Die Geliebte des Königs
Band 2 um die schönen Cheney-Schwestern, die über magische Fähigkeiten verfügen! Im Paris des 16. Jahrhunderts ist Gabrielle, die jüngere Schwester von Ariane, zu einer begehrten Kurtisane am Hofe aufgestiegen. Aber sie liebt...
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Produktinformationen zu „Die Geliebte des Königs “
Band 2 um die schönen Cheney-Schwestern, die über magische Fähigkeiten verfügen! Im Paris des 16. Jahrhunderts ist Gabrielle, die jüngere Schwester von Ariane, zu einer begehrten Kurtisane am Hofe aufgestiegen. Aber sie liebt immer noch Nicolas, den sie tot glaubt. Als er plötzlich wieder vor ihr steht, kann sie ihr Glück kaum fassen. Doch im Schatten der mächtigen Katharina von Medici braut sich erneut Gefahr für die Liebenden zusammen.
Lese-Probe zu „Die Geliebte des Königs “
Die Geliebte des Königs von Susan Carroll Prolog Dunst stieg über der Seine auf, ein geisterhafter Schleier zog über die Ufer von Paris und verdunkelte Straßen, die im schwindenden Licht bereits einem Labyrinth glichen. Aber der Dame, die sich durch den Nebel stahl, schien weder die feuchte Kühle des Herbstabends etwas auszumachen noch die Gefahr, sich zu verlaufen.
Sie war in einen grauen, knöchellangen Umhang mit einer Kapuze gehüllt, ihr Gesicht verborgen hinter einer schwarzen Samtmaske, wie sie die Schönen bei Hofe trugen, um ihren Teint zu schützen. In derselben Weise schützte die Maske auch die Identität der Frau und ließ nur ihre blitzenden Augen und einige blonde Haarsträhnen erkennen. Hölzerne Pantinen bewahrten ihre Brokatschuhe vor dem Unrat auf den Straßen, die sie mit sicherem Schritt entlanglief, ohne den Mann zu bemerken, der sie verfolgte.
Hauptmann Nicolas Remy ließ sich so weit zurückfallen, wie er es wagen konnte, ohne die Dame an diesem nebligen Abend aus den Augen zu verlieren. Er trug ein dunkles Wams und schwarze Hosen, die mit der aufziehenden Nacht verschmolzen. Seine abgenutzten Kleider und die staubigen Stiefel hatten wie er selbst schon bessere Tage gesehen. Wirres dunkelblondes Haar hing über seine braunen Augen, die hageren Züge beschattete ein ungepflegter Bart. Mit Schwert und Dolch am Gürtel, sah er selbst für Pariser Verhältnisse gefährlich aus.
... mehr
Passanten machten einen Bogen um ihn, was es ihm erschwerte, der Dame in Grau unauffällig zu folgen. Die Straßen leerten sich rasch. Handwerker und Straßenverkäufer hasteten nach Hause. Die Läden der Geschäfte wurden zugeschlagen,
und das ganze respektable Paris zog sich hinter geschlossene Türen zurück.
Bald würde Hauptmann Remy allein auf weiter Flur sein, wie ein einsamer Oberlebender auf dem Schlachtfeld, aber einen größeren Abstand zwischen sich und der Frau konnte er nicht riskieren. Sie hatte den entschiedenen Vorteil, dass sie wusste, wohin sie ging.
Er hatte sein Bestes getan, alles Wissen, das er je über diese verfluchte Stadt besessen hatte, zu vergessen. Remy waren nicht nur die Straßen unbekannt, er war sich nicht einmal sicher, ob er der richtigen Frau folgte. Er warf einen Blick auf seinen Begleiter, einen sehnigen Achtzehnjährigen mit dem Spitznamen Martin Le Loup.
Ein passender Name, dachte Remy. Mit seiner rabenschwarzen Mähne, den scharfen Gesichtszügen und den grünen Augen hatte der Bursche viel von einem Wolf. Obwohl Martin sich selbst als Abenteurer oder Glücksritter betrachtete, sah er bedauerlicherweise mehr nach dem aus, was er tatsächlich war: ein Lump und Beutelschneider. Aber Remy vertraute dem Jungen blind, so manches Mal hatte er ihm sogar sein Leben anvertraut.
