Die Stunde der Glühwürmchen
Roman. Deutsche Erstausgabe
Eine spontane Entscheidung und eine Frau, die ihre Träume wahr macht ...
Ellen Kenny, 46 Jahre, Ex-Hippie, kann ihre Zunge schwer im Zaum halten. Der Grund, aus dem sie gerade gefeuert wurde. Entschlossen, das Beste aus der unverhofften freien Zeit...
Ellen Kenny, 46 Jahre, Ex-Hippie, kann ihre Zunge schwer im Zaum halten. Der Grund, aus dem sie gerade gefeuert wurde. Entschlossen, das Beste aus der unverhofften freien Zeit...
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Produktinformationen zu „Die Stunde der Glühwürmchen “
Eine spontane Entscheidung und eine Frau, die ihre Träume wahr macht ...
Ellen Kenny, 46 Jahre, Ex-Hippie, kann ihre Zunge schwer im Zaum halten. Der Grund, aus dem sie gerade gefeuert wurde. Entschlossen, das Beste aus der unverhofften freien Zeit zu machen, startet sie von New York nach Montreal, um ihre Schwester zu besuchen. In der Mitte von Nirgendwo erblickt sie das Farmhaus, von dem sie schon lange träumt, ein wenig heruntergekommen zwar - aber sie kauft es spontan mit ihrer Kreditkarte. Nicht jeder ist begeistert von dieser Entscheidung. Am wenigsten ihr Ehemann Tommy ...
Ellen Kenny, 46 Jahre, Ex-Hippie, kann ihre Zunge schwer im Zaum halten. Der Grund, aus dem sie gerade gefeuert wurde. Entschlossen, das Beste aus der unverhofften freien Zeit zu machen, startet sie von New York nach Montreal, um ihre Schwester zu besuchen. In der Mitte von Nirgendwo erblickt sie das Farmhaus, von dem sie schon lange träumt, ein wenig heruntergekommen zwar - aber sie kauft es spontan mit ihrer Kreditkarte. Nicht jeder ist begeistert von dieser Entscheidung. Am wenigsten ihr Ehemann Tommy ...
Klappentext zu „Die Stunde der Glühwürmchen “
Eine spontane Entscheidung und eine Frau, die ihre Träume wahr macht ...Ellen Kenny, 46 Jahre, Ex-Hippie, kann ihre Zunge schwer im Zaum halten. Der Grund, aus dem sie gerade gefeuert wurde. Entschlossen, das Beste aus der unverhofften freien Zeit zu machen, startet sie von New York nach Montreal, um ihre Schwester zu besuchen. In der Mitte von Nirgendwo erblickt sie das Farmhaus, von dem sie schon lange träumt, ein wenig heruntergekommen zwar - aber sie kauft es spontan mit ihrer Kreditkarte. Nicht jeder ist begeistert von dieser Entscheidung. Am wenigsten ihr Ehemann Tommy.
Eine spontane Entscheidung und eine Frau, die ihre Träume wahr macht ...
Ellen Kenny, 46 Jahre, Ex-Hippie, kann ihre Zunge schwer im Zaum halten. Der Grund, aus dem sie gerade gefeuert wurde. Entschlossen, das Beste aus der unverhofften freien Zeit zu machen, startet sie von New York nach Montreal, um ihre Schwester zu besuchen. In der Mitte von Nirgendwo erblickt sie das Farmhaus, von dem sie schon lange träumt, ein wenig heruntergekommen zwar - aber sie kauft es spontan mit ihrer Kreditkarte. Nicht jeder ist begeistert von dieser Entscheidung. Am wenigsten ihr Ehemann Tommy ...
Ellen Kenny, 46 Jahre, Ex-Hippie, kann ihre Zunge schwer im Zaum halten. Der Grund, aus dem sie gerade gefeuert wurde. Entschlossen, das Beste aus der unverhofften freien Zeit zu machen, startet sie von New York nach Montreal, um ihre Schwester zu besuchen. In der Mitte von Nirgendwo erblickt sie das Farmhaus, von dem sie schon lange träumt, ein wenig heruntergekommen zwar - aber sie kauft es spontan mit ihrer Kreditkarte. Nicht jeder ist begeistert von dieser Entscheidung. Am wenigsten ihr Ehemann Tommy ...
Lese-Probe zu „Die Stunde der Glühwürmchen “
Die Stunde der Glühwürmchen von Julie MarsAus dem Englischen von Holger Hanowell
1
Du hast was? Was hast du?« Tommys Stimme, die er
normalerweise nie erhob, war so laut, dass Ellen den Telefonhörer
des Münzfernsprechers so weit es ging von ihrem
Ohr entfernt hielt.
»Beruhige dich, Tommy«, sagte sie.
»Du rufst mich an und sagst, du hast mit deiner Optima-
Karte ein Haus gekauft, und dann erzählst du mir, ich
soll ruhig bleiben? Also ehrlich, Ellen, ich ...«
»Es war ein billiges Haus«, unterbrach sie ihn. »Du glaubst
gar nicht, wie preiswert Immobilien hier oben sind.«
»Ja, weil niemand, der einigermaßen bei Verstand ist,
dort lebt. Du bist übergeschnappt, Ellen. Gibt's da ein
Lan deskrankenhaus in der Nähe? Geh und lass dich sofort
einweisen. Nein, bleib, wo du bist. Ich rufe besser die
Staatspolizei, dass sie dich abholt.«
Ellen ließ für einige Sekunden Schweigen durch die Telefonleitung
rauschen, dann fragte sie: »Bist du fertig?«
... mehr
»Was ist bloß in dich gefahren?«, wollte Tommy wissen,
aber seiner Stimme fehlte bereits die Hitze. Ellen konnte
sich lebhaft vorstellen, dass er die Neuigkeiten bis zum
nächsten Nachmittag ausschlachten würde, was das Zeug
hielt. Sie sah ihn schon mit seinen Juristenkumpels von
der Pflichtverteidigung in einer Nische von Michael's Pub
sitzen. »Stellt euch vor, was meine Frau gemacht hat!«,
würde er sagen und dabei das Eis in seinem Whiskey-Gin-
ger Ale klirren lassen. »Sie haut also für eine Woche ab, um
ihre Schwester in Montreal zu besuchen, okay? Und bevor
sie dort überhaupt ankommt, kauft sie mit ihrer Kreditkarte
ein bescheuertes Haus.« Sie konnte fast hören, was
Bill Foster antworten würde: »Weiter so, Ellen!«, würde er
skandieren und die Faust recken, wie er es fünfundzwanzig
Jahre zuvor in der Black-Power-Bewegung getan hatte:
»Weiter so, Baby!« Sie schmunzelte. Die Vorstellung, dass
sie mit ihren sechsundvierzig Jahren noch in der Lage war,
etwas derart Empörendes zu tun, ging ihr unter die Haut,
und sie spürte, wie sie von einer warmen Welle der Selbstliebe
durchflutet wurde. »Oh, Tommy, es wird dir gefallen.
