Die Namen der Toten
Eine beispiellose Mordserie hält New York in Atem. Die Opfer bekommen eine Postkarte und sind noch am selben Tag tot. Für FBI-Profiler Will Piper vollkommen unerklärlich: Die Toten hatten absolut keine Gemeinsamkeiten. Welcher perverse...
Eine beispiellose Mordserie hält New York in Atem. Die Opfer bekommen eine Postkarte und sind noch am selben Tag tot. Für FBI-Profiler Will Piper vollkommen unerklärlich: Die Toten hatten absolut keine Gemeinsamkeiten. Welcher perverse Serienkiller versetzt das ganze Land in Angst und Schrecken? Die Spur führt in die Vergangenheit. Und auf eine kleine Insel am anderen Ende der Welt.
Eine beispiellose Mordserie hält New York in Atem. Die Opfer bekommen eine Postkarte und sind noch am selben Tag tot. Für FBI-Profiler Will Piper vollkommen unerklärlich: Die Toten hatten absolut keine Gemeinsamkeiten. Welcher perverse Serienkiller versetzt das ganze Land in Angst und Schrecken? Die Spur führt in die Vergangenheit. Und auf eine kleine Insel am anderen Ende der Welt.
21. Mai 2009 – New York City
David Swisher drehte an der Rollkugel seines Blackberry, bis er die E-Mail des Finanzchefs von einem seiner Firmenkunden fand. Der Typ wollte einen Termin verein- baren, um über eine Schuldenfinanzierung zu sprechen. Routinekram, die Art geschäftliche Angelegenheiten, die sich David stets für den Heimweg aufhob. Er tippte mit dem Daumen eine Antwort, während das Taxi im stockenden Verkehr die Park Avenue entlangfuhr.
Ein Glockenton kündigte den Eingang einer neuen E-Mail an. Sie stammte von seiner Frau: <Ich habe eine Überraschung für dich.>
Er schrieb zurück: <Toll! Kann’s kaum erwarten.>
David, der sich auf die kleine, leuchtende LCD-Anzeige seines Blackberry konzentrierte, nahm von alldem keine Notiz. Und wegen der getönten Seitenscheiben des Taxis nahm auch niemand Notiz von ihm, dem 36-jährigen, offensichtlich wohlhabenden Investmentbanker mit vollem Haar, der einen leichten Schurwollanzug von Barneys trug und ein finsteres Gesicht zog, weil ihm der Tag weder beruflich noch für sein Ego oder sein Bankkonto etwas gebracht hatte.
Das Taxi hielt vor seinem Wohnhaus an der Park Avenue, Ecke 81st Street, und erst als er die viereinhalb Meter vom Bordstein zur Tür lief, bemerkte er, wie schön das Wetter war. Genüsslich atmete er tief ein und lächelte dem Portier zu. «Wie geht’s, Peter?»
«Bestens, Mr. Swisher. Wie ist es heute mit den Aktien gelaufen?»
«Das übliche Hauen und Stechen.» Er ging an Peter vorbei ins Haus. «Lassen Sie Ihr Geld lieber unter der Matratze.» Ihr täglicher Scherz.
Seine in einem der oberen Geschosse liegende 9-Zimmer-Eigentumswohnung hatte ihn knapp fünf Millionen gekostet, als er sie kurz nach dem 11. September 2001 gekauft hatte. Ein Schnäppchen. Die Märkte waren nervös, und auch die Anbieter waren nervös, obwohl das Haus ein Schmuckstück war, ein perfekt in Schuss gehaltener Altbau mit dreieinhalb Meter hohen Decken, einer Wohnküche und einem funktionierenden offenen Kamin. Und noch dazu an der Park Avenue! David kaufte mit Vorliebe, wenn der Markt am Boden war, egal welcher Markt. Die Wohnung bot weit mehr Platz, als ein kinderloses Paar benötigte, aber sie war ein Prestigeobjekt, das sämtlichen Verwandten und Bekannten anerkennende Bemerkungen entlockte, und das war jedes Mal wieder ein verdammt gutes Gefühl. Außerdem wäre das Apartment selbst bei einem Notverkauf über siebeneinhalb Millionen wert. Tja, Swish, sagte er sich selbst oft genug, da hast du mal wieder alles richtig gemacht.
