Die Rebellion der Maddie Freeman / Maddie Bd.1
USA, in nicht allzu ferner Zukunft: Social Network, Digital School - Maddie lebt wie die meisten ein Leben im Netz. Dann verliebt sich sich in Justin und er ist anders. Justins Leben findet offline statt, er zeigt Maddie das wahre Leben in Clubs und...
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Produktinformationen zu „Die Rebellion der Maddie Freeman / Maddie Bd.1 “
USA, in nicht allzu ferner Zukunft: Social Network, Digital School - Maddie lebt wie die meisten ein Leben im Netz. Dann verliebt sich sich in Justin und er ist anders. Justins Leben findet offline statt, er zeigt Maddie das wahre Leben in Clubs und Cafés. Aber Justin hat einen Plan: die Rebellion gegen die digitalisierte Welt. Und Maddie wird in diesem Kampf zur Schlüsselfigur.
Klappentext zu „Die Rebellion der Maddie Freeman / Maddie Bd.1 “
Eine Stadt in den USA, wenige Jahre in der Zukunft: Maddie, 17, lebt wie alle um sie herum ein digitales Leben. Schule und Verabredungen - das alles findet im Netz statt. Doch dann verliebt sie sich in Justin - für den nur das wahre Leben offline zählt.Gemeinsam mit seinen Freunden kämpft Justin gegen die Welt der sozialen Netzwerke, in der alles künstlich ist. Dieser Kampf richtet sich gegen die ganz oben - und damit auch gegen Maddies Vater, der das System der Digital School gesetzlich verankert hat. Maddie wird für die Bewegung zu einer Schlüsselfigur. Und sie muss sich entscheiden: Auf welcher Seite will sie stehen?
Lese-Probe zu „Die Rebellion der Maddie Freeman / Maddie Bd.1 “
Die Rebellion der Maddie Freeman von Katie Kacvinsky7. Mai 2060
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An meinem siebzehnten Geburtstag schenkte meine Mutter mir ein altes, in Leder gebundenes Tagebuch. Zuerst überraschten mich die leeren Seiten, als sei die Geschichte darin verloren gegangen oder habe sich davongestohlen. Mom erklärte mir, dass die Geschichte absichtlich fehlt, weil sie noch darauf wartet, geschrieben zu werden. Nur meine Mutter würde auf die Idee kommen, mir etwas aus der Vergangenheit zu schenken, um es in der Zukunft zu benutzen. Heute werden Bücher aus Papier nicht mehr hergestellt: Bäume zu fällen ist verboten. In manchen Ecken der Welt stehen noch welche, aber ich habe nie einen gesehen. Die meisten Großstädte haben sich stattdessen für Kunstpflanzen entschieden und den Leuten ist es auch lieber so. Einen Kunstbaum kann man sich in beliebiger Größe liefern lassen und man muss nicht erst fünfzehn Jahre warten, damit er wächst. Man sucht sich in einem Onlineshop das passende Modell aus, und ein paar Tage später hat man einen perfekten Baum im Garten stehen, der fest einzementiert und mit Stahlstreben verankert ist. Schnell, einfach, problemlos.
Kunstbäume sterben nicht, sie bekommen im Herbst auch nicht dieses kränkliche Aussehen und man muss keine nervigen Blätter- und Nadelhaufen zusammenfegen. Sie sind feuerfest. Sie verursachen keinen Heuschnupfen.
Sie sind immer perfekt grün (forevergreen.com hat die beste Qualität, sagt meine Mutter). Zwar können die Blätter auf Dauer ein bisschen blass werden, wenn sie zu viel Sonne abbekommen, aber dann muss man sie nur neu lackieren. Zu Halloween sprühen viele Leute ihre Bäume gelb, orange und rot an.
So haben sich früher die Blätter gefärbt, bevor sie runtergefallen sind. Meine Mutter kann sich aus ihrer Kindheit noch daran erinnern, wie Herbstlaub aussah. Sie sagt, es war die schönste Zeit des Jahres. Schwer vorstellbar, dass etwas schöner werden kann, weil es stirbt. Aber ich habe sowieso Probleme, mir das meiste vorzustellen, was laut meiner Mutter früher normal war.
Als immer mehr Bäume durch Waldbrände und Rodungen starben, waren Bücher das Erste, was verboten wurde, um die Bäume zu schützen. Heutzutage lädt man sich alles digital herunter. Man bestellt ein Buch und in Sekundenschnelle hat man es auf der Festplatte seiner Bookbag. Dann lasse ich es mit Zipfeed umwandeln, damit es mir laut vorgelesen wird. Praktischer geht
es kaum. Natürlich habe ich auch gelernt, selbst zu lesen. Das gehört zum Unterrichtsstoff in der Digital School 2. Die Chatnachrichten auf meinem Handy lese ich zum Beispiel. Aber die Wissenschaft hat herausgefunden, dass Audioinformationen schneller verarbeitet und gelernt werden. Zumindest haben ein paar Professoren das bei Ratten festgestellt. Sie haben mit Nagern experimentiert und daraus abgeleitet, wie man Menschen am besten etwas beibringen kann. Weil diese Theorie so schön medienwirksam war, sind die Politiker darauf angesprungen. So kam es zu einer Gesetzesänderung, die unsere Welt verwandelte. Und das ist der Grund, warum ich meine Bücher höre, statt sie zu lesen.
Allerdings besteht meine Mutter darauf, dass ich ab und zu meine Augen anstrenge. Sie hat all ihre alten Romane aufbewahrt und hinter Glas in hölzernen Spezialmöbeln stehen, die man Bücherschränke nennt. Jedes Jahr schenkt sie mir ein paar Bücher, die sie besonders gern mag. In meinem Schlafzimmer habe ich eine wachsende Sammlung. Irgendwie gefällt mir der Anblick. Und ich muss zugeben, dass es mir auch gefällt, in den Welten zwischen ihren bunten Einbänden zu verschwinden. Beim Lesen fühlt es sich so an, als wäre ich ganz und gar bei der Sache, statt nur meine Ohren oder Augen zu benutzen. Ich finde es zwar ein bisschen übertrieben, sie hinter Glas wegzusperren, aber Mom sagt, durch Luftkontakt vergilbt das Papier. Ähnlich wie die Blätter der Bäume, die in unserer Welt nicht überleben konnten. Tja, wenn man sich nicht anpassen kann, verliert man eben. Das habe ich schon in der Digital School 3 gelernt.
Also könnt ihr euch wahrscheinlich vorstellen, wie überrascht ich war, als Mom mir ein leeres Buch gab. Bedrucktes Papier ist schon selten genug, aber ein Buch ohne Text ... Was für eine Verschwendung. Kein Wunder, dass wir die Bäume ausgerottet haben. Und ich soll darauf schreiben. Mit der Hand. Kaum zu glauben, wie langsam das geht! Wenn ich Leute in alten Filmen mit der Hand schreiben sehen, muss ich immer lachen. So was gibt es schon seit zwanzig Jahren nicht mehr. In der Schule haben wir gezeigt bekommen, wie man schreibt, aber natürlich haben wir es nur als Simulation auf unseren Flipscreens ausprobiert. Um einen Stift zu kaufen, muss man
im Netz schon einen Spezialversand finden. Nur meine Mom würde auf die Idee kommen, für so ein historisches Gerät auch noch Geld auszugeben. »Es ist gut für dich, deine Gedanken niederzuschreiben, Madeleine«, meinte sie. »Sehr therapeutisch, weil man gezwungen ist, sich Zeit zu lassen und über das Leben nachzudenken.«
Ich habe ein schlechtes Gewissen, wenn ich leeres Papier beschreibe. Es kommt mir vor, als würde ich mit meinen Worten etwas beflecken, das durch seine Unberührtheit wertvoller und interessanter war als alles, was ich jemals zu sagen haben könnte. Mein Leben ist alles andere als aufregend. Ganz im Gegenteil. Jede Minute ist vorherbestimmt, kontrolliert, starr festgelegt. Es gibt nur einen schmalen Pfad, auf dem ich mich bewegen darf.
