Die Rückkehr des Tanzlehrers
Kriminalroman. Ausgezeichnet mit dem Deutschen Bücherpreis, Kategorie Publikumspreis 2003
Polizeikommissar Stefan Lindmann ermittelt in Norrland. Dort wurde sein ehemaliger Kollege Molin ermordet. Der Tatort bietet ein grausiges Szenario: blutige Fußspuren, angeordnet im Tangoschritt.
Bei seinen Untersuchungen stößt Lindmann auf die Nazi-Vergangenheit Molins.
Bei seinen Untersuchungen stößt Lindmann auf die Nazi-Vergangenheit Molins.
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Taschenbuch
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Die Rückkehr des Tanzlehrers “
Polizeikommissar Stefan Lindmann ermittelt in Norrland. Dort wurde sein ehemaliger Kollege Molin ermordet. Der Tatort bietet ein grausiges Szenario: blutige Fußspuren, angeordnet im Tangoschritt.
Bei seinen Untersuchungen stößt Lindmann auf die Nazi-Vergangenheit Molins.
Bei seinen Untersuchungen stößt Lindmann auf die Nazi-Vergangenheit Molins.
Klappentext zu „Die Rückkehr des Tanzlehrers “
Wer fordert einen toten Mann zum Tango auf?
Stefan Lindman, 37, Polizeikommissar in Südschweden, bekommt an einem Tag gleich zwei schlechte Nachrichten: Er hat Krebs, und sein ehemaliger Kollege und Mentor, Herbert Molin, wurde Opfer eines Gewaltverbrechens. Um auf andere Gedanken zu kommen, fährt Lindman hinauf nach Norrland. Dort hat Herbert Molin nach seiner Pensionierung in völliger Abgeschiedenheit gelebt, bis er am 19. Oktober 1999 überfallen, gefoltert und getötet wurde - ein Mord, der einer Hinrichtung gleicht.
Lindman war dem verschlossenen Alten nie besonders nah gekommen, doch nun weiß er, daß Molin sich aus Angst zurückgezogen hatte. Wovor hatte Molin Angst? Und warum hinterließ der Mörder als sichtbaren Hinweis auf den Dielen des Hauses die blutigen Spuren eines Tanzes: den letzten, tödlichen Tango, zu dem er sein Opfer aufforderte?
Während Lindman versucht, mit sich und seiner Krankheit ins reine zu kommen, scheut er kein Risiko und ist den Ermittlungen der Kollegen vor Ort immer eine Nasenlänge voraus...
Lese-Probe zu „Die Rückkehr des Tanzlehrers “
Die Rückkehr des Tanzlehrers von Henning MankellProlog
Deutschland
Dezember 1945
Die Maschine hob kurz nach zwei Uhr am Nachmittag des 12. Dezember 1945 vom Militärflugplatz in der Nähe von London ab. Ein feiner Regen fiel, und es war kühl. Hin und wieder zogen kräftige Böen vorüber und zerrten an dem Sack, der die Windrichtung anzeigte. Dann war es wieder still. Die Maschine war eine zweimotorige Bristol Blenheim, die schon die Schlacht um England im Herbst 1940 mitgemacht hatte. Sie war mehrmals von deutschen Jägern getroffen und zu Notlandungen gezwungen worden. Aber sie war jedesmal wieder repariert und erneut in den Kampf geschickt worden. Jetzt, da der Krieg vorüber war, wurde die Maschine hauptsächlich für Materialtransporte benutzt, um die englischen Truppen, die im besiegten und verwüsteten Deutschland stationiert waren, zu versorgen.
Doch heute hatte Mike Garbett, der Pilot, Bescheid bekommen, daß er am Nachmittag einen Passagier zu einem Ort namens Bückeburg fliegen sollte. Dort würde dieser abgeholt werden und erst am folgenden Abend nach England zurückkehren. Wer der Mann war oder mit welchem Auftrag er nach Deutschland flog, wurde Garbett von Major Perkins, seinem nächsten Vorgesetzten, nicht mitgeteilt. Garbett stellte auch keine Fragen. Obwohl der Krieg vorüber war, konnte man immer noch das Gefühl haben, daß er andauerte. Geheime Transporte waren an der Tagesordnung.
Nachdem er seinen Flugbefehl in Empfang genommen hatte, setzte sich Garbett zusammen mit seinem Kopiloten Peter Foster und dem Navigator Chris Wiffin in eine der Baracken. Auf dem Tisch hatten sie die Deutschlandkarten ausgerollt. Ihr Zielflugplatz lag ungefähr dreißig Kilometer von Hameln entfernt. Garbett war noch nie dort gewesen, aber Peter Foster kannte den Flugplatz. Weil die Umgebung eben war, würde der Anflug keine
... mehr
Schwierigkeiten bereiten. Das einzige Problem war der Nebel. Wiffin verschwand, um mit den Meteorologen zu sprechen. Als er zurückkehrte, konnte er berichten, daß für den Nachmittag und Abend klares Wetter über dem Norden und der Mitte Deutschlands erwartet wurde. Sie machten ihren Flugplan, berechneten die Menge Benzin, die sie benötigen würden, und rollten dann die Karten zusammen.
