Die Froschkönigin
Ein Buch, das Sie all Ihren Freundinnen schenken sollten, auch jenen, die Sie aus den Augen verloren haben.
Leider schon ausverkauft
Taschenbuch
- Lastschrift, Kreditkarte, Paypal, Rechnung
- Kostenlose Rücksendung
Produktdetails
Produktinformationen zu „Die Froschkönigin “
Ein Buch, das Sie all Ihren Freundinnen schenken sollten, auch jenen, die Sie aus den Augen verloren haben.
Klappentext zu „Die Froschkönigin “
Nick Hornby nennt sie sein "Vorbild und die beste amerikanische Schriftstellerin ihrer Generation". Ein Sommer voller Aufbruchssehnsucht, ersten Flirts, gegenseitigen Bekenntnissen. Sils und Berie arbeiten in "Storyland" - einem Märchen-Vergnügungspark - wobei die hübsche Sils als Cinderella die Besucher bezaubert. Berie hingegen ist die Kluge, eine linkische Froschkönigin, die Sils vor falschen Prinzen bewahrt. Auch wenn man ahnt, dass diese Freundschaft nicht bestehen wird, so wird sie doch jene sein, die Berie in ihrem Herzen bewahrt, wie die Erinnerung an das Mädchen, das man einmal war und nie wieder sein wird.
Nick Hornby nennt sie sein "Vorbild und die beste amerikanische Schriftstellerin ihrer Generation". Ein Sommer voller Aufbruchssehnsucht, ersten Flirts, gegenseitigen Bekenntnissen. Sils und Berie arbeiten in "Storyland" - einem Märchen-Vergnügungspark - wobei die hübsche Sils als Cinderella die Besucher bezaubert. Berie hingegen ist die Kluge, eine linkische Froschkönigin, die Sils vor falschen Prinzen bewahrt. Auch wenn man ahnt, dass diese Freundschaft nicht bestehen wird, so wird sie doch jene sein, die Berie in ihrem Herzen bewahrt, wie die Erinnerung an das Mädchen, das man einmal war und nie wieder sein wird.
Lese-Probe zu „Die Froschkönigin “
Die Froschkönigin von Lorrie Moore... mehr
In Paris essen wir jeden Abend Hirn. Mein Mann mag den
luftigen, fischartigen Schaum. Für ihn ist es eine Art Meeresfrucht,
die vom Schädel fest umschlossen wird, wie
Schalentiere in den dunklen Höhlen des Ozeans, die sich
plötzlich freischwimmen und vom Licht getötet werden;
das Hirn ist zu Muschelfleisch geworden,vor lauter Geborgenheit,
Unverwundbarkeit, verträumten Nächten. Ich
esse, weil ich in die Vergangenheit versetzt werden will.
»Auf des Nachbarn Feld steht das Korn immer besser«, sagt
Daniel, mein Mann, mit erhobenem Zeigefinger, als sei
ihm diese Eingebung gerade durch die cervelles gekommen.
»Denke stets an das Tier, das du ißt. Und es wird auch an
dich denken.«
Ich warte auf einen Proustschen Moment, auf vergessene
Kindheitsgeschichten.Ich kaue lange darauf herum,bringe
das Hirn zum Schmelzen, ich warte, daß etwas in meinem
Kopf freigesetzt wird, durch Empathie oder chemische
Reaktion oder eine andere Form von Proteinzufuhr. Ein
Sturm im Wasserglas, ein Taifun im Tintenfisch; es gibt
auch Wein, und wir trinken reichlich davon.
Neben uns sitzen Leute, die uns Schnappschüsse von ihren
Kindern zeigen. »Sont-ils si mignons!« sage ich. Mein Mann
bildet Sätze in seinem persönlichen Kauderwelsch. We, us,
have no little ones.Er kann kein Französisch.Aber er hat mal
Spanisch gelernt, und jetzt erzählt er dem Ehepaar neben
uns mit hartnäckiger Wehmut von unserer Kinderlosigkeit.
»Aber«, fügt er hinzu, unserer Katze liebevoll eingedenk,
»zu Hause haben wir einen großen gato.«
»Gâteau heißt ›Kuchen‹«, flüstere ich ihm zu. »Du hast
ihnen gerade mitgeteilt, daß wir zu Hause einen großen
Kuchen haben.« Ich weiß nicht, warum er ständig unsere
Tischnachbarn in ein Gespräch verwickeln muß. Aber er
tut es immer wieder, er findet es wohl freundlich und höf-
lich, gar nicht plump und aufdringlich, wie ich es dagegen
empfinde.
Anschließend gehen wir stets zu demselben chocolatier, um
Whiskeytrüffeln zu kaufen. Unter der Zunge spürt man
den warmen Sturm, der in ihnen eingefangen ist.
»In welchem agrandissement sind wir gleich?« fragt mein
Mann.
»Welches ›agrandissement‹?« entgegne ich.»Weiß ich nicht,
aber ich glaube, wir sind in einem der ganz großen.« Mein
Mann spricht tirez aus, als ob es spanisch wäre, père, als ob
es pier hieße. Indem ich ihn zärtlich necke, überspiele ich,
wie sehr mich sein Mangel an Liebe trifft. Und doch kommen
wir miteinander aus.Wir zupfen uns gegenseitig am
Ärmel. Wir rufen »guck mal da!« und hoffen, daß unsere
Blicke zusammentreffen, unsere Gedanken verschmelzen.
Wir sind in Paris, von makellosem Marzipan und Licht
umgeben, umweht von dem leichten Geruch nach Abwasser
und Polizeistaat.Ich mit meinem Hüftleiden und er mit
seinen Plattfüßen (»Plattitüden« nennt Daniel sie) laufen
wir beide über die Quais, im Nieselregen bleiben wir auf
allen Brücken stehen und blicken auf diese hübsche Stadt,
während wir uns beide insgeheim vorstellen, mit jemand
anderem verheiratet zu sein - genau hier in Paris. Manchmal
auch nicht, manchmal fragen wir uns einfach, stumm
oder laut, was aus der Welt werden soll.
Als Kind habe ich eine Zeitlang alles mögliche versucht,
um meine Stimme zu spalten. Ich wollte Akkorde anschlagen,
meine Kehle zu Harmonien aufsplittern - ich stellte
sie mir vor wie ein blühendes Klangfeld. Es schien mir
durchaus machbar zu sein. Ich dachte, durch Konzentration
und einen kräftigen Luftstoß könnte ich meinen Innenraum
bevölkern, die Menschenmenge in meinem Kehlkopf
entfesseln,Leben zur Welt bringen,all die Stimmungen
und Nuancen freisetzen, all die herrlichen und mystischen
Wesen,von denen meine innere Sprache erfüllt war.Nachmittags
zog ich allein los, bis hinter den Garten und die
Johannisbeersträucher, an den lavendelköpfigen Schnittlauchbeeten
und dem zarten Spargel vorbei, an den Sonnenblumen,
die ein Reh oder verfrühter Frost umgeknickt
hatte, und an den grasüberwucherten Gräben vorbei, bis
zur Wiese weit hinter unserem Haus. Oder ich lief die
Straße hinunter bis zu dem verlassenen Gelände neben der
Marinekaserne, wo im Winter der dorfeigene Pflug- und
Müllwagen Schnee ablud und im Sommer die Jungen
manchmal Ball spielten.Von dort aus betrachtete ich die
Wiesenblumen,den Mulch aus Sumpf und Laub,das Frühjahrsmoos,
das auf den Steinen grünte, oder aber die zerklüfteten
Berge von grauschmutzigem Schnee, je nach
Jahreszeit - mal waren meine Handschuhe eisverklumpt,
mal meine Hände schlammverklebt -, und dann sandte ich
aus den Tiefen meines Kehlkopfes dunkle Töne zum Horizont
hinaus und helle Töne steil zum Himmel empor. Ich
muß wohl Schmerz empfunden haben. Ich wollte heulen
und fliegen und entzweibrechen.
Das Ergebnis war viel Husten, Keuchen und eine Heiserkeit,
die für ein Kind beängstigend war, wie mir Mrs.
Leblanc, unsere Putzfrau, sagte. »Hast du dich erkältet, Miss
Berie Carr?« fragte sie mich oft, wenn ich zu früh zum
Mittagessen hereinkam. Sie sprach meinen Namen immer
so aus, daß er irisch klang, obwohl er es nicht war. »Nee«,
sagte ich dann barsch. Sie war fröhlich, aber auch brummig,
und sie roch nach Zwiebeln; ich mochte ihren Atem
nicht in meiner Nähe; ich wollte nicht, daß sie mich wie
eine Krankenschwester untersuchte. Wir konnten uns
eigentlich gar keine Putzfrau leisten, aber meine Mutter
fühlte sich oft einsam, selbst in unserem überfüllten Haus,
und sie saß gern mit Mrs.Leblanc in der Küche zusammen,
bei Zigaretten und Tee.Auch wenn ich Mrs.Leblanc nicht
zu Gesicht bekam, selbst wenn es mir gelang, ihr aus dem
Weg zu gehen, wußte ich doch, wann sie dagewesen war:
Das Haus war dann von Tabakrauch erfüllt und immer
noch unordentlich, abgesehen von den Zeitschriften, die
zu neuen Stapeln geschichtet waren; meine Mutter summte
vor sich hin; der Scheck war von der Anrichte verschwunden.
Als sich nach einem Jahr die Akkorde, die ich mir erhoffte,
immer noch nicht eingestellt hatten und das einzige, was
ich hervorzubringen vermochte, ein tiefes, dröhnendes
Rasseln zur Begleitung meiner Hauptstimme war (wo
blieb denn der Chor der Engel, der einzig wahre Jazz?),
hörte ich schließlich auf. Statt dessen begann ich, mir bei
Spinnweben und fünfeckigen Steinen ganz andere Dinge
zu wünschen. Ich wünschte mir ewiges und geheimnisumwittertes
Stummsein. Ich wollte das Mysteriöse Mädchen
Ohne Stimme sein, die Enigmatische Elfe. Die
menschliche Stimme interessierte mich überhaupt nicht
mehr. Die menschliche Stimme war mir zu gewöhnlich.