Außerdem, warum sollte ich Zeit dafür opfern, meine Gedanken aufzuschreiben, wenn niemand sonst sie lesen kann? Ich bin es gewohnt, dass Millionen von Leuten an allem beteiligt sind, was ich sage und tue. Normalerweise bekomme ich Massen von Feedback und jeder meiner eingetippten Gedanken wird von Dutzenden Kommentaren begleitet. Das gibt mir das Gefühl, in meinem Leben etwas richtig zu machen. Es zeigt mir, dass es Menschen gibt, denen ich wirklich etwas bedeute. Im Netz fühle ich mich real und bekomme den ständigen Beweis, dass ich existiere. Warum sollte ich mein Ich in einem Buch verstecken? Richtig geheim halten lässt sich sowieso nichts. Früher oder später sickert die Wahrheit immer durch. Das habe ich aus eigener Erfahrung lernen müssen.
KAPITEL 1
Ich zog mir den Pullover über und wollte gerade aus dem Zimmer gehen, als ich das rote Licht sah, das auf meinem Bildschirm blinkte. Zwar war ich jetzt schon zu spät dran, aber das flackernde Licht konnte ich einfach nicht ignorieren. Es hielt mich in meinem Zimmer fest, als sei ich in einem Netz gefangen. Ich habe meinen Computer so eingestellt, dass er mir mit Farben anzeigt, wer mich kontaktieren will. Dieses Rot konnte nur eine Person bedeuten. Ich setzte mich wieder, tippte mit dem Finger gegen den Lichtpunkt, und ein einziger Satz leuchtete auf dem Bildschirm auf.
Kommst du heute Abend?
Ich las Justins Frage und presste die Lippen zusammen. Mein Verstand befahl mir, nein zu sagen. Diese Antwort würde mein Vater von mir erwarten. Er hatte mich darauf gedrillt, meine Gedanken zu filtern und durch ein Sieb zu pressen, sodass am Ende akzeptable, wohlerzogene Entscheidungen herauskamen. Aber in letzter Zeit fühlte ich mich dadurch ohnmächtig und bedeutungslos, als würde mein Bewusstsein gar nicht mehr mir gehören, sondern sei nur ein Programm, das man nach Wunsch manipulieren konnte. Deshalb war ich in Versuchung, mit ja zu antworten.
Ich hatte Justin vor zwei Monaten auf TutorPage getroffen - einem Chatroom für Schüler, die sich Hilfe bei ihren Hausaufgaben holen wollen. Wir hatten beide das gleiche Problem, nämlich den literaturwissenschaftlichen Aufsatz. In der Digital School 4 wird verlangt, dass man seine Hauptthese in einem einzigen Satz formulieren kann. Da der Tutor gerade von Schülern überrannt wurde, schlossen Justin und ich uns zusammen, um gemeinsam daran zu arbeiten. Ich weiß noch, dass er damals eine sehr seltsame Bemerkung machte. Er schrieb: »Zwei Köpfe denken besser als einer.« Das war deshalb merkwürdig, weil man seine Zeit in der DS-4 ohne Weiteres hinter sich bringen kann, ohne eine andere Person auch nur anzusehen, geschweige denn mit jemandem zusammenzuarbeiten. Ein Vorteil des digitalen Lebens ist, dass man sehr schnell lernt, selbstständig zu sein.
Justin und ich stimmten unsere Terminpläne ab, sodass wir uns zweimal pro Woche zum gemeinsamen Lernen im Netz verabreden konnten. Dann begann er, mir Einladungen für Unterrichtsstunden zu schicken, für die man sich live in der Innenstadt von Corvallis trifft. Er versicherte mir, die Gruppen seien sehr klein und hilfreich, aber trotzdem versetzte mich der Gedanke, ihm persönlich zu begegnen, in Panik. Ich bin die Sicherheit meiner Onlineprofile gewohnt und lebe geschützt hinter den Avataren und ClipArts, die ich entwerfe, um meine Persönlichkeit auszudrücken. In der digitalen Welt kann ich sein, wer immer ich will. Dort bin ich je nach Geschmack witzig, tiefsinnig, philosophisch, exzentrisch. Ich kann eine Version von mir erschaffen, die nur aus meinen besten Seiten besteht. Mehr noch, ich kann diese besten Seiten hemmungslos übertreiben. Ich kann immer die richtigen Entscheidungen treffen. Jeder Fehler lässt sich mit einem Tastenklick ausradieren.
Aber in der richtigen Welt kann absolut alles passieren. Als würde man sich auf Glatteis begeben ... Man muss ständig auf der Hut sein, oder man rutscht aus und fällt. Alle Bewegungen werden ungelenk und unsicher, weil man plötzlich merkt, dass man hinter der ganzen Hightech und dem digitalen Panzer immer noch aus Fleisch und Blut ist.
Ich starrte noch immer auf den Bildschirm, wo seine Frage geduldig wartete, und ein seltsames Gefühl schoss durch meinen Körper. Es fühlte sich an wie ein plötzlicher und sehr heftiger Adrenalinstoß. In diesem Moment wusste ich ganz einfach, dass ich ihn heute sehen musste. Manchmal ist so ein Bauchgefühl fast das Gleiche wie Schicksal, als würden die beiden Hand in Hand arbeiten, um dein Leben über den Haufen zu werfen.
Ich sprach die Antwort laut aus und meine Stimme wurde automatisch in eine digitale Nachricht umgewandelt.
Vielleicht. Das erschien mir als die beste Reaktion, falls ich später doch noch die Nerven verlor. Ich schickte die Nachricht ab und eine Sekunde später erschien seine Antwort.
Das Leben ist zu kurz, um vielleicht zu sagen.
Mit schmalen Augen betrachtete ich den Bildschirm. Warum bedrängte er mich? Er hätte sich mit meiner vagen Antwort zufrieden geben sollen.
Wieso ist es dir so wichtig, mich zu treffen?, fragte ich.
Wieso ist es dir so wichtig, mir auszuweichen?
Ich habe Hausarrest. Für eine ganze Weile. Nur zögernd drückte ich auf ›Senden‹. Bisher hatte ich Justin keinen Einblick in mein Privatleben erlaubt. Wir hatten unseren Austausch immer gefahrlos an der Oberfläche dümpeln lassen.
Eine Weile? Meinst du ein paar Wochen?, fragte er.
Ich musste lachen, aber es klang tonlos und bitter. Versuch's mal mit zweieinhalb Jahren, dachte ich. Doch so genau brauchte er nicht Bescheid zu wissen. Man wird geübt darin, die Wahrheit umzuschreiben, wenn man mit seinem persönlichen Zensor lebt.
So in der Art, sagte ich.
Was hast du angestellt?
Ich habe wohl eine rebellische Ader.
Das ist ein bisschen vage, sagte er.
Mit gerunzelter Stirn schaute ich auf den Bildschirm. Ich erzähle doch keinem Fremden meine Lebensgeschichte, nur weil wir uns online getroffen haben.
Dann ist es höchste Zeit, dass wir uns kennenlernen, sagte er.
Ich knabberte an meinen Nägeln herum, als ich diesen Satz auftauchen sah. Die Worte klangen so einfach. Aber wenn ich etwas für einfach hielt, lauerte immer sehr viel mehr im Hintergrund.
Ich werde da sein, sagte ich und drückte auf ›Senden‹, bevor ich meine Meinung ändern konnte.