»Wir sollen nur einen einzigen Passagier rüberfliegen«, sagte Garbett. »Wer der Mann ist, weiß ich nicht.«
Es wurden keine Fragen gestellt, und er erwartete auch keine. Seit drei Monaten flog er nun zusammen mit Foster und Wiffin. Sie gehörten zu denen, die überlebt hatten. Das vereinte sie. Viele Piloten der Royal Air Force waren im Krieg gefallen. Keiner von ihnen wußte, wie viele Freunde er verloren hatte. Sie empfanden keineswegs nur Erleichterung darüber, überlebt zu haben. Es war quälend, daran zu denken, daß ihnen das Leben vergönnt war, nach dem die Toten in der Erde riefen. Kurz vor zwei Uhr fuhr ein geschlossener Wagen vor. Foster und Wiffin befanden sich bereits an Bord der Maschine und waren mit den letzten Startvorbereitungen beschäftigt. Garbett stand unten auf der rissigen Betonrollbahn und wartete. Er runzelte die Stirn, als er sah, daß ihr Passagier ein Zivilist war. Der Mann, der aus dem Fond des Wagens stieg, war untersetzt. In seinem Mund steckte eine kalte Zigarre. Aus dem Kofferraum des Wagens holte er einen kleinen schwarzen Koffer. Gleichzeitig traf Major Perkins in seinem Jeep ein. Der Mann, der nach Deutschland fliegen sollte, hatte den Hut tief in die Stirn gezogen. Garbett konnte seine Augen nicht sehen. Auf diffuse Weise fühlte er sich unwohl. Als Major Perkins die beiden einander vorstellte, murmelte der Passagier seinen Namen.
Garbett verstand ihn nicht.
»Jetzt könnt ihr starten«, sagte Perkins.
»Sonst kein Gepäck?« fragte Garbett.
Der Mann schüttelte den Kopf.
»Es ist besser, während des Fluges nicht zu rauchen«, sagte Garbett. »Die Maschine ist alt, es könnte Lecks geben. Benzindämpfe bemerkt man meistens erst, wenn es zu spät ist.«
Der Mann antwortete nicht. Garbett half ihm an Bord. Im Innern der Maschine gab es drei unbequeme Stahlstühle, ansonsten war sie leer. Der Mann setzte sich und stellte den Koffer zwischen die Beine. Garbett fragte sich, was für Schätze er wohl nach Deutschland fliegen sollte.
Nach dem Abheben flog Garbett eine Linkskurve, bis er sich auf dem Kurs befand, den Wiffin ihm genannt hatte. Dann richtete er die Maschine auf, und als sie die ihnen angewiesene Flughöhe erreicht hatten, überließ er Foster den Steuerknüppel. Garbett wandte sich zu ihrem Passagier um. Der Mann hatte den Mantelkragen hochgeschlagen und den Hut noch tiefer in die Stirn gezogen.
Garbett fragte sich, ob er schlief. Aber irgend etwas sagte ihm, daß der Mann hellwach war.
Die Landung auf dem Flugplatz von Bückeburg verlief ohne Probleme, obwohl es dunkel und die Landebahn nur schwach beleuchtet war. Ein Wagen lotste die Maschine an den Rand eines langgestreckten Hangars. Dort warteten schon mehrere Militärfahrzeuge. Garbett half dem Passagier aus der Maschine. Aber als er sich nach dem Koffer bückte, schüttelte der Mann den Kopf und nahm ihn selbst. Dann setzte er sich in einen der Wagen, und die Kolonne fuhr sofort los. Wiffin und Foster waren inzwischen aus der Maschine geklettert und sahen die Rücklichter verschwinden. Es war kalt, und sie fröstelten.
»Man wird ja schon neugierig«, bemerkte Wiffin.
»Besser nicht«, erwiderte Garbett.
Dann zeigte er auf einen Jeep, der sich ihrer Maschine näherte.
»Wir sollen in einer Unterkunft schlafen«, sagte er. »Ich nehme an, das ist der Wagen, der uns holt.«
Nachdem ihnen ihre Schlafplätze zugeteilt worden waren und sie zu Abend gegessen hatten, schlugen einige Mechaniker vom Bodenpersonal vor, in einem der Wirtshäuser der Stadt, das den Krieg unbeschadet überstanden hatte, zusammen ein Bier zu trinken. Wiffin und Foster nahmen das Angebot an, aber Garbett war zu müde und blieb in der Unterkunft. Er legte sich hin, konnte aber nicht einschlafen. Er lag da und grübelte darüber nach, wer wohl ihr Passagier war. Was war in dem Koffer, den kein anderer berühren durfte?
Garbett murmelte in der Dunkelheit vor sich hin. Der Passagier hatte einen Geheimauftrag. Garbetts einzige Aufgabe war, ihn am nächsten Tag zurückzufliegen. Das war alles. Er schaute auf seine Armbanduhr. Es war schon Mitternacht. Er rückte sein Kissen zurecht, und als Wiffin und Foster gegen eins zurückkehrten, war er eingeschlafen.
