Die Entdeckung des Begehrens
Von der Kunst, unsere Triebe und Neurosen gelassen zu betrachten
Was ist Liebe? Was bestimmt das Verhältnis der Geschlechter? Welche Funktion haben Vater und Mutter? Was ist Lust? Wer ist verrückt, wer normal? In ihrem neuen Buch "Die Entdeckung des Begehrens" zeigt Corinne Maier, wie der französische Psychoguru Jacques...
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Produktinformationen zu „Die Entdeckung des Begehrens “
Was ist Liebe? Was bestimmt das Verhältnis der Geschlechter? Welche Funktion haben Vater und Mutter? Was ist Lust? Wer ist verrückt, wer normal? In ihrem neuen Buch "Die Entdeckung des Begehrens" zeigt Corinne Maier, wie der französische Psychoguru Jacques Lacan Freud`schen Thesen neue Bedeutung verleiht. Eine vergnügliche Reise durch die Welt der Psychoanalyse.
Lese-Probe zu „Die Entdeckung des Begehrens “
"Lacan? Ach ja, Lacan... Dieser Wortverdreher, der immer krumme Zigarren rauchte... Ich habe kein Wort von ihm jemals verstanden. Ein komischer Vogel, oder?", erwiderte mir eines Tages jemand. In der Tat, wirklich eine seltsame Gestalt; zwar habe ich Lacan nie kennen gelernt (als er starb, drückte ich noch die Schulbank des Gymnasiums), dennoch habe ich eine gewisse Vorstellung von ihm. Meine indirekte Beziehung zu ihm (ich habe eine Analyse bei jemand gemacht, der selbst auf der Couch des Meisters lag) erlaubt mir vielleicht, Bewunderung für sein Werk mit kritischer Distanz zu verbinden, zwei Dinge, die oftmals unvereinbar sind.Lacan, der Zwietrachtstifter, hat sein Möglichstes getan, um dieser Epidemie namens Psychoanalyse neuen Aufschwung zu verleihen und um das Profil des Psychoanalytikers, der sich allzu sehr in der Rolle des gesetzten Wohlstandsbürgers gefiel, wieder zu schärfen. Von Anfang an stellte er seine Lehre unter das Postulat einer "Rückkehr zu Freud", dennoch setzte er mit seinem Gedankengebäude in vielerlei Hinsicht neue Maßstäbe. In seinem Streben nach neuen Möglichkeiten versuchte er unaufhörlich, das Korsett der Psychoanalyse mit Hilfe von Kultur zu sprengen. Anders ausgedrückt, dieser Mann stört - durch seine Ansichten und weil er zweimal Ursache für eine Spaltung der psychoanalytischen Gemeinde in Frankreich war. Möglicherweise stört er vor allem die Psychoanalytiker selbst, die sprachlos vor seiner schillernden Lehre stehen und durch die Schockwelle, mit der er den ein wenig verschlafenen Berufsstand überrollt hat, aus dem Gleichgewicht geraten sind. Alle anderen hingegen, die Neugierigen, die ehrbaren Männer (aber auch die ehrbaren Frauen) kommen sich zwar in der Begrifflichkeit Lacans ein wenig verloren vor. Dennoch fasziniert sie dieser Meister des unkonventionellen Denkens, der vor nichts Respekt hat.
Bedauerlicherweise ist seine ungeheure Gelehrsamkeit, die er für die Psychoanalyse in seinem als "schwierig" geltenden Werk
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verarbeitet hat, im Begriff, endgültig für die breite Öffentlichkeit verloren zu gehen. Und dies weniger aufgrund der zweifellosen Unzugänglichkeit seines Werks als wegen der wachsenden Sakralisierung, die seine Texte umgibt, und wegen einer Phraseologie, die die entscheidenden Gesichtspunkte seines Werks vernebelt. In einer Zeit, da die "Verzauberten der Psychoanalyse", wie der Psychoanalytiker Serge Leclaire sie nennt, in einer magischen Welt leben und sich in einer Sprache verständigen, die nur sie selbst verstehen, ist es eine Herausforderung geworden, in unserer Alltagssprache über Psychoanalyse zu sprechen. Ist nicht auch die Psychoanalyse zu wichtig, um sie den Psychoanalytikern zu überlassen, so wie der Krieg eine zu ernste Angelegenheit ist, um ihn den Militärs zu überlassen?