Der Briefkasten war leer. «Hey, Pete, ist meine Frau schon zu Hause?», rief er über die Schulter.
«Seit etwa zehn Minuten.»
Das also war die Überraschung.
Ihre Aktentasche lag auf dem Flurtisch auf einem Stapel Post. Lautlos schloss er die Tür. Er wollte sich auf Zehenspitzen anschleichen, ihre Brüste umfassen und sich an ihren Hintern schmiegen. Das war seine Vorstellung von Spaß. Der italienische Marmorboden jedoch machte sein Vorhaben zunichte, denn selbst das verhaltene Tapsen seiner eleganten Slipper hallte verräterisch laut wider.
«David? Bist du das?»
«Ja. Du bist früh daheim», rief er. «Wie kommt’s?» Sie antwortete aus der Küche: «Die Anhörung wurde vorgezogen.»
Der Hund hörte seine Stimme, kam in vollem Lauf aus dem Gästezimmer am anderen Ende des Apartments, rutschte mit seinen kleinen Pfoten über den Marmor und knallte wie ein Eishockeyspieler gegen die Wand.
«Bloomberg!», rief David. «Wie geht’s meinem Kleinen?» Er stellte den Aktenkoffer ab und hob den weißen Pudel hoch, der ihm mit seiner rosa Zunge das Gesicht ableckte und wie wild mit dem geschorenen Schwanz wedelte. «Aber nicht auf Daddys Schlips pissen, ja? Mach das bloß nicht. Braver Junge, braver Junge. Schatz, ist Bloomie schon ausgeführt worden?»
«Pete hat gesagt, Ricardo war um vier mit ihm draußen.»
Er setzte den Hund ab und sortierte wie gewohnt die Post in Stapel. Rechnungen. Bankauszüge. Müll. Persönliches. Seine Kataloge. Ihre Kataloge. Zeitschriften. Eine Postkarte?
Eine schlichte weiße Postkarte mit seiner Adresse in schwarzer Maschinenschrift. Er drehte sie um.
Ein Datum war auf die andere Seite getippt worden: 22. Mai 2009. Morgen. Und daneben war eine Zeichnung, die ihn augenblicklich beunruhigte. Es waren die unverkennbaren Umrisse eines Sarges, etwa zweieinhalb Zentimeter lang, von Hand mit Tinte gemalt.
«Helen! Hast du das hier gesehen?»
Seine Frau, deren Stöckelschuhe auf den Marmorplatten klackerten, kam in den Flur, wie üblich perfekt aufgemacht, mit einem helltürkisen Armani-Kostüm, einer zweireihigen Kette aus Zuchtperlen, die bis knapp über den Ansatz ihres Dekolletés hing, und dazu passenden Perlenohrringen, die unter ihrer makellosen Frisur hervorspitzten. Sie war eine äußerst gut aussehende Frau.
«Ob ich was gesehen habe?», fragte sie.«Das hier.»
Sie schaute sich die Karte an. «Wer hat sie geschickt?»
«Es steht kein Absender drauf», sagte er.
«Sie ist in Las Vegas abgestempelt. Wen kennst du in Vegas?»
«Keine Ahnung, niemanden. Ich hatte dort ein paar Mal geschäftlich zu tun – aber spontan fällt mir niemand ein.»
«Vielleicht ist es eine Werbung für irgendwas, du weißt schon, so eine Art Lockreklame», meinte sie und gab ihm die Karte zurück. «Morgen ist bestimmt etwas anderes in der Post, das die Sache erklärt.»