Dennoch fragte er sich diesmal, ob sein schlauer Wolf nicht doch einen schweren Fehler begangen hatte. Während die Frau sie immer tiefer in immer schmalere Gassen führte, wuchs Remys Befürchtung, er könnte in eine Falle gelockt werden, wie sie schöne Frauen für so manchen unvorsichtigen Reisenden in Paris auslegten, nur um ihn dann auszurauben.
Remys Hand fuhr zum Heft seines Schwertes, und er murrte seinen jugendlichen Führer an: »Bist du sicher, dass das die Dame ist, die du für mich finden solltest? Denn wenn du einen Fehler gemacht hast ...«
»Keinen Fehler, Herr Hauptmann!«, protestierte Wolf, beleidigt, weil Remy an ihm zweifelte. »Ich schwöre beim Grab meines Vaters, oder zumindest würde ich das, wenn ich
wüsste, wer er war: Das ist wirklich die Dame, die ich für Euch suchen sollte, Eure Mademoiselle Gabrielle Cheney.«
Remy gestattete sich einen Moment des Bedauerns. Nein, sie war niemals seine Gabrielle gewesen, noch würde sie es je sein.
»Man sagt, sie sei die schillerndste Frau in ganz Paris«, sagte Wolf und küsste dabei anzüglich seine Fingerspitzen. »Erkennt Ihr sie denn gar nicht?«
Remy kniff die Augen zusammen, um die ferne Gestalt im Umhang zu betrachten. Er versuchte, eine vertraute Geste oder Bewegung der bezaubernden jungen Frau wahrzunehmen, die er einst gekannt hatte. Aber es war über drei Jahre her, seit er Gabrielle zum letzten Mal gesehen hatte, damals in dem lang vergangenen Sommer an einem geheimnisvollen Ort namens Faire Isle.
Er hatte gehört, dass Gabrielle sich verändert, sich von dem freundlichen, leidenschaftlichen Mädchen in eine verführerische und gefährliche Frau verwandelt hatte. Man sagte, sie sei ihrem kalten Ehrgeiz erlegen, und man sagte auch, sie sei mittlerweile besser in der Kunst der Intrige bewandert als selbst die dunkle Königin, Katharina von Medici. Man sagte ...
Remys Mund presste sich zu einem dünnen Strich zusammen. Er wollte einfach nicht all das glauben, was über Gabrielle gesagt wurde. Das war viel zu schmerzhaft. Aber um eine Tatsache kam er nicht herum: Leute, die um diese Uhrzeit unterwegs waren, gingen entweder bemerkenswert leichtsinnig mit ihrem Leben um oder verfolgten eine Absicht, mit der sie das Tageslicht scheuten.
Was traf wohl auf Gabrielle zu? Er brauchte sie nur zu überholen und sie zu fragen. Aber das widerstrebte ihm. Nach so langer Zeit wollte er nicht, dass ihr Wiedersehen auf der Straße stattfand. Sie glaubte, er sei tot, und vielleicht wäre es besser, wenn es dabei bliebe.
»Lass sie einfach gehen«, drängte etwas in ihm. » Verwickle sie
nicht in dieses verzweifelte Unterfangen, um das dein ganzes Leben kreist. «
Diese Stimme war ein schwaches Echo des ehrenwerten und ritterlichen Mannes, der er einst gewesen war. Aber alles Edle in ihm war in jenem heißen August vor drei Jahren hier in Paris in einer Nacht voller Blut, verrat und Wahnsinn zerstört worden. Der bloße Gedanke an die Bartholomäusnacht genügte, um seinen Magen umzudrehen und ihm den kalten Schweiß auf die Stirn zu treiben.
Remy schob die albtraumhaften Erinnerungen beiseite und folgte Gabrielle weiter. Trotz aller Gefahren brauchte er die Hilfe von Gabrielle Cheney bei dem waghalsigen Unternehmen, das ihn zurück in die Stadt gebracht hatte. Aber zunächst musste er sich vergewissern, dass es auch wirklich Gabrielle war, der er folgte.
Die junge Frau stolzierte weiter, während um sie herum die Häuser immer baufälliger und die Straßen immer schmutziger wurden. So wenig Remy auch von Paris kannte, so bemerkte er doch, dass sie in eines der übleren Viertel der Stadt eintauchten.
