte er das Zeitgefühl verloren. Vielleicht war es schon der Tag der heiligen Audrey? Es war Oktober, so viel wusste er, und man schrieb das Jahr 1346 nach Christi Geburt, aber er konnte nicht genau sagen, welcher Tag heute war. Man verlor so leicht den Überblick. Sein Vater hatte ihm einmal alle Sonntage im Kirchenjahr aufgezählt, und Thomas hatte sie am nächsten Tag wiederholen müssen. Verstohlen bekreuzigte er sich. Er war der Bastard eines Priesters, und das brachte angeblich Unglück. Ein Schauer überlief ihn. Es lag eine Schwere in der Luft, die nichts mit dem hereinbrechenden Abend, den Regenwolken und dem Nebel zu tun hatte. Gott stehe uns bei, dachte er, diese Dämmerung verheißt nichts Gutes. Er bekreuzigte sich erneut und sprach ein stilles Gebet zum heiligen Gallus und seinem gehorsamen Bären. In London hatten sie einen Tanzbären gesehen; statt Zähnen hatte er nur noch verfaulte, gelbliche Stümpfe im Maul gehabt, und sein braunes Fell war vom Stachelstock des Besitzers ganz blutverklebt gewesen. Die Straßenköter hatten ihn angeknurrt, waren um ihn herumgestrichen und nur zurückgewichen, wenn er mit seinen Tatzen nach ihnen schlug.
«Wann sind wir denn in Durham?», fragte Eleanor.
«Morgen, schätze ich», sagte Thomas, den Blick noch immer nach draußen gerichtet, wo die lastende Dunkelheit sich über das Land ausbreitete. «Morgen kannst du dich ausruhen.» Sie erwartete ein Kind, das mit Gottes Hilfe im Frühjahr zur Welt kommen würde. Thomas wusste noch nicht so recht, was er davon halten sollte, dass er Vater wurde. Es schien ihm noch zu früh für eine solche Verantwortung, aber Eleanor war glücklich, und weil er ihr gerne eine Freude machte, sagte er ihr, er sei ebenfalls glücklich. Manchmal stimmte das sogar.
«Und morgen werden wir unsere Antworten bekommen», sagte Vater Hobbe.
«Morgen werden wir unsere Fragen stellen», berichtigte ihn Thomas.
«Gott führt uns nicht den weiten Weg hierher, um uns dann im Stich zu lassen», sagte Vater Hobbe bestimmt, und um jeden weiteren Widerspruch von Thomas zu unterbinden, machte er sich daran, ihr mageres Abendessen auszupacken. «Das ist alles, was vom Brot noch übrig ist. Und wir sollten etwas Käse und einen Apfel für das Frühstück aufheben.» Er schlug das Kreuz über dem Essen, um es zu segnen, und brach das harte Brot in drei Stücke. «Lasst uns essen, bevor wir nichts mehr sehen.»
Mit der Dunkelheit kam eine durchdringende Kälte. Ein kurzer Schauer zog vorbei, dann erstarb der Wind. Thomas schlief direkt neben der Stalltür, und kurz nachdem der Wind nachgelassen hatte, weckte ihn ein Lichtschein am nördlichen Himmel.
Er setzte sich auf, und schlagartig waren die Kälte, der Hunger und all die lästigen kleinen Unannehmlichkeiten des Lebens vergessen, denn er sah den Gral. Den Heiligen Gral, das Kostbarste, was der Heiland den Menschen hinterlassen hatte. Seit über tausend Jahren galt er als verloren, und nun sah Thomas ihn am Himmel leuchten, blutrot und umgeben von einem gleißenden Strahlenkranz, wie die Krone eines Heiligen.
Thomas wollte nicht länger zweifeln. Er wollte, dass der Gral existierte. Denn wenn der Gral zu den Menschen zurückkehrte, würde er alles Übel der Welt in seinen Tiefen verschwinden lassen. Er sehnte sich so sehr danach zu glauben, und in dieser Oktobernacht erblickt er den Gral als einen gewaltigen brennenden Kelch am Himmel. Seine Augen füllten sich mit Tränen, sodass das Bild verschwamm, doch er konnte es noch immer sehen, und ihm war, als stiege Dampf von dem heiligen Gefäß auf. Dahinter schienen Scharen von Engeln bis zum Firmament hinaufzuschweben, die Flügel von Flammen umkränzt. Der ganze Nordhimmel war in Rauch und Gold und Rot getaucht und leuchtete in der Nacht, wie ein Zeichen für den ungläubigen Thomas. «O Herr», entfuhr es ihm, und er schlug seine Decke zurück und kniete sich in den kalten Stalleingang. «O Herr.»
«Thomas?» Eleanor, die neben ihm geschlafen hatte, war aufgewacht. Sie setzte sich ebenfalls auf und blickte hinaus. «Feuer», sagte sie. «Da muss ein großer Brand sein.»
«Feuer?», fragte Thomas verwirrt. Dann tauchte er aus seinem ergriffenen Staunen auf und sah, dass in der Tat am Horizont ein gewaltiges Feuer brannte, dessen aufzüngelnde Flammen eine kelchförmige Lücke in den Wolken beleuchteten.