Dann sprang ich auf, schnappte mir meine Fußballschuhe und rannte nach unten in die Küche. Dad schaute kurz hoch. Er saß am Tisch und las die Nachrichten auf unserem Wandbildschirm. Neben ihm war Mom in eine Zeitschrift vertieft. Sie besteht darauf, sich ihre Hefte aus Plastikseiten drucken zu lassen. Mom ist vermutlich die einzige Person, die von sich behauptet, dass Computerbildschirme ihren Augen wehtun.
Mein Vater musterte missbilligend die Schuhe in meiner Hand. »Ich dachte, die Saison sei vorbei«, sagte er.
Meine Finger krampften sich unwillkürlich fester um die Schuhe, während ich ihn unbewegt ansah. Wir haben sehr ähnliche Augen, groß und durchdringend, grau wie der bewölkte Himmel mit grünen Sprenkeln um die Pupillen. Wenn mein Vater wütend wird, färben sich seine Augen dunkel wie Regenwolken kurz vor dem Gewitter. Er kann seinen Blick einsetzen, um einzuschüchtern, zu überreden oder Respekt einzufordern. Dieses Talent besitze ich nicht. Meine Augen scheinen mich nur zu verraten.
»Die Meisterschaften laufen das ganze Jahr«, stellte Mom fest. Mein Vater lehnte sich auf dem Stuhl zurück und verschränkte die Arme über der Brust.
»Hatten wir darüber gesprochen, dass du ganzjährig Fußball spielst, Maddie? Ich meine mich zu erinnern, dass nur von einer Herbst- und Wintersaison die Rede war. «
Ich wich seinem Blick nicht aus. Dazu versuchte er zu oft, mich mit seinen Disziplinarmaßnahmen einzuschüchtern. Baley, unsere schokobraune Labradorhündin, erschien schwanzwedelnd neben mir, und ich beugte mich herunter, um sie hinter den Ohren zu kraulen.
»Die Frühjahrssaison hat gerade angefangen. Ich gehe nur einmal die Woche hin. Warum ist das so eine große Sache?«
»Das Training ist ziemlich teuer«, sagte er.
Ich riss mich zusammen, um nicht die Augen zu verdrehen. Mein Vater verdient mehr Geld als zehn Familien zusammen ausgeben könnten. Immerhin ist er der Direktor der Digital School Corporation. Der Lehrplan, die Lehrmaterialien und der gesamte Inhalt dessen, was ich lerne - nicht zu vergessen, wo und wann ich meinen Unterricht bekomme -, all das wird mit der Unterschrift meines Vaters abgesegnet. Seine Macht und sein gesellschaftlicher Einfluss waren es auch, die mich vor zweieinhalb Jahren so in Schwierigkeiten gebracht hatten, dass noch immer ein Riss durch unsere Familie geht. Er misstraut mir, und die meiste Zeit kommt er mir nicht vor wie ein Vater, sondern eher wie mein persönlicher Gefängniswärter.
»Sie ist siebzehn, Kevin«, sagte Mom. »Hatten wir uns nicht geeinigt, dass sie mehr unter Leute kommen soll?«
Ich schaute zwischen ihnen hin und her und presste die Lippen zusammen. Nichts ärgert mich mehr, als wenn sie über mich sprechen, als sei ich gar nicht anwesend oder nur eine Tonfigur, die sie noch in die richtige Form kneten müssen.
»Ja, du hast wohl recht«, gab er schließlich nach.
Ich nickte kurz und bedankte mich. Dann rannte ich zur Tür heraus und den Bürgersteig entlang, um noch rechtzeitig zur Bahn zu kommen. Die Luft war warm und die Sonne hatte sich nach einem langen Winterschlaf endlich zu ihrem ersten Frühlingsauftritt entschieden. Durch die Äste über mir fielen Lichtstrahlen und malten ein Muster aus hellen und dunklen Flecken auf den Kunstrasen. Die grünen Blätter knisterten in der Brise, während ich vorüberging. Ich erreichte die Bahn gerade, als sie an der Hamersley Street hielt, sprang auf und hielt meine Hand vor den kleinen Bildschirm, der die Fingerabdrücke scannte. Piepend schlossen sich die Türen hinter mir.
Erin saß hinten im Wagen am Fenster. Sie schaute sich etwas auf ihrem Handy an und nickte im Rhythmus der Musik, die aus den Kopfhörern drang.
»Hi«, sagte ich und ließ mich auf den Platz neben ihr fallen. Ich holte mein Handy aus der Tasche, um eine Nachricht zu lesen.
»Du hättest fast die Bahn verpasst«, sagte sie, ohne aufzuschauen. »Das passiert dir sonst nie.«
Ein Werbefilm auf dem Bildschirm unseres Abteils lenkte mich ab. Darin versprach ein Mann mittleren Alters mit khakigrünen Shorts und weißem T-Shirt, ich könne meinen Rasen in nur fünf einfachen Schritten in einen bunten Blumengarten verwandeln. Ich schaute zu, wie er eine dicke Matte aus Plastikgras mit Kunstblumen ausrollte und in den Boden tackerte.
»Wieso bist du zu spät gekommen?«, fragte Erin.
»Mein Vater wollte sich ein bisschen unterhalten«, sagte ich. Sie grinste und tippte auf ihrem Handy herum. »Worum ging es denn diesmal?«
Ich trommelte nervös mit dem Fuß auf die Gummimatte am Boden. »Oh, er wollte sich nur versichern, dass er noch die komplette Kontrolle über jedes Detail meines Lebens hat.«
Erin zog die Augenbrauen zusammen und fuhr fort zu tippen. »Er traut dir nicht zu, dass du alt genug zum Fußballspielen bist?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Niemand beaufsichtigt mich, ich bekomme einen Hauch von Freiheit zu spüren. So was hasst er nun mal«, erinnerte ich sie.
Die Bahn wurde langsamer und stoppte an unserer Haltestelle. Wir stiegen aus und überquerten den Gehweg, hinter dem die Kunstrasenfläche des Spielfelds lag. In der Ferne erklang ein Pfeifen, und wir schauten gleichzeitig hoch zum Himmel, wo ein kleiner Schwarm Vögel kreiste. Ihre winzigen, tintenschwarzen Körper bewegten sich in einer Pfeilformation durch die Wolken. Das Muster erinnerte an einen Kinderdrachen, der sich von seiner Schnur losgerissen hat und nicht mehr zurück auf die Erde geholt werden kann. In der Stadt sah man nur selten Vögel, da alle Bäume und Gärten synthetisch waren, aber ab und zu kamen sie auf ihren Wanderrouten vorbei, und ich nahm das immer als ein Zeichen, dass etwas Besonderes bevorstand.
Unauffällig warf ich einen Blick auf mein Tattoo, das die dunklen Umrisse eines Vogels zeigte. Ich hatte es auf die Innenseite meines Handgelenks tätowieren lassen, wo die Haut dünn ist und die Adern durchschimmern. Lächelnd ließ ich den Finger über die ausgebreiteten Schwingen wandern. Wenn ich mein Tattoo betrachtete, erinnerte mich das jedes Mal daran, wer ich sein wollte: ein Mensch, den man nicht festhalten konnte, dessen Geist zu frei war, um sich in einen Käfig sperren zu lassen.
Erin und ich streckten uns auf dem Gras aus. Wir tauchten als einzige von den Spielern jede Woche zu früh auf.
»Und? Triffst du heute deinen Justin?«, fragte sie mich grinsend. Ich schaute genervt, um sie zum zehnten Mal daran zu erinnern, dass es sich nicht um ein Date handelte.
»Wir gehen nur zusammen zur Nachhilfe«, erinnerte ich sie. Ihr Handy piepte und sie begann eine Antwort zu tippen. »Weißt du, wie er aussieht?«
Ich schüttelte den Kopf, denn wir chatteten beide anonym. Mein echtes Gesicht benutzte ich online nie. Wenn ich näher darüber nachdachte, wusste kaum einer meiner Kontakte, wie ich tatsächlich aussah. Sie sprachen nur mit Cartoonbildern, Fotos oder ClipArts, die das Bild zeigten, das ich von mir vermitteln wollte.