Ich fühlte, es war wichtig, etwas Außergewöhnliches zu
tun. Ich wußte nur nicht, was.
Obwohl bei uns zu Hause keine einzige Stimme gewöhnlich
war - eigentlich nicht. Auch wenn es mich praktisch
ein ganzes Leben gekostet hat, das herauszufinden - bis zu
jenem Sommer, in dem ich fünfzehn war. Außergewöhnlich
war so manches: Jahre, in denen das kanadische Französisch
meiner Mutter sich immer nur in die gräßlichsten
Wiegenlieder einschlich. Oder der pseudovornehme Tonfall,
den ihre Stimme annahm, wenn sie bei ihren ehrfurchtgebietenden
Schwiegereltern Eindruck schinden
wollte - ihre Stimme verwandelte sich, versuchte, sich
sozial und geographisch neu zu orientieren. Oder Jahre, in
denen mein Vater sein Schuldeutsch bei den Mahlzeiten
förmlich quer über den Tisch feuerte, während meine
Mutter sich ängstlich bemühte, dieser Art Unterricht zu
folgen, um beim Abendessen mit ihm über persönliche
Dinge zu sprechen - ohne daß die Kinder etwas mitbekommen
sollten. »Was ist los, Schätzchen?«
»Ich weiß nicht.«
Ab und zu wohnten Studenten aus fremden Ländern für
einige Wochen bei uns, sie schliefen auf einem der Feldbetten
- im Wohnzimmer, im Keller oder im Arbeitszimmer.
Manchmal waren es auch Lehrer - aus Tunesien,
Argentinien oder Tansania, aus Ländern, deren
Namen wie die Namen bildhübscher kleiner Mädchen
klangen. Es waren südamerikanische Städteplaner vertreten,
afrikanische Flüchtlinge. »Meine Eltern wollten
nur die Nachbarn schockieren«, erklärte ich dann Jahre
später,wenn ich bei gesellschaftlichen Anlässen über meine
Erziehung sprechen und im gleichen Atemzug amüsant
sein sollte.
Für mich als Kind schien alles in unserem Haus fremd,
verschlüsselt, von Stimmungen durchsetzt. Menschen
kamen und blieben, dann gingen sie wieder weg.
Das bewirkte bei mir unter vielem anderen ein taubes Ohr
für Sprachen. Mein Gehirn sträubte sich gegen die Laute,
es setzte sie neu zusammen und verfremdete sie. Eine Zeitlang
hielt ich Sandra Dee nicht bloß für eine Schauspielerin,
sondern auch für einen der französischen Wochentage.
Ich sang »Frère Jacques« und stieß zu meiner Verblüffung
auf die Zeile »Sonny, lehr Martina«. In dem Bewußtsein,
daß eine fremde Sprache oft mit dem spannungsgeladenen
ehelichen Geheimcode einherging, von dem »die Kinder«
ausgeschlossen waren, und all das verbotene Zwitschern
und Schnaufen allein »den Gästen« vorbehalten blieb, wurde
ich immer mürrischer und stellte mich taub. Damals
konnte ich mir mein Grollen selbst nicht erklären; ich
schaltete mich einfach aus. Oft stocherte ich nur lustlos in
meinem Essen herum - dem stark mehlhaltigen Hackbraten,
dem kanadischen Eintopf mit Sülze oder den Fischstäbchen,
deren Panade sich löste - oder ich aß zuviel. Ich
stopfte mir den Mund voll und mußte mir beim Kauen
den Bauch halten.Von früher Kindheit an und noch lange
danach schien es mir nur eine Form von Höflichkeit zu
sein, daß mein Gehirn sich immer dann sperrte, wenn ich
etwas hörte, das nicht Englisch war - Mr. Gambaris Ibu
oder Mrs. Carmen-Perez, die ein spanisches Lied sang.
Meine Lehrer in der Schule - Französisch,Deutsch,Latein -
riefen mich zwar ständig auf, doch ich konnte nicht hören,
was sie sagten. Ich wußte nie, was gemeint war - ihre Lippen
bewegten sich einfach,und zu mir drang ein Wirrwarr
unheimlicher Laute.
Später, als ich schon erwachsen war, spielte mir jemand auf
einer Dinnerparty eine Aufnahme von asiatischen Mönchen
vor, die tatsächlich in der Lage waren, ihre Stimmen
zu spalten. Sie brachten einen zersplitterten, chorartigen
Klang hervor,als wäre jeder einzelne von ihnen zugleich er
selbst und noch viele andere. Es war ein Chor des Gebrochenseins,
des Klagens und Jammerns. Es war nicht schön,
und doch erinnerte es mich ausgerechnet bei diesem öden
Essen - ein jeder hatte etwas über Marx zu sagen, über
Freud, Hockey, Hockney, über Liberale, die für dumm verkauft
wurden, über Radikale, die an Phlebitis litten, ob
Gorbatschow wohl bald einen Pflasterstein auf dem Sunset
Boulevard bekäme? - erinnerte es mich an den Klang, den
ich vielleicht zustande gebracht hätte, wenn meine Mühen
belohnt worden wären. Es erinnerte mich daran, wie Kin-
der immer das Unmögliche wollen; daran, wie die Welt sie
zurechtstutzt und bearbeitet, um sie in sichere Bahnen zu
lenken.
»Sicher« bin ich heute gewiß - oder sollte es zumindest
sein. Die Sicherheit ist in mir, sie hält mich aufrecht, wie
ein Rückgrat. Mein Blut bahnt sich keine neuen Wege, es
kennt seine Richtung schon, es sickert am vertrauten Ort
dahin, wird träge und bequem. Und doch gibt es in der
kleinen Stadt, in der wir leben, ganz andere Momente,
selbst in letzter Zeit, wenn ich meinen Mann hin und wieder
wegen eines nächtlichen Spaziergangs allein ließ; der
Mond hing kopfüber am Himmel, er glich einem grellen
Paradiesvogel, einem fantastischen Irrtum - ein solcher
Mond, der dem Büroalltag und der langweiligen Routine
zum Trotz Himmel und Straßen mit Licht überflutet, muß
zwangsläufig grotesk wirken -, und während des Spaziergangs,
der mich in stille Ecken führte, von einem kühlen
Modergeruch begleitet und den Baumwipfeln, die ein
plötzlicher Windstoß rauschen ließ, spürte ich auf einmal
die alte Unbändigkeit wieder.Rückkehr und Rausch eines
Gefühls. Mit Sexualität hat es eigentlich nichts zu tun.
Mehr mit Abenteuer und Flucht, der Drang eines Jungen,
von zu Hause wegzulaufen. Immer wieder spürbar, ein
Wunsch, der unerfüllt bleibt, der mich unvermittelt wie
ein Blitzstrahl durchzuckt, ein Schatten, den ich hinter mir
herschleife und der in die entgegengesetzte Richtung
drängt, obwohl er letztlich doch immer an meiner Seite
geblieben ist, als wüßte er um die Unmöglichkeit jenes
anderen Lebens, wie ein braver Hund, braver Hund, braver
Hund. Er hat mich nie verlassen.
In dem Sommer, als ich fünfzehn war, hatte ich einen Job
im »Storyland«, zusammen mit meiner Freundin Silsby
Chaussée, um die es hier eigentlich geht. Storyland war ein
Vergnügungspark,gut fünfzehn Kilometer außerhalb unseres
Heimatstädtchens Horsehearts, etwa 400 Meter von
dem See entfernt. Dort drehte sich alles um Figuren aus
Kinderbüchern, es gab Kulissen und kleine Darbietungen,
die sowohl Kinderreime - Hickory Dickory Dock oder
Little Miss Muffet - als auch Märchen in Szene setzten.
Schneewittchen. Hänsel und Gretel. Es gab Karussells und
Rutschen. Wie bei der Alten Frau, die in einem Schuh
wohnte, wo man den riesigen roten Stiefel bis ganz oben
erklimmen konnte, um sich dann auf der Aluminiumlasche
in einen Sandkasten gleiten zu lassen. Es gab die Drei Wilden
Ziegenböcke - eine gewölbte Redwoodbrücke, ein
riesiger Gipstroll und drei echte Ziegen, die man mit Roggenfutter
aus dem Automaten beglücken konnte. Es gab
ein Dschungelsafarigebiet, mit schwebenden Seilbrücken
und falschen Krokodilen, die im Wasser trieben. Es gab die
Frontiersiedlung mit einer nachgebauten Geisterstadt, die
High-School-Jungs aus der Gegend als Cowboys verkleidet.
Schließlich gab es noch die Memory Lane - ein überdachter
Gang, der von dem Souvenirshop zum Ausgang
führte, gesäumt von Gaslaternen und prächtig ausstaffierten
Schaufensterpuppen - mottenzerfresseneTurnüren und
Zylinder -, die wackelig an alten Kutschen lehnten. An
Regentagen verbrachten Sils und ich manchmal unsere
Mittagspause in Memory Lane, dann setzten wir uns auf
eine von den Parkbänken, die an der Wand standen. Wir
fielen aus dem Rahmen, waren fehl am Platz - halb Pantomimen,
halb Vandalen. Aber die meisten Touristen lächelten
bloß und beachteten uns nicht.Wir sangen zur blechern
klingenden Musik,die vom Band kam,egal was es war - für
gewöhnlich »After the Ball« oder »Beautiful Dreamer« -,
manchmal war es jedoch einfach nur der Storyland-Song:
Storyland, Storyland -
Kein Land von Traurigkeit.
Hier werden durch Zauberhand
Eure Träume Wirklichkeit.
Viele Märchen werden wahr
Und Kinderreime sonnenklar.