«Da muss eine Armee sein», flüsterte Eleanor. «Sieh nur!» Sie deutete auf ein weiteres Glühen in der Ferne. Sie kannten dieses Leuchten aus Frankreich, wo die englische Armee sich plündernd und brandschatzend durch die Normandie und die Pikardie gewälzt hatte.
Von Enttäuschung erfüllt, starrte Thomas den Himmel an. Ein Feuer? Nicht der Gral?
«Was ist los, Thomas?», fragte Eleanor besorgt.
«Es sind nur Kriegsgerüchte», murmelte er. Er war der Bastard eines Priesters und als solcher mit der Heiligen Schrift aufgewachsen, und im Matthäusevangelium hieß es, wenn das Ende der Zeit nahe, werde es Kriege und Kriegsgerüchte geben, und die Welt werde in einem Mahlstrom aus Gräuel und Verwüstung untergehen. Im letzten Dorf, wo die Leute ihnen voller Misstrauen begegnet waren, hatte ein mürrischer Priester sie als schottische Spione beschimpft. Vater Hobbe war wütend geworden und hatte seinem Bruder im Herrn gedroht, ihm eine Ohrfeige zu verpassen, doch Thomas hatte die beiden Kampfhähne beruhigt und dann mit einem Schafhirten gesprochen, der ihm berichtete, er habe über den Hügeln im Norden Rauch gesehen. Die Schotten marschierten nach Süden, hatte er gesagt. Die Frau des Priesters hatte darüber jedoch nur spöttisch gelacht. «Die schottischen Soldaten sind nichts weiter als Viehdiebe. Verriegelt nachts eure Tür, dann lassen sie euch in Ruhe.»
Das Licht am Horizont verblasste. Es war nicht der Gral.
«Was ist mit dir?», fragte Eleanor erneut.
«Nichts», sagte er. «Ich habe nur geträumt.»
Sie berührte ihn sanft am Arm. «Werden wir heiraten?»
«Ja, in Durham», versprach er ihr. Er war ein Bastard, und er wollte nicht, dass sein Kind denselben Makel trug. «Morgen erreichen wir die Stadt, und dort lassen wir uns in einer Kirche trauen, und danach stellen wir unsere Fragen.» Und hoffentlich lautet eine der Antworten, dass der Gral doch nicht existiert, ergänzte Thomas im Stillen. Hoffentlich ist er nur ein Traum, ein Spiel von Feuer und Wolken am Nachthimmel. Denn sonst, so fürchtete er, würde ihn womöglich noch der Wahnsinn packen. Er wollte seine Suche nicht mehr fortführen; er wollte den Gral aus seinem Leben streichen und nur noch das sein, was er bisher gewesen war: ein englischer Bogenschütze.
Bernard de Taillebourg, französischer Dominikanermönch und Inquisitor, verbrachte die Herbstnacht in einem Schweinestall, und als der Morgen mit dichtem weißem Nebel her-anbrach, kniete er nieder und dankte Gott für das Privileg, in fauligem Stroh schlafen zu dürfen. Dann sprach er eingedenk seiner wichtigen Aufgabe ein Gebet an St. Dominikus und bat den Heiligen, sich bei Gott für ihn einzusetzen, auf dass seine Arbeit Früchte trage. «Wie die Flamme in deinem Munde uns zur Wahrheit führt», sagte er laut, «so möge sie uns auch den Weg zum Erfolg weisen.» Von Inbrunst ergriffen, wiegte er sich vor und zurück und schlug dabei mit der Stirn gegen einen rauen Steinpfeiler, der einen Teil des Stalldaches stützte. Schmerz durchzuckte seinen Schädel, und er verstärkte ihn, indem er seine Stirn erneut gegen den Stein presste und mit der Haut darüberschabte, bis er spürte, wie ihm das Blut über die Nase lief. «Heiliger Dominikus!», rief er ekstatisch, «Gott sei gedankt für deine Herrlichkeit! Weise uns den Weg!» Das Blut hatte jetzt seine Lippen erreicht. Er leckte es auf und dachte an all die Schmerzen, die die Heiligen und Märtyrer für die Kirche erduldet hatten. Seine Hände waren gefaltet, und auf seinem ausgemergelten Gesicht lag ein Lächeln.
Die Soldaten, die in der Nacht zuvor den größten Teil des Dorfes niedergebrannt, die Frauen, die nicht rechtzeitig geflohen waren, vergewaltigt und die Männer, die die Frauen zu beschützen versuchten, getötet hatten, sahen zu, wie der Priester immer wieder den Kopf gegen den blutbeschmierten Stein schlug. «Dominikus», hauchte Bernard de Taillebourg, «o Dominikus!» Einige Soldaten bekreuzigten sich, denn der Mönch musste wahrhaft ein heiliger Mann sein. Ein paar knieten sogar nieder, obwohl das in einem Kettenpanzer ziemlich unbequem war, doch die meisten betrachteten den Priester nur argwöhnisch oder sahen zu seinem Diener hinüber, der draußen vor dem Stall saß und ihre Blicke unverwandt erwiderte.