Es ist bloß ein bisschen heruntergekommen. Jahrelang hat
da niemand gewohnt, aber ich wollte doch immer schon
einen Biobauernhof haben, und ...«
»Hal-lo, Hal-lo«, bellte Tommy. »Entschuldigung, aber
könnten Sie mich bitte wieder mit meiner Frau verbinden?
Ellen Kenny?« Ellen hörte auf zu sprechen und trommelte
mit ihren Fingern auf die Metallablage im Telefonhäuschen.
»Entschuldige, Ellen«, fuhr er fort, »aber das ist
das erste Mal, dass ich von deinem lebenslangen Wunsch
höre, eine Biobäuerin zu sein. Das ist für mich der reinste
Schock.«
»Versteh doch, Tommy, es ist klar, dass wir jetzt nicht darüber
reden können. Ich rufe dich in ein paar Tagen wieder
an ... dann hast du etwas Zeit, dich damit anzufreunden.«
»Leg nicht auf, Ellen.« Seine Stimme klang wie eine Warnung.
»Gekauft ist gekauft. Bye, Tommy.«
»Leg nicht auf, Ellen.« Diesmal kam noch der Singsang-
Rhythmus seiner Stimme hinzu, der sie stets ärgerte.
»Ich rufe dich von Karen aus an. Ich liebe dich. Bye.«
Sie wollte auflegen. Durch den Hörer konnte sie gerade
noch »Ellen? Ellen! Ellen!« hören, bevor sie die Gabel
niederdrückte und es still wurde. Seufzend verließ sie das
Telefonhäuschen und blickte die Hauptstraße von Lamone
im Staat New York rauf und runter. Dies mochte mal eine
prosperierende Gegend gewesen sein, damals in den
1890ern, als die meisten der Gebäude errichtet worden
waren, aber nun waren viele halb abgebrannt, mit Brettern
verschlagen und standen leer. In einiger Entfernung
entdeckte sie ein flaches, fast zwei Meter hohes Eishörnchen
aus Holz und ging darauf zu, weil sie sich dort einen
Kaffee erhoffte. Der Tag war bisher so verrückt gewesen,
dass sie einen Kaffee brauchte.
Ellen spähte durch die Tür der Eisdiele, aber die piependen,
schwirrenden und mit lauten Roboterstimmen
sprechenden Videospiele im Innern stießen sie ab. Ernüchtert
ging sie zurück zu Newberry, wo ein riesiges Schild,
auf dem in leuchtendem Neonorange »Räumungsverkauf«
stand, über das Schaufenster geklebt war. Sie öffnete die
Tür und schob sich am Tresen auf einen der kunstledernen
Hocker, so weit wie möglich von dem einzigen anderen
Gast entfernt. Ein Raucher, der Speck mit Eiern aß.
»Nur einen Kaffee«, sagte sie zu der Kellnerin.
»Normal?«
»Mit Süßstoff und Sahne«, erwiderte sie. Schon bald
stand die Tasse vor ihr. Dankbar nippte Ellen daran. Tommy
nannte das ihren »Koffeinschuss mit weißem Tod und fetten
Kalorien«. Beim Gedanken an ihren Mann musste sie
lächeln. Sie waren seit siebzehn Jahren verheiratet. Ihre Ehe
war in der Zeit zweimal beinahe zerbrochen, aber sie hatten
es beide Male - gemeinsam - geschafft, aus den Trümmern
zu taumeln. Als Realistin schätzte Ellen ihre Beziehung als
durchschnittlich bis überdurchschnittlich ein, zumindest
für Leute, die schon so lange verheiratet waren. Nicht großartig,
falls es das überhaupt gab, aber weitaus besser als der
trübe Ehesumpf, in dem viele Paare steckten. Sie mochte
Tommy, und Tommy mochte sie. Sie waren immer noch
froh zusammen zu sein, und auch wenn Sex bei ihnen zu
einem außergewöhnlichen Ereignis geworden war, nahmen
sie diesen Verlust relativ gelassen und schoben es auf ihr
mittleres Alter.
Aber plötzlich durchzuckte es Ellen. Was würde sein,
wenn ihre Aktion, die sie eigentlich für eine nette Idee
hielt, nach hinten losging und Tommy die Nase voll hatte
und sich scheiden ließ? Eines wusste sie ganz sicher: In
einer Ehe konnte alles der berühmte letzte Tropfen sein.
Und falls tatsächlich alles zusammenbrach: Würde sie in
ihrem Alter wirklich als Biobäuerin glücklich werden? In
einem heruntergekommenen Cottage, in einer Bruchbude
am Hang einer Stadt in den Bergen, die im ganzen North
Country berühmt war für ihre arktischen Wintertemperaturen
und einen übermäßig hohen Bevölkerungsanteil
an Mücken im Sommer? Sie fühlte eine Blase von Hysterie
in sich aufsteigen, bestellte noch einen Kaffee, und
nur durch reine Willensanstrengung gelang es ihr, ihren
Tunnelblick wiederherzustellen. Sie konnte es sich nicht
erlauben, sich durch solche nebensächlichen Ängste und
Zweifel von ihrem bescheidenen Ziel abbringen zu lassen,
einfach sie selbst zu sein. Für eine Frau ihres Alters
und ihrer Erfahrung klang das nach nicht besonders viel,
aber das war es, und sie war fest entschlossen, auf dieses
Ziel hinzuarbeiten. Mit einem Plastiklöffel rührte sie derartig
heftig in ihrem Kaffee, dass sich in der Mitte ein Strudel
bildete. Wie hypnotisiert starrte Ellen hinein. Ihre Gedanken
schweiften zurück in die späten Sechziger, als sie
in Somerville, Massachusetts, lebte, in einem Haus, das
von so vielen Blumenkindern bewohnt wurde, dass ihr
Anteil an der Miete lediglich zwanzig Dollar betrug. Damals
war sie Soziologiestudentin an der Tufts University,
aber die Anzahl ihrer Kommilitonen wurde immer gerin-
ger, je mehr die außeruniversitären Aktivitäten zunahmen.