Es ist an der Zeit zu reagieren. In einigen Arbeiten, die man gerne zur Kategorie "Popularisierung" rechnet (ein Wort, in dem eine gewisse Herablassung mitschwingt), wurde die Akte Lacan bereits einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Auf diesem Weg wollen wir weiter schreiten. Dieses Buch wendet sich an Leser außerhalb der Universitätsmauern oder der Analytikergruppierungen, es versucht, auf einfache Weise einige Elemente aus Lacans Werk darzustellen und so bei einigen Lesern die Lust zu wecken, einen genaueren Blick darauf zu werfen. Es handelt sich indes nicht darum, sein Werk zu erklären (eine gewaltige Aufgabe, an der sich noch mindestens ein oder zwei Kommentatoren-Generationen die Zähne ausbeißen werden) oder einen Gesamtüberblick zu bieten.
Nach einer kurzen Einführung möchte ich "Persönlichkeiten" vorstellen, die Lacans Werk entnommen sind, und sie im Stil einer Momentaufnahme porträtieren. Denn bei Lacan gibt es schillernde Figuren, den Irren, den Hysteriker, den Helden, den Mystiker, den Heiligen, den Parasiten oder den Reichen, die sehr unterschiedlichen Domänen entspringen, der Psychoanalyse selbstverständlich, aber auch der Kultur, der Geschichte und dem Alltagsleben. Es handelt sich um ein Inventar nach Art von Jacques Prévert, und so treten auch Don Juan, Antigone und die Mutter auf... Manche treten nur kurz in Erscheinung, andere werden mit einer wichtigeren Rolle betraut und spielen so lange, dass sie zu einer Dauereinrichtung werden.
Kurzum, dieser Karnevalszug ist zu buntscheckig, um ernst gemeint zu sein, denn das vordringlichste Ziel unserer "Mythologien à la Lacan" ist die Unterhaltung des Lesers. Die Sprache als Übermittler dieser Bilder soll den Jargon an der Garderobe abgeben und sich um größtmögliche Klarheit und Schnörkellosigkeit bemühen; Lacans Gedanken sollen neu formuliert und im Lichte der heutigen Gesellschaft und Aktualität erklärt werden - vor allem aber sollen Heiterkeit und Leichtigkeit den Leser beflügeln. Im Unterschied zum häufig gewundenen Stil psychoanalytischer Literatur werden wesentliche Fragen, die all diejenigen, die sich auf eine Couch legen, ebenso tief betreffen wie die Psychoanalyse selbst, ohne Umschweife angesprochen. Zu den wichtigsten gehören beispielsweise: Was ist ein Analytiker? Was kann man von einer psychoanalytischen Therapie erwarten? Warum gibt es keine sexuelle Beziehung? Warum sind wir alle krank? Was bedeutet es, eine Frau zu sein? Was ist die Erfüllung von Begehren?
Und nun frohgemut ans Werk, denn wie Lacan selbst schon im Seminar I, Freuds technische Schriften, sagte: Je vergnüglicher eine Psychoanalyse wird, umso mehr ist es wahre Psychoanalyse. Und weil es hier um Schriften geht, findet der Leser am Ende jedes Abschnitts bibliografische Hinweise, die sich auf die behandelten Themen beziehen, ohne Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben.
Jacques Lacan der Unklassifizierbare
Jacques Lacan (1901 - 1981), für die einen ein Genie, für die anderen ein Hochstapler, ist vor allem ein Stil, der zur Legende wurde: ein erstaunlicher Typ, ein wenig dandyhaft, Liebhaber und Sammler bizarrer Kostüme, schöner Autos und wohl auch von Frauen. Lacan verschlug einem die Sprache, und seine Laufbahn spiegelt dies wider: Er war nicht nur Psychoanalytiker, ein bisschen steckte auch vom Philosophen in ihm (weshalb manche ihn als "Denker" bezeichnen), nicht wirklich Schriftsteller, denn er hat erst spät und wenig publiziert (die Schriften sind 1966 erschienen), und nicht wirklich Meister einer Wahrheit, denn seine Lehre ist unaufhörlich im Fluss, sie verändert und entwickelt sich fortwährend.