Der Diener war, ebenso wie Bernard de Taillebourg, Franzose, aber die äußere Erscheinung des jungen Mannes ließ auf eine exotischere Herkunft schließen. Er hatte oliv getönte Haut, und sein langes, glattes Haar war schwarz, was ihm, zusammen mit dem schmalen Gesicht, etwas Wildes gab. Er trug ein Kettenhemd und ein Schwert, und obwohl er nur der Diener eines Priesters war, strahlte er Selbstvertrauen und Würde aus. Seine Kleidung war elegant, was in dieser zerlumpten Armee ziemlich herausstach. Niemand kannte seinen Namen. Aber es mochte ihn auch niemand danach fragen, so wie niemand fragte, warum er nie mit den anderen aß oder plauderte, sondern sich stets von allen fernhielt. Jetzt saß der geheimnisvolle Diener da und beobachtete die Soldaten. In seiner linken Hand hielt er ein Messer mit einer sehr langen, schmalen Klinge, und als genug Männer zu ihm herüberschauten, balancierte er es mit der Spitze nach unten auf seiner Fingerkuppe. Die Haut war durch das abgeschnittene Stück eines Kettenhandschuhs geschützt, das er wie eine Schwertscheide darübergezogen hatte. Dann ließ er den Finger nach oben schnellen, und das Messer wirbelte mit blitzender Klinge durch die Luft, überschlug sich und landete erneut auf seinem Finger, wiederum mit der Spitze nach unten. Bei alldem hatte der Diener den Blick seiner dunklen Augen nicht eine Sekunde von den Soldaten abgewendet. Der Priester bemerkte von dieser Vorführung nichts, sondern betete weiter voller Inbrunst, die Wangen blutüberströmt. «Dominikus! Dominikus! Weise uns den Weg!» Das Messer schlug wieder einen Salto, und die Klinge funkelte im milchigen Licht des Nebelmorgens. «Dominikus! Führe uns! Führe uns!»
«Auf die Pferde! Los, bewegt euch!» Ein grauhaariger Mann mit einem riesigen Schild über der linken Schulter schob sich durch die Menge. «Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit! Was glotzt ihr denn so dämlich? Jesus, Maria und Josef, wir sind hier doch nicht auf dem Jahrmarkt! Los, verdammt noch mal, bewegt eure lahmen Ärsche!» Der Schild an seiner Schulter trug das Abzeichen eines roten Herzens, aber die Farbe war so verblichen und der Lederbezug so vernarbt, dass es kaum noch zu erkennen war. «Gütiger Jesus!» Der Mann hatte den Dominikaner und seinen Diener entdeckt. «Vater! Wir gehen jetzt. Jetzt sofort! Und ich warte nicht wegen irgendwelcher Gebete.» Er wandte sich wieder zu seinen Männern. «Aufsitzen! Und zwar ein bisschen plötzlich! Wir haben unser Teufelswerk zu tun!»
«Douglas!», herrschte ihn der Dominikaner an.
Der Grauhaarige fuhr herum. « Mein Name ist Sir William, Priester, und Ihr tätet gut daran, es nicht zu vergessen.»
Der Mönch blinzelte. Einen Moment wirkte er verwirrt, als sei er noch in der Ekstase seines von Schmerzen angefeuerten Gebets gefangen, dann verneigte er sich kurz, als Zeichen, dass er seinen Fehler einsah. «Ich sprach gerade mit dem heiligen Dominikus», erklärte er.
«Nun, dann hoffe ich, Ihr habt ihn gebeten, diesen verfluchten Nebel verschwinden zu lassen.»
«Er wird uns heute führen! Er wird uns führen!»
«Dann sollte er zusehen, dass er in Gang kommt», knurrte Sir William Douglas, Ritter von Liddesdale, «denn wir machen uns jetzt auf den Weg, ob Euer Heiliger bereit ist oder nicht.» Sir Williams Kettenhemd war von zahllosen Schlachten zerrissen und mit neueren Ringen geflickt, und am Saum und an den Ellbogen zeigte sich Rost. Sein Gesicht war ebenso vernarbt wie sein verblichener Schild. Er war jetzt sechsundvierzig und hatte wohl für jedes seiner Jahre, die sein Haar und seinen Bart grau gefärbt hatten, eine Schwert-, Pfeil- oder Speernarbe am Körper. Er betrat den stinkenden Schweinestall. «Schwingt die Haxen, Vater. Ich habe ein Pferd für Euch.»
«Ich werde zu Fuß gehen», erwiderte Bernard de Taillebourg und griff nach einem kräftigen Wanderstab, durch dessen Spitze eine lederne Peitsche geschlungen war. «Wie auch unser Herr zu Fuß gegangen ist.»
«Damit Ihr bei den Flussdurchquerungen keine nassen Füße kriegt, was?», spottete Sir William. «Ihr werdet über das Wasser gehen, nicht wahr, Vater? Ihr und Euer Diener.» Er schien als Einziger weder Ehrfurcht vor dem Priester noch Angst vor dem gutbewaffneten Diener zu haben, aber schließlich war Sir William Douglas berühmt dafür, dass er vor niemandem Angst hatte. Er war ein Clanführer von der Grenze, der Mord, Feuer, Schwert und Lanze einsetzte, um sein Land zu verteidigen, und so ein überkandidelter Priester aus Paris konnte ihn nicht beeindrucken. Überhaupt hatte Sir William nicht viel für Priester übrig, aber sein König hatte ihm befohlen, Bernard de Taillebourg bei dem heutigen Beutezug mitzunehmen, und Sir William hatte widerstrebend eingewilligt.