Dazu zählte, dass man mit einer aufblasbaren Insel auf
dem Walden Pond dahintrieb und Romane von Colette
oder Henry Miller las oder in einem Keller-Jazzclub mitten
in Boston kellnerte.
Eines Nachts stand sie an der Massachusetts Avenue, um
über den Fluss nach Cambridge zu trampen. Ein verbeulter
62er Plymouth Valiant hielt an, und sie stieg ein. Es stank
nach Haschisch und Bier.
»Wohin?«, fragte der Fahrer.
»North Cambridge. Porter Square«, antwortete Ellen. Von
da aus war es zu Fuß nicht weit bis zu ihrem Haus.
»Liegt genau auf meinem Weg«, sagte er und fuhr los.
Ellen stützte sich am Armaturenbrett ab, denn ganz offensichtlich
war der Fahrer, ein langhaariger Hippie mit
Lederweste und ohne Hemd, total bekifft. Aber damals
sahen alle bekifft aus, und gleichzeitig waren sie irgendwie
gegen Unfälle immun. Er starrte wie versteinert auf
die Lichter des Central Square, verwarf hoch konzentriert
die Abzweige und Tunnel des Harvard Square und heulte
auf vor Freude darüber, dass aus der Wee Bit O'Gloucester
Bar im ersten Obergeschoss des Quality Motor Inn plötzlich
die I Did It My Way Lounge geworden war. Er bestand
darauf, sie bis zur Haustür zu fahren, doch als er die Massachusetts
Avenue verließ und in die labyrinthartigen Straßen
von Somerville einbog, schien er die Kontrolle zu
verlieren. Er schlenkerte nach rechts und schrammte an
einem parkenden Auto entlang.
»Scheiße«, fluchte er leise, während Ellen laut aufschrie.
Er starrte nun so gebannt durch die Windschutzscheibe,
als führen sie mitten durch einen Schneesturm anstatt
durch eine klare Sommernacht. Dann machte er eine zu
große Linkskurve in die Lowell Street und rammte ein
Auto auf der anderen Seite des Blocks.
»Scheiße«, fluchte er wieder leise und fuhr langsam den
Hügel hinauf. Ellen stieg auf halbem Weg aus, geradezu
schwindelig vor Freude, wieder sicher zu Hause zu sein.
Sie blickte ihm noch hinterher, wie er links in die Highland
Avenue einbog und verschwand.
Aus irgendeinem Grund fühlte sie sich durch die Erinnerung
an diesen Fahrer inspiriert: wie er immer nur geradeaus
gestarrt hatte und wie das Chaos, das er anrichtete,
hinter ihm ins Nichts verschwand. Diese Erinnerung
wurde für sie zu einer geheimen und privaten Quelle innerer
Stärke. Und irgendwie, das fühlte sie, war der Kauf
des Cottage Teil ihrer Strategie, die Augen auf ihr Ziel gerichtet
zu halten und ganz sie selbst zu sein, egal, wie sehr
Tommy maulte oder wie ängstlich sie sich plötzlich am
Tresen von Newberry fühlte. Das musste wohl so sein.
Das war es, woran sie glauben musste.
2
Aber wie war es dazu gekommen?
Ellen holte einen Stift aus ihrer Tasche, um ihren Tag
Revue passieren zu lassen. Ordnung ins Chaos zu bringen
war ihre liebste Freizeitbeschäftigung, und sie riss eine
Papierserviette aus einem übervollen Spender und schrieb
darauf in Großbuchstaben Erster Schritt. Während sie
nachdachte, wärmte sie ihre Hände an der Kaffeetasse.
Erster Schritt: Sie hatte Tommy am Frühstückstisch
zum Abschied geküsst, war in die East Eleventh Street gelaufen,
um ihren Honda zu holen (den sie immer wieder
woanders abstellten, um nicht falsch zu parken), und
hatte dann die Stadt verlassen, um ihrer jüngeren Schwes-
ter Karen, die ein Café in der Rue Saint-Paul in der Altstadt
von Montreal führte, den üblichen halbjährlichen Besuch
abzustatten.
Zweiter Schritt: Fünf Stunden und zweihundertfünfzig
Meilen später war sie spontan auf einen Rastplatz gefahren,
um auf die Straßenkarte zu sehen. Es gab einen geraden
Weg nach Montreal über die Route 87, aber dieser
Tag mitten im Mai erstrahlte unter einem unvergleichlich
blauen Himmel: Die Bäume waren voller Knospen, und
sie verspürte plötzlich das Bedürfnis, langsamer zu werden
und durch die Städtchen der Adirondack-Berge zu mäandern,
um zu sehen, wie die Wäsche draußen auf den Leinen
hing und die Kinder mit ihren Bobby-Cars durch die
Gegend kurvten. Mit dem Finger verfolgte sie eine Route,
die sie durch Keene Valley, Lake Placid, Saranac Lake,
Lamone und Trout River führen würde, dann über die
Grenze nach Quebec hinüber, durch Huntingdon, Ormstown,
Mercier und Chateaugay nach Montreal. Sie faltete
die Karte wieder zusammen und legte sie auf den Beifahrersitz.
An der Ausfahrt 30 setzte sie den Blinker rechts und
verließ die Autobahn.
Dritter Schritt: Völlig euphorisiert, was vermutlich am
Frühling lag, schlängelte sie sich die Serpentinen rauf
und runter, vorbei an Flüssen, die noch stark angeschwollen
waren vom Schmelzwasser, und Wäldern, die so dicht
waren, dass kaum ein Sonnenstrahl hindurchdrang. Sie
drehte das Autoradio auf, wählte einen Oldie-Sender und
sang lauthals mit. Sie kannte den Text von sämtlichen Liedern,
selbst den von »Alvin's Harmonica« von Alvin and
the Chipmunks, doch als die ersten Akkorde von Smokey
Robinsons »I Second That Emotion« erklangen, rief sie:
»Ja! Ja! Mein Lieblingslied!«
Die präzisen Tanzschritte der Miracles kamen ihr in den
Sinn, die Art und Weise, wie sie perfekt aufeinander abge-
stimmt in dieselbe Richtung schlenderten oder sich gleichzeitig
drehten. Dazu trugen sie hochgeschnittene Hosen
und Schuhe mit hohen Absätzen. Als sie daran dachte,
merkte sie, dass sie nichts sehnlicher wünschte, als ihre
eigenen Beine auszustrecken und ein wenig herumzutänzeln,
weshalb sie einen Parkplatz an der Hauptstraße von
Lamone ansteuerte, der zufällig in der Nähe von LaFleurs
Immobilienmakler lag. Das Büro befand sich in einem alten
Backsteingebäude direkt neben dem Fluss, der mitten
durch den Ort ging. Pittoresk, dachte Ellen, als sie auf die
Stromschnellen tief unter sich blickte. Und so friedlich.