Donald Davenport verließ das britische Gefängnis für deutsche Kriegsgefangene kurz nach dreiundzwanzig Uhr. Er war in einem Hotel untergebracht, das keine Kriegsschäden erlitten hatte und jetzt als Unterkunft für britische Offiziere diente, die in Hameln stationiert waren. Er merkte, daß er müde war. Er brauchte seinen Schlaf, wenn er seinen Auftrag am nächsten Tag fehlerfrei ausführen wollte. Er machte sich Sorgen wegen des britischen Sergeanten MacManaman, der zu seinem Assistenten ausersehen war. Davenport arbeitete nicht gern mit unerfahrenen Helfern. Vieles konnte falsch laufen. Besonders wenn der Auftrag so umfassend war wie der, der sie erwartete. Er lehnte eine letzte Tasse Tee ab und ging direkt in sein Zimmer. Dort setzte er sich an den Schreibtisch und sah die Notizen der Besprechung durch, die eine halbe Stunde nach seiner Ankunft begonnen hatte. Er fing mit dem maschinengeschriebenen Formular an, das er von einem jungen Major namens Stuckford bekommen hatte, der die Verantwortung für die ganze Aktion trug.
Er glättete das Papier, richtete die Schreibtischlampe aus und las die Namen. Kramer, Lehmann, Heider, Volkenrath, Grese . . .
Insgesamt waren es zwölf Namen. Drei Frauen und neun Männer. Er studierte die Angaben über ihr Gewicht und ihre Größe und machte sich Notizen. Es dauerte lange, weil sein Berufsstolz von ihm forderte, daß er höchste Genauigkeit walten ließ. Erst gegen halb zwei legte er den Stift zur Seite. Jetzt hatte er sich alles klargemacht. Er hatte seine Berechnungen durchgeführt und dreimal kontrolliert, daß er nichts übersehen hatte. Er stand auf, ging zum Bett und öffnete den Koffer. Obwohl er wußte, daß er nie etwas vergaß, kontrollierte er, ob alles an seinem Platz war. Er nahm ein sauberes Hemd heraus, schloß den Koffer und wusch sich dann mit dem kalten Wasser, das alles war, was das Hotel zu bieten hatte.
Er hatte nie Probleme einzuschlafen. Auch in dieser Nacht nicht.
Als um kurz nach fünf an seine Tür geklopft wurde, war er schon aufgestanden und fertig angezogen. Nach einem schnellen Frühstück fuhren sie durch die dunkle Ortschaft zum Gefängnis. Sergeant MacManaman war bereits da. Er war sehr blaß, und Davenport fragte sich, ob er wohl durchhalten würde. Aber Stuckford, der sich ihnen angeschlossen hatte und Davenports Besorgnis zu ahnen schien, nahm ihn beiseite und versicherte ihm, daß MacManaman zwar mitgenommen aussehe, aber bestimmt durchhalten würde.
Um elf Uhr waren alle Vorbereitungen abgeschlossen. Davenport hatte sich entschlossen, mit den Frauen anzufangen. Weil ihre Zellen in dem Korridor lagen, der dem Galgen am nächsten war, würden sie das Geräusch hören, das beim Öffnen der Falluke entstand. Das wollte er ihnen ersparen. Davenport kümmerte es nicht, welche Verbrechen die einzelnen Gefangenen begangen hatten. Es war lediglich seine eigene Anständigkeit, die von ihm verlangte, mit den Frauen zu beginnen. Alle, die der Hinrichtung beiwohnen sollten, hatten ihre Plätze eingenommen. Davenport nickte Stuckford zu, der sei- nerseits einer der Wachen ein Zeichen gab. Es waren einzelne Kommandoworte zu hören, Schlüssel rasselten, eine Zellentür wurde geöffnet, Davenport wartete.
Die erste, die kam, war Irma Grese. Einen kurzen Augenblick schlich sich ein Gefühl der Verwunderung in Davenports kühles Herz. Wie konnte diese magere blonde Zweiundzwanzigjährige im Konzentrationslager Bergen-Belsen Gefangene zu Tode gepeitscht haben? Sie war kaum mehr als ein Kind. Aber als ihr Todesurteil gefällt worden war, hatte niemand gezögert. Sie war ein Ungeheuer gewesen, und jetzt sollte sie sterben. Sie begegnete seinem Blick und sah dann zum Galgen auf. Die Wachen führten sie die Stufen hinauf. Davenport richtete ihre Beine so aus, daß sie genau über der Falluke waren. Während er ihr die Schlinge um den Hals legte, kontrollierte er gleichzeitig, daß MacManaman den Ledergürtel um ihre Beine richtig anzog. Als Davenport ihr die Kapuze über den Kopf zog, hörte er sie mit kaum vernehmbarer Stimme ein einziges Wort sagen.
»Schnell!«
MacManaman war einen Schritt zurückgetreten, und Davenport streckte sich nach dem Hebel, mit dem er die Falluke betätigte. Die Frau fiel senkrecht nach unten, und Davenport wußte, daß er die Länge des Seils richtig berechnet hatte. Lang genug, daß der Nackenwirbel brach, aber nicht so lang, daß der Kopf vom Körper getrennt wurde. Zusammen mit MacManaman ging er unter das Gestell, auf dem der Galgen stand, und machte den Körper los, nachdem der britische Militärarzt Irma Greses Tod festgestellt hatte. Die Leiche wurde fortgeschafft.