Jacques Marie Émile Lacan stammt aus einer bürgerlichen Familie aus der Provinz. Er wurde 1901 in eine Kaufmannsfamilie geboren. Er war das älteste von vier Kindern und wird als "launisches und tyrannisches Kind" beschrieben, später als arroganter Jüngling, der "unfähig ist, sein Leben zu organisieren und sich wie die anderen zu benehmen". Das Gleiche hat man auch über Charles de Gaulle gesagt, einen anderen großen Franzosen auf einem ganz anderen Feld.
Ein Essighändler zum Vater, dazu eine traditionelle katholische Erziehung: Man konnte auf das Schlimmste gefasst sein. Doch es kommt anders, der junge Lacan bildet sich. Mit vierzehn entdeckt er Spinoza und verkehrt als Heranwachsender in der Librairie Adrienne Monnier in der Rue de l'Odéon, wo er André Breton und Philippe Soupault trifft und James Joyce den Ulysses vorlesen hört (mit Sicherheit eine außergewöhnliche Erfahrung). Zur gleichen Zeit wie Salvador Dalí arbeitet er für die Zeitschrift Minotaure und begeistert sich für Nietzsche, während er zugleich Medizin studiert. Dann wird Lacan Psychiater, seine Ausbildung erhält er bei Clérambault, einem etwas eigenartigen Mediziner, der verrückt ist nach verschleierten Frauen und nicht wenig Zeit damit zubringt, sie zu fotografieren. Außerdem interessiert sich Lacan für die philosophischen Streitfragen seiner Zeit, er verkehrt mit Alexandre Kojève und Alexandre Koyré, zwei russischen Intellektuellen, die ihn in die Lektüre Hegels und in die Wissenschaftsphilosophie einführen. Lauter klangvolle Namen: Frankreich ist reich an Schöngeistern, auch wenn wir oft nicht recht wissen, was wir mit ihnen anstellen sollen. Kojève, der große Hegel-Kommentator, widmete die zweite Hälfte seines Lebens als Luxusbeamter dem Aufbau Europas (man nennt das einen internationalen Funktionsträger).
Auch bei Jacques Lacan weiß man nicht, was man mit ihm anstellen oder wohin man ihn stecken soll. Fürs Erste allerdings zieht er noch nicht das Interesse seiner Zeit auf sich. In den dreißiger Jahren macht er bei Rudolf Löwenstein eine sechsjährige Analyse, an deren Ende der Analytiker ihn für "nicht analysierbar" erklärt. Was verstand er darunter? Das bleibt ein Rätsel. Dennoch wird der nicht analysierbare Lacan selbst analysieren und Mitglied der Société psychanalytique de Paris werden. Er betritt die Bühne der internationalen Psychoanalyse auf dem Kongress von Marienbad und stellt dort seinen berühmten Text über das "Spiegelstadium" vor. Offenbar hat er das meiste nicht auf der Couch oder von seinesgleichen gelernt, sondern durch eine seiner Patientinnen, "Aimée". Diese faszinierende Paranoikerin, deren Rigorosität er bewundert, wird Gegenstand seiner Doktorarbeit Über die paranoische Psychose und ihre Beziehungen zur Persönlichkeit. Vor allem aber vergöttert Lacan die Verrückten und betrachtet Psychosen aus einem völlig neuen Blickwinkel. Das hat die Zeitung Libération ganz richtig erkannt, als sie am Todestag des Analytikers 1981 mit der Schlagzeile erscheint: "Tout fou Lacan" - Ganz verrückt Lacan.Nach dem Krieg macht Lacan allmählich von sich reden. Er ruft auf zur "Rückkehr zu Freud", auch wenn sein Verhältnis zum Gründervater eine Geschichte verpasster Begegnungen ist: 1932 schickt Lacan ihm seine Doktorarbeit über die Psychosen, deren Empfang Freud durch eine schlichte Postkarte bestätigt; 1938 wird ein Zusammentreffen zwischen dem Wiener und den französischen Psychoanalytikern arrangiert, Lacan wird aber nicht eingeladen. Dafür