Vierter Schritt: Ellen war neugierig geworden und blieb
vor dem Schaufenster von LaFleurs stehen, um sich die
Polaroidfotos anzusehen. Die Preise - große, alte Häuser
mit Grundstücken für dreißigtausend Dollar oder weniger
- waren verblüffend niedrig. Sie hatte in den Achtzigern
in New York gelebt, als wahre Bruchbuden für sechsstellige
Summen verkauft wurden. Dahingegen schienen
die Preise hier aus einer längst vergangenen und vergessenen
Zeit zu stammen. Am rechten Schaufensterrand bemerkte
Ellen das verschwommene Foto eines kleinen Bauernhauses.
Es war leuchtend rot umrahmt und befand sich
unterhalb eines Schildes mit der Aufschrift »Schnäppchen!!
Renovierungsbedürftig! Für Heimwerker!« Aufgeregt
ging sie so nah wie möglich heran. Seit zehn Jahren
hatte sie einen immer wiederkehrenden Traum, in dem sie
einem engen, verwilderten Feldweg bis zu einer Lichtung
folgte, auf der genau dieses Cottage stand. Zu seiner Blütezeit
mochte es reizvoll gewesen sein, aber in ihrem Traum
und auf dem Foto sah es eher danach aus, als wolle es sich
für immer zu dem wuchernden Unkraut gesellen. In ihrem
Traum ging sie weder in das Haus hinein, noch betrat sie
jemals die brüchige Veranda.
»Du hast eben ein Faible für verlassene Häuser«, hatte
Tommy gesagt, als sie ihm zum ersten Mal von ihrem Traum erzählte.
»So, habe ich das?«, fragte sie verwirrt.
»Ja, jedes Mal wenn wir auf der Schnellstraße sind und
an der Ausfahrt Suffern vorbeikommen, zitierst du das Gedicht
von Joyce Kilmer ›Wann immer ich nach Suffern
laufe, entlang den alten Indianerpfaden‹.«
»So, tue ich das?«, fragte sie wieder. »Jedes Mal?« Sie
liebte dieses Gedicht nun mal, hatte es schon immer geliebt,
seit sie es mit sieben oder acht Jahren freiwillig auswendig
gelernt hatte.
Geh ich am armen, alten Bauernhaus vorbei, rezitierte sie
in Gedanken weiter, mit seinem kaputten, schwarzen Dach ...
Zwar hab ich's hundertmal gesehn, dennoch halt ich stets ...
und schaue auf das Haus, das tragische Haus, in dem niemand
mehr lebt. Die sieben Verse hatten sich in ihr Langzeitgedächtnis
eingebrannt.
»Haben Sie etwas gesehen, das Ihnen gefällt? Mein Name
ist Roger LaFleur.« Er hatte lange Beine, weißes Haar und
trug einen Bart wie die Amischen. Geistesabwesend zeigte
Ellen auf das Bild im Fenster.
»Das?«, fragte er. »Das ist oben in Eagle Beak. Haus
plus fünf Hektar Land für elftausendfünfhundert. Mehr
nehmen sie nicht.« Er machte eine Pause, und als Ellen
lächelte, fügte er hinzu: »Schöner Tag heute. Möchten Sie
schnell mal hinfahren?« Ellen sah auf ihre Uhr. Zwanzig
nach drei. Sie war nur fünfundsechzig Meilen von Montreal
entfernt. Warum also nicht? Sie würde eine Stunde
rumkriegen und noch den Berufsverkehr umgehen.
Während der zehn Meilen, die es den Berg hinaufging,
erläuterte Roger, was es mit den jeweiligen Verkaufsschildern
auf sich hatte. »Das da? Die Kinder sind erwachsen,
und das Haus wurde zu groß. Und das? Der Besitzer ist im
Altenheim.« Ellen nickte freundlich, aber insgeheim fühlte
sie sich schwindelig, so als habe man sie hoch in die Luft
gehoben, und der obere Teil ihres Magens, gerade unter
den Rippen, zitterte.
Fünfter Schritt: Roger bog in die Zufahrt ein. Ellen sah,
dass die Farbe am Haus abblätterte und die Gardinen hinter
den welligen Fensterscheiben schier zerbröselten. Ihr
wurde ziemlich übel. »Achten Sie auf die Stufen«, mahnte
Roger, während er mit geübten Fingern den Schlüsselbund
durchging. Aber Ellen machte sich keine Gedanken darüber,
dass sie durch die verrotteten hölzernen Planken brechen
oder sich den Fuß verstauchen könnte. Sie ging so
sicher, als würde sie den Ort bereits genau kennen.
»Wie lange hat es zum Verkauf gestanden?«, fragte sie
und folgte Roger ins Haus.
»Seit Viola de Beer gestorben ist«, antwortete Roger. »Das
müsste 1988 gewesen sein.«
Sieben Jahre also, dachte Ellen und subtrahierte im Kopf
dreißig Prozent vom verlangten Preis. Sie drehte eine
flüch tige Runde durch die drei kleinen Räume im Erdgeschoss
und die beiden Schlafzimmer unterm Dach. Das
Ganze dauerte nicht länger als zehn Minuten. »Es ist alles
mit drin, sogar die Trockentücher und das Silberbesteck.
Alles, was Sie noch benötigen, ist ein feiner Kamm«, bemerkte
Roger hinter ihrem Rücken, als sie das Haus verließen
und über die Veranda gingen. Ellen hörte kaum hin.
»Sicher, es ist ein bisschen heruntergekommen«, gab er
etwas kleinmütig zu, während sie in sein Auto stiegen. Ellen
schwieg. Abgesehen von seiner Stimme war es herrlich
ruhig hier oben auf dem Berg. Roger bog in den nicht
gepflasterten Landwirtschaftsweg ein. »Außerdem gibt's
noch einen Brunnen, und die Kerosinbrenner halten es im
Winter hübsch warm.« Danach schien ihm die Puste auszugehen.