Davenport wußte, daß in der harten Erde des Gefängnishofes bereits Gräber ausgehoben waren. Er stieg wieder aufs Schafott und kontrollierte in seinen Papieren, welche Seillänge er der nächsten Frau zugedacht hatte. Als alles bereit war, nickte er Stuckford erneut zu, und kurz darauf stand Elisabeth Volkenrath mit auf den Rücken gebundenen Händen in der Tür. Sie war auf die gleiche Weise gekleidet wie Irma Grese. In ein graues Kleid, das ihr bis über die Knie reichte.
Drei Minuten später war auch sie tot. Die Hinrichtung aller Personen nahm zwei Stunden und sieben Minuten in Anspruch. Davenport hatte mit zwei Stunden und fünfzehn Minuten gerechnet. MacManaman hatte seine Aufgabe zufriedenstellend ausgeführt. Alles war nach Plan verlaufen. Zwölf deutsche Kriegsverbrecher waren hingerichtet worden.
Davenport packte das Seil und die Lederriemen in den schwarzen Koffer und verabschiedete sich von Sergeant Mac- Manaman. »Trinken Sie ein Glas Cognac«, sagte er. »Sie waren ein guter Assistent.« »Sie hatten es verdient«, erwiderte MacManaman kurz. »Ich brauche keinen Cognac.«
Davenport verließ das Gefängnis zusammen mit Major Stuckford. Er überlegte, ob es möglich wäre, schon früher als geplant nach England zurückzukehren. Er selbst hatte erst am Abend zurückfliegen wollen. Es hätte etwas Unvorhergesehenes eintreten können. Davenport war zwar Englands erfahrenster Henker, aber zwölf Hinrichtungen an einem Tag waren auch für ihn ungewöhnlich. Er entschied sich, den einmal gefaßten Plan nicht mehr zu ändern.
Stuckford nahm ihn mit in den Speisesaal des Hotels und bestellte Mittagessen. Sie saßen in einer abgetrennten Nische. Stuckford hatte eine Kriegsverletzung und zog das linke Bein nach. Davenport empfand Sympathie für ihn, vor allem, weil er keine unnötigen Fragen stellte. Es gab nichts, was Davenport so unangenehm berührte, als wenn Menschen ihn fragten, wie es gewesen sei, diesen oder jenen Verbrecher hinzurichten, der durch das, was die Zeitungen geschrieben hatten, bekanntgeworden war.
Sie aßen und wechselten nur ein paar allgemeine Phrasen über das Wetter und ob man in England vielleicht mit einer Extrazuteilung von Tee oder Tabak zum bevorstehenden Weihnachtsfest rechnen konnte.
Erst hinterher, als sie Tee tranken, kommentierte Stuckford das Geschehen vom Vormittag. »Eins stimmt mich bedenklich«, sagte er. »Daß die Menschen vergessen, daß es ebensogut umgekehrt hätte sein können.«
Davenport war sich nicht sicher, ob er verstanden hatte, was Stuckford eigentlich meinte, aber er brauchte nicht zu fragen. Stuckford erklärte es. »An Ihrer Stelle könnte auch ein deutscher Henker nach England fahren, um englische Kriegsverbrecher hinzurichten. Junge englische Mädchen, die in einem Konzentrationslager Menschen zu Tode gepeitscht hätten. Das Böse hätte uns ebensogut treffen können, wie es die Deutschen in Form von Hitler und dem Nationalsozialismus getroffen hat.«
Davenport sagte nichts. Er wartete auf die Fortsetzung. »Kein Volk ist von Natur aus böse. Diesmal waren die Nazis eben Deutsche. Aber niemand kann mir erzählen, daß das, was hierzulande geschehen ist, nicht ebensogut in England hätte geschehen können. Oder in Frankreich. Oder in den USA.«
»Ich verstehe Ihren Gedankengang«, erwiderte Davenport. »Aber ob Sie recht haben oder nicht, vermag ich nicht zu beurteilen. «
Stuckford füllte ihre Teller noch einmal auf. »Wir richten die schlimmsten Verbrecher hin«, sagte er dann. »Die größten Kriegsverbrecher. Aber wir wissen auch, daß viele von ihnen davonkommen werden. Wie zum Beispiel Josef Lehmanns Bruder.«
Lehmann war der letzte gewesen, den Davenport an diesem Vormittag gehenkt hatte. Ein kleiner Mann, der vollkommen ruhig, beinah abwesend, dem Tod entgegengesehen hatte. »Er hat einen äußerst brutalen Bruder«, fuhr Stuckford fort.
»Aber dem ist es gelungen, unterzutauchen. Vielleicht hat er es geschafft, sich einer der nationalsozialistischen Seilschaften zu bedienen. Er kann sich mittlerweile in Argentinien oder Südafrika aufhalten, und da bekommen wir ihn nie zu fassen.«
Sie schwiegen. Draußen regnete es.