»Wir werden nie persönlich«, erklärte ich ihr. »Ich weiß von ihm nur, dass er beim Aufsatzschreiben Probleme hat, besonders mit dem Schlussteil. Und er kennt nicht einmal meinen richtigen Namen«, fügte ich mit einem Grinsen hinzu.
Erin ließ das Handy sinken und schaute mich zum ersten Mal an diesem Tag bewusst an. »Du hast dir ein falsches Profil für einen Hausaufgaben-Chat zugelegt? Wieso machst du dir die Mühe?«
Ich zuckte mit den Schultern und streckte die Beine aus. »Weil ich meine Privatsphäre behalten will«, erklärte ich. »Mein Vater ist eine Art Promi, aber nur weil ich seine Tochter bin, sollen die Leute nicht gleich davon ausgehen, dass ich mit allem einverstanden bin, was er tut. Außerdem hatte ich nicht erwartet, dass ich Justin jemals real treffen würde. Ich dachte, wir würden eine Weile zusammen lernen und das wär's dann.«
Amüsiert schüttelte sie den Kopf. »Weiß er wenigstens, dass du ein Mädchen bist?«, fragte sie.
Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. »Das werde ich wohl bald herausfinden.«
Übersetzung: Ulrike Nolte
Copyright © 2011 by Bastei Lübbe GmbH & Co. KG, Köln
An meinem siebzehnten Geburtstag schenkte meine Mutter mir ein altes, in Leder gebundenes Tagebuch. Zuerst überraschten mich die leeren Seiten, als sei die Geschichte darin verloren gegangen oder habe sich davongestohlen. Mom erklärte mir, dass die Geschichte absichtlich fehlt, weil sie noch darauf wartet, geschrieben zu werden. Nur meine Mutter würde auf die Idee kommen, mir etwas aus der Vergangenheit zu schenken, um es in der Zukunft zu benutzen. Heute werden Bücher aus Papier nicht mehr hergestellt: Bäume zu fällen ist verboten. In manchen Ecken der Welt stehen noch welche, aber ich habe nie einen gesehen. Die meisten Großstädte haben sich stattdessen für Kunstpflanzen entschieden und den Leuten ist es auch lieber so. Einen Kunstbaum kann man sich in beliebiger Größe liefern lassen und man muss nicht erst fünfzehn Jahre warten, damit er wächst. Man sucht sich in einem Onlineshop das passende Modell aus, und ein paar Tage später hat man einen perfekten Baum im Garten stehen, der fest einzementiert und mit Stahlstreben verankert ist. Schnell, einfach, problemlos.
Kunstbäume sterben nicht, sie bekommen im Herbst auch nicht dieses kränkliche Aussehen und man muss keine nervigen Blätter- und Nadelhaufen zusammenfegen. Sie sind feuerfest. Sie verursachen keinen Heuschnupfen.
Sie sind immer perfekt grün (forevergreen.com hat die beste Qualität, sagt meine Mutter). Zwar können die Blätter auf Dauer ein bisschen blass werden, wenn sie zu viel Sonne abbekommen, aber dann muss man sie nur neu lackieren. Zu Halloween sprühen viele Leute ihre Bäume gelb, orange und rot an.
So haben sich früher die Blätter gefärbt, bevor sie runtergefallen sind. Meine Mutter kann sich aus ihrer Kindheit noch daran erinnern, wie Herbstlaub aussah. Sie sagt, es war die schönste Zeit des Jahres. Schwer vorstellbar, dass etwas schöner werden kann, weil es stirbt. Aber ich habe sowieso Probleme, mir das meiste vorzustellen, was laut meiner Mutter früher normal war.
Als immer mehr Bäume durch Waldbrände und Rodungen starben, waren Bücher das Erste, was verboten wurde, um die Bäume zu schützen. Heutzutage lädt man sich alles digital herunter. Man bestellt ein Buch und in Sekundenschnelle hat man es auf der Festplatte seiner Bookbag. Dann lasse ich es mit Zipfeed umwandeln, damit es mir laut vorgelesen wird. Praktischer geht
es kaum. Natürlich habe ich auch gelernt, selbst zu lesen. Das gehört zum Unterrichtsstoff in der Digital School 2. Die Chatnachrichten auf meinem Handy lese ich zum Beispiel. Aber die Wissenschaft hat herausgefunden, dass Audioinformationen schneller verarbeitet und gelernt werden. Zumindest haben ein paar Professoren das bei Ratten festgestellt. Sie haben mit Nagern experimentiert und daraus abgeleitet, wie man Menschen am besten etwas beibringen kann. Weil diese Theorie so schön medienwirksam war, sind die Politiker darauf angesprungen. So kam es zu einer Gesetzesänderung, die unsere Welt verwandelte. Und das ist der Grund, warum ich meine Bücher höre, statt sie zu lesen.
Allerdings besteht meine Mutter darauf, dass ich ab und zu meine Augen anstrenge. Sie hat all ihre alten Romane aufbewahrt und hinter Glas in hölzernen Spezialmöbeln stehen, die man Bücherschränke nennt. Jedes Jahr schenkt sie mir ein paar Bücher, die sie besonders gern mag. In meinem Schlafzimmer habe ich eine wachsende Sammlung. Irgendwie gefällt mir der Anblick. Und ich muss zugeben, dass es mir auch gefällt, in den Welten zwischen ihren bunten Einbänden zu verschwinden. Beim Lesen fühlt es sich so an, als wäre ich ganz und gar bei der Sache, statt nur meine Ohren oder Augen zu benutzen. Ich finde es zwar ein bisschen übertrieben, sie hinter Glas wegzusperren, aber Mom sagt, durch Luftkontakt vergilbt das Papier. Ähnlich wie die Blätter der Bäume, die in unserer Welt nicht überleben konnten. Tja, wenn man sich nicht anpassen kann, verliert man eben. Das habe ich schon in der Digital School 3 gelernt.
Also könnt ihr euch wahrscheinlich vorstellen, wie überrascht ich war, als Mom mir ein leeres Buch gab. Bedrucktes Papier ist schon selten genug, aber ein Buch ohne Text ... Was für eine Verschwendung. Kein Wunder, dass wir die Bäume ausgerottet haben. Und ich soll darauf schreiben. Mit der Hand. Kaum zu glauben, wie langsam das geht! Wenn ich Leute in alten Filmen mit der Hand schreiben sehen, muss ich immer lachen. So was gibt es schon seit zwanzig Jahren nicht mehr. In der Schule haben wir gezeigt bekommen, wie man schreibt, aber natürlich haben wir es nur als Simulation auf unseren Flipscreens ausprobiert. Um einen Stift zu kaufen, muss man
im Netz schon einen Spezialversand finden. Nur meine Mom würde auf die Idee kommen, für so ein historisches Gerät auch noch Geld auszugeben. »Es ist gut für dich, deine Gedanken niederzuschreiben, Madeleine«, meinte sie. »Sehr therapeutisch, weil man gezwungen ist, sich Zeit zu lassen und über das Leben nachzudenken.«
Ich habe ein schlechtes Gewissen, wenn ich leeres Papier beschreibe. Es kommt mir vor, als würde ich mit meinen Worten etwas beflecken, das durch seine Unberührtheit wertvoller und interessanter war als alles, was ich jemals zu sagen haben könnte. Mein Leben ist alles andere als aufregend. Ganz im Gegenteil. Jede Minute ist vorherbestimmt, kontrolliert, starr festgelegt. Es gibt nur einen schmalen Pfad, auf dem ich mich bewegen darf.