Auf dem Weg nach unten hielt Ellen freundlicherweise
die Konversation aufrecht. Und dann, als Roger
schließlich in die Stadt hineinfuhr, bat sie ihn, an der Key
Bank zu halten. Er blickte sie kurz an, seine weißen Augenbrauen
hoben und senkten sich wie die oberen Bögen von
Fragezeichen, aber er sagte nichts außer: »Kein Problem.«
Sechster Schritt: Ellen marschierte hinein und holte
beide Kreditkarten, die Optima und MasterCard, aus einem
Seitenfach ihrer Brieftasche. Sie hatte eine ganze
Reihe von Kreditkarten angesammelt, die ein großes Überziehungspotenzial
aufwiesen. Tommy lachte immer, wenn
sie wieder einmal ein »Ja« auf einem Kreditkartenantrag
ankreuzte, der im Briefkasten lag und Kredit ohne Bedingungen
versprach, und wie sie dann den Rückumschlag
schnell zuklebte und postwendend zurücksandte. In seinen
Augen war das verrückt, denn eigentlich lebte sie bescheiden.
Nie gab sie Geld für sich selbst aus, und ständig
hielt sie eine ausufernde Predigt, die Tommy »Wie Amerika
wegen der Kreditkarten zusammenbrach, von Ellen
Kenny« genannt hatte. Doch sie fand nun mal Gefallen
an der Möglichkeit, schnell an Geld heranzukommen. Als
sie nun in einer Reihe hinter einem Bauern in kniehohen
Gummistiefeln stand, der nach Kuhdung roch, berauschte
sie sich an der Vorstellung, dieses Geld tatsächlich einmal
in Anspruch zu nehmen. Sie kam sich wie ein Turmspringer
vor, der am Ende des Bretts auf und ab federt. Entschlossen
ging sie bis zur Kasse vor und sagte: »Ich möchte
eine Auszahlung.« Dann schob sie ihre Optima-Karte mit
einem Limit in Höhe von zehntausend Dollar unter dem
dicken Glas hindurch. »Achttausendfünfhundert bitte!«
Der Kassierer benötigte nicht einmal die Zustimmung des Filialleiters.
Siebter Schritt: Sie stopfte das Bündel Geldscheine in
ihre Brieftasche und setzte sich wieder zu Roger ins Auto.
Er fuhr zwei Blöcke weiter und parkte auf dem kleinen
Stellplatz neben seinem Büro. Selbstzufrieden betrachtete
sie ihn von der Seite. Ob er wohl etwas ahnte? Ob er frisches
Geld riechen konnte?
»So«, sagte er, als sie am Schaufenster angekommen waren,
»kann ich Ihnen noch etwas anderes zeigen?«
»Lassen Sie uns erst hineingehen«, erwiderte sie und
ging ihm voraus in sein staubiges Büro. Sie ließ sich in einen
Drehsessel fallen. »Achttausendfünfhundert Dollar in
bar. Entweder oder.«
»Was?«, stotterte Roger. »Soll das ein Angebot sein?«
»Genau das.«
»Nun, Donnerwetter, lassen Sie mich erst mal telefonieren.
« Er blätterte durch einen prall gefüllten Rolodex
und gluckste verhalten. »Hoffentlich ist Violas Taugenichts
von Sohn zu Hause. Müsste er eigentlich. Rodney hat noch
nie in seinem Leben gearbeitet. Könnte sein, dass er bewusstlos
in einem Graben liegt oder sich gerade in einer
Ausnüchterungszelle befindet.« Er riss eine alte Visitenkarte
heraus und hielt sie wie eine Trophäe hoch: »Hier ist sie!«
Ellen ließ sich in den Sessel zurückfallen. Sie fühlte sich
plötzlich entspannt, so als befände sie sich bereits auf der
vom Wetter arg mitgenommenen Veranda und lauschte
dem Summen der Kolibris, die sich über die Fliederbüsche
hermachten. Verträumt schloss sie die Augen, ihr Kinn
sackte nach unten, aber als Roger den Telefonhörer auf die
Gabel knallte und »Er macht's!« rief, da erwachte sie ruckartig.
»Lassen Sie mich schnell noch einen Kaufvertrag heraussuchen«,
sagte er und kramte in seinem Schreibtisch herum.
Dann, ohne Vorwarnung, zog er aus der untersten
Schublade eine Kamera und drückte auf den Ausleser. »Ich
mag diese Schnappschüsse«, erklärte er und zog das Polaroidbild
heraus, »damit Sie immer wissen, wie Sie ausge-
sehen haben, als Sie das Cottage gekauft haben. War nicht
ernst gemeint, ist bloß ein Maklerwitz.«
Während Roger sich um den Papierkram kümmerte,
wartete sie darauf, dass ihr Bild allmählich auftauchte. Als
es erschien, konnte sie nicht anders und musste laut auflachen.
»O Gott, Ellen«, rief Roger. Er schaute über ihre
Schulter. Ihren Vornamen hatte er soeben von ihrem Führerschein
abgeschrieben. »Sie sehen aus, als hätte man Ihnen
einen Holzprügel über den Kopf gehauen!«
Er hatte recht. Sie legte das Bündel Geldscheine auf den
Tisch und schob es zu ihm hinüber. Er lächelte so süffisant,
dass sie sich an die berühmten Worte von P. T. Barnum
erinnert fühlte: »Keine Minute, in der nicht ein Leichtgläubiger
geboren wird.« Sie musste heftig schlucken.
Dies brachte sie zum Achten Schritt: es Tommy erzählen.
Das war relativ schmerzlos über die Bühne gegangen,
aber sie war davon überzeugt, dass sie bei Karen mindestens
drei wütende Nachrichten von ihm zu erwarten hatte.
Sie schob die halb ausgetrunkene dritte Tasse Kaffee
beiseite, hob ihre Brieftasche auf und blickte noch einmal
heimlich auf das Foto, das Roger zusammen mit der Quittung
über den Kaufpreis an das Verkaufsangebot geheftet
hatte. Er hatte ihr den Namen eines örtlichen Notars gegeben,
den sie von seinem Büro aus angerufen hatte. Der
Notar bekam die Nummer ihrer MasterCard für die Anzahlung
seiner Gebühr. Weil es sich um eine Barzahlung
gehandelt habe, sei der Rest in einem Monat fällig, spätestens.
»Schön, schön«, sagte sie und legte auf.
»Nun«, sagte sie in Rogers Richtung.
»Nun, willkommen im North Country«, antwortete er
und reichte ihr die Hand. Sie schüttelte sie und fühlte sich
dabei, als habe sie ein Diplom bekommen, ohne es verdient
zu haben.