Überall um ihn herum schwangen sich Soldaten in die Sättel. Sie waren nur leicht bewaffnet, da sie nicht damit rechneten, auf Feinde zu treffen. Ein paar trugen Schilde, wie Sir William, aber den meisten genügte ein Schwert. Bernard de Taillebourg lief in seiner feuchten und schlammbespritzten Mönchskutte neben Sir William her. «Werdet Ihr in die Stadt reiten?»
«Natürlich nicht. Es herrscht Waffenruhe, schon vergessen?»
«Aber -»
«Und wenn Waffenruhe herrscht, dann halten wir uns daran.»
«Es wird also nicht zum Kampf kommen?»
«Nein, nicht zwischen uns und der Stadt. Und da es im Umkreis von hundert Meilen keine englische Armee gibt, gibt es auch keinen Grund zu kämpfen. Wir suchen nach Nahrung, Vater, Nahrung für uns und die Tiere, sonst nichts. Nur mit wohlgenährten Männern und Pferden kann man Kriege gewinnen.» Während er sprach, stieg Sir William auf sein Pferd, das von einem Knappen gehalten wurde. Er schob die Füße in die Steigbügel, zog den Lendenschutz des Kettenpanzers unter seinem Hintern hervor und nahm die Zügel auf. «Ich bringe Euch in die Nähe der Stadt, aber danach seid Ihr auf Euch selbst gestellt.»
Damit wendete Sir William sein Pferd und trieb es auf einen matschigen Weg, der zwischen zwei niedrigen Steinmauern entlangführte. Zweihundert berittene Soldaten folgten ihm in den nebligen Morgen, und der Priester, der zwischen den mächtigen, schmutzigen Pferden hin und her geschubst wurde, hatte Mühe, mit ihnen Schritt zu halten. Der Diener folgte ihm mit unbekümmerter Miene. Offensichtlich war er es gewohnt, unter Soldaten zu sein, denn er zeigte keinerlei Furcht, im Gegenteil, sein Verhalten ließ erahnen, dass er mit seinen Waffen vermutlich geschickter umzugehen wusste als ein Großteil der Männer, die hinter Sir William ritten.
...
Copyright © 2012 by Rowohlt Verlag GmbH
Es war Oktober, die Zeit, in der das Jahr sich dem Ende zuneigt, das Vieh für den Winter geschlachtet wird und der Nordwind den ersten Frost ankündigt. Die Blätter der Kastanien leuchteten golden, die Buchen schienen in Flammen zu stehen, und die Eichen schimmerten wie Bronze. Es dunkelte bereits, als Thomas von Hookton, seine Gefährtin Eleanor und sein Freund, Vater Hobbe, den Bauernhof im Hochland erreichten. Der Bauer weigerte sich, die Tür zu öffnen, rief ihnen jedoch von drinnen zu, sie könnten im Stall schlafen. Regen prasselte auf das modrige Strohdach. Thomas führte ihr einziges Pferd in den Stall, in dem sich ein Stapel Brennholz, ein solider Holzkoben mit sechs Schweinen und ein Haufen Federn von einem gerupften Huhn befanden. Die Federn erinnerten Vater Hobbe daran, dass es der Tag des heiligen Gallus war, und er erzählte Eleanor die Geschichte, wie der Heilige eines Winterabends nach Hause gekommen war und dort einen Bären vorgefunden hatte, der gerade sein Abendessen stibitzen wollte. «Da hat er mächtig mit dem Bären geschimpft!», sagte Vater Hobbe. «Er hat ihm ordentlich den Marsch geblasen, und dann hat er ihn losgeschickt, Feuerholz zu holen.»
«Davon habe ich mal ein Bild gesehen», sagte Eleanor in ihrem gebrochenen Englisch. «Ist der Bär nicht sein Diener geworden?»
«Ja, aber nur, weil Gallus ein Heiliger war», erklärte Vater Hobbe. «Schließlich sammelt ein Bär ja nicht für jeden Dahergelaufenen Feuerholz. Nur für einen Heiligen.»
«Den Schutzheiligen der Hennen», ergänzte Thomas. Er wusste alles über die Heiligen, mehr sogar als Vater Hobbe. «Wozu braucht eine Henne wohl einen Schutzheiligen?», fragte er spöttisch.
«Gallus ist der Schutzheilige der Hennen?», fragte Eleanor verwirrt. «Nicht der der Bären?»
«Nein, der der Hennen», bestätigte Vater Hobbe. «Genau genommen ist er für das gesamte Geflügel zuständig.» «Aber warum?»