Außerdem, warum sollte ich Zeit dafür opfern, meine Gedanken aufzuschreiben, wenn niemand sonst sie lesen kann? Ich bin es gewohnt, dass Millionen von Leuten an allem beteiligt sind, was ich sage und tue. Normalerweise bekomme ich Massen von Feedback und jeder meiner eingetippten Gedanken wird von Dutzenden Kommentaren begleitet. Das gibt mir das Gefühl, in meinem Leben etwas richtig zu machen. Es zeigt mir, dass es Menschen gibt, denen ich wirklich etwas bedeute. Im Netz fühle ich mich real und bekomme den ständigen Beweis, dass ich existiere. Warum sollte ich mein Ich in einem Buch verstecken? Richtig geheim halten lässt sich sowieso nichts. Früher oder später sickert die Wahrheit immer durch. Das habe ich aus eigener Erfahrung lernen müssen.
KAPITEL 1
Ich zog mir den Pullover über und wollte gerade aus dem Zimmer gehen, als ich das rote Licht sah, das auf meinem Bildschirm blinkte. Zwar war ich jetzt schon zu spät dran, aber das flackernde Licht konnte ich einfach nicht ignorieren. Es hielt mich in meinem Zimmer fest, als sei ich in einem Netz gefangen. Ich habe meinen Computer so eingestellt, dass er mir mit Farben anzeigt, wer mich kontaktieren will. Dieses Rot konnte nur eine Person bedeuten. Ich setzte mich wieder, tippte mit dem Finger gegen den Lichtpunkt, und ein einziger Satz leuchtete auf dem Bildschirm auf.
Kommst du heute Abend?
Ich las Justins Frage und presste die Lippen zusammen. Mein Verstand befahl mir, nein zu sagen. Diese Antwort würde mein Vater von mir erwarten. Er hatte mich darauf gedrillt, meine Gedanken zu filtern und durch ein Sieb zu pressen, sodass am Ende akzeptable, wohlerzogene Entscheidungen herauskamen. Aber in letzter Zeit fühlte ich mich dadurch ohnmächtig und bedeutungslos, als würde mein Bewusstsein gar nicht mehr mir gehören, sondern sei nur ein Programm, das man nach Wunsch manipulieren konnte. Deshalb war ich in Versuchung, mit ja zu antworten.
Ich hatte Justin vor zwei Monaten auf TutorPage getroffen - einem Chatroom für Schüler, die sich Hilfe bei ihren Hausaufgaben holen wollen. Wir hatten beide das gleiche Problem, nämlich den literaturwissenschaftlichen Aufsatz. In der Digital School 4 wird verlangt, dass man seine Hauptthese in einem einzigen Satz formulieren kann. Da der Tutor gerade von Schülern überrannt wurde, schlossen Justin und ich uns zusammen, um gemeinsam daran zu arbeiten. Ich weiß noch, dass er damals eine sehr seltsame Bemerkung machte. Er schrieb: »Zwei Köpfe denken besser als einer.« Das war deshalb merkwürdig, weil man seine Zeit in der DS-4 ohne Weiteres hinter sich bringen kann, ohne eine andere Person auch nur anzusehen, geschweige denn mit jemandem zusammenzuarbeiten. Ein Vorteil des digitalen Lebens ist, dass man sehr schnell lernt, selbstständig zu sein.
Justin und ich stimmten unsere Terminpläne ab, sodass wir uns zweimal pro Woche zum gemeinsamen Lernen im Netz verabreden konnten. Dann begann er, mir Einladungen für Unterrichtsstunden zu schicken, für die man sich live in der Innenstadt von Corvallis trifft. Er versicherte mir, die Gruppen seien sehr klein und hilfreich, aber trotzdem versetzte mich der Gedanke, ihm persönlich zu begegnen, in Panik. Ich bin die Sicherheit meiner Onlineprofile gewohnt und lebe geschützt hinter den Avataren und ClipArts, die ich entwerfe, um meine Persönlichkeit auszudrücken. In der digitalen Welt kann ich sein, wer immer ich will. Dort bin ich je nach Geschmack witzig, tiefsinnig, philosophisch, exzentrisch. Ich kann eine Version von mir erschaffen, die nur aus meinen besten Seiten besteht. Mehr noch, ich kann diese besten Seiten hemmungslos übertreiben. Ich kann immer die richtigen Entscheidungen treffen. Jeder Fehler lässt sich mit einem Tastenklick ausradieren.
Aber in der richtigen Welt kann absolut alles passieren. Als würde man sich auf Glatteis begeben ... Man muss ständig auf der Hut sein, oder man rutscht aus und fällt. Alle Bewegungen werden ungelenk und unsicher, weil man plötzlich merkt, dass man hinter der ganzen Hightech und dem digitalen Panzer immer noch aus Fleisch und Blut ist.
Ich starrte noch immer auf den Bildschirm, wo seine Frage geduldig wartete, und ein seltsames Gefühl schoss durch meinen Körper. Es fühlte sich an wie ein plötzlicher und sehr heftiger Adrenalinstoß. In diesem Moment wusste ich ganz einfach, dass ich ihn heute sehen musste. Manchmal ist so ein Bauchgefühl fast das Gleiche wie Schicksal, als würden die beiden Hand in Hand arbeiten, um dein Leben über den Haufen zu werfen.
Ich sprach die Antwort laut aus und meine Stimme wurde automatisch in eine digitale Nachricht umgewandelt.
Vielleicht. Das erschien mir als die beste Reaktion, falls ich später doch noch die Nerven verlor. Ich schickte die Nachricht ab und eine Sekunde später erschien seine Antwort.
Das Leben ist zu kurz, um vielleicht zu sagen.
Mit schmalen Augen betrachtete ich den Bildschirm. Warum bedrängte er mich? Er hätte sich mit meiner vagen Antwort zufrieden geben sollen.
Wieso ist es dir so wichtig, mich zu treffen?, fragte ich.
Wieso ist es dir so wichtig, mir auszuweichen?
Ich habe Hausarrest. Für eine ganze Weile. Nur zögernd drückte ich auf ›Senden‹. Bisher hatte ich Justin keinen Einblick in mein Privatleben erlaubt. Wir hatten unseren Austausch immer gefahrlos an der Oberfläche dümpeln lassen.
Eine Weile? Meinst du ein paar Wochen?, fragte er.
Ich musste lachen, aber es klang tonlos und bitter. Versuch's mal mit zweieinhalb Jahren, dachte ich. Doch so genau brauchte er nicht Bescheid zu wissen. Man wird geübt darin, die Wahrheit umzuschreiben, wenn man mit seinem persönlichen Zensor lebt.
So in der Art, sagte ich.
Was hast du angestellt?
Ich habe wohl eine rebellische Ader.
Das ist ein bisschen vage, sagte er.
Mit gerunzelter Stirn schaute ich auf den Bildschirm. Ich erzähle doch keinem Fremden meine Lebensgeschichte, nur weil wir uns online getroffen haben.
Dann ist es höchste Zeit, dass wir uns kennenlernen, sagte er.
Ich knabberte an meinen Nägeln herum, als ich diesen Satz auftauchen sah. Die Worte klangen so einfach. Aber wenn ich etwas für einfach hielt, lauerte immer sehr viel mehr im Hintergrund.
Ich werde da sein, sagte ich und drückte auf ›Senden‹, bevor ich meine Meinung ändern konnte.
Dann sprang ich auf, schnappte mir meine Fußballschuhe und rannte nach unten in die Küche. Dad schaute kurz hoch. Er saß am Tisch und las die Nachrichten auf unserem Wandbildschirm. Neben ihm war Mom in eine Zeitschrift vertieft. Sie besteht darauf, sich ihre Hefte aus Plastikseiten drucken zu lassen. Mom ist vermutlich die einzige Person, die von sich behauptet, dass Computerbildschirme ihren Augen wehtun.
Mein Vater musterte missbilligend die Schuhe in meiner Hand. »Ich dachte, die Saison sei vorbei«, sagte er.