3
Karen hatte sie gebeten, im Duty-free-Shop zwei Stangen
Craven-A-Zigaretten und Jack Daniels zu kaufen. Sie ließ
die Einkäufe vorne im Wagen liegen und fuhr zum kanadischen
Zoll. »Bonjour«, sagte der Zollbeamte, der wie ein
Baby in Uniform aussah. »Ihr Wohnort?«
»Eagle Beak«, antwortete sie ohne zu zögern.
»Was ist der Grund Ihres Aufenthaltes in Kanada?«
»Ich fahre nach Montreal, um meine Schwester zu besuchen.«
»Okay, fahren Sie weiter.«
Ellen drückte aufs Gaspedal. »Eagle Beak?«, wiederholte
sie erstaunt. »Warum habe ich das gesagt?« Doch es kam
ihr so natürlich vor, als wären die zwei Jahrzehnte in New
York einfach verschwunden. Nichts ändert sich so schnell,
überlegte sie, aber dann bemerkte sie, dass die Straßenschilder
in Französisch geschrieben und die Geschwindigkeitsbegrenzungen
in Kilometern pro Stunde angegeben
waren. Sie blickte in den Rückspiegel. Da war Amerika,
siebzig Meter hinter ihr, zusammen mit einem Schild für
Hot Dogs und einem Wahlplakat an einem Telefonmast,
auf dem WÄHLT JIM JACKSON ZUM SHERIFF stand. Sie zuckte die
Schultern. Wer wusste schon, wie schnell sich alles ändern
konnte? Oder warum oder wann, oder ob es nicht völlig egal war?
Die Straße nach Montreal verlief parallel zu einem Fluss,
der sich durch grünes Ackerland und kleine Orte mit den
Namen von Heiligen schlängelte. Ellen war glücklich, dass
sie die ausgetretenen Pfade verlassen und die wirkliche
Welt gefunden hatte. Dennoch machte ihr einiges daran
Angst, zum Beispiel der blutende Jesus Christus, den sie
in einem Vorgarten in einem Sarkophag aus Plexiglas entdeckte,
und die zornigen Plakatwände, die übersät waren
mit Bildern von Skalps und Tomahawks und auf denen
gegen die Polizeipräsenz im Kahnawake-Indianerreservat
protestiert wurde. Und als sich ihr Honda die Auffahrt zur
Mercier-Autobahnbrücke hocharbeitete, schien der St.-Lorenz-
Strom unter ihr schwarz vor Wut darüber, dass man
ihn für den Transport von Gütern gezähmt hatte.
Ellen war immer noch freudig erregt. Sie wechselte auf
die Spur Richtung Stadtmitte und steuerte einen Tunnel
an, der sie nur einen Steinwurf von Karens Café entfernt
wieder ausspucken würde. Ihre Schwester war dreizehn
Jahre jünger als sie und dazu eine natürliche Schönheit,
die das Fläschchen ihres Babys im Gürtel ihres Stretch-
Mini rocks stecken hatte. Ihr Sohn Olivier war gerade achtzehn
Monate alt geworden. Ellen hatte für ihn Kinderkleidung
besorgt, dazu zwei pädagogisch wertvolle Spiele, die
die Auge-Hand-Koordination stärkten, sowie eine gelbe
Stoffente. Für Karen brachte sie eine Flasche voll orangefarbener
Badekugeln mit Lavendelblüten mit, ein Fotoalbum
vom Metropolitan Museum of Art und einen Angora pulli,
den sie aus einer Laune heraus gekauft hatte, nachdem sie
mit Tommy aus dem brüllend komischen Film Ed Wood
gekommen war.
Ellen liebte es, wenn Karen hinter dem Tresen ihres
Cafés stand, Milch für Cappuccinos aufschäumte und mit
ihren Gästen auf Französisch schäkerte. Sie liebte ihr blondes
Haar, das sie auf klassische Weise, aber sexy, nach oben
gesteckt trug. Sie mochte auch Karens Geschäftspartnerin,
Regine-Marie, Schlagzeugerin einer Blues Band, die man
sechs Monate im Voraus buchen musste. Sie bewunderte
einfach alles, wenn sie in Montreal zu Besuch war, nicht
zuletzt, dass man immer einen Parkplatz in der Straße be-
kam, meist nicht weiter als einen halben Block vom Café
L'Alibi entfernt. Sie hüpfte aus dem Auto, ging zum Café,
trat ein und wurde zunächst von der Dunkelheit überwältigt.
»Ellen!«, rief Karen und kam sofort hinter der Espresso-
Maschine hervorgeschossen. »Ellen!« Ellen rechnete bereits
mit Karens französischer Begrüßung - zweimal vor
und zurück, vier kleine Wangenküsschen - und schaffte
es, die richtige Choreografie einzuhalten. Als es endlich
vorbei war, schnappte sie sich ihre kleine Schwester und
umarmte sie kräftig. Karen fühlte sich so zerbrechlich an,
nichts als zarte Knochen und ein Hauch von ihrem Lieblingsparfüm:
ein Eau de Cologne, das sich »Rain« nannte
und tatsächlich nach Regen duftete.
»Du siehst großartig aus!«, sagte Karen und trat einen
Schritt zurück. »Ich freue mich so, dich zu sehen.«
Ellen lächelte. Sie wusste, dass sie in den Augen ihrer
Schwester großartig aussah. Vermutlich verspürte sie aus
diesem Grund die wärmsten Gefühle für Karen. Wie von
einer eigenen Schutzhülle umgeben war sie durch die
Achtziger gesegelt, in denen ansonsten alles den Bach runterging,
ohne dass sie für ihre Schwester an Wert verloren
hatte. Karen und ihr Lebensstil - lange Nächte, Wunschkind,
Wohnen im schicken Apartment - versetzten Ellen
jedes Mal zurück in die Sechziger nach Somerville, in eine
Zeit, als die »Schönheit« einer Person nach dem Inneren
und nicht dem Äußeren bemessen wurde.
Ellen war sich durchaus darüber im Klaren, dass ihr Aussehen
nach den Standards der Mittneunziger kaum großartig
genannt werden konnte. Die Schwerkraft hatte alle
wichtigen Körperteile mit der gleichen Präzision herabgezogen,
wie ein Abschleppwagen ein Fahrzeug vor der Werkstatt
herunterließ. Nasolabiale Furchen, auch Marionetten
falten genannt, wie sie mal in einer spätabendlichen
Sendung über plastische Chirurgie gehört hatte, hatten
sich von der Nase bis zu den Mundwinkeln in ihr Gesicht
gegraben. Ihre Haare, einst kastanienbraun mit einem
kräftigen Kupferton, waren zu irgendeiner Nichtfarbe
verblichen, und keine fünfzig Sit-ups pro Tag konnten den
Bauchspeck im Zaum halten.