«Weil er einmal ein junges Mädchen von einem bösen Geist befreit hat.» Vater Hobbe stammte aus einfachen Verhältnissen, war klein und drahtig und hatte einen unbezähmbaren Wust schwarzer Haare. Er liebte es, Geschichten von Heiligen zu erzählen. «Ein ganzer Haufen Bischöfe hatte versucht, den Dämon auszutreiben, aber keinem war es gelungen. Dann kam der heilige Gallus vorbei und verfluchte den Dämon. Jawohl, er verfluchte ihn! Da stieß der böse Geist einen schauerlichen Schrei aus und floh aus dem Körper des Mädchens, und er sah aus wie eine Henne, eine schwarze Henne.»
«Davon habe ich noch nie ein Bild gesehen. Aber ich würde gerne mal einen echten Bären sehen, der Feuerholz sammelt», sagte Eleanor lächelnd.
Thomas setzte sich neben sie und blickte hinaus in die Dämmerung. Es hatte aufgehört zu regnen, und ein leichter Nebel lag über dem Land. Er war nicht sicher, ob es wirklich der Tag des heiligen Gallus war; während ihrer Reise hatte er das Zeitgefühl verloren. Vielleicht war es schon der Tag der heiligen Audrey? Es war Oktober, so viel wusste er, und man schrieb das Jahr 1346 nach Christi Geburt, aber er konnte nicht genau sagen, welcher Tag heute war. Man verlor so leicht den Überblick. Sein Vater hatte ihm einmal alle Sonntage im Kirchenjahr aufgezählt, und Thomas hatte sie am nächsten Tag wiederholen müssen. Verstohlen bekreuzigte er sich. Er war der Bastard eines Priesters, und das brachte angeblich Unglück. Ein Schauer überlief ihn. Es lag eine Schwere in der Luft, die nichts mit dem hereinbrechenden Abend, den Regenwolken und dem Nebel zu tun hatte. Gott stehe uns bei, dachte er, diese Dämmerung verheißt nichts Gutes. Er bekreuzigte sich erneut und sprach ein stilles Gebet zum heiligen Gallus und seinem gehorsamen Bären. In London hatten sie einen Tanzbären gesehen; statt Zähnen hatte er nur noch verfaulte, gelbliche Stümpfe im Maul gehabt, und sein braunes Fell war vom Stachelstock des Besitzers ganz blutverklebt gewesen. Die Straßenköter hatten ihn angeknurrt, waren um ihn herumgestrichen und nur zurückgewichen, wenn er mit seinen Tatzen nach ihnen schlug.
«Wann sind wir denn in Durham?», fragte Eleanor.
«Morgen, schätze ich», sagte Thomas, den Blick noch immer nach draußen gerichtet, wo die lastende Dunkelheit sich über das Land ausbreitete. «Morgen kannst du dich ausruhen.» Sie erwartete ein Kind, das mit Gottes Hilfe im Frühjahr zur Welt kommen würde. Thomas wusste noch nicht so recht, was er davon halten sollte, dass er Vater wurde. Es schien ihm noch zu früh für eine solche Verantwortung, aber Eleanor war glücklich, und weil er ihr gerne eine Freude machte, sagte er ihr, er sei ebenfalls glücklich. Manchmal stimmte das sogar.
«Und morgen werden wir unsere Antworten bekommen», sagte Vater Hobbe.
«Morgen werden wir unsere Fragen stellen», berichtigte ihn Thomas.
«Gott führt uns nicht den weiten Weg hierher, um uns dann im Stich zu lassen», sagte Vater Hobbe bestimmt, und um jeden weiteren Widerspruch von Thomas zu unterbinden, machte er sich daran, ihr mageres Abendessen auszupacken. «Das ist alles, was vom Brot noch übrig ist. Und wir sollten etwas Käse und einen Apfel für das Frühstück aufheben.» Er schlug das Kreuz über dem Essen, um es zu segnen, und brach das harte Brot in drei Stücke. «Lasst uns essen, bevor wir nichts mehr sehen.»
Mit der Dunkelheit kam eine durchdringende Kälte. Ein kurzer Schauer zog vorbei, dann erstarb der Wind. Thomas schlief direkt neben der Stalltür, und kurz nachdem der Wind nachgelassen hatte, weckte ihn ein Lichtschein am nördlichen Himmel.
Er setzte sich auf, und schlagartig waren die Kälte, der Hunger und all die lästigen kleinen Unannehmlichkeiten des Lebens vergessen, denn er sah den Gral. Den Heiligen Gral, das Kostbarste, was der Heiland den Menschen hinterlassen hatte. Seit über tausend Jahren galt er als verloren, und nun sah Thomas ihn am Himmel leuchten, blutrot und umgeben von einem gleißenden Strahlenkranz, wie die Krone eines Heiligen.
Thomas wollte nicht länger zweifeln. Er wollte, dass der Gral existierte. Denn wenn der Gral zu den Menschen zurückkehrte, würde er alles Übel der Welt in seinen Tiefen verschwinden lassen. Er sehnte sich so sehr danach zu glauben, und in dieser Oktobernacht erblickt er den Gral als einen gewaltigen brennenden Kelch am Himmel. Seine Augen füllten sich mit Tränen, sodass das Bild verschwamm, doch er konnte es noch immer sehen, und ihm war, als stiege Dampf von dem heiligen Gefäß auf. Dahinter schienen Scharen von Engeln bis zum Firmament hinaufzuschweben, die Flügel von Flammen umkränzt. Der ganze Nordhimmel war in Rauch und Gold und Rot getaucht und leuchtete in der Nacht, wie ein Zeichen für den ungläubigen Thomas. «O Herr», entfuhr es ihm, und er schlug seine Decke zurück und kniete sich in den kalten Stalleingang. «O Herr.»