Meine Finger krampften sich unwillkürlich fester um die Schuhe, während ich ihn unbewegt ansah. Wir haben sehr ähnliche Augen, groß und durchdringend, grau wie der bewölkte Himmel mit grünen Sprenkeln um die Pupillen. Wenn mein Vater wütend wird, färben sich seine Augen dunkel wie Regenwolken kurz vor dem Gewitter. Er kann seinen Blick einsetzen, um einzuschüchtern, zu überreden oder Respekt einzufordern. Dieses Talent besitze ich nicht. Meine Augen scheinen mich nur zu verraten.
»Die Meisterschaften laufen das ganze Jahr«, stellte Mom fest. Mein Vater lehnte sich auf dem Stuhl zurück und verschränkte die Arme über der Brust.
»Hatten wir darüber gesprochen, dass du ganzjährig Fußball spielst, Maddie? Ich meine mich zu erinnern, dass nur von einer Herbst- und Wintersaison die Rede war. «
Ich wich seinem Blick nicht aus. Dazu versuchte er zu oft, mich mit seinen Disziplinarmaßnahmen einzuschüchtern. Baley, unsere schokobraune Labradorhündin, erschien schwanzwedelnd neben mir, und ich beugte mich herunter, um sie hinter den Ohren zu kraulen.
»Die Frühjahrssaison hat gerade angefangen. Ich gehe nur einmal die Woche hin. Warum ist das so eine große Sache?«
»Das Training ist ziemlich teuer«, sagte er.
Ich riss mich zusammen, um nicht die Augen zu verdrehen. Mein Vater verdient mehr Geld als zehn Familien zusammen ausgeben könnten. Immerhin ist er der Direktor der Digital School Corporation. Der Lehrplan, die Lehrmaterialien und der gesamte Inhalt dessen, was ich lerne - nicht zu vergessen, wo und wann ich meinen Unterricht bekomme -, all das wird mit der Unterschrift meines Vaters abgesegnet. Seine Macht und sein gesellschaftlicher Einfluss waren es auch, die mich vor zweieinhalb Jahren so in Schwierigkeiten gebracht hatten, dass noch immer ein Riss durch unsere Familie geht. Er misstraut mir, und die meiste Zeit kommt er mir nicht vor wie ein Vater, sondern eher wie mein persönlicher Gefängniswärter.
»Sie ist siebzehn, Kevin«, sagte Mom. »Hatten wir uns nicht geeinigt, dass sie mehr unter Leute kommen soll?«
Ich schaute zwischen ihnen hin und her und presste die Lippen zusammen. Nichts ärgert mich mehr, als wenn sie über mich sprechen, als sei ich gar nicht anwesend oder nur eine Tonfigur, die sie noch in die richtige Form kneten müssen.
»Ja, du hast wohl recht«, gab er schließlich nach.
Ich nickte kurz und bedankte mich. Dann rannte ich zur Tür heraus und den Bürgersteig entlang, um noch rechtzeitig zur Bahn zu kommen. Die Luft war warm und die Sonne hatte sich nach einem langen Winterschlaf endlich zu ihrem ersten Frühlingsauftritt entschieden. Durch die Äste über mir fielen Lichtstrahlen und malten ein Muster aus hellen und dunklen Flecken auf den Kunstrasen. Die grünen Blätter knisterten in der Brise, während ich vorüberging. Ich erreichte die Bahn gerade, als sie an der Hamersley Street hielt, sprang auf und hielt meine Hand vor den kleinen Bildschirm, der die Fingerabdrücke scannte. Piepend schlossen sich die Türen hinter mir.
Erin saß hinten im Wagen am Fenster. Sie schaute sich etwas auf ihrem Handy an und nickte im Rhythmus der Musik, die aus den Kopfhörern drang.
»Hi«, sagte ich und ließ mich auf den Platz neben ihr fallen. Ich holte mein Handy aus der Tasche, um eine Nachricht zu lesen.
»Du hättest fast die Bahn verpasst«, sagte sie, ohne aufzuschauen. »Das passiert dir sonst nie.«
Ein Werbefilm auf dem Bildschirm unseres Abteils lenkte mich ab. Darin versprach ein Mann mittleren Alters mit khakigrünen Shorts und weißem T-Shirt, ich könne meinen Rasen in nur fünf einfachen Schritten in einen bunten Blumengarten verwandeln. Ich schaute zu, wie er eine dicke Matte aus Plastikgras mit Kunstblumen ausrollte und in den Boden tackerte.
»Wieso bist du zu spät gekommen?«, fragte Erin.
»Mein Vater wollte sich ein bisschen unterhalten«, sagte ich. Sie grinste und tippte auf ihrem Handy herum. »Worum ging es denn diesmal?«
Ich trommelte nervös mit dem Fuß auf die Gummimatte am Boden. »Oh, er wollte sich nur versichern, dass er noch die komplette Kontrolle über jedes Detail meines Lebens hat.«
Erin zog die Augenbrauen zusammen und fuhr fort zu tippen. »Er traut dir nicht zu, dass du alt genug zum Fußballspielen bist?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Niemand beaufsichtigt mich, ich bekomme einen Hauch von Freiheit zu spüren. So was hasst er nun mal«, erinnerte ich sie.
Die Bahn wurde langsamer und stoppte an unserer Haltestelle. Wir stiegen aus und überquerten den Gehweg, hinter dem die Kunstrasenfläche des Spielfelds lag. In der Ferne erklang ein Pfeifen, und wir schauten gleichzeitig hoch zum Himmel, wo ein kleiner Schwarm Vögel kreiste. Ihre winzigen, tintenschwarzen Körper bewegten sich in einer Pfeilformation durch die Wolken. Das Muster erinnerte an einen Kinderdrachen, der sich von seiner Schnur losgerissen hat und nicht mehr zurück auf die Erde geholt werden kann. In der Stadt sah man nur selten Vögel, da alle Bäume und Gärten synthetisch waren, aber ab und zu kamen sie auf ihren Wanderrouten vorbei, und ich nahm das immer als ein Zeichen, dass etwas Besonderes bevorstand.
Unauffällig warf ich einen Blick auf mein Tattoo, das die dunklen Umrisse eines Vogels zeigte. Ich hatte es auf die Innenseite meines Handgelenks tätowieren lassen, wo die Haut dünn ist und die Adern durchschimmern. Lächelnd ließ ich den Finger über die ausgebreiteten Schwingen wandern. Wenn ich mein Tattoo betrachtete, erinnerte mich das jedes Mal daran, wer ich sein wollte: ein Mensch, den man nicht festhalten konnte, dessen Geist zu frei war, um sich in einen Käfig sperren zu lassen.
Erin und ich streckten uns auf dem Gras aus. Wir tauchten als einzige von den Spielern jede Woche zu früh auf.
»Und? Triffst du heute deinen Justin?«, fragte sie mich grinsend. Ich schaute genervt, um sie zum zehnten Mal daran zu erinnern, dass es sich nicht um ein Date handelte.
»Wir gehen nur zusammen zur Nachhilfe«, erinnerte ich sie. Ihr Handy piepte und sie begann eine Antwort zu tippen. »Weißt du, wie er aussieht?«
Ich schüttelte den Kopf, denn wir chatteten beide anonym. Mein echtes Gesicht benutzte ich online nie. Wenn ich näher darüber nachdachte, wusste kaum einer meiner Kontakte, wie ich tatsächlich aussah. Sie sprachen nur mit Cartoonbildern, Fotos oder ClipArts, die das Bild zeigten, das ich von mir vermitteln wollte.
»Wir werden nie persönlich«, erklärte ich ihr. »Ich weiß von ihm nur, dass er beim Aufsatzschreiben Probleme hat, besonders mit dem Schlussteil. Und er kennt nicht einmal meinen richtigen Namen«, fügte ich mit einem Grinsen hinzu.