Storyland, Storyland -
Für die gaaanze Familie
(Und Großma-ma!)
Bei dieser Coda über Großmama, die in einer Art verminderter
Septime verhallte, wie die groteske Begleitmusik zu
einem Zeichentrickfilm - waa-waa-waa -, mußten wir
immer das Gesicht verziehen. Stets sangen wir mit, den
Mund voller Sandwich, dann rissen wir ihn weit auf, um
unser zerkautes Essen zu demonstrieren, sowie unser Entsetzen
bei der Vorstellung, daß unsere Großmütter vielleicht
hier im Park weilten, vor einem der Karussells
Schlange standen.
Und Großmama!
Iiih!
Sils war eine Schönheit - das Blau ihrer Augen ein intensives
schwarzgesprenkeltes Aquamarin, ihre Haut glatt wie
Seife, ihr Haar lang und schlickfarben, aber hier und da mit
einer pirolgelben Strähne, in der sich das Sonnenlicht fing
wie in einem Fluß.
Sie war von dem Manager als Cinderella angeheuert worden.
Dafür mußte sie ein schulterfreies Abendkleid aus
Satin tragen und in einer großen Kürbiskutsche aus Pappmaché
herumfahren. Kleine Mädchen standen Schlange,
um in die Kutsche zu klettern und mit ihr durch den Park
zu fahren - das war eine der Attraktionen -,um schließlich
neben einem riesigen Fliegenpilz abgesetzt zu werden.
Zwischendurch holte mich Sils auf eine Zigarette ab. Ich
war Kassiererin am Eingang. Jeden Tag kamen allein durch
eine einzige Registrierkasse sechstausend Dollar rein. Die
Kunden beschwerten sich über die Preise, mogelten beim
Alter der Kinder, zählten das Wechselgeld peinlich genau
nach. »Gardez les billets pour les manèges, s'il vous plaît«, sagte
ich zu den Kanadiern.Als Uniform trug ich einen Strohhut,
ein rotweiß gestreiftes Kleid mit einer bauschigen
roten Schürze und auf der Brust ein Namensschild: Hallo,
ich bin Benoîte-Marie. Ich hatte zwar kleine Münzen in
den Schürzensaum eingenäht, damit sie nicht bei jedem
Windstoß hochwirbelte, aber sonst gab es wenig Möglichkeiten,
das Kleid auch nur halbwegs erträglich zu machen.
Ich habe einmal ein Mädchen gesehen, das im Jahr davor
gefeuert worden war und in der Stadt immer noch dieses
Kleid samt Schürze trug. Die Leute sagten, sie sei verrückt,
und das war in der Tat nicht zu übersehen.
Im Sommer war die ganze Gegend voller kanadischer Touristen,
die von hinter der Grenze aus Quebec kamen. Sils
erzählte gern Anekdoten von ihrem alten Job als Kellnerin
bei HoJo's: »Isch möschte Eier«, sagte mal ein Mann, der
jedes einzelne Wort langsam in einem kleinen Taschenwörterbuch
nachschlug.
»Wie hätten Sie die gern?« hatte sie ihn gefragt.
Der Mann blätterte weiter, um die richtigen Wörter zu
finden. »Isch 'ätte gern ... ehm ... auf flache Teller.«
Es schien keine Rolle zu spielen, daß wir selbst zum Teil
frankokanadischer Herkunft waren. Sur le plat. Spiegeleier.
Es machte uns einfach Spaß, derbe, dumme Witze über
diese Touristen zu erzählen, die zwar für die Wirtschaft
unserer Gegend unentbehrlich waren, aber zu wenig
Trinkgeld gaben, die Mädchen blöd anmachten, ihre
Hemden offen trugen und ihre Bäuche aus der Hose quel-
len ließen, die sich beschwerten, dünne Zigarren rauchten
und eine dreckige Lache hatten - uns war jeder Anlaß
recht.Wir hatten eben gelernt,uns über die Touristen lustig
zu machen, wie alle, die in Feriengebieten leben. Im Winter
spotteten wir über die Städter, die in den Norden
kamen, um auf dem Garnet Mountain bei Horsehearts Ski
zu fahren.Sie trugen knallbunte Jacken und Steghosen und
hatten teure Skier,doch mehr als durch den Schnee stapfen
konnten sie nicht. Bei jedem Sturz jammerten sie, sie
weinten, wenn ihre Skier sich lösten und die Piste hinunterglitten.
Nur mit Jeansjacken, Jeanshosen und alten
Schnürstiefeln ausgerüstet, sausten wir an ihnen vorbei.
Wir grinsten schadenfroh und summten Songs von Janis
Joplin, während wir in die stillen Haine hinabglitten.Wir
trugen die Überlegenheit der Alteingesessenen zur Schau.
In solchen Momenten empfanden wir unsere relative
Armut als Trumpf, die Schlagfertigkeit der Eingeborenen.
Wenn Sils - Cinderella höchstpersönlich! - mich im Storyland
für eine Zigarettenpause abholte, schloß ich meine
Kasse ab und bat einen der Kartenabreißer,ein Auge darauf
zu werfen, dann ging ich mit ihr in die Allee, die zwischen
Hickory Dickory Dock und Peter Pans Paradies lag. Dort
holten wir ein Päckchen Zigaretten aus der Tasche und
rauchten jeweils zwei, Sobranies und Salems, die uns das
Gefühl schenkten,verführerisch und weise zu sein.Manchmal
stieß unsere Freundin Randi für ein Päuschen dazu,sie
war Bo Peep, auf der Suche nach ihren verlorenen Schäfchen
mußte sie durch den Park streifen, angetan mit einem
vergoldeten Stab,weißgerüschten Hosen und einem Käppchen
mit gelben Schleifen (mit weinerlicher Stimme fragte
sie die Kinder: »Wo sind meine Schäfchen? Liebe Kinder,
habt ihr meine Schäfchen gesehen?«).
»Habt ihr vielleicht meine verdammten Schafe gesehen?«
fragte sie uns, wenn sie in die Allee trat (oder in die Memory
Lane, falls es gerade regnete und zufällig Mittagspause
war) und ihre Rüschenhose hochzog, deren Gummiband
sie ständig kratzte. Zehn Jahre später sollte Randi als Vertreterin
für Mary-Kay-Kosmetik einen Nervenzusammenbruch
erleiden:sie hörte zwar mit dem Verkaufen auf,
aber nicht mit dem Bestellen; die Warenkartons stapelten
sich in ihrem Keller, während Randi, statt sich von Tür zu
Tür zu klopfen,ins Blaue fuhr,sich auf dem Wagenrücksitz
betrank und das Bewußtsein verlor.Doch hier und jetzt,als
rauchende Bo Peep, war sie voller Energie, ironisch und
sehr jung. »Dachte ich's mir doch, daß ich euch Mädels
hier finde.« Sie nahm einen raschen Zug, dann ging sie
weiter, manchmal steckte ihr Rock hinten immer noch im
Bund der Rüschenhose.»Randi,du hast 'nen tollen Arsch«,
rief ihr Sils dann mit prüfendem Blick hinterher.
Wir mußten ständig vor Herb, dem Geschäftsführer, auf
der Hut sein. (Was haben all diese kleinen Kinder wohl
gedacht, als sich herausstellte, daß Cinderella und Bo Peep
Nikotinflecken an den Fingern haben und nach Rauch
stinken? fragte mich einmal mein Mann, der in der medizinischen
Forschung tätig ist. Ich zuckte bloß die Achseln.
Damals war das anders,murmelte ich.Andere Zeiten.Alle
rauchten. Ihre Eltern rauchten auch.)
»Ihr habt meine Schäfchen auch nicht gesehen? Ach, ich
habe sie verloren und weiß nicht, wo ich sie suchen soll!«
Randis Stimme verlor sich in der Ferne, während Sils und
ich die Lieder summten, die wir kannten, einige hatten wir
in der Schule im Mädchenchor gelernt - mittelalterliche
Weihnachtslieder,einen Teil des Deutschen Requiems von
Brahms, das Duett aus Lakmé, den Titelsong aus The Thomas
Crown Affair (Miss Field wäre stolz auf uns!) -, andere
hatten wir gerade im Radio gehört, manche lernten wir
anhand von Liederheften,viel von Jimmy Webb.Sils mochte
vor allem »Didn't we«, in der Version von Dionne Warwick,
und übte zu Hause die Akkorde auf der Gitarre.
»›This time we almost made our poem rhyme.‹« Sie griff in
die imaginären Saiten, als webte sie Luft, den linken Arm
von sich gereckt wie ein Gitarrenhals. »Yeah, yeah, yeah«,
sagte ich, »und so weiter, und so fort.« Doch dann stimmte
ich in den Gesang ein, hatte die Wärme des Klanges mich
umgestimmt.
Ich übernahm dieAltstimme.Immer war das mein Part.Ich
probierte unterhalb der Melodie alles mögliche aus, um
etwas zu finden, das dunkel und angenehm klang, etwas
Tragendes - schmückendes Beiwerk, aber mit Tiefgang.
Danach zündete ich mir eine Zigarette an und schwieg.
»Heute morgen war ein Mädchen dabei, das ständig die
Pailletten auf meinem Kleid betatscht hat, sie hat ganz entgeistert
zu mir raufgestarrt, etwa so.« Sils ließ die Schultern
hängen und den Kiefer sinken.
»Hast du ihr eine geklebt?« fragte ich.
»Ich hab sie windelweich geprügelt«, antwortete sie.
