Die Neuberin
Schon nach wenigen Jahren gilt sie als beste Schauspielerin Deutschlands. Als Prinzipalin wird sie...
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Schon nach wenigen Jahren gilt sie als beste Schauspielerin Deutschlands. Als Prinzipalin wird sie gegen alle Widerstände zur Pionierin der deutschen Theaterkunst.
Petra Oelker, geboren 1947, machte sich mit historischen Krimis einen Namen.
DieNeuberin von Petra Oelker
LESEPROBE
Ein Weib in Hosen wird Prinzipalin oder Alle Welt trifft sich inLeipzig
Die bestenSchauspieler und Schauspielerinnen Deutschlands sind in derHaack-Hoffmann'schen Gesellschaft versammelt. Friederike Neuber zählt schnelldazu. Gemeinsam mit dem Komödianten Friedrich Kohlhardt, dem Sohn einesPfarrers, überzeugt sie ihren Prinzipal, einige dieser ungewöhnlichen Stückeaus Frankreich in das Repertoire aufzunehmen. Sie haben damit beim PublikumErfolg, denn auch wenn diese ungewohnte Kost ein wenig langweilig erscheint,so ist das erhabene Spiel in Versen doch eine Novität. Und diese Komödiantin,diese Frau Neuberin, macht mit ihrer lebendigen Darstellungskunst so manche Langatmigkeitwett. Selbst die zusammenhanglosen Stegreifpossen und Hanswurstiaden verfeinertsie durch gewitztes und kunstvolles Spiel. Aber die Gesellschaft zeigt nicht nurdie alten aktionsreichen Burlesken und die neuen Tragödien. Sie führt auchsatirische Lustspiele mit einer fortlaufenden Handlung auf. Besonderen Anklangfinden solche Stücke und die ausgefeilteren Darstellungen natürlich bei denwenigen Gebildeten, die sich in die Komödiantenbude wagen.
« Wenn ihrdoch die verschiedenen Personengesehen hättet, die daselbst auftraten! [ ... ]Vor allen anderen vier Bursche von den berühmtesten, sächsischen Academien,waren so unvergleichlich characterisirt, daß ich mein Lebenlang nichtsschöneres gesehen habe. Ich will Euch von diesen vier letztern nur sovielsagen, dass der Jenenser Ungestümm, der Hallenser Fleißig, der WittenbergerHaberecht und der Leipziger Zuallemgut geheissen, und daß diese vier verschiedeneLeute, nemlich ein Schläger, ein Freund der morgenländischen Sprachen, einZänker und ein galant homme von einem Frauenzimmer so herrlich vorgestellt worden,dass ihnen nichts als eine männliche gröbere Stimme gefehlet. »
Der jungeLeipziger Gelehrte, der so voller Begeisterung von seinem überraschendenErlebnis berichtet, ist ein strenger, etwas humorloser Mann. Aber von dieserschönen talentierten Komödiantin, deren Sprache und Haltung Bildung verraten,ist er fasziniert. Und nicht nur er ist begeistert: Friederike Neuber macht imSommer 1724 in Leipzig Furore.
DerGelehrte heißt Johann Christoph Gottsched, ist Magister der Philosophie undSchriftsteller. Er verehrt die französische Schauspielkunst und verabscheutdie Oper und das Theater der deutschen Wanderbühnen. Für ihn ist da nichts alsBarbarei. Bei der Haack-Hoffmann'schen Truppe sieht er Neues. Da sind andere Töne,zaghaft nur, aber immerhin. Zwischen all den «Haupt- und Staatsaktionen» gibtes auch Trauerspiele und Komödien mit einer konkreten Handlung und heroischenMoral. Der moralische Spiegel, ja, das ist für ihn der Sinn des Theaters. SeinFach ist die Literatur, sein höchstes Ziel die Verbesserung der deutschenSprache und der deutschen Schaubühne. Er ist noch neu in Leipzig, doch festentschlossen, hier Karriere zu machen. Im Leben der Friederike Neuber wird erbald und für lange Zeit einen entscheidenden Platz einnehmen.