Neben ihm brummte Wolf mit tiefer Stimme: »Die Rue de Morte? Seid vorsichtig, Monsieur. Sogar die schlimmsten Galgenstricke scheuen sich, nachts hierherzukommen. Eure Dame muss ziemlich verrückt sein, sich allein in diese Gegend zu wagen, nicht einmal von ihrer Zofe begleitet. War sie immer so waghalsig?«
»Immer«, murmelte Remy mit grimmigem Lächeln. Zumindest in diesem Punkt hatte Gabrielle sich nicht verändert. »Einmal hat sie mein Schwert gestohlen und bereitete sich auf den Kampf gegen eine ganze Mannschaft ...«
»Was für eine Mannschaft?«, fragte Wolf höchst interessiert.
Schon bereute Remy seine impulsiven Worte. Die Geschehnisse auf Faire Isle in jenem Sommer waren seltsam genug für ihn gewesen. Falls er einige dieser Geschichten erzählen würde, wäre selbst der unbekümmerte Wolf alarmiert.
Rerny konnte die Antwort schuldig bleiben, als sie Gabrielle im Nebel aus den Augen verloren. Beide, er und Wolf, blieben sofort stehen, um zu lauschen. Nichts war mehr vom alltäglichen Verkehrsgeklapper der Wagen, Pferde und Maultiere zu hören. Weit entfernt vernahm Remy das hohle Echo von Gabrielles Schritten.
»Da!« Wolf zeigte auf die andere Straßenseite.
Der aufgehende Mond durchdrang die Nebelschwaden so weit, dass Remy Gabrielles Schatten ausmachen konnte. Sie näherte sich den eisernen Toren eines großen Herrenhauses im gotischen Stil, das hinter hohen Steinmauern lag. Das Torhaus war von Türmchen flankiert_ Im dunstigen Mondschein wirkte das weitläufige Anwesen mit seinen zahlreichen vernagelten Fenstern und der bröckelnden, an manchen Stellen gänzlich eingefallenen Gartenmauer ausgesprochen unheimlich.
Die benachbarten Grundstücke lagen trotz des Bauwahns, der Paris derzeit ergriffen hatte, brach. Das Haus stand alleine da, als ob der Rest der Stadt vor zu viel Nähe zurückschreckte.
»Nom de Dieu!«, hörte Remy Wolf nach Luft schnappen.
»Was ist los?«, fragte er.
»Das - das Maison d'Esprit«, flüsterte Wolf und zeigte mit zitterndem Finger auf das eindrucksvolle Haus.
»Was! Du kennst diesen Ort?«
Wolf nickte ruckartig, die Augen in dem schmalen Oval seines Gesichts weit aufgerissen. »Dieser Ort ... er - er hat einen grauenvollen Ruf, Monsieur. Das Haus gehörte einst einem mächtigen Bischof, der von einer Hexe verflucht wurde. Sie verzauberte ihn, sodass er sich rettungslos in sie verliebte und seine heiligen Eide vergaß. Er machte sie zu seiner Mätresse und hielt sie in diesem Haus über viele Jahre hinweg versteckt. Sie hat ihm sogar Kinder geboren, Töchter, die wie sie selbst böse Hexen wurden.«
Wolf schauderte. »Schließlich brachte einer der Diener des Bischofs den Mut auf, die Behörden zu unterrichten.
Hexenjäger überfielen das Anwesen, ergriffen die Zauberin und ihre Töchter und zerrten sie fort zur Hinrichtung. Jedermann dachte, das würde den Bann über den Bischof brechen, aber der arme Mann hat sich auf dem Dachboden erhängt, in den Wahnsinn getrieben durch die Hexe.«
Wolf rollte die Augen Richtung Himmel und bekreuzigte sich. Der junge hatte eine melodramatische Ader und genoss es, sich bei jeder Geschichte zu gruseln, die er zu hören bekommen konnte - je grausamer, desto besser.