«Thomas?» Eleanor, die neben ihm geschlafen hatte, war aufgewacht. Sie setzte sich ebenfalls auf und blickte hinaus. «Feuer», sagte sie. «Da muss ein großer Brand sein.»
«Feuer?», fragte Thomas verwirrt. Dann tauchte er aus seinem ergriffenen Staunen auf und sah, dass in der Tat am Horizont ein gewaltiges Feuer brannte, dessen aufzüngelnde Flammen eine kelchförmige Lücke in den Wolken beleuchteten.
«Da muss eine Armee sein», flüsterte Eleanor. «Sieh nur!» Sie deutete auf ein weiteres Glühen in der Ferne. Sie kannten dieses Leuchten aus Frankreich, wo die englische Armee sich plündernd und brandschatzend durch die Normandie und die Pikardie gewälzt hatte.
Von Enttäuschung erfüllt, starrte Thomas den Himmel an. Ein Feuer? Nicht der Gral?
«Was ist los, Thomas?», fragte Eleanor besorgt.
«Es sind nur Kriegsgerüchte», murmelte er. Er war der Bastard eines Priesters und als solcher mit der Heiligen Schrift aufgewachsen, und im Matthäusevangelium hieß es, wenn das Ende der Zeit nahe, werde es Kriege und Kriegsgerüchte geben, und die Welt werde in einem Mahlstrom aus Gräuel und Verwüstung untergehen. Im letzten Dorf, wo die Leute ihnen voller Misstrauen begegnet waren, hatte ein mürrischer Priester sie als schottische Spione beschimpft. Vater Hobbe war wütend geworden und hatte seinem Bruder im Herrn gedroht, ihm eine Ohrfeige zu verpassen, doch Thomas hatte die beiden Kampfhähne beruhigt und dann mit einem Schafhirten gesprochen, der ihm berichtete, er habe über den Hügeln im Norden Rauch gesehen. Die Schotten marschierten nach Süden, hatte er gesagt. Die Frau des Priesters hatte darüber jedoch nur spöttisch gelacht. «Die schottischen Soldaten sind nichts weiter als Viehdiebe. Verriegelt nachts eure Tür, dann lassen sie euch in Ruhe.»
Das Licht am Horizont verblasste. Es war nicht der Gral.
«Was ist mit dir?», fragte Eleanor erneut.
«Nichts», sagte er. «Ich habe nur geträumt.»
Sie berührte ihn sanft am Arm. «Werden wir heiraten?»
«Ja, in Durham», versprach er ihr. Er war ein Bastard, und er wollte nicht, dass sein Kind denselben Makel trug. «Morgen erreichen wir die Stadt, und dort lassen wir uns in einer Kirche trauen, und danach stellen wir unsere Fragen.» Und hoffentlich lautet eine der Antworten, dass der Gral doch nicht existiert, ergänzte Thomas im Stillen. Hoffentlich ist er nur ein Traum, ein Spiel von Feuer und Wolken am Nachthimmel. Denn sonst, so fürchtete er, würde ihn womöglich noch der Wahnsinn packen. Er wollte seine Suche nicht mehr fortführen; er wollte den Gral aus seinem Leben streichen und nur noch das sein, was er bisher gewesen war: ein englischer Bogenschütze.
Bernard de Taillebourg, französischer Dominikanermönch und Inquisitor, verbrachte die Herbstnacht in einem Schweinestall, und als der Morgen mit dichtem weißem Nebel her-anbrach, kniete er nieder und dankte Gott für das Privileg, in fauligem Stroh schlafen zu dürfen. Dann sprach er eingedenk seiner wichtigen Aufgabe ein Gebet an St. Dominikus und bat den Heiligen, sich bei Gott für ihn einzusetzen, auf dass seine Arbeit Früchte trage. «Wie die Flamme in deinem Munde uns zur Wahrheit führt», sagte er laut, «so möge sie uns auch den Weg zum Erfolg weisen.» Von Inbrunst ergriffen, wiegte er sich vor und zurück und schlug dabei mit der Stirn gegen einen rauen Steinpfeiler, der einen Teil des Stalldaches stützte. Schmerz durchzuckte seinen Schädel, und er verstärkte ihn, indem er seine Stirn erneut gegen den Stein presste und mit der Haut darüberschabte, bis er spürte, wie ihm das Blut über die Nase lief. «Heiliger Dominikus!», rief er ekstatisch, «Gott sei gedankt für deine Herrlichkeit! Weise uns den Weg!» Das Blut hatte jetzt seine Lippen erreicht. Er leckte es auf und dachte an all die Schmerzen, die die Heiligen und Märtyrer für die Kirche erduldet hatten. Seine Hände waren gefaltet, und auf seinem ausgemergelten Gesicht lag ein Lächeln.