»Waldemar Lehmann ist ein unfaßbar sadistischer Mensch«, nahm Stuckford den Faden wieder auf. »Er war nicht nur den Gefangenen gegenüber vollkommen unbarmherzig, er fand auch ein mörderisches Vergnügen daran, seine Untergebenen in der Kunst, Menschen zu quälen, zu unterrichten. Ihn sollten wir genauso hängen wie seinen Bruder. Aber wir haben ihn nicht gefunden. Noch nicht.«
Um fünf Uhr kehrte Davenport zum Flugplatz zurück. Obwohl er einen dicken Wintermantel trug, fror er. Der Pilot stand neben der Maschine und erwartete ihn. Davenport fragte sich, was er wohl dachte. Dann setzte er sich in der kalten Flugzeugkabine auf einen Stuhl und schlug den Mantelkragen hoch. Garbett ließ die Motoren an. Die Maschine hob ab und verschwand in den Wolken.
Davenport hatte seinen Auftrag ausgeführt. Es hatte keine Probleme gegeben. Er galt nicht umsonst als Englands geschicktester Henker. Das Flugzeug stampfte und krängte in den Luftlöchern. Davenport dachte an das, was Stuckford über diejenigen gesagt hatte, die davonkamen. Und er dachte an Lehmann, dem es ein Vergnügen gewesen war, Menschen in der Kunst zu unterweisen, anderen Menschen gegenüber immer grauenhaftere Arten von Brutalität anzuwenden. Davenport zog den Mantel enger um sich. Die Luftlöcher lagen jetzt hinter ihnen. Die Maschine war auf dem Weg zurück nach England. Es war ein guter Tag gewesen. Keiner der Gefangenen hatte sich gesträubt, als man sie zum Galgen führte. Kein Kopf war vom Rumpf getrennt worden. Davenport war zufrieden. Jetzt konnte er sich auf drei freie Tage freuen. Dann würde er in Manchester einen Mörder hinrichten. Er saß auf dem harten Stuhl und schlief ein, obwohl unmittelbar neben ihm die Motoren dröhnten. Mike Garbett fragte sich immer noch, wer wohl sein Passagier war.
Übersetzung: Wolfgang Butt
Lizenzausgabe mit Genehmigung des Paul Zsolnay Verlags
»Wir sollen nur einen einzigen Passagier rüberfliegen«, sagte Garbett. »Wer der Mann ist, weiß ich nicht.«
Es wurden keine Fragen gestellt, und er erwartete auch keine. Seit drei Monaten flog er nun zusammen mit Foster und Wiffin. Sie gehörten zu denen, die überlebt hatten. Das vereinte sie. Viele Piloten der Royal Air Force waren im Krieg gefallen. Keiner von ihnen wußte, wie viele Freunde er verloren hatte. Sie empfanden keineswegs nur Erleichterung darüber, überlebt zu haben. Es war quälend, daran zu denken, daß ihnen das Leben vergönnt war, nach dem die Toten in der Erde riefen. Kurz vor zwei Uhr fuhr ein geschlossener Wagen vor. Foster und Wiffin befanden sich bereits an Bord der Maschine und waren mit den letzten Startvorbereitungen beschäftigt. Garbett stand unten auf der rissigen Betonrollbahn und wartete. Er runzelte die Stirn, als er sah, daß ihr Passagier ein Zivilist war. Der Mann, der aus dem Fond des Wagens stieg, war untersetzt. In seinem Mund steckte eine kalte Zigarre. Aus dem Kofferraum des Wagens holte er einen kleinen schwarzen Koffer. Gleichzeitig traf Major Perkins in seinem Jeep ein. Der Mann, der nach Deutschland fliegen sollte, hatte den Hut tief in die Stirn gezogen. Garbett konnte seine Augen nicht sehen. Auf diffuse Weise fühlte er sich unwohl. Als Major Perkins die beiden einander vorstellte, murmelte der Passagier seinen Namen.
Garbett verstand ihn nicht.
»Jetzt könnt ihr starten«, sagte Perkins.
»Sonst kein Gepäck?« fragte Garbett.
Der Mann schüttelte den Kopf.
»Es ist besser, während des Fluges nicht zu rauchen«, sagte Garbett. »Die Maschine ist alt, es könnte Lecks geben. Benzindämpfe bemerkt man meistens erst, wenn es zu spät ist.«
Der Mann antwortete nicht. Garbett half ihm an Bord. Im Innern der Maschine gab es drei unbequeme Stahlstühle, ansonsten war sie leer. Der Mann setzte sich und stellte den Koffer zwischen die Beine. Garbett fragte sich, was für Schätze er wohl nach Deutschland fliegen sollte.
Nach dem Abheben flog Garbett eine Linkskurve, bis er sich auf dem Kurs befand, den Wiffin ihm genannt hatte. Dann richtete er die Maschine auf, und als sie die ihnen angewiesene Flughöhe erreicht hatten, überließ er Foster den Steuerknüppel. Garbett wandte sich zu ihrem Passagier um. Der Mann hatte den Mantelkragen hochgeschlagen und den Hut noch tiefer in die Stirn gezogen.
Garbett fragte sich, ob er schlief. Aber irgend etwas sagte ihm, daß der Mann hellwach war.