Erin ließ das Handy sinken und schaute mich zum ersten Mal an diesem Tag bewusst an. »Du hast dir ein falsches Profil für einen Hausaufgaben-Chat zugelegt? Wieso machst du dir die Mühe?«
Ich zuckte mit den Schultern und streckte die Beine aus. »Weil ich meine Privatsphäre behalten will«, erklärte ich. »Mein Vater ist eine Art Promi, aber nur weil ich seine Tochter bin, sollen die Leute nicht gleich davon ausgehen, dass ich mit allem einverstanden bin, was er tut. Außerdem hatte ich nicht erwartet, dass ich Justin jemals real treffen würde. Ich dachte, wir würden eine Weile zusammen lernen und das wär's dann.«
Amüsiert schüttelte sie den Kopf. »Weiß er wenigstens, dass du ein Mädchen bist?«, fragte sie.
Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. »Das werde ich wohl bald herausfinden.«
Übersetzung: Ulrike Nolte
Copyright © 2011 by Bastei Lübbe GmbH & Co. KG, Köln
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Autoren-Interview mit Katie Kacvinsky
Autoren-Interview mit Katie KacvinskyDie junge Amerikanerin Katie Kacvinsky entwirft in ihrer Dystopie »Die Rebellion der Maddie Freeman« eine digitale Zukunft, die bereits laut an unsere Türen klopft. Die 17-jährige Maddie muss sich nicht nur gegen das System stellen, sondern auch gegen ihre Familie, um ihre große Liebe leben zu können.
Sie haben als Model, als Englisch-Lehrerin und als Comedian gearbeitet. Nun sind Sie auch noch Autorin. Wie bringen Sie das alles unter einen Hut?
Ich habe so einen bewegten Lebenslauf, weil ich mich nie für eine einzige Sache entscheiden konnte; ich wollte einfach alles ausprobieren. Ich denke, das ist der Grund, warum ich das Schreiben liebe: Meine Charaktere - und damit ja auch ein kleines bisschen ich selbst - kommen mit ganz unterschiedlichen Menschen zusammen und erleben sehr coole Sachen. Übrigens: Ich habe leider nur in einem Comedy-Club gekellnert und nie selbst als Comedian gearbeitet. Gemodelt habe ich tatsächlich eine ganze Weile in Los Angeles, aber ich habe einfach immer viel zu gerne gegessen für diesen Job.
Wo und wie leben Sie?
Ich lebe mit meinem Mann und meinem kleinen Sohn im wunderbaren Staat Oregon - der spektakulärste Ort der Welt! Schon als ich das erste Mal hierher kam, war ich überwältigt von der Natur: die Berge, das Meer, die Wüste, die Regenwälder, einfach bombastisch! So kam ich dann auch auf Idee, Die Rebellion der Maddie Freeman zu schreiben: Es ist sehr viel Schönheit in der Natur, die man entdecken muss, und es ist so toll, Menschen persönlich kennenzulernen, dass ich meine Leser unbedingt dazu inspirieren wollte, genau das zu tun.
Wie lange haben Sie an Ihrem ersten Jugendroman geschrieben?
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Der erste Entwurf hat eigentlich nur ein paar Monate gedauert, die Überarbeitungen beträchtlich länger. Erst habe ich sozusagen das Fundament gesetzt und später dann die Räume gebaut, mir die Details ausgedacht und nach und nach dekoriert. Ich möchte, dass meine Leser gerne in mein Haus kommen und eine Weile bleiben. Insgesamt hat das Bauen und Schmücken meines Romans etwa ein Jahr gedauert.
Wir leben in einer medialen Welt; insbesondere Social Media bestimmt unser Leben. Meinen Sie, dass es immer unwichtiger wird, sich persönlich kennenzulernen?
Nein, absolut nicht. Ganz im Gegenteil bin ich der festen Überzeugung, dass man Menschen nur persönlich wirklich kennenlernen kann, also intensiver und mit allen Facetten. Es ist schnell, einfach und sicher, Leute über Facebook etc. zu treffen, und das finde ich großartig! Aber meines Erachtens kann Social Media eben nur eine Freundschaft auf den Weg bringen, den Rest sollte man schon von Auge zu Auge tun - auch wenn das dann mehr Zeit kostet und detaillierte Absprachen nötig macht.
Sie selbst sind ja ein großer Social Media Fan. Wie viele virtuelle Freunde haben Sie?
Oh, es sind sicher keine Massen. Ich bin, ehrlich gesagt, noch gar nicht so lange auf Facebook, und Twitter habe ich erst vor ganz kurzer Zeit für mich entdeckt. Ich hoffe aber sehr, dass sich das ändern wird. Ich mag es, von meinen Lesern ein direktes Feedback zu bekommen und mit meinen Freunden zu chatten.
Ich habe übrigens seit langem einen »technologiefreien« Tag in der Woche, an dem ich wandere, lese, koche und Freunde auf ein Bier treffe. Eigentlich ist mir dieser Tag der liebste, weil ich merke, dass mich das total runterbringt und ich auch im Kopf wirklich Zeit habe für diejenigen, die mir am Herzen liegen.
Kommen wir zu Ihrem Buch, in dem die Hauptfigur Maddie im Jahre 2060 gegen die totale Medialisierung kämpft - und ihre große Liebe trifft. Was war Ihnen an der Handlung besonders wichtig?
Ganz besonders wichtig ist mir prinzipiell, dass ich unterhalte: Meiner Meinung nach bringt die tollste Handlung nichts, wenn sie keine Lust darauf macht, sie zu lesen. Mit Die Rebellion der Maddie Freeman wollte ich eine romantische und spannende Geschichte schreiben, die auch provozierend und neu ist. Und ich wollte die Leser dazu inspirieren, einfach ab und zu den Computer auszulassen. Wenn nur ein paar meiner Leser nach der Lektüre auch einmal für einen Moment die Stille genießen wollen, dann bin ich glücklich. Es geht immer um die richtige Mischung: Technologie ist toll; sie kann unser Leben positiv ergänzen - so lange wir sie als Teil des Ganzen verstehen.
Könnten Sie sich vorstellen, wie Maddie alle sportlichen Aktivitäten im Hause zu machen und nicht nach draußen zu gehen?
Was für eine Frage! Ich muss die Sonne auf meiner Haut spüren.
Sind Sie wie Maddie ein eher rebellischer Typ?
Absolut! Ich konnte noch nie gut mit Regeln umgehen und tendiere dazu, sie zu brechen. Ich war schon immer mit den Regelbrechern, den Außenseitern und Unbequemen befreundet, weil ich Menschen mag, die ihren eigenen Weg gehen. Das ist so viel spannender und inspirierender. Deshalb schreibe ich wohl auch gerne über sie.
Maddie verliebt sich in Justin, den Anführer der Kämpfer gegen das System. Ist er ein Vorbild für junge Leser, nicht alles hinzunehmen und Dinge zu hinterfragen?
Justin ist stark, leidenschaftlich und auf einer Mission, der sich keiner in den Weg stellen kann. So sollte man leben: Was immer du tun möchtest, musst du mit aller Leidenschaft und Überzeugung tun! Diese Energie ist irgendwie sexy und mitreißend, finde ich. Ich hoffe, dass Justin ein Vorbild ist.
Wie haben Sie Ihre Charaktere entwickelt?
Ich habe mir vorgestellt, ein siebzehnjähriges Mädchen zu sein, das in einer von Computern kontrollierten Welt gefangen ist, dies auch spürt und sich davon befreien will, aber erst »geweckt« werden muss. So kam Justin in meinen Kopf. Außerdem wollte ich, dass Maddies Eltern auf der anderen Seite stehen, um den komplexen Charakter Maddies besser erklären zu können.
Sie beschreiben eine sehr schwierige Vater-Tochter-Beziehung. Maddies Vater kann nicht akzeptieren, dass seine Tochter erwachsen wird, und versucht sie immer mehr zu kontrollieren. Kennen Sie diese Situation?