Mit der Parodie auf die Studenten der großen Universitäten,die Friederike alle vier darstellt, wird aus der bekannten eine berühmteActrice. Das Stück mit dem Titel «Gespräche im Reiche der Toten», eine Satireauf ein geschwätziges, aber viel gelesenes Leipziger Periodikum und auf bigotteBürger, handelt von listigen Ränken und Liebesverwicklungen. Es ist keine derüblichen zusammenhanglosen Burlesken, sondern eine handlungsreich undfolgerichtig aufgebaute Komödie mit einem Anfang und einem Ende. Wer das Stückgeschrieben hat, ist ungewiss. Vielleicht stammt es aus der Feder der Neuberin,zumindest aber, so wird vermutet, hat sie daran mitgewirkt. Die Rolle ist ihrauf den Leib geschrieben. Mit ihrem Witz, temperamentvollen Charme undkomödiantischen Talent macht sie das Spiel zum Erfolg. Und selbst wenn späterauf anderen Bühnen eine andere Schauspielerin diese Rolle spielt, so wird man esimmer das «Neuberin-Stück» nennen. Auch Kritiker, die das Lustspiel rechtnichts sagend finden, loben dennoch die Virtuosität, mit der diese FriederikeNeuber so geistreich und amüsant die Studiosi karikiert, ohne die Mittel der gewohntenDeftigkeit.
DieHosenrollen bleiben für viele Jahre ihr Metier. Die Auftritte in den weißenSeidenstrümpfen und engen Samthosen ohne das fesselnde Korsett und diezahlreichen hinderlichen Röcke machen ihr Spaß. Auch wenn sie sich damit stetsam Rande des Skandals bewegt.
Frauen aufder Bühne gibt es in Deutschland überhaupt erst seit wenigen Jahrzehnten.Jahrhundertelang haben Männer und Knaben die weiblichen Rollen gespielt: bei denmittelalterlichen Mysterienspielen ebenso wie hei den Aufführungen derlehrreichen Fastnachtsspiele, Komödien und Tragödien des Meistersingers HansSachs, auf den Bühnen der Lateinschulen und der ersten Wanderkomödianten. ObJulia, heilige Maria oder schöne Helena - alle Männer in Röcken. Frauen, vonKirche und Geistlichkeit mit der Sünde der Verführung und Verderbnis der Männerbelastet, waren auf den Bühnen verboten.
Das«Berufstheater» der armen Wanderkomödianten durchbrach dieses Gebot allmählichaus purer Notwendigkeit: Jedes Mitglied der Truppe kostet Brot, also muss auchjedes arbeiten. Das zumeist männliche Publikum belohnte diese neue Mode mitgutem Besuch.
Und nunspringt da eine gar in Männerkleidern über die Bretter! Mag sein, dass esrichtig ist, wenn ihr später nachgesagt wird, sie habe sich in ihren jungenJahren in Männerkleidern unter die Leipziger Studenten gemischt, habe ihr Vergnügengesucht bei den turbulenten Späßen und Diskussionen in den Weinstuben undKaffeehäusern.
© 2004 by Rowohlt Verlag GmbH
Interview mitPetra Oelker
"Die Neuberin", Friederike Caroline Neuber, warSchauspielerin und Dichterin und gilt als Wegbereiterin des literarischenTheaters in Deutschland. Was verbindet Sie mit ihr?
UndPrinzipalin einer überaus renommierten Gesellschaftvon "Wanderkomödianten"! Ich bewundere die unermüdlicheEntschlossenheit, den Witz und auch den nötigen Pragmatismus, mit denen sie fürihre Ideale kämpfte. Das war für eine Frau im 18. Jh. natürlich sehr viel schwerer als für uns heute. Verbundenfühle ich mich ihr auch in ihrem Lebensweg abseits der vorgezeichneten Spur.
Ursprünglichlautete der Titel Ihres Buches "Nichts als eine Komödiantin". Warum?Können Sie uns Caroline Neuber in wenigen Worten beschreiben?