Falls Gabrielle diese Geschichte kannte, war sie davon jedenfalls nicht eingeschüchtert. Remy konnte ihre Gestalt geradewegs auf die Tore zueilen sehen. Nach kurzem Zögern wagte er sich etwas näher. Verstohlen überquerte er die Straße und stellte sich hinter eine alte Eiche auf einem der leeren Nachbargrundstücke. Wolf eilte ihm geräuschvoll nach. Remy warf ihm einen finsteren Blick zu. Das düstere Haus stand abwartend da, wie ein stiller Schatten, ohne ein Zeichen von Leben. Was mochte Gabrielle an diesem elenden Ort suchen?
»Wer wohnt jetzt hier?«, fragte Remy seinen Begleiter leise.
»Niemand<„ flüsterte Wolf heiser. »Dieser Ort ist ein Spukhaus, er ist mit einem Fluch belegt. Bevor sie starb, hat die Hexe jeden verflucht, der je diesen Boden betritt. Er soll genauso verrückt werden wie einst ihr Liebhaber.«
Remy glaubte nicht an Flüche, aber das verlassene Anwesen hatte etwas Beunruhigendes an sich, bei dem sich seine Nackenhaare aufstellten. Er spürte ein merkwürdiges Gefühl der Erleichterung, als Gabrielle an den eisernen Toren vorbeiging.
Aber Remy hätte wissen müssen, dass verschlossene Tore Gabrielle Cheney nicht aufhalten konnten. Sie ging die Steinmauer entlang, bis sie eine größere Bresche fand. Mit einem verstohlenen Blick über die Schulter raffte sie ihre Röcke und kletterte hindurch. Remy schickte sich an, ihr zu folgen, als sie aus seinem Blickfeld verschwand.
Wolf packte verzweifelt seinen Arm. »Nein, Herr Haupt
mann! Ihr dürft ihr nicht da hinein folgen. Dieser Ort ist verflucht, ich beschwöre Euch!«
»Sei nicht albern, Junge.« Remy versuchte, ihn abzuschütteln, denn er befürchtete, Gabrielle zu verlieren, und zwar nicht an einen Fluch, sondern an Nebel und Dunkelheit.
»Oh, bitte, Herr Hauptmann! Seht Ihr denn nicht, dass es zu spät ist? Eure Dame muss bereits vom Wahnsinn ergriffen sein. Warum sollte sie sonst in diesen schrecklichen Ort eindringen?«
Warum nur? Remy hatte keine Ahnung, was Gabrielle zu diesem vernachlässigten Wrack eines Hauses gezogen hatte, aber er hatte vor, es herauszufinden. Jedenfalls war klar, dass er allein gehen musste. Im Augenblick gab sich Wolf nicht seinem üblichen Hang zum Melodrama hin, der Schrecken des Burschen war echt. Seine Finger zitterten, sein Gesicht war aschfahl. Selbst Händel mit den grimmigsten Banditen hätten Wolf nicht geschreckt, aber alles, was auf Übernatürliches hinwies, ängstigte ihn zu Tode.
Remy löste die Finger des jungen und befahl ihm, draußen auf ihn zu warten. Sein Gewissen zwickte ihn, denn er wusste, dass er mit dem Burschen nicht ganz aufrichtig gewesen war. Als er Wolf losgeschickt hatte, um Gabrielle Cheney zu finden, hatte er versäumt, ihm etwas Wesentliches mitzuteilen: Die Dame war selbst eine Art Hexe.
Weltbild Buchverlag-Originalausgaben-
Deutsche Erstausgabe 2009
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2009
Verlagsgruppe Weltbild GmbH,
Steinerne Furt, 86167 Augsburg
und das ganze respektable Paris zog sich hinter geschlossene Türen zurück.
Bald würde Hauptmann Remy allein auf weiter Flur sein, wie ein einsamer Oberlebender auf dem Schlachtfeld, aber einen größeren Abstand zwischen sich und der Frau konnte er nicht riskieren. Sie hatte den entschiedenen Vorteil, dass sie wusste, wohin sie ging.
Er hatte sein Bestes getan, alles Wissen, das er je über diese verfluchte Stadt besessen hatte, zu vergessen. Remy waren nicht nur die Straßen unbekannt, er war sich nicht einmal sicher, ob er der richtigen Frau folgte. Er warf einen Blick auf seinen Begleiter, einen sehnigen Achtzehnjährigen mit dem Spitznamen Martin Le Loup.