Ich mußte lachen. Sils auch, und als ihr tiefausgeschnittenes
Oberteil leicht verrutschte, bemühte ich mich, ihr
nicht auf die Brüste zu schielen; sie bewegten sich auf und
ab, rückten ins Licht oder fielen in den Schatten zurück,
und ich war davon fasziniert. Ich war flach, meine Brüste
zwei fleischfarbene Beulen, und ich konnte es mir nicht
leisten,Kleider mit Abnähern zu tragen,auch keine Nylonblusen
oder dekolletierte Badeanzüge. Obwohl ich das
Gegenteil behauptete, hatte ich noch nicht einmal meine
Tage bekommen, dabei war ich schon fünfzehn. Die
Begriffe »entwickelt« und »nicht entwickelt« erfüllten
mich mit Angst und Haß. »Wenn du dich erst entwickelt
hast« waren die Worte, mit denen meine Mutter gewöhn-
lich eine langatmige, peinigende Prophezeiung begann,
oder die Schulkrankenschwester kam zur Aufklärung in
den Biologieunterricht, und ich erstarrte auf meinem
Stuhl, rührte nicht einen Muskel, versuchte zu verschwinden.
Es schien mir eine traurige Wahrheit zu sein, aber
außer mir war keiner bereit zu akzeptieren, daß ich mich
niemals »entwickeln« würde.Allerdings versuchte ich,mich
damit abzufinden: Schließlich hatte ich nicht darum gebeten,
eine Mißgestalt zu sein, ich hätte mir nur Brüste
gewünscht, um sie zu betrachten. Ich wollte sie hegen und
pflegen, parfümieren und pudern. Aber ich mußte den
Tatsachen ins Auge sehen:Ich war von Mutter Natur übergangen
worden, dieser mit Blumengirlanden geschmückten
Figur im weißen wallenden Kleid,die ich manchmal in
den Werbespots für Margarine bewundern konnte, während
sie ein Gewitter heraufbeschwor. Sie hatte mich einfach
übersehen.
Und so erzählte ich auf meine Kosten lange selbstironische
Busenwitze und übte mich in Vergleichen wie Spiegelei,
Bügelbrett, Schlangenbiß, Mückenstich, plattgewalzte
Blechdose oder überfahrenes Tier, Pfannkuchen, Brett mit
Nägeln und Topflappen; für mich waren Brüste immer
noch eine Kuriosität. Noch ein paar Jahre zuvor hatten Sils
und ich gemeinsam jedes Pornoheft, das wir uns beschaffen
konnten, eingehend studiert, oder die Anzeigen für
W.-T.-Grant-Unterwäsche, selbst die Land-O-Lakes-Butter
war vor uns nicht sicher, wir hatten das Indianermädchen
von der Packung ausgeschnitten und deren Knie
entsprechend gefalzt, damit sie wie Brüste aus einem
Schlitz in ihrem Oberkörper hervorlugten.Wir lachten auf
faszinierte, obszöne Weise. Wir waren von Brüsten beses-
sen.Wir stopften Waschlappen,Teetassen,Golfbälle,Tennisbälle,
Wattebäuschchen in unsere Blusen. Einmal brachten
wir ihre Mutter, die schon lange geschieden war und bis
spät in die Nacht als Rezeptionistin im Landmark Motel
arbeitete, dazu, uns ihren Busen zu zeigen. Sie war eine
nachgiebige und schuldbewußte Mutter, restlos erschöpft
von ihren großen Söhnen (die lärmenden Proben mit der
Band im Keller; ständig wechselnde Freundinnen; die
kurzfristigen halbjährlichen Trips über die Grenze nach
Kanada, um nicht doch noch eingezogen zu werden; die
Spaghetti, die sie als »Windspiel« auf die Veranda hängten;
die Schnappschüsse, die sie in den Kühlschrank klebten
und auf denen man sah,was der Hund mit dem Müll angerichtet
hatte). Sie hatte Angst, daß sie ihre kleine Tochter
vernachlässigt haben könnte, um ihre Familie durchzubringen.
So kam es, daß sie, als wir »Zeig uns deine Brüste,
zeig uns deine Brüste!« skandierten, zu unserer Überraschung
tatsächlich ihren Pullover hochschob. Sie hakte
ihren Büstenhalter auf und gab den Blick auf ihre Brüste
frei, verwirrt schaute sie uns an, während wir darauf starrten
- sie waren von Adern durchzogen, dunkel und
befremdlich.
Doch nun schien nur ich übriggeblieben zu sein. Ich war
die einzige, die noch besessen war.
Die Frühlingssonne hatte Sils' Dekolleté mit Sommersprossen
besprenkelt, und ihr seidiges Haar, das sie mit Bier
und Apfelwein spülte, glänzte wie Weihnachtsfolie. »Ich
fragte sie immer wieder, wie heißt du denn?« erzählte
Sils. »Wo gehst du denn zur Schule? - du kleiner Kotzbrocken
- magst du deine Lehrerin? Lauter Sachen, die
eine echte Cinderella niemals sagen würde, aber das Mädchen
war wie verzaubert.«
»Ohne dich zu bezaubern.« Das war die Art pedantischer
Wortklauberei,in die ich nur allzugern verfiel,ein mageres,
unterentwickeltes Mädchen,das durch gute Noten glänzte.
»Sie hat ständig nach dem Prinzen gefragt. Sie ist nicht
zwei. Man sollte doch meinen, daß sie's kapiert. Ceci n'est
pas une pipe.« Sils hatte sich alle Dias aus dem Kunstgeschichtskurs
eingeprägt. »Es gibt keinen Prinzen.«
Ich rauchte die Sobranie bis zu dem giftgoldenen Filter
auf. Den Rauch blies ich aus der Nase wie ein Drache.
»Was du nicht sagst«, entgegnete ich. »Du bist gar nicht
Cinderella?« Als Mädchen waren wir nie sonderlich geistreich,
aber damals waren wir vom Gegenteil überzeugt.
Wir fanden es unerhört witzig, mein oder ihr Kinn als »die
Farm der glücklichen Pickel« zu bezeichnen. In einem
Städtchen, wo jeder solche Ausdrücke gebrauchte wie
»Jesus nee« und »shiiish«, sagten wir »fuck« - aber in einem
verruchten, verschwörerischen Tonfall. »What the fuck,
Babe.« Sils sagte das gern, mit einem spöttischen, rauchvernebelten
Lachen. Ich sagte das gleiche.Als sie in der achten
Klasse war, schlug ihre Stirn einmal aus und sie versuchte
die Pickel wegzurasieren. Damals war das gar nicht lustig -
ihre Stirn blutete eine Woche lang -, doch als wir lange
danach Lust zum Lachen hatten, brachten wir es einfach
wieder zur Sprache: »Weißt du noch, als du dir die Stirn
rasiert hast? What the fuck, Babe«, und schon lagen wir am
Boden.Wir suchten nach Geheimnissen.Wir suchten nach
Geschichten und Mißgeschicken, an denen wir uns wie
mit Lachgas berauschen konnten.Wir liebten diese heftigen,
krampfartigen Lachanfälle, bei denen zunächst kein
Laut nach außen drang, bis wir schließlich wiehernd nach
Luft schnappen mußten.
Mit einer Hand zeigte sie mir erst den Finger, dann ließ sie
ihre glühende Sobranie zwischen Daumen und Zeigefinger
der anderen Hand baumeln.Aber sie lächelte.Sie zuckte
mit den Achseln.Sie summte vor sich hin.Sie sagte »Hör
zu« und stieß laut rülpsend die Kohlensäure der Fresca
Limo wieder aus. Sie war mein Idol, und soweit ich mich
erinnern konnte, war sie es immer schon gewesen. Dank
ihrer Gegenwart - von Zigarettenpause zu Mittagspause
zu Zigarettenpause - konnte ich die öden Tage überstehen.
Wir hatten im Mai mit der Arbeit im Storyland begonnen,
zunächst nur an den Wochenenden und während des
Hochbetriebs am Memorial Day. Nachdem die Schule
Anfang Juni aufgehört hatte,arbeiteten wir dort sechs Tage
die Woche. Bis es soweit war, trafen wir uns während der
Schulzeit auf dem Friedhof, um zu rauchen. Jeden Tag
gönnten wir uns das, was wir das »Grabmahl« nannten. Ich
kletterte über den Hügel, lief die blaue Wiese entlang, wo
Alpenlein und Ehrenpreis blühten, an der zerfallenen Laube
und den Birnbäumen vorbei, den Kiesweg hinunter zu
dem Sumpf,der mit Holzplanken abgedeckt war,und dann
wieder hinauf zu den Grabsteinen, wo Sils auf mich wartete,
die aus der entgegengesetzten Richtung gekommen
war. Sie wohnte in einer kleinen, eichenbestandenen Straße,
die als Sackgasse in den Friedhof mündete (der dicht
neben ihrem Haus lag). »Ist diese Straße vielleicht ein
Symbol oder wie?« fragte Sils jeden, der zu Besuch kam.
Vor allem die Jungs. Die Jungs vergötterten sie. Sils war,
wie mein Mann einmal ironisch bemerkte, »oh, sicher ein
cooles Mädchen. Hab ich recht? Einer dieser abgebrühten
jungen Hüpfer aus Dingsville?« Sie konnte Noten lesen,
ein bißchen malen; sie hatte große Brüder, die in einer
Rockband spielten. Sie war das außergewöhnlichste Mädchen
in ganz Horsehearts, wozu nicht gerade viel gehörte,
aber man muß sich vor Augen führen, welche Folgen das
für sie hatte.Was das für ihr Leben bedeuten konnte. Und
obwohl ich sie heute aus den Augen verloren habe, wäre
damals ein solcher Verlust für mich unvorstellbar gewesen.