Die Landung auf dem Flugplatz von Bückeburg verlief ohne Probleme, obwohl es dunkel und die Landebahn nur schwach beleuchtet war. Ein Wagen lotste die Maschine an den Rand eines langgestreckten Hangars. Dort warteten schon mehrere Militärfahrzeuge. Garbett half dem Passagier aus der Maschine. Aber als er sich nach dem Koffer bückte, schüttelte der Mann den Kopf und nahm ihn selbst. Dann setzte er sich in einen der Wagen, und die Kolonne fuhr sofort los. Wiffin und Foster waren inzwischen aus der Maschine geklettert und sahen die Rücklichter verschwinden. Es war kalt, und sie fröstelten.
»Man wird ja schon neugierig«, bemerkte Wiffin.
»Besser nicht«, erwiderte Garbett.
Dann zeigte er auf einen Jeep, der sich ihrer Maschine näherte.
»Wir sollen in einer Unterkunft schlafen«, sagte er. »Ich nehme an, das ist der Wagen, der uns holt.«
Nachdem ihnen ihre Schlafplätze zugeteilt worden waren und sie zu Abend gegessen hatten, schlugen einige Mechaniker vom Bodenpersonal vor, in einem der Wirtshäuser der Stadt, das den Krieg unbeschadet überstanden hatte, zusammen ein Bier zu trinken. Wiffin und Foster nahmen das Angebot an, aber Garbett war zu müde und blieb in der Unterkunft. Er legte sich hin, konnte aber nicht einschlafen. Er lag da und grübelte darüber nach, wer wohl ihr Passagier war. Was war in dem Koffer, den kein anderer berühren durfte?
Garbett murmelte in der Dunkelheit vor sich hin. Der Passagier hatte einen Geheimauftrag. Garbetts einzige Aufgabe war, ihn am nächsten Tag zurückzufliegen. Das war alles. Er schaute auf seine Armbanduhr. Es war schon Mitternacht. Er rückte sein Kissen zurecht, und als Wiffin und Foster gegen eins zurückkehrten, war er eingeschlafen.
Donald Davenport verließ das britische Gefängnis für deutsche Kriegsgefangene kurz nach dreiundzwanzig Uhr. Er war in einem Hotel untergebracht, das keine Kriegsschäden erlitten hatte und jetzt als Unterkunft für britische Offiziere diente, die in Hameln stationiert waren. Er merkte, daß er müde war. Er brauchte seinen Schlaf, wenn er seinen Auftrag am nächsten Tag fehlerfrei ausführen wollte. Er machte sich Sorgen wegen des britischen Sergeanten MacManaman, der zu seinem Assistenten ausersehen war. Davenport arbeitete nicht gern mit unerfahrenen Helfern. Vieles konnte falsch laufen. Besonders wenn der Auftrag so umfassend war wie der, der sie erwartete. Er lehnte eine letzte Tasse Tee ab und ging direkt in sein Zimmer. Dort setzte er sich an den Schreibtisch und sah die Notizen der Besprechung durch, die eine halbe Stunde nach seiner Ankunft begonnen hatte. Er fing mit dem maschinengeschriebenen Formular an, das er von einem jungen Major namens Stuckford bekommen hatte, der die Verantwortung für die ganze Aktion trug.
Er glättete das Papier, richtete die Schreibtischlampe aus und las die Namen. Kramer, Lehmann, Heider, Volkenrath, Grese . . .
Insgesamt waren es zwölf Namen. Drei Frauen und neun Männer. Er studierte die Angaben über ihr Gewicht und ihre Größe und machte sich Notizen. Es dauerte lange, weil sein Berufsstolz von ihm forderte, daß er höchste Genauigkeit walten ließ. Erst gegen halb zwei legte er den Stift zur Seite. Jetzt hatte er sich alles klargemacht. Er hatte seine Berechnungen durchgeführt und dreimal kontrolliert, daß er nichts übersehen hatte. Er stand auf, ging zum Bett und öffnete den Koffer. Obwohl er wußte, daß er nie etwas vergaß, kontrollierte er, ob alles an seinem Platz war. Er nahm ein sauberes Hemd heraus, schloß den Koffer und wusch sich dann mit dem kalten Wasser, das alles war, was das Hotel zu bieten hatte.
Er hatte nie Probleme einzuschlafen. Auch in dieser Nacht nicht.
Als um kurz nach fünf an seine Tür geklopft wurde, war er schon aufgestanden und fertig angezogen. Nach einem schnellen Frühstück fuhren sie durch die dunkle Ortschaft zum Gefängnis. Sergeant MacManaman war bereits da. Er war sehr blaß, und Davenport fragte sich, ob er wohl durchhalten würde. Aber Stuckford, der sich ihnen angeschlossen hatte und Davenports Besorgnis zu ahnen schien, nahm ihn beiseite und versicherte ihm, daß MacManaman zwar mitgenommen aussehe, aber bestimmt durchhalten würde.
Um elf Uhr waren alle Vorbereitungen abgeschlossen. Davenport hatte sich entschlossen, mit den Frauen anzufangen. Weil ihre Zellen in dem Korridor lagen, der dem Galgen am nächsten war, würden sie das Geräusch hören, das beim Öffnen der Falluke entstand. Das wollte er ihnen ersparen. Davenport kümmerte es nicht, welche Verbrechen die einzelnen Gefangenen begangen hatten. Es war lediglich seine eigene Anständigkeit, die von ihm verlangte, mit den Frauen zu beginnen. Alle, die der Hinrichtung beiwohnen sollten, hatten ihre Plätze eingenommen. Davenport nickte Stuckford zu, der sei- nerseits einer der Wachen ein Zeichen gab. Es waren einzelne Kommandoworte zu hören, Schlüssel rasselten, eine Zellentür wurde geöffnet, Davenport wartete.