Das war gut möglich. Helen war klug und hatte gewöhnlich den richtigen Durchblick. Trotzdem. «Das wäre aber eine ziemliche Geschmacklosigkeit. Ein verdammter Sarg, ich bitte dich.»
«Lass dir doch von so etwas nicht die Laune verderben. Noch dazu, wo wir heute ausnahmsweise einmal beide zu einer zivilisierten Zeit nach Hause gekommen sind. Ist das nicht großartig? Möchtest du zu Tutti’s gehen?» Er legte die Postkarte auf den Stapel zum Weg- werfen und griff ihr an den Hintern.
«Bevor wir ein bisschen herumgemacht haben oder danach?», fragte er und hoffte, dass die Antwort «da- nach» lauten würde.
Die Postkarte ließ David den ganzen Abend keine Ruhe, obwohl er sie nicht mehr zur Sprache brachte. Er dachte daran, während sie aufs Dessert warteten, er dachte daran, als sie wieder zu Hause waren und er in ihr gekommen war, er dachte daran, als er kurz vorm Schlafengehen noch schnell Bloomie ausführte. Und der Postkarte galt auch sein letzter Gedanke, bevor er einschlief, während Helen neben ihm las und der bläuliche Schein ihrer Leselampe mattes Licht in die dunklen Winkel des Schlafzimmers warf. Särge machten ihm höllisch zu schaffen. Als er neun war, war sein fünfjähriger Bruder an einem Wilms-Tumor gestorben, und der Anblick von Barrys kleinem glänzenden Sarg, der in der Aussegnungskapelle auf einem Podest gestanden hatte, verfolgte ihn immer noch. Derjenige, der diese Postkarte geschickt hatte, war schlicht und einfach ein Scheißtyp.
© Rowohlt Verlag
Übersetzung: Hans-Peter Kraft
Autoren-Porträt von Glenn Cooper
Erste Szene: Glenn Cooper betritt die Bühne. Aufgewachsen am Rande von New York, studiert er in Harvard Archäologie und in Boston Medizin. Dort lernt er seine Frau Tessa kennen, die Tochter seines Chefs, mit der er heute in einem über 300 Jahre alten Haus in Boston lebt. Geblieben sind ihm aus dieser Zeit der Spaß an Ausgrabungen, „Wanderlust“ und ein gewisser Hang zu Pubs und Bars, wie er schreibt. Doch Cooper sucht auch Adrenalin – und findet es in der Pharmaindustrie.
Zweite Szene: Der Macher. Cooper klettert die Karriereleiter hinauf, gründet Biotechnologie-Start-ups, baut einen kleinen Betrieb zum 100-Millionen-Dollar-Unternehmen aus (bis es 2009 geschluckt wird). Nachts und an Wochenenden schreibt er. Vor allem Drehbücher, die zum Teil verkauft, aber nicht verfilmt werden. Die Konsequenz: ein Studium an der Bostoner Filmschule – 2005 kommt sein Film Long Distance (deutsch: Tödliche Verbindung) in die Kinos.
Dritte Szene: Der Schreiber. 2009 erscheint Glenn Coopers erster Thriller „Die Namen der Toten“. Im Zentrum steht eine geheimnisvolle, gefährliche „Bibliothek der Toten“ unter der Wüste von Nevada. Das Buch ist ein weltweiter Erfolg, ebenso wie sein Nachfolger „Der siebte Sohn“. Und schon im März 2010 erscheint sein drittes Buch, „The Tenth Chamber“. Ein baldiges Ende dieses Film ist nicht abzusehen…
- Autor: Glenn Cooper
- 2009, 512 Seiten, Maße: 11,3 x 18,8 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Dtsch. v. Hans-Peter Kraft
- Übersetzer: Hans-Peter Kraft
- Verlag: Rowohlt TB.
- ISBN-10: 3499249286
- ISBN-13: 9783499249280
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