Ein passender Name, dachte Remy. Mit seiner rabenschwarzen Mähne, den scharfen Gesichtszügen und den grünen Augen hatte der Bursche viel von einem Wolf. Obwohl Martin sich selbst als Abenteurer oder Glücksritter betrachtete, sah er bedauerlicherweise mehr nach dem aus, was er tatsächlich war: ein Lump und Beutelschneider. Aber Remy vertraute dem Jungen blind, so manches Mal hatte er ihm sogar sein Leben anvertraut.
Dennoch fragte er sich diesmal, ob sein schlauer Wolf nicht doch einen schweren Fehler begangen hatte. Während die Frau sie immer tiefer in immer schmalere Gassen führte, wuchs Remys Befürchtung, er könnte in eine Falle gelockt werden, wie sie schöne Frauen für so manchen unvorsichtigen Reisenden in Paris auslegten, nur um ihn dann auszurauben.
Remys Hand fuhr zum Heft seines Schwertes, und er murrte seinen jugendlichen Führer an: »Bist du sicher, dass das die Dame ist, die du für mich finden solltest? Denn wenn du einen Fehler gemacht hast ...«
»Keinen Fehler, Herr Hauptmann!«, protestierte Wolf, beleidigt, weil Remy an ihm zweifelte. »Ich schwöre beim Grab meines Vaters, oder zumindest würde ich das, wenn ich
wüsste, wer er war: Das ist wirklich die Dame, die ich für Euch suchen sollte, Eure Mademoiselle Gabrielle Cheney.«
Remy gestattete sich einen Moment des Bedauerns. Nein, sie war niemals seine Gabrielle gewesen, noch würde sie es je sein.
»Man sagt, sie sei die schillerndste Frau in ganz Paris«, sagte Wolf und küsste dabei anzüglich seine Fingerspitzen. »Erkennt Ihr sie denn gar nicht?«
Remy kniff die Augen zusammen, um die ferne Gestalt im Umhang zu betrachten. Er versuchte, eine vertraute Geste oder Bewegung der bezaubernden jungen Frau wahrzunehmen, die er einst gekannt hatte. Aber es war über drei Jahre her, seit er Gabrielle zum letzten Mal gesehen hatte, damals in dem lang vergangenen Sommer an einem geheimnisvollen Ort namens Faire Isle.
Er hatte gehört, dass Gabrielle sich verändert, sich von dem freundlichen, leidenschaftlichen Mädchen in eine verführerische und gefährliche Frau verwandelt hatte. Man sagte, sie sei ihrem kalten Ehrgeiz erlegen, und man sagte auch, sie sei mittlerweile besser in der Kunst der Intrige bewandert als selbst die dunkle Königin, Katharina von Medici. Man sagte ...
Remys Mund presste sich zu einem dünnen Strich zusammen. Er wollte einfach nicht all das glauben, was über Gabrielle gesagt wurde. Das war viel zu schmerzhaft. Aber um eine Tatsache kam er nicht herum: Leute, die um diese Uhrzeit unterwegs waren, gingen entweder bemerkenswert leichtsinnig mit ihrem Leben um oder verfolgten eine Absicht, mit der sie das Tageslicht scheuten.
Was traf wohl auf Gabrielle zu? Er brauchte sie nur zu überholen und sie zu fragen. Aber das widerstrebte ihm. Nach so langer Zeit wollte er nicht, dass ihr Wiedersehen auf der Straße stattfand. Sie glaubte, er sei tot, und vielleicht wäre es besser, wenn es dabei bliebe.
»Lass sie einfach gehen«, drängte etwas in ihm. » Verwickle sie
nicht in dieses verzweifelte Unterfangen, um das dein ganzes Leben kreist. «
Diese Stimme war ein schwaches Echo des ehrenwerten und ritterlichen Mannes, der er einst gewesen war. Aber alles Edle in ihm war in jenem heißen August vor drei Jahren hier in Paris in einer Nacht voller Blut, verrat und Wahnsinn zerstört worden. Der bloße Gedanke an die Bartholomäusnacht genügte, um seinen Magen umzudrehen und ihm den kalten Schweiß auf die Stirn zu treiben.