Die erste, die kam, war Irma Grese. Einen kurzen Augenblick schlich sich ein Gefühl der Verwunderung in Davenports kühles Herz. Wie konnte diese magere blonde Zweiundzwanzigjährige im Konzentrationslager Bergen-Belsen Gefangene zu Tode gepeitscht haben? Sie war kaum mehr als ein Kind. Aber als ihr Todesurteil gefällt worden war, hatte niemand gezögert. Sie war ein Ungeheuer gewesen, und jetzt sollte sie sterben. Sie begegnete seinem Blick und sah dann zum Galgen auf. Die Wachen führten sie die Stufen hinauf. Davenport richtete ihre Beine so aus, daß sie genau über der Falluke waren. Während er ihr die Schlinge um den Hals legte, kontrollierte er gleichzeitig, daß MacManaman den Ledergürtel um ihre Beine richtig anzog. Als Davenport ihr die Kapuze über den Kopf zog, hörte er sie mit kaum vernehmbarer Stimme ein einziges Wort sagen.
»Schnell!«
MacManaman war einen Schritt zurückgetreten, und Davenport streckte sich nach dem Hebel, mit dem er die Falluke betätigte. Die Frau fiel senkrecht nach unten, und Davenport wußte, daß er die Länge des Seils richtig berechnet hatte. Lang genug, daß der Nackenwirbel brach, aber nicht so lang, daß der Kopf vom Körper getrennt wurde. Zusammen mit MacManaman ging er unter das Gestell, auf dem der Galgen stand, und machte den Körper los, nachdem der britische Militärarzt Irma Greses Tod festgestellt hatte. Die Leiche wurde fortgeschafft.
Davenport wußte, daß in der harten Erde des Gefängnishofes bereits Gräber ausgehoben waren. Er stieg wieder aufs Schafott und kontrollierte in seinen Papieren, welche Seillänge er der nächsten Frau zugedacht hatte. Als alles bereit war, nickte er Stuckford erneut zu, und kurz darauf stand Elisabeth Volkenrath mit auf den Rücken gebundenen Händen in der Tür. Sie war auf die gleiche Weise gekleidet wie Irma Grese. In ein graues Kleid, das ihr bis über die Knie reichte.
Drei Minuten später war auch sie tot. Die Hinrichtung aller Personen nahm zwei Stunden und sieben Minuten in Anspruch. Davenport hatte mit zwei Stunden und fünfzehn Minuten gerechnet. MacManaman hatte seine Aufgabe zufriedenstellend ausgeführt. Alles war nach Plan verlaufen. Zwölf deutsche Kriegsverbrecher waren hingerichtet worden.
Davenport packte das Seil und die Lederriemen in den schwarzen Koffer und verabschiedete sich von Sergeant Mac- Manaman. »Trinken Sie ein Glas Cognac«, sagte er. »Sie waren ein guter Assistent.« »Sie hatten es verdient«, erwiderte MacManaman kurz. »Ich brauche keinen Cognac.«
Davenport verließ das Gefängnis zusammen mit Major Stuckford. Er überlegte, ob es möglich wäre, schon früher als geplant nach England zurückzukehren. Er selbst hatte erst am Abend zurückfliegen wollen. Es hätte etwas Unvorhergesehenes eintreten können. Davenport war zwar Englands erfahrenster Henker, aber zwölf Hinrichtungen an einem Tag waren auch für ihn ungewöhnlich. Er entschied sich, den einmal gefaßten Plan nicht mehr zu ändern.
Stuckford nahm ihn mit in den Speisesaal des Hotels und bestellte Mittagessen. Sie saßen in einer abgetrennten Nische. Stuckford hatte eine Kriegsverletzung und zog das linke Bein nach. Davenport empfand Sympathie für ihn, vor allem, weil er keine unnötigen Fragen stellte. Es gab nichts, was Davenport so unangenehm berührte, als wenn Menschen ihn fragten, wie es gewesen sei, diesen oder jenen Verbrecher hinzurichten, der durch das, was die Zeitungen geschrieben hatten, bekanntgeworden war.
Sie aßen und wechselten nur ein paar allgemeine Phrasen über das Wetter und ob man in England vielleicht mit einer Extrazuteilung von Tee oder Tabak zum bevorstehenden Weihnachtsfest rechnen konnte.