»Von Babyspeck zu einem Bierbauch zu einem vierzig
Jahre alten Bauch«, hatte sie eines Abends schluchzend
zu Tommy gesagt, als sie in einem geblümten Badeanzug
vor dem großen Spiegel stand. »Mein Leben ist vorüber,
und ich habe noch nie einen Bikini getragen.«
»Wenn ich mich richtig erinnere«, hatte Tommy mit einem
unmerklichen Lächeln festgestellt, »hast du dich dein
ganzes Leben lang geweigert, überhaupt Badesachen zu tragen.«
»Das ist etwas völlig anderes«, keifte sie, »und lass gefälligst
Truro aus dem Spiel. Immer versuchst du, Truro an
den Haaren herbeizuziehen.«
Tommy, aufrecht gegen eine Wolke aus Kissen gelehnt,
legte sein Buch zur Seite. »Ich versuche nicht immer, Truro
an den Haaren herbeizuziehen«, entgegnete er. Er sah
amüsiert aus, so als freue er sich, dass dieser Augenblick
mal wieder aufgefrischt wurde. Der Strand von Truro, an
der Ostküste von Cape Cod am Atlantik gelegen, hatte in
ihrer Ehe gewissermaßen eine mythische Symbolkraft gewonnen.
Jeden Augenblick konnte er aus dem Gedächtnis
hervorgekramt werden, um zu beweisen, wie unwahrscheinlich
verschieden oder wie exakt gleich Tommy
und Ellen waren. Truro war wie ein Feuerzeug: Entweder
konnte man damit die Flamme entzünden und den anderen
wärmen oder, was genauso möglich war, ihn verbrennen.
Das alles rührte von ihrem ersten offiziellen Date her,
wobei damals weder das Wort offiziell noch das Wort Date
in Gebrauch war.
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Blanvalet Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Dieses Werk wurde im Auftrag von St. Martin's Press, L.L.C.,
durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH,
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unter Verwendung eines Motivs von Willem Dijkstra / Shutterstock
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Printed in Germany
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»Was ist bloß in dich gefahren?«, wollte Tommy wissen,
aber seiner Stimme fehlte bereits die Hitze. Ellen konnte
sich lebhaft vorstellen, dass er die Neuigkeiten bis zum
nächsten Nachmittag ausschlachten würde, was das Zeug
hielt. Sie sah ihn schon mit seinen Juristenkumpels von
der Pflichtverteidigung in einer Nische von Michael's Pub
sitzen. »Stellt euch vor, was meine Frau gemacht hat!«,
würde er sagen und dabei das Eis in seinem Whiskey-Gin-
ger Ale klirren lassen. »Sie haut also für eine Woche ab, um
ihre Schwester in Montreal zu besuchen, okay? Und bevor
sie dort überhaupt ankommt, kauft sie mit ihrer Kreditkarte
ein bescheuertes Haus.« Sie konnte fast hören, was
Bill Foster antworten würde: »Weiter so, Ellen!«, würde er
skandieren und die Faust recken, wie er es fünfundzwanzig
Jahre zuvor in der Black-Power-Bewegung getan hatte:
»Weiter so, Baby!« Sie schmunzelte. Die Vorstellung, dass
sie mit ihren sechsundvierzig Jahren noch in der Lage war,
etwas derart Empörendes zu tun, ging ihr unter die Haut,
und sie spürte, wie sie von einer warmen Welle der Selbstliebe
durchflutet wurde. »Oh, Tommy, es wird dir gefallen.
Es ist bloß ein bisschen heruntergekommen. Jahrelang hat
da niemand gewohnt, aber ich wollte doch immer schon
einen Biobauernhof haben, und ...«
»Hal-lo, Hal-lo«, bellte Tommy. »Entschuldigung, aber
könnten Sie mich bitte wieder mit meiner Frau verbinden?
Ellen Kenny?« Ellen hörte auf zu sprechen und trommelte
mit ihren Fingern auf die Metallablage im Telefonhäuschen.
»Entschuldige, Ellen«, fuhr er fort, »aber das ist
das erste Mal, dass ich von deinem lebenslangen Wunsch
höre, eine Biobäuerin zu sein. Das ist für mich der reinste
Schock.«
»Versteh doch, Tommy, es ist klar, dass wir jetzt nicht darüber
reden können. Ich rufe dich in ein paar Tagen wieder
an ... dann hast du etwas Zeit, dich damit anzufreunden.«
»Leg nicht auf, Ellen.« Seine Stimme klang wie eine Warnung.
»Gekauft ist gekauft. Bye, Tommy.«
»Leg nicht auf, Ellen.« Diesmal kam noch der Singsang-
Rhythmus seiner Stimme hinzu, der sie stets ärgerte.
»Ich rufe dich von Karen aus an. Ich liebe dich. Bye.«
Sie wollte auflegen. Durch den Hörer konnte sie gerade
noch »Ellen? Ellen! Ellen!« hören, bevor sie die Gabel
niederdrückte und es still wurde. Seufzend verließ sie das
Telefonhäuschen und blickte die Hauptstraße von Lamone
im Staat New York rauf und runter. Dies mochte mal eine
prosperierende Gegend gewesen sein, damals in den
1890ern, als die meisten der Gebäude errichtet worden
waren, aber nun waren viele halb abgebrannt, mit Brettern
verschlagen und standen leer. In einiger Entfernung
entdeckte sie ein flaches, fast zwei Meter hohes Eishörnchen
aus Holz und ging darauf zu, weil sie sich dort einen
Kaffee erhoffte. Der Tag war bisher so verrückt gewesen,
dass sie einen Kaffee brauchte.
Ellen spähte durch die Tür der Eisdiele, aber die piependen,
schwirrenden und mit lauten Roboterstimmen
sprechenden Videospiele im Innern stießen sie ab. Ernüchtert
ging sie zurück zu Newberry, wo ein riesiges Schild,
auf dem in leuchtendem Neonorange »Räumungsverkauf«
stand, über das Schaufenster geklebt war. Sie öffnete die
Tür und schob sich am Tresen auf einen der kunstledernen
Hocker, so weit wie möglich von dem einzigen anderen
Gast entfernt. Ein Raucher, der Speck mit Eiern aß.
»Nur einen Kaffee«, sagte sie zu der Kellnerin.