Remy schob die albtraumhaften Erinnerungen beiseite und folgte Gabrielle weiter. Trotz aller Gefahren brauchte er die Hilfe von Gabrielle Cheney bei dem waghalsigen Unternehmen, das ihn zurück in die Stadt gebracht hatte. Aber zunächst musste er sich vergewissern, dass es auch wirklich Gabrielle war, der er folgte.
Die junge Frau stolzierte weiter, während um sie herum die Häuser immer baufälliger und die Straßen immer schmutziger wurden. So wenig Remy auch von Paris kannte, so bemerkte er doch, dass sie in eines der übleren Viertel der Stadt eintauchten.
Neben ihm brummte Wolf mit tiefer Stimme: »Die Rue de Morte? Seid vorsichtig, Monsieur. Sogar die schlimmsten Galgenstricke scheuen sich, nachts hierherzukommen. Eure Dame muss ziemlich verrückt sein, sich allein in diese Gegend zu wagen, nicht einmal von ihrer Zofe begleitet. War sie immer so waghalsig?«
»Immer«, murmelte Remy mit grimmigem Lächeln. Zumindest in diesem Punkt hatte Gabrielle sich nicht verändert. »Einmal hat sie mein Schwert gestohlen und bereitete sich auf den Kampf gegen eine ganze Mannschaft ...«
»Was für eine Mannschaft?«, fragte Wolf höchst interessiert.
Schon bereute Remy seine impulsiven Worte. Die Geschehnisse auf Faire Isle in jenem Sommer waren seltsam genug für ihn gewesen. Falls er einige dieser Geschichten erzählen würde, wäre selbst der unbekümmerte Wolf alarmiert.
Rerny konnte die Antwort schuldig bleiben, als sie Gabrielle im Nebel aus den Augen verloren. Beide, er und Wolf, blieben sofort stehen, um zu lauschen. Nichts war mehr vom alltäglichen Verkehrsgeklapper der Wagen, Pferde und Maultiere zu hören. Weit entfernt vernahm Remy das hohle Echo von Gabrielles Schritten.
»Da!« Wolf zeigte auf die andere Straßenseite.
Der aufgehende Mond durchdrang die Nebelschwaden so weit, dass Remy Gabrielles Schatten ausmachen konnte. Sie näherte sich den eisernen Toren eines großen Herrenhauses im gotischen Stil, das hinter hohen Steinmauern lag. Das Torhaus war von Türmchen flankiert_ Im dunstigen Mondschein wirkte das weitläufige Anwesen mit seinen zahlreichen vernagelten Fenstern und der bröckelnden, an manchen Stellen gänzlich eingefallenen Gartenmauer ausgesprochen unheimlich.
Die benachbarten Grundstücke lagen trotz des Bauwahns, der Paris derzeit ergriffen hatte, brach. Das Haus stand alleine da, als ob der Rest der Stadt vor zu viel Nähe zurückschreckte.
»Nom de Dieu!«, hörte Remy Wolf nach Luft schnappen.
»Was ist los?«, fragte er.
»Das - das Maison d'Esprit«, flüsterte Wolf und zeigte mit zitterndem Finger auf das eindrucksvolle Haus.
»Was! Du kennst diesen Ort?«
Wolf nickte ruckartig, die Augen in dem schmalen Oval seines Gesichts weit aufgerissen. »Dieser Ort ... er - er hat einen grauenvollen Ruf, Monsieur. Das Haus gehörte einst einem mächtigen Bischof, der von einer Hexe verflucht wurde. Sie verzauberte ihn, sodass er sich rettungslos in sie verliebte und seine heiligen Eide vergaß. Er machte sie zu seiner Mätresse und hielt sie in diesem Haus über viele Jahre hinweg versteckt. Sie hat ihm sogar Kinder geboren, Töchter, die wie sie selbst böse Hexen wurden.«
Wolf schauderte. »Schließlich brachte einer der Diener des Bischofs den Mut auf, die Behörden zu unterrichten.