Mai 2011
Die Originalausgabe erschien 1994 unter dem Titel
Who Will Run the Frog Hospital?
bei Alfred A. Knopf Inc., New York
© 1994 by Lorrie Moore
Die deutschsprachige Ausgabe erschien erstmals 1996
bei Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg
© 1996, 2011 der deutschsprachigen Übersetzung, Patricia Klobusiczky
© 2011 BV Berlin Verlag GmbH, Berlin
Alle Rechte vorbehalten
Umschlaggestaltung: Rothfos & Gabler, Hamburg, unter Verwendung
einer Vorlage von © Richard Fremont/getty
Satz: L101 Mediengestaltung, Berlin
Druck und Bindung: Clays Ltd, St Ives plc
Printed in Great Britain
ISBN 978-3-8333-0755-3
www.berlinverlage.de
In Paris essen wir jeden Abend Hirn. Mein Mann mag den
luftigen, fischartigen Schaum. Für ihn ist es eine Art Meeresfrucht,
die vom Schädel fest umschlossen wird, wie
Schalentiere in den dunklen Höhlen des Ozeans, die sich
plötzlich freischwimmen und vom Licht getötet werden;
das Hirn ist zu Muschelfleisch geworden,vor lauter Geborgenheit,
Unverwundbarkeit, verträumten Nächten. Ich
esse, weil ich in die Vergangenheit versetzt werden will.
»Auf des Nachbarn Feld steht das Korn immer besser«, sagt
Daniel, mein Mann, mit erhobenem Zeigefinger, als sei
ihm diese Eingebung gerade durch die cervelles gekommen.
»Denke stets an das Tier, das du ißt. Und es wird auch an
dich denken.«
Ich warte auf einen Proustschen Moment, auf vergessene
Kindheitsgeschichten.Ich kaue lange darauf herum,bringe
das Hirn zum Schmelzen, ich warte, daß etwas in meinem
Kopf freigesetzt wird, durch Empathie oder chemische
Reaktion oder eine andere Form von Proteinzufuhr. Ein
Sturm im Wasserglas, ein Taifun im Tintenfisch; es gibt
auch Wein, und wir trinken reichlich davon.
Neben uns sitzen Leute, die uns Schnappschüsse von ihren
Kindern zeigen. »Sont-ils si mignons!« sage ich. Mein Mann
bildet Sätze in seinem persönlichen Kauderwelsch. We, us,
have no little ones.Er kann kein Französisch.Aber er hat mal
Spanisch gelernt, und jetzt erzählt er dem Ehepaar neben
uns mit hartnäckiger Wehmut von unserer Kinderlosigkeit.
»Aber«, fügt er hinzu, unserer Katze liebevoll eingedenk,
»zu Hause haben wir einen großen gato.«
»Gâteau heißt ›Kuchen‹«, flüstere ich ihm zu. »Du hast
ihnen gerade mitgeteilt, daß wir zu Hause einen großen
Kuchen haben.« Ich weiß nicht, warum er ständig unsere
Tischnachbarn in ein Gespräch verwickeln muß. Aber er
tut es immer wieder, er findet es wohl freundlich und höf-
lich, gar nicht plump und aufdringlich, wie ich es dagegen
empfinde.
Anschließend gehen wir stets zu demselben chocolatier, um
Whiskeytrüffeln zu kaufen. Unter der Zunge spürt man
den warmen Sturm, der in ihnen eingefangen ist.
»In welchem agrandissement sind wir gleich?« fragt mein
Mann.
»Welches ›agrandissement‹?« entgegne ich.»Weiß ich nicht,
aber ich glaube, wir sind in einem der ganz großen.« Mein
Mann spricht tirez aus, als ob es spanisch wäre, père, als ob
es pier hieße. Indem ich ihn zärtlich necke, überspiele ich,
wie sehr mich sein Mangel an Liebe trifft. Und doch kommen
wir miteinander aus.Wir zupfen uns gegenseitig am
Ärmel. Wir rufen »guck mal da!« und hoffen, daß unsere
Blicke zusammentreffen, unsere Gedanken verschmelzen.
Wir sind in Paris, von makellosem Marzipan und Licht
umgeben, umweht von dem leichten Geruch nach Abwasser
und Polizeistaat.Ich mit meinem Hüftleiden und er mit
seinen Plattfüßen (»Plattitüden« nennt Daniel sie) laufen
wir beide über die Quais, im Nieselregen bleiben wir auf
allen Brücken stehen und blicken auf diese hübsche Stadt,
während wir uns beide insgeheim vorstellen, mit jemand
anderem verheiratet zu sein - genau hier in Paris. Manchmal
auch nicht, manchmal fragen wir uns einfach, stumm
oder laut, was aus der Welt werden soll.
Als Kind habe ich eine Zeitlang alles mögliche versucht,
um meine Stimme zu spalten. Ich wollte Akkorde anschlagen,
meine Kehle zu Harmonien aufsplittern - ich stellte
sie mir vor wie ein blühendes Klangfeld. Es schien mir
durchaus machbar zu sein. Ich dachte, durch Konzentration
und einen kräftigen Luftstoß könnte ich meinen Innenraum
bevölkern, die Menschenmenge in meinem Kehlkopf
entfesseln,Leben zur Welt bringen,all die Stimmungen
und Nuancen freisetzen, all die herrlichen und mystischen
Wesen,von denen meine innere Sprache erfüllt war.Nachmittags
zog ich allein los, bis hinter den Garten und die
Johannisbeersträucher, an den lavendelköpfigen Schnittlauchbeeten
und dem zarten Spargel vorbei, an den Sonnenblumen,
die ein Reh oder verfrühter Frost umgeknickt
hatte, und an den grasüberwucherten Gräben vorbei, bis
zur Wiese weit hinter unserem Haus. Oder ich lief die
Straße hinunter bis zu dem verlassenen Gelände neben der
Marinekaserne, wo im Winter der dorfeigene Pflug- und
Müllwagen Schnee ablud und im Sommer die Jungen
manchmal Ball spielten.Von dort aus betrachtete ich die
Wiesenblumen,den Mulch aus Sumpf und Laub,das Frühjahrsmoos,
das auf den Steinen grünte, oder aber die zerklüfteten
Berge von grauschmutzigem Schnee, je nach
Jahreszeit - mal waren meine Handschuhe eisverklumpt,
mal meine Hände schlammverklebt -, und dann sandte ich
aus den Tiefen meines Kehlkopfes dunkle Töne zum Horizont
hinaus und helle Töne steil zum Himmel empor. Ich
muß wohl Schmerz empfunden haben. Ich wollte heulen
und fliegen und entzweibrechen.
Das Ergebnis war viel Husten, Keuchen und eine Heiserkeit,
die für ein Kind beängstigend war, wie mir Mrs.
Leblanc, unsere Putzfrau, sagte. »Hast du dich erkältet, Miss
Berie Carr?« fragte sie mich oft, wenn ich zu früh zum
Mittagessen hereinkam. Sie sprach meinen Namen immer
so aus, daß er irisch klang, obwohl er es nicht war. »Nee«,
sagte ich dann barsch. Sie war fröhlich, aber auch brummig,
und sie roch nach Zwiebeln; ich mochte ihren Atem
nicht in meiner Nähe; ich wollte nicht, daß sie mich wie
eine Krankenschwester untersuchte. Wir konnten uns
eigentlich gar keine Putzfrau leisten, aber meine Mutter
fühlte sich oft einsam, selbst in unserem überfüllten Haus,
und sie saß gern mit Mrs.Leblanc in der Küche zusammen,
bei Zigaretten und Tee.Auch wenn ich Mrs.Leblanc nicht
zu Gesicht bekam, selbst wenn es mir gelang, ihr aus dem
Weg zu gehen, wußte ich doch, wann sie dagewesen war:
Das Haus war dann von Tabakrauch erfüllt und immer
noch unordentlich, abgesehen von den Zeitschriften, die
zu neuen Stapeln geschichtet waren; meine Mutter summte
vor sich hin; der Scheck war von der Anrichte verschwunden.
Als sich nach einem Jahr die Akkorde, die ich mir erhoffte,
immer noch nicht eingestellt hatten und das einzige, was
ich hervorzubringen vermochte, ein tiefes, dröhnendes
Rasseln zur Begleitung meiner Hauptstimme war (wo
blieb denn der Chor der Engel, der einzig wahre Jazz?),
hörte ich schließlich auf. Statt dessen begann ich, mir bei
Spinnweben und fünfeckigen Steinen ganz andere Dinge
zu wünschen. Ich wünschte mir ewiges und geheimnisumwittertes
Stummsein. Ich wollte das Mysteriöse Mädchen
Ohne Stimme sein, die Enigmatische Elfe. Die
menschliche Stimme interessierte mich überhaupt nicht
mehr. Die menschliche Stimme war mir zu gewöhnlich.
Ich fühlte, es war wichtig, etwas Außergewöhnliches zu
tun. Ich wußte nur nicht, was.
Obwohl bei uns zu Hause keine einzige Stimme gewöhnlich
war - eigentlich nicht. Auch wenn es mich praktisch
ein ganzes Leben gekostet hat, das herauszufinden - bis zu
jenem Sommer, in dem ich fünfzehn war. Außergewöhnlich
war so manches: Jahre, in denen das kanadische Französisch
meiner Mutter sich immer nur in die gräßlichsten
Wiegenlieder einschlich. Oder der pseudovornehme Tonfall,
den ihre Stimme annahm, wenn sie bei ihren ehrfurchtgebietenden
Schwiegereltern Eindruck schinden
wollte - ihre Stimme verwandelte sich, versuchte, sich
sozial und geographisch neu zu orientieren. Oder Jahre, in
denen mein Vater sein Schuldeutsch bei den Mahlzeiten
förmlich quer über den Tisch feuerte, während meine
Mutter sich ängstlich bemühte, dieser Art Unterricht zu
folgen, um beim Abendessen mit ihm über persönliche
Dinge zu sprechen - ohne daß die Kinder etwas mitbekommen
sollten. »Was ist los, Schätzchen?«
»Ich weiß nicht.«
Ab und zu wohnten Studenten aus fremden Ländern für
einige Wochen bei uns, sie schliefen auf einem der Feldbetten
- im Wohnzimmer, im Keller oder im Arbeitszimmer.