Die Soldaten, die in der Nacht zuvor den größten Teil des Dorfes niedergebrannt, die Frauen, die nicht rechtzeitig geflohen waren, vergewaltigt und die Männer, die die Frauen zu beschützen versuchten, getötet hatten, sahen zu, wie der Priester immer wieder den Kopf gegen den blutbeschmierten Stein schlug. «Dominikus», hauchte Bernard de Taillebourg, «o Dominikus!» Einige Soldaten bekreuzigten sich, denn der Mönch musste wahrhaft ein heiliger Mann sein. Ein paar knieten sogar nieder, obwohl das in einem Kettenpanzer ziemlich unbequem war, doch die meisten betrachteten den Priester nur argwöhnisch oder sahen zu seinem Diener hinüber, der draußen vor dem Stall saß und ihre Blicke unverwandt erwiderte.
Der Diener war, ebenso wie Bernard de Taillebourg, Franzose, aber die äußere Erscheinung des jungen Mannes ließ auf eine exotischere Herkunft schließen. Er hatte oliv getönte Haut, und sein langes, glattes Haar war schwarz, was ihm, zusammen mit dem schmalen Gesicht, etwas Wildes gab. Er trug ein Kettenhemd und ein Schwert, und obwohl er nur der Diener eines Priesters war, strahlte er Selbstvertrauen und Würde aus. Seine Kleidung war elegant, was in dieser zerlumpten Armee ziemlich herausstach. Niemand kannte seinen Namen. Aber es mochte ihn auch niemand danach fragen, so wie niemand fragte, warum er nie mit den anderen aß oder plauderte, sondern sich stets von allen fernhielt. Jetzt saß der geheimnisvolle Diener da und beobachtete die Soldaten. In seiner linken Hand hielt er ein Messer mit einer sehr langen, schmalen Klinge, und als genug Männer zu ihm herüberschauten, balancierte er es mit der Spitze nach unten auf seiner Fingerkuppe. Die Haut war durch das abgeschnittene Stück eines Kettenhandschuhs geschützt, das er wie eine Schwertscheide darübergezogen hatte. Dann ließ er den Finger nach oben schnellen, und das Messer wirbelte mit blitzender Klinge durch die Luft, überschlug sich und landete erneut auf seinem Finger, wiederum mit der Spitze nach unten. Bei alldem hatte der Diener den Blick seiner dunklen Augen nicht eine Sekunde von den Soldaten abgewendet. Der Priester bemerkte von dieser Vorführung nichts, sondern betete weiter voller Inbrunst, die Wangen blutüberströmt. «Dominikus! Dominikus! Weise uns den Weg!» Das Messer schlug wieder einen Salto, und die Klinge funkelte im milchigen Licht des Nebelmorgens. «Dominikus! Führe uns! Führe uns!»
«Auf die Pferde! Los, bewegt euch!» Ein grauhaariger Mann mit einem riesigen Schild über der linken Schulter schob sich durch die Menge. «Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit! Was glotzt ihr denn so dämlich? Jesus, Maria und Josef, wir sind hier doch nicht auf dem Jahrmarkt! Los, verdammt noch mal, bewegt eure lahmen Ärsche!» Der Schild an seiner Schulter trug das Abzeichen eines roten Herzens, aber die Farbe war so verblichen und der Lederbezug so vernarbt, dass es kaum noch zu erkennen war. «Gütiger Jesus!» Der Mann hatte den Dominikaner und seinen Diener entdeckt. «Vater! Wir gehen jetzt. Jetzt sofort! Und ich warte nicht wegen irgendwelcher Gebete.» Er wandte sich wieder zu seinen Männern. «Aufsitzen! Und zwar ein bisschen plötzlich! Wir haben unser Teufelswerk zu tun!»
«Douglas!», herrschte ihn der Dominikaner an.
Der Grauhaarige fuhr herum. « Mein Name ist Sir William, Priester, und Ihr tätet gut daran, es nicht zu vergessen.»
Der Mönch blinzelte. Einen Moment wirkte er verwirrt, als sei er noch in der Ekstase seines von Schmerzen angefeuerten Gebets gefangen, dann verneigte er sich kurz, als Zeichen, dass er seinen Fehler einsah. «Ich sprach gerade mit dem heiligen Dominikus», erklärte er.
«Nun, dann hoffe ich, Ihr habt ihn gebeten, diesen verfluchten Nebel verschwinden zu lassen.»
«Er wird uns heute führen! Er wird uns führen!»
«Dann sollte er zusehen, dass er in Gang kommt», knurrte Sir William Douglas, Ritter von Liddesdale, «denn wir machen uns jetzt auf den Weg, ob Euer Heiliger bereit ist oder nicht.» Sir Williams Kettenhemd war von zahllosen Schlachten zerrissen und mit neueren Ringen geflickt, und am Saum und an den Ellbogen zeigte sich Rost. Sein Gesicht war ebenso vernarbt wie sein verblichener Schild. Er war jetzt sechsundvierzig und hatte wohl für jedes seiner Jahre, die sein Haar und seinen Bart grau gefärbt hatten, eine Schwert-, Pfeil- oder Speernarbe am Körper. Er betrat den stinkenden Schweinestall. «Schwingt die Haxen, Vater. Ich habe ein Pferd für Euch.»