glückt Lacan die Begegnung mit den Texten Freuds, er liest sie unermüdlich und sagt einmal, er habe versucht, "einen französischen Garten" daraus anzulegen. Sein Ziel war nichts anderes, als aus einem Wiener Gebäck ein Croissant mit all seiner Luftigkeit und Strukturiertheit zu machen. Allerdings wütet zu der Zeit in Frankreich der Strukturalismus, und auch Lacan ist von diesem Virus befallen. Er verbindet das von Freud entdeckte Unbewusste mit der Sprache, die ihm zufolge dessen Bedingung ist. Er versucht, dem Unbewussten Gesetze zu geben: Es sind die Gesetze der Sprache, der Metapher und der Metonymie. Sie erklären, wie Sinn produziert wird, wie er in der Bewegung des Fliehens und Entgleitens gefangen ist und in dieser Bewegung fixiert wird. Während Lacan Psychoanalyse und Linguistik zusammenführt, krempelt der Anthropologe Claude Lévi-Strauss die Ärmel hoch, um Anthropologie und Linguistik zu vereinen; das 20. Jahrhundert ist offenbar reich an Vermischungen.
Es ist an der Zeit zu reagieren. In einigen Arbeiten, die man gerne zur Kategorie "Popularisierung" rechnet (ein Wort, in dem eine gewisse Herablassung mitschwingt), wurde die Akte Lacan bereits einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Auf diesem Weg wollen wir weiter schreiten. Dieses Buch wendet sich an Leser außerhalb der Universitätsmauern oder der Analytikergruppierungen, es versucht, auf einfache Weise einige Elemente aus Lacans Werk darzustellen und so bei einigen Lesern die Lust zu wecken, einen genaueren Blick darauf zu werfen. Es handelt sich indes nicht darum, sein Werk zu erklären (eine gewaltige Aufgabe, an der sich noch mindestens ein oder zwei Kommentatoren-Generationen die Zähne ausbeißen werden) oder einen Gesamtüberblick zu bieten.
Nach einer kurzen Einführung möchte ich "Persönlichkeiten" vorstellen, die Lacans Werk entnommen sind, und sie im Stil einer Momentaufnahme porträtieren. Denn bei Lacan gibt es schillernde Figuren, den Irren, den Hysteriker, den Helden, den Mystiker, den Heiligen, den Parasiten oder den Reichen, die sehr unterschiedlichen Domänen entspringen, der Psychoanalyse selbstverständlich, aber auch der Kultur, der Geschichte und dem Alltagsleben. Es handelt sich um ein Inventar nach Art von Jacques Prévert, und so treten auch Don Juan, Antigone und die Mutter auf... Manche treten nur kurz in Erscheinung, andere werden mit einer wichtigeren Rolle betraut und spielen so lange, dass sie zu einer Dauereinrichtung werden.
Kurzum, dieser Karnevalszug ist zu buntscheckig, um ernst gemeint zu sein, denn das vordringlichste Ziel unserer "Mythologien à la Lacan" ist die Unterhaltung des Lesers. Die Sprache als Übermittler dieser Bilder soll den Jargon an der Garderobe abgeben und sich um größtmögliche Klarheit und Schnörkellosigkeit bemühen; Lacans Gedanken sollen neu formuliert und im Lichte der heutigen Gesellschaft und Aktualität erklärt werden - vor allem aber sollen Heiterkeit und Leichtigkeit den Leser beflügeln. Im Unterschied zum häufig gewundenen Stil psychoanalytischer Literatur werden wesentliche Fragen, die all diejenigen, die sich auf eine Couch legen, ebenso tief betreffen wie die Psychoanalyse selbst, ohne Umschweife angesprochen. Zu den wichtigsten gehören beispielsweise: Was ist ein Analytiker? Was kann man von einer psychoanalytischen Therapie erwarten? Warum gibt es keine sexuelle Beziehung? Warum sind wir alle krank? Was bedeutet es, eine Frau zu sein? Was ist die Erfüllung von Begehren?