Manchmal waren es auch Lehrer - aus Tunesien,
Argentinien oder Tansania, aus Ländern, deren
Namen wie die Namen bildhübscher kleiner Mädchen
klangen. Es waren südamerikanische Städteplaner vertreten,
afrikanische Flüchtlinge. »Meine Eltern wollten
nur die Nachbarn schockieren«, erklärte ich dann Jahre
später,wenn ich bei gesellschaftlichen Anlässen über meine
Erziehung sprechen und im gleichen Atemzug amüsant
sein sollte.
Für mich als Kind schien alles in unserem Haus fremd,
verschlüsselt, von Stimmungen durchsetzt. Menschen
kamen und blieben, dann gingen sie wieder weg.
Das bewirkte bei mir unter vielem anderen ein taubes Ohr
für Sprachen. Mein Gehirn sträubte sich gegen die Laute,
es setzte sie neu zusammen und verfremdete sie. Eine Zeitlang
hielt ich Sandra Dee nicht bloß für eine Schauspielerin,
sondern auch für einen der französischen Wochentage.
Ich sang »Frère Jacques« und stieß zu meiner Verblüffung
auf die Zeile »Sonny, lehr Martina«. In dem Bewußtsein,
daß eine fremde Sprache oft mit dem spannungsgeladenen
ehelichen Geheimcode einherging, von dem »die Kinder«
ausgeschlossen waren, und all das verbotene Zwitschern
und Schnaufen allein »den Gästen« vorbehalten blieb, wurde
ich immer mürrischer und stellte mich taub. Damals
konnte ich mir mein Grollen selbst nicht erklären; ich
schaltete mich einfach aus. Oft stocherte ich nur lustlos in
meinem Essen herum - dem stark mehlhaltigen Hackbraten,
dem kanadischen Eintopf mit Sülze oder den Fischstäbchen,
deren Panade sich löste - oder ich aß zuviel. Ich
stopfte mir den Mund voll und mußte mir beim Kauen
den Bauch halten.Von früher Kindheit an und noch lange
danach schien es mir nur eine Form von Höflichkeit zu
sein, daß mein Gehirn sich immer dann sperrte, wenn ich
etwas hörte, das nicht Englisch war - Mr. Gambaris Ibu
oder Mrs. Carmen-Perez, die ein spanisches Lied sang.
Meine Lehrer in der Schule - Französisch,Deutsch,Latein -
riefen mich zwar ständig auf, doch ich konnte nicht hören,
was sie sagten. Ich wußte nie, was gemeint war - ihre Lippen
bewegten sich einfach,und zu mir drang ein Wirrwarr
unheimlicher Laute.
Später, als ich schon erwachsen war, spielte mir jemand auf
einer Dinnerparty eine Aufnahme von asiatischen Mönchen
vor, die tatsächlich in der Lage waren, ihre Stimmen
zu spalten. Sie brachten einen zersplitterten, chorartigen
Klang hervor,als wäre jeder einzelne von ihnen zugleich er
selbst und noch viele andere. Es war ein Chor des Gebrochenseins,
des Klagens und Jammerns. Es war nicht schön,
und doch erinnerte es mich ausgerechnet bei diesem öden
Essen - ein jeder hatte etwas über Marx zu sagen, über
Freud, Hockey, Hockney, über Liberale, die für dumm verkauft
wurden, über Radikale, die an Phlebitis litten, ob
Gorbatschow wohl bald einen Pflasterstein auf dem Sunset
Boulevard bekäme? - erinnerte es mich an den Klang, den
ich vielleicht zustande gebracht hätte, wenn meine Mühen
belohnt worden wären. Es erinnerte mich daran, wie Kin-
der immer das Unmögliche wollen; daran, wie die Welt sie
zurechtstutzt und bearbeitet, um sie in sichere Bahnen zu
lenken.
»Sicher« bin ich heute gewiß - oder sollte es zumindest
sein. Die Sicherheit ist in mir, sie hält mich aufrecht, wie
ein Rückgrat. Mein Blut bahnt sich keine neuen Wege, es
kennt seine Richtung schon, es sickert am vertrauten Ort
dahin, wird träge und bequem. Und doch gibt es in der
kleinen Stadt, in der wir leben, ganz andere Momente,
selbst in letzter Zeit, wenn ich meinen Mann hin und wieder
wegen eines nächtlichen Spaziergangs allein ließ; der
Mond hing kopfüber am Himmel, er glich einem grellen
Paradiesvogel, einem fantastischen Irrtum - ein solcher
Mond, der dem Büroalltag und der langweiligen Routine
zum Trotz Himmel und Straßen mit Licht überflutet, muß
zwangsläufig grotesk wirken -, und während des Spaziergangs,
der mich in stille Ecken führte, von einem kühlen
Modergeruch begleitet und den Baumwipfeln, die ein
plötzlicher Windstoß rauschen ließ, spürte ich auf einmal
die alte Unbändigkeit wieder.Rückkehr und Rausch eines
Gefühls. Mit Sexualität hat es eigentlich nichts zu tun.
Mehr mit Abenteuer und Flucht, der Drang eines Jungen,
von zu Hause wegzulaufen. Immer wieder spürbar, ein
Wunsch, der unerfüllt bleibt, der mich unvermittelt wie
ein Blitzstrahl durchzuckt, ein Schatten, den ich hinter mir
herschleife und der in die entgegengesetzte Richtung
drängt, obwohl er letztlich doch immer an meiner Seite
geblieben ist, als wüßte er um die Unmöglichkeit jenes
anderen Lebens, wie ein braver Hund, braver Hund, braver
Hund. Er hat mich nie verlassen.
In dem Sommer, als ich fünfzehn war, hatte ich einen Job
im »Storyland«, zusammen mit meiner Freundin Silsby
Chaussée, um die es hier eigentlich geht. Storyland war ein
Vergnügungspark,gut fünfzehn Kilometer außerhalb unseres
Heimatstädtchens Horsehearts, etwa 400 Meter von
dem See entfernt. Dort drehte sich alles um Figuren aus
Kinderbüchern, es gab Kulissen und kleine Darbietungen,
die sowohl Kinderreime - Hickory Dickory Dock oder
Little Miss Muffet - als auch Märchen in Szene setzten.
Schneewittchen. Hänsel und Gretel. Es gab Karussells und
Rutschen. Wie bei der Alten Frau, die in einem Schuh
wohnte, wo man den riesigen roten Stiefel bis ganz oben
erklimmen konnte, um sich dann auf der Aluminiumlasche
in einen Sandkasten gleiten zu lassen. Es gab die Drei Wilden
Ziegenböcke - eine gewölbte Redwoodbrücke, ein
riesiger Gipstroll und drei echte Ziegen, die man mit Roggenfutter
aus dem Automaten beglücken konnte. Es gab
ein Dschungelsafarigebiet, mit schwebenden Seilbrücken
und falschen Krokodilen, die im Wasser trieben. Es gab die
Frontiersiedlung mit einer nachgebauten Geisterstadt, die
High-School-Jungs aus der Gegend als Cowboys verkleidet.
Schließlich gab es noch die Memory Lane - ein überdachter
Gang, der von dem Souvenirshop zum Ausgang
führte, gesäumt von Gaslaternen und prächtig ausstaffierten
Schaufensterpuppen - mottenzerfresseneTurnüren und
Zylinder -, die wackelig an alten Kutschen lehnten. An
Regentagen verbrachten Sils und ich manchmal unsere
Mittagspause in Memory Lane, dann setzten wir uns auf
eine von den Parkbänken, die an der Wand standen. Wir
fielen aus dem Rahmen, waren fehl am Platz - halb Pantomimen,
halb Vandalen. Aber die meisten Touristen lächelten
bloß und beachteten uns nicht.Wir sangen zur blechern
klingenden Musik,die vom Band kam,egal was es war - für
gewöhnlich »After the Ball« oder »Beautiful Dreamer« -,
manchmal war es jedoch einfach nur der Storyland-Song:
Storyland, Storyland -
Kein Land von Traurigkeit.
Hier werden durch Zauberhand
Eure Träume Wirklichkeit.
Viele Märchen werden wahr
Und Kinderreime sonnenklar.
Storyland, Storyland -
Für die gaaanze Familie
(Und Großma-ma!)
Bei dieser Coda über Großmama, die in einer Art verminderter
Septime verhallte, wie die groteske Begleitmusik zu
einem Zeichentrickfilm - waa-waa-waa -, mußten wir
immer das Gesicht verziehen. Stets sangen wir mit, den
Mund voller Sandwich, dann rissen wir ihn weit auf, um
unser zerkautes Essen zu demonstrieren, sowie unser Entsetzen
bei der Vorstellung, daß unsere Großmütter vielleicht
hier im Park weilten, vor einem der Karussells
Schlange standen.
Und Großmama!
Iiih!
Sils war eine Schönheit - das Blau ihrer Augen ein intensives
schwarzgesprenkeltes Aquamarin, ihre Haut glatt wie
Seife, ihr Haar lang und schlickfarben, aber hier und da mit
einer pirolgelben Strähne, in der sich das Sonnenlicht fing
wie in einem Fluß.
Sie war von dem Manager als Cinderella angeheuert worden.
Dafür mußte sie ein schulterfreies Abendkleid aus
Satin tragen und in einer großen Kürbiskutsche aus Pappmaché
herumfahren. Kleine Mädchen standen Schlange,
um in die Kutsche zu klettern und mit ihr durch den Park
zu fahren - das war eine der Attraktionen -,um schließlich
neben einem riesigen Fliegenpilz abgesetzt zu werden.
Zwischendurch holte mich Sils auf eine Zigarette ab. Ich
war Kassiererin am Eingang. Jeden Tag kamen allein durch
eine einzige Registrierkasse sechstausend Dollar rein. Die
Kunden beschwerten sich über die Preise, mogelten beim
Alter der Kinder, zählten das Wechselgeld peinlich genau
nach. »Gardez les billets pour les manèges, s'il vous plaît«, sagte
ich zu den Kanadiern.Als Uniform trug ich einen Strohhut,
ein rotweiß gestreiftes Kleid mit einer bauschigen
roten Schürze und auf der Brust ein Namensschild: Hallo,
ich bin Benoîte-Marie. Ich hatte zwar kleine Münzen in
den Schürzensaum eingenäht, damit sie nicht bei jedem
Windstoß hochwirbelte, aber sonst gab es wenig Möglichkeiten,
das Kleid auch nur halbwegs erträglich zu machen.