Mein Vater war definitiv ein Kontrollfreak, als ich auf die High School ging. Das hat meine rebellische Seite herausgefordert. Wenn man jung ist, dann fällt es einem schwer, das Positive am elterlichen Beschützen zu erkennen und es richtig einzuordnen. Es war ein harter Weg für mich, die Liebe und Anleitung meiner Eltern nicht mehr als Kontrolle und Manipulation zu sehen. Ich denke, das ist genau das, was Maddie und ihr Vater ausfechten.
Wie kamen Sie auf die Idee, Maddies Mutter als Gegenpol zu entwerfen? Sie bestärkt Maddie ja immer wieder, ihr Leben real zu leben und stellt sich damit - zumindest in Maßen - gegen ihren Ehemann.
Meine eigenen Eltern sind totale Gegensätze. Mein Vater ist der Anker, meine Mutter das Segel. Sie ergänzen sich gegenseitig in ihren Stärken und Schwächen. Ich war schon immer von dieser Art Beziehung zueinander fasziniert.
Welche Figur mögen Sie am liebsten?
Ganz eindeutig Justin. Ich liebe seinen Charakter: stark, loyal, komplex, selbstlos - harte Schale, weicher Kern.
Der erste Entwurf hat eigentlich nur ein paar Monate gedauert, die Überarbeitungen beträchtlich länger. Erst habe ich sozusagen das Fundament gesetzt und später dann die Räume gebaut, mir die Details ausgedacht und nach und nach dekoriert. Ich möchte, dass meine Leser gerne in mein Haus kommen und eine Weile bleiben. Insgesamt hat das Bauen und Schmücken meines Romans etwa ein Jahr gedauert.
Wir leben in einer medialen Welt; insbesondere Social Media bestimmt unser Leben. Meinen Sie, dass es immer unwichtiger wird, sich persönlich kennenzulernen?
Nein, absolut nicht. Ganz im Gegenteil bin ich der festen Überzeugung, dass man Menschen nur persönlich wirklich kennenlernen kann, also intensiver und mit allen Facetten. Es ist schnell, einfach und sicher, Leute über Facebook etc. zu treffen, und das finde ich großartig! Aber meines Erachtens kann Social Media eben nur eine Freundschaft auf den Weg bringen, den Rest sollte man schon von Auge zu Auge tun - auch wenn das dann mehr Zeit kostet und detaillierte Absprachen nötig macht.
Sie selbst sind ja ein großer Social Media Fan. Wie viele virtuelle Freunde haben Sie?
Oh, es sind sicher keine Massen. Ich bin, ehrlich gesagt, noch gar nicht so lange auf Facebook, und Twitter habe ich erst vor ganz kurzer Zeit für mich entdeckt. Ich hoffe aber sehr, dass sich das ändern wird. Ich mag es, von meinen Lesern ein direktes Feedback zu bekommen und mit meinen Freunden zu chatten.
Ich habe übrigens seit langem einen »technologiefreien« Tag in der Woche, an dem ich wandere, lese, koche und Freunde auf ein Bier treffe. Eigentlich ist mir dieser Tag der liebste, weil ich merke, dass mich das total runterbringt und ich auch im Kopf wirklich Zeit habe für diejenigen, die mir am Herzen liegen.
Kommen wir zu Ihrem Buch, in dem die Hauptfigur Maddie im Jahre 2060 gegen die totale Medialisierung kämpft - und ihre große Liebe trifft. Was war Ihnen an der Handlung besonders wichtig?
Ganz besonders wichtig ist mir prinzipiell, dass ich unterhalte: Meiner Meinung nach bringt die tollste Handlung nichts, wenn sie keine Lust darauf macht, sie zu lesen. Mit Die Rebellion der Maddie Freeman wollte ich eine romantische und spannende Geschichte schreiben, die auch provozierend und neu ist. Und ich wollte die Leser dazu inspirieren, einfach ab und zu den Computer auszulassen. Wenn nur ein paar meiner Leser nach der Lektüre auch einmal für einen Moment die Stille genießen wollen, dann bin ich glücklich. Es geht immer um die richtige Mischung: Technologie ist toll; sie kann unser Leben positiv ergänzen - so lange wir sie als Teil des Ganzen verstehen.
Könnten Sie sich vorstellen, wie Maddie alle sportlichen Aktivitäten im Hause zu machen und nicht nach draußen zu gehen?
Was für eine Frage! Ich muss die Sonne auf meiner Haut spüren.
Sind Sie wie Maddie ein eher rebellischer Typ?
Absolut! Ich konnte noch nie gut mit Regeln umgehen und tendiere dazu, sie zu brechen. Ich war schon immer mit den Regelbrechern, den Außenseitern und Unbequemen befreundet, weil ich Menschen mag, die ihren eigenen Weg gehen. Das ist so viel spannender und inspirierender. Deshalb schreibe ich wohl auch gerne über sie.
Maddie verliebt sich in Justin, den Anführer der Kämpfer gegen das System. Ist er ein Vorbild für junge Leser, nicht alles hinzunehmen und Dinge zu hinterfragen?
Justin ist stark, leidenschaftlich und auf einer Mission, der sich keiner in den Weg stellen kann. So sollte man leben: Was immer du tun möchtest, musst du mit aller Leidenschaft und Überzeugung tun! Diese Energie ist irgendwie sexy und mitreißend, finde ich. Ich hoffe, dass Justin ein Vorbild ist.
Wie haben Sie Ihre Charaktere entwickelt?
Ich habe mir vorgestellt, ein siebzehnjähriges Mädchen zu sein, das in einer von Computern kontrollierten Welt gefangen ist, dies auch spürt und sich davon befreien will, aber erst »geweckt« werden muss. So kam Justin in meinen Kopf. Außerdem wollte ich, dass Maddies Eltern auf der anderen Seite stehen, um den komplexen Charakter Maddies besser erklären zu können.
Sie beschreiben eine sehr schwierige Vater-Tochter-Beziehung. Maddies Vater kann nicht akzeptieren, dass seine Tochter erwachsen wird, und versucht sie immer mehr zu kontrollieren. Kennen Sie diese Situation?
Mein Vater war definitiv ein Kontrollfreak, als ich auf die High School ging. Das hat meine rebellische Seite herausgefordert. Wenn man jung ist, dann fällt es einem schwer, das Positive am elterlichen Beschützen zu erkennen und es richtig einzuordnen. Es war ein harter Weg für mich, die Liebe und Anleitung meiner Eltern nicht mehr als Kontrolle und Manipulation zu sehen. Ich denke, das ist genau das, was Maddie und ihr Vater ausfechten.
Wie kamen Sie auf die Idee, Maddies Mutter als Gegenpol zu entwerfen? Sie bestärkt Maddie ja immer wieder, ihr Leben real zu leben und stellt sich damit - zumindest in Maßen - gegen ihren Ehemann.
Meine eigenen Eltern sind totale Gegensätze. Mein Vater ist der Anker, meine Mutter das Segel. Sie ergänzen sich gegenseitig in ihren Stärken und Schwächen. Ich war schon immer von dieser Art Beziehung zueinander fasziniert.
Welche Figur mögen Sie am liebsten?
Ganz eindeutig Justin. Ich liebe seinen Charakter: stark, loyal, komplex, selbstlos - harte Schale, weicher Kern.
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Bibliographische Angaben
- Autor: Katie Kacvinsky
- Altersempfehlung: 14 - 17 Jahre
- 2011, 5. Aufl., 366 Seiten, Maße: 15,3 x 22 cm, Gebunden, Deutsch
- Aus d. amerikan. Engl. v. Ulrike Nolte
- Übersetzer: Ulrike Nolte
- Verlag: Boje Verlag
- ISBN-10: 3414823004
- ISBN-13: 9783414823007
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