"Nichtsals eine Komödiantin" - so hat sich die Neuberinin einem ihrer wichtigen Texte einmal selbst bezeichnet. Wanderkomödianten wiesie, besonders die weiblichen, waren zu ihrer Zeit noch verrufenes Volk. Alsgeflüchtete Tochter aus gutbürgerlichem Haus eine Ausnahmeerscheinung kämpfte sienicht nur für ein "gesittetes" und literarisches Theater, das überdie Unterhaltung hinaus der Charakterbildung dienen sollte, sondern auch fürdie bürgerliche Anerkennung ihrer Zunft. Sie hat ihr Ziel nicht erreicht undmit ihrer beharrlichen Verehrung für das klassische französische Theaterletztlich die Zeichen der Zeit falsch gedeutet. Aber für das Theater des Sturmund Drang und der deutschen Klassik, für die Entwicklung des deutschenStadttheaters, war sie eine bedeutende Wegbereiterin, für Frauen (nicht nur aufdem Theater) kann sie bis heute Vorbild sein.
Sie arbeitetenbereits als Sozialpädagogin, als Weinhändlerin und später als Journalistin u.a.für die taz oder die Brigitte. Als Autorin erobertenSie gleich mit Ihrem ersten Krimi "Tod am Zollhaus" dieBestsellerlisten. Haben Sie jetzt Ihren
Ichhabe nie vom Schreiben geträumt. Ich bin zufällig, erst mit Mitte Dreißig,Journalistin geworden, auch dann wollte ich nie Romane schreiben. Erst nachdemich die Biographie der F. C. Neuber recherchiert und geschrieben hatte, warenso viele Bilder aus dieser ungemein spannenden Umbruchzeit des 18. Jahrhundertsin meinem Kopf geblieben, dass ich einige Jahre später meine Roman-HeldinRosina erfand, eine Wanderkomödiantin. Gerade arbeite ich an meinem siebtenRosina-Roman und bin immer noch erstaunt über den Erfolg. Das Schreiben kommtmeinem Hang zur Eigenbrötelei entgegen. Traumberuf also? Schreiben ist für michharte Arbeit, und es ist nicht nur angenehm, eine "öffentliche Person"zu sein. Gleichwohl fühle ich mich privilegiert, meinen ganz eigenen Marottenfolgen und davon auch noch meinen Lebensunterhalt bestreiten zu können.
Sie leben seitüber 30 Jahren in Hamburg, dort, wo auch die meisten Ihrer Krimis spielen. Wasmögen Sie an dieser Stadt?
Wennwir mal die Politik auslassen? Das Wasser, das viele Grün, den hohen Himmel,dass die große Stadt aus lauter hübsch übersichtlichen lebendigen Kleinstädtenbesteht. Ich mag die norddeutsche Mentalität und die Nähe zum Meer. Vor allem:Hier leben die meisten meiner Freunde, ich fühle mich in Hamburg und in dieserLandschaft einfach zuhause.
Für jemanden, derweder Sie noch eines Ihrer Bücher kennt - wie würden Sie sich charakterisieren?Was ist Ihnen wichtig im Leben?
Wieich bin? Fragen Sie meine Freunde und Feinde. Wichtig im Leben? Außer nichthungern und nicht frieren? Freunde und Familie, ohne die wäre die Welt öd undleer. Meine Arbeit, weil sie meinem unruhigen Geist Nahrung gibt, mir und zumGlück auch anderen Freude macht. Auch politisch wach bleiben, nicht resignierenoder sich satt zurücklehnen, nicht vergessen, dass Widerspruch eine dertragenden Säulen der Demokratie ist.
Die Fragen stellte Babett Haugk,literaturtest.de.
- Autor: Petra Oelker
- 2004, 3. Auflage, 172 Seiten, 17 Abbildungen, Maße: 11,5 x 19 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: Rowohlt TB.
- ISBN-10: 3499237407
- ISBN-13: 9783499237409
- Erscheinungsdatum: 02.08.2004
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