«Ich werde zu Fuß gehen», erwiderte Bernard de Taillebourg und griff nach einem kräftigen Wanderstab, durch dessen Spitze eine lederne Peitsche geschlungen war. «Wie auch unser Herr zu Fuß gegangen ist.»
«Damit Ihr bei den Flussdurchquerungen keine nassen Füße kriegt, was?», spottete Sir William. «Ihr werdet über das Wasser gehen, nicht wahr, Vater? Ihr und Euer Diener.» Er schien als Einziger weder Ehrfurcht vor dem Priester noch Angst vor dem gutbewaffneten Diener zu haben, aber schließlich war Sir William Douglas berühmt dafür, dass er vor niemandem Angst hatte. Er war ein Clanführer von der Grenze, der Mord, Feuer, Schwert und Lanze einsetzte, um sein Land zu verteidigen, und so ein überkandidelter Priester aus Paris konnte ihn nicht beeindrucken. Überhaupt hatte Sir William nicht viel für Priester übrig, aber sein König hatte ihm befohlen, Bernard de Taillebourg bei dem heutigen Beutezug mitzunehmen, und Sir William hatte widerstrebend eingewilligt.
Überall um ihn herum schwangen sich Soldaten in die Sättel. Sie waren nur leicht bewaffnet, da sie nicht damit rechneten, auf Feinde zu treffen. Ein paar trugen Schilde, wie Sir William, aber den meisten genügte ein Schwert. Bernard de Taillebourg lief in seiner feuchten und schlammbespritzten Mönchskutte neben Sir William her. «Werdet Ihr in die Stadt reiten?»
«Natürlich nicht. Es herrscht Waffenruhe, schon vergessen?»
«Aber -»
«Und wenn Waffenruhe herrscht, dann halten wir uns daran.»
«Es wird also nicht zum Kampf kommen?»
«Nein, nicht zwischen uns und der Stadt. Und da es im Umkreis von hundert Meilen keine englische Armee gibt, gibt es auch keinen Grund zu kämpfen. Wir suchen nach Nahrung, Vater, Nahrung für uns und die Tiere, sonst nichts. Nur mit wohlgenährten Männern und Pferden kann man Kriege gewinnen.» Während er sprach, stieg Sir William auf sein Pferd, das von einem Knappen gehalten wurde. Er schob die Füße in die Steigbügel, zog den Lendenschutz des Kettenpanzers unter seinem Hintern hervor und nahm die Zügel auf. «Ich bringe Euch in die Nähe der Stadt, aber danach seid Ihr auf Euch selbst gestellt.»
Damit wendete Sir William sein Pferd und trieb es auf einen matschigen Weg, der zwischen zwei niedrigen Steinmauern entlangführte. Zweihundert berittene Soldaten folgten ihm in den nebligen Morgen, und der Priester, der zwischen den mächtigen, schmutzigen Pferden hin und her geschubst wurde, hatte Mühe, mit ihnen Schritt zu halten. Der Diener folgte ihm mit unbekümmerter Miene. Offensichtlich war er es gewohnt, unter Soldaten zu sein, denn er zeigte keinerlei Furcht, im Gegenteil, sein Verhalten ließ erahnen, dass er mit seinen Waffen vermutlich geschickter umzugehen wusste als ein Großteil der Männer, die hinter Sir William ritten.
...
Copyright © 2012 by Rowohlt Verlag GmbH
... weniger
Autoren-Porträt von Bernard Cornwell
Cornwell, Bernard Bernard Cornwell, geboren 1944 in London und aufgewachsen in Essex, arbeitete nach seinem Geschichtsstudium an der University of London lange als Journalist bei der BBC, wo er das Handwerk der gründlichen Recherche lernte (zuletzt als «Head of Current Affairs» in Nordirland). 1980 heiratete er eine Amerikanerin und lebt seither in Cape Cod und in Charleston/South Carolina. Weil er in den USA zunächst keine Arbeitserlaubnis erhielt, begann er Romane zu schreiben. Im englischen Sprachraum gilt er als unangefochtener König des historischen Abenteuerromans. Seine Werke wurden in über 20 Sprachen übersetzt - Gesamtauflage: mehr als 30 Millionen Exemplare. Die Queen zeichnete ihn mit dem «Order of the British Empire» aus.
Bibliographische Angaben
- Autor: Bernard Cornwell
- 2012, 544 Seiten, Maße: 11,5 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung:Feldmann, Claudia
- Übersetzer: Claudia Feldmann
- Verlag: Rowohlt TB.
- ISBN-10: 349925834X
- ISBN-13: 9783499258343
- Erscheinungsdatum: 23.04.2012
Kommentare zu "Der Wanderer / Die Bücher vom Heiligen Gral Bd.2"
0 Gebrauchte Artikel zu „Der Wanderer / Die Bücher vom Heiligen Gral Bd.2“
Zustand | Preis | Porto | Zahlung | Verkäufer | Rating |
---|
5 von 5 Sternen
5 Sterne 3Schreiben Sie einen Kommentar zu "Der Wanderer / Die Bücher vom Heiligen Gral Bd.2".
Kommentar verfassen