Und nun frohgemut ans Werk, denn wie Lacan selbst schon im Seminar I, Freuds technische Schriften, sagte: Je vergnüglicher eine Psychoanalyse wird, umso mehr ist es wahre Psychoanalyse. Und weil es hier um Schriften geht, findet der Leser am Ende jedes Abschnitts bibliografische Hinweise, die sich auf die behandelten Themen beziehen, ohne Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben.
Jacques Lacan der Unklassifizierbare
Jacques Lacan (1901 - 1981), für die einen ein Genie, für die anderen ein Hochstapler, ist vor allem ein Stil, der zur Legende wurde: ein erstaunlicher Typ, ein wenig dandyhaft, Liebhaber und Sammler bizarrer Kostüme, schöner Autos und wohl auch von Frauen. Lacan verschlug einem die Sprache, und seine Laufbahn spiegelt dies wider: Er war nicht nur Psychoanalytiker, ein bisschen steckte auch vom Philosophen in ihm (weshalb manche ihn als "Denker" bezeichnen), nicht wirklich Schriftsteller, denn er hat erst spät und wenig publiziert (die Schriften sind 1966 erschienen), und nicht wirklich Meister einer Wahrheit, denn seine Lehre ist unaufhörlich im Fluss, sie verändert und entwickelt sich fortwährend.
Jacques Marie Émile Lacan stammt aus einer bürgerlichen Familie aus der Provinz. Er wurde 1901 in eine Kaufmannsfamilie geboren. Er war das älteste von vier Kindern und wird als "launisches und tyrannisches Kind" beschrieben, später als arroganter Jüngling, der "unfähig ist, sein Leben zu organisieren und sich wie die anderen zu benehmen". Das Gleiche hat man auch über Charles de Gaulle gesagt, einen anderen großen Franzosen auf einem ganz anderen Feld.
Ein Essighändler zum Vater, dazu eine traditionelle katholische Erziehung: Man konnte auf das Schlimmste gefasst sein. Doch es kommt anders, der junge Lacan bildet sich. Mit vierzehn entdeckt er Spinoza und verkehrt als Heranwachsender in der Librairie Adrienne Monnier in der Rue de l'Odéon, wo er André Breton und Philippe Soupault trifft und James Joyce den Ulysses vorlesen hört (mit Sicherheit eine außergewöhnliche Erfahrung). Zur gleichen Zeit wie Salvador Dalí arbeitet er für die Zeitschrift Minotaure und begeistert sich für Nietzsche, während er zugleich Medizin studiert. Dann wird Lacan Psychiater, seine Ausbildung erhält er bei Clérambault, einem etwas eigenartigen Mediziner, der verrückt ist nach verschleierten Frauen und nicht wenig Zeit damit zubringt, sie zu fotografieren. Außerdem interessiert sich Lacan für die philosophischen Streitfragen seiner Zeit, er verkehrt mit Alexandre Kojève und Alexandre Koyré, zwei russischen Intellektuellen, die ihn in die Lektüre Hegels und in die Wissenschaftsphilosophie einführen. Lauter klangvolle Namen: Frankreich ist reich an Schöngeistern, auch wenn wir oft nicht recht wissen, was wir mit ihnen anstellen sollen. Kojève, der große Hegel-Kommentator, widmete die zweite Hälfte seines Lebens als Luxusbeamter dem Aufbau Europas (man nennt das einen internationalen Funktionsträger).