Hexenjäger überfielen das Anwesen, ergriffen die Zauberin und ihre Töchter und zerrten sie fort zur Hinrichtung. Jedermann dachte, das würde den Bann über den Bischof brechen, aber der arme Mann hat sich auf dem Dachboden erhängt, in den Wahnsinn getrieben durch die Hexe.«
Wolf rollte die Augen Richtung Himmel und bekreuzigte sich. Der junge hatte eine melodramatische Ader und genoss es, sich bei jeder Geschichte zu gruseln, die er zu hören bekommen konnte - je grausamer, desto besser.
Falls Gabrielle diese Geschichte kannte, war sie davon jedenfalls nicht eingeschüchtert. Remy konnte ihre Gestalt geradewegs auf die Tore zueilen sehen. Nach kurzem Zögern wagte er sich etwas näher. Verstohlen überquerte er die Straße und stellte sich hinter eine alte Eiche auf einem der leeren Nachbargrundstücke. Wolf eilte ihm geräuschvoll nach. Remy warf ihm einen finsteren Blick zu. Das düstere Haus stand abwartend da, wie ein stiller Schatten, ohne ein Zeichen von Leben. Was mochte Gabrielle an diesem elenden Ort suchen?
»Wer wohnt jetzt hier?«, fragte Remy seinen Begleiter leise.
»Niemand<„ flüsterte Wolf heiser. »Dieser Ort ist ein Spukhaus, er ist mit einem Fluch belegt. Bevor sie starb, hat die Hexe jeden verflucht, der je diesen Boden betritt. Er soll genauso verrückt werden wie einst ihr Liebhaber.«
Remy glaubte nicht an Flüche, aber das verlassene Anwesen hatte etwas Beunruhigendes an sich, bei dem sich seine Nackenhaare aufstellten. Er spürte ein merkwürdiges Gefühl der Erleichterung, als Gabrielle an den eisernen Toren vorbeiging.
Aber Remy hätte wissen müssen, dass verschlossene Tore Gabrielle Cheney nicht aufhalten konnten. Sie ging die Steinmauer entlang, bis sie eine größere Bresche fand. Mit einem verstohlenen Blick über die Schulter raffte sie ihre Röcke und kletterte hindurch. Remy schickte sich an, ihr zu folgen, als sie aus seinem Blickfeld verschwand.
Wolf packte verzweifelt seinen Arm. »Nein, Herr Haupt
mann! Ihr dürft ihr nicht da hinein folgen. Dieser Ort ist verflucht, ich beschwöre Euch!«
»Sei nicht albern, Junge.« Remy versuchte, ihn abzuschütteln, denn er befürchtete, Gabrielle zu verlieren, und zwar nicht an einen Fluch, sondern an Nebel und Dunkelheit.
»Oh, bitte, Herr Hauptmann! Seht Ihr denn nicht, dass es zu spät ist? Eure Dame muss bereits vom Wahnsinn ergriffen sein. Warum sollte sie sonst in diesen schrecklichen Ort eindringen?«
Warum nur? Remy hatte keine Ahnung, was Gabrielle zu diesem vernachlässigten Wrack eines Hauses gezogen hatte, aber er hatte vor, es herauszufinden. Jedenfalls war klar, dass er allein gehen musste. Im Augenblick gab sich Wolf nicht seinem üblichen Hang zum Melodrama hin, der Schrecken des Burschen war echt. Seine Finger zitterten, sein Gesicht war aschfahl. Selbst Händel mit den grimmigsten Banditen hätten Wolf nicht geschreckt, aber alles, was auf Übernatürliches hinwies, ängstigte ihn zu Tode.
Remy löste die Finger des jungen und befahl ihm, draußen auf ihn zu warten. Sein Gewissen zwickte ihn, denn er wusste, dass er mit dem Burschen nicht ganz aufrichtig gewesen war. Als er Wolf losgeschickt hatte, um Gabrielle Cheney zu finden, hatte er versäumt, ihm etwas Wesentliches mitzuteilen: Die Dame war selbst eine Art Hexe.
Weltbild Buchverlag-Originalausgaben-
Deutsche Erstausgabe 2009
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2009
Verlagsgruppe Weltbild GmbH,
Steinerne Furt, 86167 Augsburg
... weniger
Bibliographische Angaben
- Autor: Susan Carroll
- 2009, 1, 592 Seiten, Maße: 12,5 x 18,8 cm, Taschenbuch
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 3868001646
- ISBN-13: 9783868001648
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