Ich habe einmal ein Mädchen gesehen, das im Jahr davor
gefeuert worden war und in der Stadt immer noch dieses
Kleid samt Schürze trug. Die Leute sagten, sie sei verrückt,
und das war in der Tat nicht zu übersehen.
Im Sommer war die ganze Gegend voller kanadischer Touristen,
die von hinter der Grenze aus Quebec kamen. Sils
erzählte gern Anekdoten von ihrem alten Job als Kellnerin
bei HoJo's: »Isch möschte Eier«, sagte mal ein Mann, der
jedes einzelne Wort langsam in einem kleinen Taschenwörterbuch
nachschlug.
»Wie hätten Sie die gern?« hatte sie ihn gefragt.
Der Mann blätterte weiter, um die richtigen Wörter zu
finden. »Isch 'ätte gern ... ehm ... auf flache Teller.«
Es schien keine Rolle zu spielen, daß wir selbst zum Teil
frankokanadischer Herkunft waren. Sur le plat. Spiegeleier.
Es machte uns einfach Spaß, derbe, dumme Witze über
diese Touristen zu erzählen, die zwar für die Wirtschaft
unserer Gegend unentbehrlich waren, aber zu wenig
Trinkgeld gaben, die Mädchen blöd anmachten, ihre
Hemden offen trugen und ihre Bäuche aus der Hose quel-
len ließen, die sich beschwerten, dünne Zigarren rauchten
und eine dreckige Lache hatten - uns war jeder Anlaß
recht.Wir hatten eben gelernt,uns über die Touristen lustig
zu machen, wie alle, die in Feriengebieten leben. Im Winter
spotteten wir über die Städter, die in den Norden
kamen, um auf dem Garnet Mountain bei Horsehearts Ski
zu fahren.Sie trugen knallbunte Jacken und Steghosen und
hatten teure Skier,doch mehr als durch den Schnee stapfen
konnten sie nicht. Bei jedem Sturz jammerten sie, sie
weinten, wenn ihre Skier sich lösten und die Piste hinunterglitten.
Nur mit Jeansjacken, Jeanshosen und alten
Schnürstiefeln ausgerüstet, sausten wir an ihnen vorbei.
Wir grinsten schadenfroh und summten Songs von Janis
Joplin, während wir in die stillen Haine hinabglitten.Wir
trugen die Überlegenheit der Alteingesessenen zur Schau.
In solchen Momenten empfanden wir unsere relative
Armut als Trumpf, die Schlagfertigkeit der Eingeborenen.
Wenn Sils - Cinderella höchstpersönlich! - mich im Storyland
für eine Zigarettenpause abholte, schloß ich meine
Kasse ab und bat einen der Kartenabreißer,ein Auge darauf
zu werfen, dann ging ich mit ihr in die Allee, die zwischen
Hickory Dickory Dock und Peter Pans Paradies lag. Dort
holten wir ein Päckchen Zigaretten aus der Tasche und
rauchten jeweils zwei, Sobranies und Salems, die uns das
Gefühl schenkten,verführerisch und weise zu sein.Manchmal
stieß unsere Freundin Randi für ein Päuschen dazu,sie
war Bo Peep, auf der Suche nach ihren verlorenen Schäfchen
mußte sie durch den Park streifen, angetan mit einem
vergoldeten Stab,weißgerüschten Hosen und einem Käppchen
mit gelben Schleifen (mit weinerlicher Stimme fragte
sie die Kinder: »Wo sind meine Schäfchen? Liebe Kinder,
habt ihr meine Schäfchen gesehen?«).
»Habt ihr vielleicht meine verdammten Schafe gesehen?«
fragte sie uns, wenn sie in die Allee trat (oder in die Memory
Lane, falls es gerade regnete und zufällig Mittagspause
war) und ihre Rüschenhose hochzog, deren Gummiband
sie ständig kratzte. Zehn Jahre später sollte Randi als Vertreterin
für Mary-Kay-Kosmetik einen Nervenzusammenbruch
erleiden:sie hörte zwar mit dem Verkaufen auf,
aber nicht mit dem Bestellen; die Warenkartons stapelten
sich in ihrem Keller, während Randi, statt sich von Tür zu
Tür zu klopfen,ins Blaue fuhr,sich auf dem Wagenrücksitz
betrank und das Bewußtsein verlor.Doch hier und jetzt,als
rauchende Bo Peep, war sie voller Energie, ironisch und
sehr jung. »Dachte ich's mir doch, daß ich euch Mädels
hier finde.« Sie nahm einen raschen Zug, dann ging sie
weiter, manchmal steckte ihr Rock hinten immer noch im
Bund der Rüschenhose.»Randi,du hast 'nen tollen Arsch«,
rief ihr Sils dann mit prüfendem Blick hinterher.
Wir mußten ständig vor Herb, dem Geschäftsführer, auf
der Hut sein. (Was haben all diese kleinen Kinder wohl
gedacht, als sich herausstellte, daß Cinderella und Bo Peep
Nikotinflecken an den Fingern haben und nach Rauch
stinken? fragte mich einmal mein Mann, der in der medizinischen
Forschung tätig ist. Ich zuckte bloß die Achseln.
Damals war das anders,murmelte ich.Andere Zeiten.Alle
rauchten. Ihre Eltern rauchten auch.)
»Ihr habt meine Schäfchen auch nicht gesehen? Ach, ich
habe sie verloren und weiß nicht, wo ich sie suchen soll!«
Randis Stimme verlor sich in der Ferne, während Sils und
ich die Lieder summten, die wir kannten, einige hatten wir
in der Schule im Mädchenchor gelernt - mittelalterliche
Weihnachtslieder,einen Teil des Deutschen Requiems von
Brahms, das Duett aus Lakmé, den Titelsong aus The Thomas
Crown Affair (Miss Field wäre stolz auf uns!) -, andere
hatten wir gerade im Radio gehört, manche lernten wir
anhand von Liederheften,viel von Jimmy Webb.Sils mochte
vor allem »Didn't we«, in der Version von Dionne Warwick,
und übte zu Hause die Akkorde auf der Gitarre.
»›This time we almost made our poem rhyme.‹« Sie griff in
die imaginären Saiten, als webte sie Luft, den linken Arm
von sich gereckt wie ein Gitarrenhals. »Yeah, yeah, yeah«,
sagte ich, »und so weiter, und so fort.« Doch dann stimmte
ich in den Gesang ein, hatte die Wärme des Klanges mich
umgestimmt.
Ich übernahm dieAltstimme.Immer war das mein Part.Ich
probierte unterhalb der Melodie alles mögliche aus, um
etwas zu finden, das dunkel und angenehm klang, etwas
Tragendes - schmückendes Beiwerk, aber mit Tiefgang.
Danach zündete ich mir eine Zigarette an und schwieg.
»Heute morgen war ein Mädchen dabei, das ständig die
Pailletten auf meinem Kleid betatscht hat, sie hat ganz entgeistert
zu mir raufgestarrt, etwa so.« Sils ließ die Schultern
hängen und den Kiefer sinken.
»Hast du ihr eine geklebt?« fragte ich.
»Ich hab sie windelweich geprügelt«, antwortete sie.
Ich mußte lachen. Sils auch, und als ihr tiefausgeschnittenes
Oberteil leicht verrutschte, bemühte ich mich, ihr
nicht auf die Brüste zu schielen; sie bewegten sich auf und
ab, rückten ins Licht oder fielen in den Schatten zurück,
und ich war davon fasziniert. Ich war flach, meine Brüste
zwei fleischfarbene Beulen, und ich konnte es mir nicht
leisten,Kleider mit Abnähern zu tragen,auch keine Nylonblusen
oder dekolletierte Badeanzüge. Obwohl ich das
Gegenteil behauptete, hatte ich noch nicht einmal meine
Tage bekommen, dabei war ich schon fünfzehn. Die
Begriffe »entwickelt« und »nicht entwickelt« erfüllten
mich mit Angst und Haß. »Wenn du dich erst entwickelt
hast« waren die Worte, mit denen meine Mutter gewöhn-
lich eine langatmige, peinigende Prophezeiung begann,
oder die Schulkrankenschwester kam zur Aufklärung in
den Biologieunterricht, und ich erstarrte auf meinem
Stuhl, rührte nicht einen Muskel, versuchte zu verschwinden.
Es schien mir eine traurige Wahrheit zu sein, aber
außer mir war keiner bereit zu akzeptieren, daß ich mich
niemals »entwickeln« würde.Allerdings versuchte ich,mich
damit abzufinden: Schließlich hatte ich nicht darum gebeten,
eine Mißgestalt zu sein, ich hätte mir nur Brüste
gewünscht, um sie zu betrachten. Ich wollte sie hegen und
pflegen, parfümieren und pudern. Aber ich mußte den
Tatsachen ins Auge sehen:Ich war von Mutter Natur übergangen
worden, dieser mit Blumengirlanden geschmückten
Figur im weißen wallenden Kleid,die ich manchmal in
den Werbespots für Margarine bewundern konnte, während
sie ein Gewitter heraufbeschwor. Sie hatte mich einfach
übersehen.