Auch bei Jacques Lacan weiß man nicht, was man mit ihm anstellen oder wohin man ihn stecken soll. Fürs Erste allerdings zieht er noch nicht das Interesse seiner Zeit auf sich. In den dreißiger Jahren macht er bei Rudolf Löwenstein eine sechsjährige Analyse, an deren Ende der Analytiker ihn für "nicht analysierbar" erklärt. Was verstand er darunter? Das bleibt ein Rätsel. Dennoch wird der nicht analysierbare Lacan selbst analysieren und Mitglied der Société psychanalytique de Paris werden. Er betritt die Bühne der internationalen Psychoanalyse auf dem Kongress von Marienbad und stellt dort seinen berühmten Text über das "Spiegelstadium" vor. Offenbar hat er das meiste nicht auf der Couch oder von seinesgleichen gelernt, sondern durch eine seiner Patientinnen, "Aimée". Diese faszinierende Paranoikerin, deren Rigorosität er bewundert, wird Gegenstand seiner Doktorarbeit Über die paranoische Psychose und ihre Beziehungen zur Persönlichkeit. Vor allem aber vergöttert Lacan die Verrückten und betrachtet Psychosen aus einem völlig neuen Blickwinkel. Das hat die Zeitung Libération ganz richtig erkannt, als sie am Todestag des Analytikers 1981 mit der Schlagzeile erscheint: "Tout fou Lacan" - Ganz verrückt Lacan.Nach dem Krieg macht Lacan allmählich von sich reden. Er ruft auf zur "Rückkehr zu Freud", auch wenn sein Verhältnis zum Gründervater eine Geschichte verpasster Begegnungen ist: 1932 schickt Lacan ihm seine Doktorarbeit über die Psychosen, deren Empfang Freud durch eine schlichte Postkarte bestätigt; 1938 wird ein Zusammentreffen zwischen dem Wiener und den französischen Psychoanalytikern arrangiert, Lacan wird aber nicht eingeladen. Dafür glückt Lacan die Begegnung mit den Texten Freuds, er liest sie unermüdlich und sagt einmal, er habe versucht, "einen französischen Garten" daraus anzulegen. Sein Ziel war nichts anderes, als aus einem Wiener Gebäck ein Croissant mit all seiner Luftigkeit und Strukturiertheit zu machen. Allerdings wütet zu der Zeit in Frankreich der Strukturalismus, und auch Lacan ist von diesem Virus befallen. Er verbindet das von Freud entdeckte Unbewusste mit der Sprache, die ihm zufolge dessen Bedingung ist. Er versucht, dem Unbewussten Gesetze zu geben: Es sind die Gesetze der Sprache, der Metapher und der Metonymie. Sie erklären, wie Sinn produziert wird, wie er in der Bewegung des Fliehens und Entgleitens gefangen ist und in dieser Bewegung fixiert wird. Während Lacan Psychoanalyse und Linguistik zusammenführt, krempelt der Anthropologe Claude Lévi-Strauss die Ärmel hoch, um Anthropologie und Linguistik zu vereinen; das 20. Jahrhundert ist offenbar reich an Vermischungen.
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Autoren-Porträt von Corinne Maier
Die Politologin und Volkswirtin Corinne Maier, Jahrgang 1964, ist beim französischen Energieversorger EDF in leitender Funktion in Teilzeit beschäftigt. Mit ihrem kühnen Pamphlet zur allgemeinen Arbeitsmoral hat die geschulte Psychoanalytikerin einen Nerv getroffen. Die gegen sie angestrengten disziplinarischen Maßnahmen wurden von EDF aufgrund des lauten Protestes in der Öffentlichkeit inzwischen eingestellt. Energie und Leidenschaft widmet die streitbare Französin ansonsten im Wesentlichen der "Entstaubung" der Psychoanalyse und den Biografien bedeutender Persönlichkeiten.
Bibliographische Angaben
- Autor: Corinne Maier
- 2007, 206 Seiten, Maße: 12,5 x 18,3 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Hanna van Laak
- Verlag: Goldmann
- ISBN-10: 3442154030
- ISBN-13: 9783442154036
Rezension zu „Die Entdeckung des Begehrens “
"Die Psychoanalyse ist eine zu ernste Angelegenheit, als dass man sie allein den Psychoanalytikern überlassen sollte". Corinne Maier
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