Erst hinterher, als sie Tee tranken, kommentierte Stuckford das Geschehen vom Vormittag. »Eins stimmt mich bedenklich«, sagte er. »Daß die Menschen vergessen, daß es ebensogut umgekehrt hätte sein können.«
Davenport war sich nicht sicher, ob er verstanden hatte, was Stuckford eigentlich meinte, aber er brauchte nicht zu fragen. Stuckford erklärte es. »An Ihrer Stelle könnte auch ein deutscher Henker nach England fahren, um englische Kriegsverbrecher hinzurichten. Junge englische Mädchen, die in einem Konzentrationslager Menschen zu Tode gepeitscht hätten. Das Böse hätte uns ebensogut treffen können, wie es die Deutschen in Form von Hitler und dem Nationalsozialismus getroffen hat.«
Davenport sagte nichts. Er wartete auf die Fortsetzung. »Kein Volk ist von Natur aus böse. Diesmal waren die Nazis eben Deutsche. Aber niemand kann mir erzählen, daß das, was hierzulande geschehen ist, nicht ebensogut in England hätte geschehen können. Oder in Frankreich. Oder in den USA.«
»Ich verstehe Ihren Gedankengang«, erwiderte Davenport. »Aber ob Sie recht haben oder nicht, vermag ich nicht zu beurteilen. «
Stuckford füllte ihre Teller noch einmal auf. »Wir richten die schlimmsten Verbrecher hin«, sagte er dann. »Die größten Kriegsverbrecher. Aber wir wissen auch, daß viele von ihnen davonkommen werden. Wie zum Beispiel Josef Lehmanns Bruder.«
Lehmann war der letzte gewesen, den Davenport an diesem Vormittag gehenkt hatte. Ein kleiner Mann, der vollkommen ruhig, beinah abwesend, dem Tod entgegengesehen hatte. »Er hat einen äußerst brutalen Bruder«, fuhr Stuckford fort.
»Aber dem ist es gelungen, unterzutauchen. Vielleicht hat er es geschafft, sich einer der nationalsozialistischen Seilschaften zu bedienen. Er kann sich mittlerweile in Argentinien oder Südafrika aufhalten, und da bekommen wir ihn nie zu fassen.«
Sie schwiegen. Draußen regnete es.
»Waldemar Lehmann ist ein unfaßbar sadistischer Mensch«, nahm Stuckford den Faden wieder auf. »Er war nicht nur den Gefangenen gegenüber vollkommen unbarmherzig, er fand auch ein mörderisches Vergnügen daran, seine Untergebenen in der Kunst, Menschen zu quälen, zu unterrichten. Ihn sollten wir genauso hängen wie seinen Bruder. Aber wir haben ihn nicht gefunden. Noch nicht.«
Um fünf Uhr kehrte Davenport zum Flugplatz zurück. Obwohl er einen dicken Wintermantel trug, fror er. Der Pilot stand neben der Maschine und erwartete ihn. Davenport fragte sich, was er wohl dachte. Dann setzte er sich in der kalten Flugzeugkabine auf einen Stuhl und schlug den Mantelkragen hoch. Garbett ließ die Motoren an. Die Maschine hob ab und verschwand in den Wolken.
Davenport hatte seinen Auftrag ausgeführt. Es hatte keine Probleme gegeben. Er galt nicht umsonst als Englands geschicktester Henker. Das Flugzeug stampfte und krängte in den Luftlöchern. Davenport dachte an das, was Stuckford über diejenigen gesagt hatte, die davonkamen. Und er dachte an Lehmann, dem es ein Vergnügen gewesen war, Menschen in der Kunst zu unterweisen, anderen Menschen gegenüber immer grauenhaftere Arten von Brutalität anzuwenden. Davenport zog den Mantel enger um sich. Die Luftlöcher lagen jetzt hinter ihnen. Die Maschine war auf dem Weg zurück nach England. Es war ein guter Tag gewesen. Keiner der Gefangenen hatte sich gesträubt, als man sie zum Galgen führte. Kein Kopf war vom Rumpf getrennt worden. Davenport war zufrieden. Jetzt konnte er sich auf drei freie Tage freuen. Dann würde er in Manchester einen Mörder hinrichten. Er saß auf dem harten Stuhl und schlief ein, obwohl unmittelbar neben ihm die Motoren dröhnten. Mike Garbett fragte sich immer noch, wer wohl sein Passagier war.
Übersetzung: Wolfgang Butt
Lizenzausgabe mit Genehmigung des Paul Zsolnay Verlags
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Autoren-Porträt von Henning Mankell
Henning Mankell, geboren 1948 in Härjedalen, war einer der großen schwedischen Gegenwartsautoren, von Lesern rund um die Welt geschätzt. Sein Werk wurde in über vierzig Sprachen übersetzt, es umfasst etwa vierzig Romane und zahlreiche Theaterstücke. Nicht nur sein Werk, sondern auch sein persönliches Engagement stand im Zeichen der Solidarität. Henning Mankell lebte abwechselnd in Schweden und Mosambik, wo er künstlerischer Leiter des Teatro Avenida in Maputo war. Er starb am 5. Oktober 2015 in Göteborg. Seine Taschenbücher erscheinen bei dtv.
Bibliographische Angaben
- Autor: Henning Mankell
- 2009, 6. Aufl., 508 Seiten, Maße: 12 x 19,1 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Butt, Wolfgang
- Übersetzer: Wolfgang Butt
- Verlag: DTV
- ISBN-10: 3423211717
- ISBN-13: 9783423211710
- Erscheinungsdatum: 01.09.2009
Rezension zu „Die Rückkehr des Tanzlehrers “
»Ein Musterbuch für funktionierende engagierte Krimiliteratur.« Elmar Krekeler, Die Welt
Kommentar zu "Die Rückkehr des Tanzlehrers"
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