Und so erzählte ich auf meine Kosten lange selbstironische
Busenwitze und übte mich in Vergleichen wie Spiegelei,
Bügelbrett, Schlangenbiß, Mückenstich, plattgewalzte
Blechdose oder überfahrenes Tier, Pfannkuchen, Brett mit
Nägeln und Topflappen; für mich waren Brüste immer
noch eine Kuriosität. Noch ein paar Jahre zuvor hatten Sils
und ich gemeinsam jedes Pornoheft, das wir uns beschaffen
konnten, eingehend studiert, oder die Anzeigen für
W.-T.-Grant-Unterwäsche, selbst die Land-O-Lakes-Butter
war vor uns nicht sicher, wir hatten das Indianermädchen
von der Packung ausgeschnitten und deren Knie
entsprechend gefalzt, damit sie wie Brüste aus einem
Schlitz in ihrem Oberkörper hervorlugten.Wir lachten auf
faszinierte, obszöne Weise. Wir waren von Brüsten beses-
sen.Wir stopften Waschlappen,Teetassen,Golfbälle,Tennisbälle,
Wattebäuschchen in unsere Blusen. Einmal brachten
wir ihre Mutter, die schon lange geschieden war und bis
spät in die Nacht als Rezeptionistin im Landmark Motel
arbeitete, dazu, uns ihren Busen zu zeigen. Sie war eine
nachgiebige und schuldbewußte Mutter, restlos erschöpft
von ihren großen Söhnen (die lärmenden Proben mit der
Band im Keller; ständig wechselnde Freundinnen; die
kurzfristigen halbjährlichen Trips über die Grenze nach
Kanada, um nicht doch noch eingezogen zu werden; die
Spaghetti, die sie als »Windspiel« auf die Veranda hängten;
die Schnappschüsse, die sie in den Kühlschrank klebten
und auf denen man sah,was der Hund mit dem Müll angerichtet
hatte). Sie hatte Angst, daß sie ihre kleine Tochter
vernachlässigt haben könnte, um ihre Familie durchzubringen.
So kam es, daß sie, als wir »Zeig uns deine Brüste,
zeig uns deine Brüste!« skandierten, zu unserer Überraschung
tatsächlich ihren Pullover hochschob. Sie hakte
ihren Büstenhalter auf und gab den Blick auf ihre Brüste
frei, verwirrt schaute sie uns an, während wir darauf starrten
- sie waren von Adern durchzogen, dunkel und
befremdlich.
Doch nun schien nur ich übriggeblieben zu sein. Ich war
die einzige, die noch besessen war.
Die Frühlingssonne hatte Sils' Dekolleté mit Sommersprossen
besprenkelt, und ihr seidiges Haar, das sie mit Bier
und Apfelwein spülte, glänzte wie Weihnachtsfolie. »Ich
fragte sie immer wieder, wie heißt du denn?« erzählte
Sils. »Wo gehst du denn zur Schule? - du kleiner Kotzbrocken
- magst du deine Lehrerin? Lauter Sachen, die
eine echte Cinderella niemals sagen würde, aber das Mädchen
war wie verzaubert.«
»Ohne dich zu bezaubern.« Das war die Art pedantischer
Wortklauberei,in die ich nur allzugern verfiel,ein mageres,
unterentwickeltes Mädchen,das durch gute Noten glänzte.
»Sie hat ständig nach dem Prinzen gefragt. Sie ist nicht
zwei. Man sollte doch meinen, daß sie's kapiert. Ceci n'est
pas une pipe.« Sils hatte sich alle Dias aus dem Kunstgeschichtskurs
eingeprägt. »Es gibt keinen Prinzen.«
Ich rauchte die Sobranie bis zu dem giftgoldenen Filter
auf. Den Rauch blies ich aus der Nase wie ein Drache.
»Was du nicht sagst«, entgegnete ich. »Du bist gar nicht
Cinderella?« Als Mädchen waren wir nie sonderlich geistreich,
aber damals waren wir vom Gegenteil überzeugt.
Wir fanden es unerhört witzig, mein oder ihr Kinn als »die
Farm der glücklichen Pickel« zu bezeichnen. In einem
Städtchen, wo jeder solche Ausdrücke gebrauchte wie
»Jesus nee« und »shiiish«, sagten wir »fuck« - aber in einem
verruchten, verschwörerischen Tonfall. »What the fuck,
Babe.« Sils sagte das gern, mit einem spöttischen, rauchvernebelten
Lachen. Ich sagte das gleiche.Als sie in der achten
Klasse war, schlug ihre Stirn einmal aus und sie versuchte
die Pickel wegzurasieren. Damals war das gar nicht lustig -
ihre Stirn blutete eine Woche lang -, doch als wir lange
danach Lust zum Lachen hatten, brachten wir es einfach
wieder zur Sprache: »Weißt du noch, als du dir die Stirn
rasiert hast? What the fuck, Babe«, und schon lagen wir am
Boden.Wir suchten nach Geheimnissen.Wir suchten nach
Geschichten und Mißgeschicken, an denen wir uns wie
mit Lachgas berauschen konnten.Wir liebten diese heftigen,
krampfartigen Lachanfälle, bei denen zunächst kein
Laut nach außen drang, bis wir schließlich wiehernd nach
Luft schnappen mußten.
Mit einer Hand zeigte sie mir erst den Finger, dann ließ sie
ihre glühende Sobranie zwischen Daumen und Zeigefinger
der anderen Hand baumeln.Aber sie lächelte.Sie zuckte
mit den Achseln.Sie summte vor sich hin.Sie sagte »Hör
zu« und stieß laut rülpsend die Kohlensäure der Fresca
Limo wieder aus. Sie war mein Idol, und soweit ich mich
erinnern konnte, war sie es immer schon gewesen. Dank
ihrer Gegenwart - von Zigarettenpause zu Mittagspause
zu Zigarettenpause - konnte ich die öden Tage überstehen.
Wir hatten im Mai mit der Arbeit im Storyland begonnen,
zunächst nur an den Wochenenden und während des
Hochbetriebs am Memorial Day. Nachdem die Schule
Anfang Juni aufgehört hatte,arbeiteten wir dort sechs Tage
die Woche. Bis es soweit war, trafen wir uns während der
Schulzeit auf dem Friedhof, um zu rauchen. Jeden Tag
gönnten wir uns das, was wir das »Grabmahl« nannten. Ich
kletterte über den Hügel, lief die blaue Wiese entlang, wo
Alpenlein und Ehrenpreis blühten, an der zerfallenen Laube
und den Birnbäumen vorbei, den Kiesweg hinunter zu
dem Sumpf,der mit Holzplanken abgedeckt war,und dann
wieder hinauf zu den Grabsteinen, wo Sils auf mich wartete,
die aus der entgegengesetzten Richtung gekommen
war. Sie wohnte in einer kleinen, eichenbestandenen Straße,
die als Sackgasse in den Friedhof mündete (der dicht
neben ihrem Haus lag). »Ist diese Straße vielleicht ein
Symbol oder wie?« fragte Sils jeden, der zu Besuch kam.
Vor allem die Jungs. Die Jungs vergötterten sie. Sils war,
wie mein Mann einmal ironisch bemerkte, »oh, sicher ein
cooles Mädchen. Hab ich recht? Einer dieser abgebrühten
jungen Hüpfer aus Dingsville?« Sie konnte Noten lesen,
ein bißchen malen; sie hatte große Brüder, die in einer
Rockband spielten. Sie war das außergewöhnlichste Mädchen
in ganz Horsehearts, wozu nicht gerade viel gehörte,
aber man muß sich vor Augen führen, welche Folgen das
für sie hatte.Was das für ihr Leben bedeuten konnte. Und
obwohl ich sie heute aus den Augen verloren habe, wäre
damals ein solcher Verlust für mich unvorstellbar gewesen.
Mai 2011
Die Originalausgabe erschien 1994 unter dem Titel
Who Will Run the Frog Hospital?
bei Alfred A. Knopf Inc., New York
© 1994 by Lorrie Moore
Die deutschsprachige Ausgabe erschien erstmals 1996
bei Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg
© 1996, 2011 der deutschsprachigen Übersetzung, Patricia Klobusiczky
© 2011 BV Berlin Verlag GmbH, Berlin
Alle Rechte vorbehalten
Umschlaggestaltung: Rothfos & Gabler, Hamburg, unter Verwendung
einer Vorlage von © Richard Fremont/getty
Satz: L101 Mediengestaltung, Berlin
Druck und Bindung: Clays Ltd, St Ives plc
Printed in Great Britain
ISBN 978-3-8333-0755-3
www.berlinverlage.de
... weniger
Autoren-Porträt von Lorrie Moore
Moore, LorrieLorrie Moore wurde 1957 in Glens Falls, New York, geboren. Sie lebt in Nashville, Tennessee, und lehrt Anglistik an der Vanderbilt University. Ihr Werk wurde vielfach ausgezeichnet, zuletzt war sie mit ihrem Roman »Ein Tor zur Welt« auf der Shortlist des Orange Prize for Fiction und für den PEN/Faulkner Award nominiert. Moore gehört zu den bedeutendsten Autorinnen zeitgenössischer amerikanischer Literatur.
Klobusiczky, Patricia
Patricia Klobusiczky, 1968 geboren, studierte Literaturübersetzen, arbeitete lange als Lektorin und ist seit 2006 freie Übersetzerin und Moderatorin. Sie übersetzt Werke von u.a. Lorrie Moore, Frances Itani, William Boyd und Louise de Vilmorin.
Bibliographische Angaben
- Autor: Lorrie Moore
- 2011, 194 Seiten, Maße: 11,8 x 18,8 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Klobusiczky, Patricia
- Übersetzer: Patricia Klobusiczky
- Verlag: Berlin Verlag Taschenbuch
- ISBN-10: 3833307552
- ISBN-13: 9783833307553
- Erscheinungsdatum: 16.04.2011
Kommentar zu "Die Froschkönigin"
0 Gebrauchte Artikel zu „Die Froschkönigin“
Zustand | Preis | Porto | Zahlung | Verkäufer | Rating |
---|
5 von 5 Sternen
5 Sterne 1Schreiben Sie einen Kommentar zu "Die Froschkönigin".
Kommentar verfassen