»Normal?«
»Mit Süßstoff und Sahne«, erwiderte sie. Schon bald
stand die Tasse vor ihr. Dankbar nippte Ellen daran. Tommy
nannte das ihren »Koffeinschuss mit weißem Tod und fetten
Kalorien«. Beim Gedanken an ihren Mann musste sie
lächeln. Sie waren seit siebzehn Jahren verheiratet. Ihre Ehe
war in der Zeit zweimal beinahe zerbrochen, aber sie hatten
es beide Male - gemeinsam - geschafft, aus den Trümmern
zu taumeln. Als Realistin schätzte Ellen ihre Beziehung als
durchschnittlich bis überdurchschnittlich ein, zumindest
für Leute, die schon so lange verheiratet waren. Nicht großartig,
falls es das überhaupt gab, aber weitaus besser als der
trübe Ehesumpf, in dem viele Paare steckten. Sie mochte
Tommy, und Tommy mochte sie. Sie waren immer noch
froh zusammen zu sein, und auch wenn Sex bei ihnen zu
einem außergewöhnlichen Ereignis geworden war, nahmen
sie diesen Verlust relativ gelassen und schoben es auf ihr
mittleres Alter.
Aber plötzlich durchzuckte es Ellen. Was würde sein,
wenn ihre Aktion, die sie eigentlich für eine nette Idee
hielt, nach hinten losging und Tommy die Nase voll hatte
und sich scheiden ließ? Eines wusste sie ganz sicher: In
einer Ehe konnte alles der berühmte letzte Tropfen sein.
Und falls tatsächlich alles zusammenbrach: Würde sie in
ihrem Alter wirklich als Biobäuerin glücklich werden? In
einem heruntergekommenen Cottage, in einer Bruchbude
am Hang einer Stadt in den Bergen, die im ganzen North
Country berühmt war für ihre arktischen Wintertemperaturen
und einen übermäßig hohen Bevölkerungsanteil
an Mücken im Sommer? Sie fühlte eine Blase von Hysterie
in sich aufsteigen, bestellte noch einen Kaffee, und
nur durch reine Willensanstrengung gelang es ihr, ihren
Tunnelblick wiederherzustellen. Sie konnte es sich nicht
erlauben, sich durch solche nebensächlichen Ängste und
Zweifel von ihrem bescheidenen Ziel abbringen zu lassen,
einfach sie selbst zu sein. Für eine Frau ihres Alters
und ihrer Erfahrung klang das nach nicht besonders viel,
aber das war es, und sie war fest entschlossen, auf dieses
Ziel hinzuarbeiten. Mit einem Plastiklöffel rührte sie derartig
heftig in ihrem Kaffee, dass sich in der Mitte ein Strudel
bildete. Wie hypnotisiert starrte Ellen hinein. Ihre Gedanken
schweiften zurück in die späten Sechziger, als sie
in Somerville, Massachusetts, lebte, in einem Haus, das
von so vielen Blumenkindern bewohnt wurde, dass ihr
Anteil an der Miete lediglich zwanzig Dollar betrug. Damals
war sie Soziologiestudentin an der Tufts University,
aber die Anzahl ihrer Kommilitonen wurde immer gerin-
ger, je mehr die außeruniversitären Aktivitäten zunahmen.
Dazu zählte, dass man mit einer aufblasbaren Insel auf
dem Walden Pond dahintrieb und Romane von Colette
oder Henry Miller las oder in einem Keller-Jazzclub mitten
in Boston kellnerte.
Eines Nachts stand sie an der Massachusetts Avenue, um
über den Fluss nach Cambridge zu trampen. Ein verbeulter
62er Plymouth Valiant hielt an, und sie stieg ein. Es stank
nach Haschisch und Bier.
»Wohin?«, fragte der Fahrer.
»North Cambridge. Porter Square«, antwortete Ellen. Von
da aus war es zu Fuß nicht weit bis zu ihrem Haus.
»Liegt genau auf meinem Weg«, sagte er und fuhr los.
Ellen stützte sich am Armaturenbrett ab, denn ganz offensichtlich
war der Fahrer, ein langhaariger Hippie mit
Lederweste und ohne Hemd, total bekifft. Aber damals
sahen alle bekifft aus, und gleichzeitig waren sie irgendwie
gegen Unfälle immun. Er starrte wie versteinert auf
die Lichter des Central Square, verwarf hoch konzentriert
die Abzweige und Tunnel des Harvard Square und heulte
auf vor Freude darüber, dass aus der Wee Bit O'Gloucester
Bar im ersten Obergeschoss des Quality Motor Inn plötzlich
die I Did It My Way Lounge geworden war. Er bestand
darauf, sie bis zur Haustür zu fahren, doch als er die Massachusetts
Avenue verließ und in die labyrinthartigen Straßen
von Somerville einbog, schien er die Kontrolle zu
verlieren. Er schlenkerte nach rechts und schrammte an
einem parkenden Auto entlang.
»Scheiße«, fluchte er leise, während Ellen laut aufschrie.
Er starrte nun so gebannt durch die Windschutzscheibe,
als führen sie mitten durch einen Schneesturm anstatt
durch eine klare Sommernacht. Dann machte er eine zu
große Linkskurve in die Lowell Street und rammte ein
Auto auf der anderen Seite des Blocks.
»Scheiße«, fluchte er wieder leise und fuhr langsam den
Hügel hinauf. Ellen stieg auf halbem Weg aus, geradezu
schwindelig vor Freude, wieder sicher zu Hause zu sein.
Sie blickte ihm noch hinterher, wie er links in die Highland
Avenue einbog und verschwand.
Aus irgendeinem Grund fühlte sie sich durch die Erinnerung
an diesen Fahrer inspiriert: wie er immer nur geradeaus
gestarrt hatte und wie das Chaos, das er anrichtete,
hinter ihm ins Nichts verschwand. Diese Erinnerung
wurde für sie zu einer geheimen und privaten Quelle innerer
Stärke. Und irgendwie, das fühlte sie, war der Kauf
des Cottage Teil ihrer Strategie, die Augen auf ihr Ziel gerichtet
zu halten und ganz sie selbst zu sein, egal, wie sehr
Tommy maulte oder wie ängstlich sie sich plötzlich am
Tresen von Newberry fühlte. Das musste wohl so sein.
Das war es, woran sie glauben musste.
2
Aber wie war es dazu gekommen?
Ellen holte einen Stift aus ihrer Tasche, um ihren Tag
Revue passieren zu lassen. Ordnung ins Chaos zu bringen
war ihre liebste Freizeitbeschäftigung, und sie riss eine
Papierserviette aus einem übervollen Spender und schrieb
darauf in Großbuchstaben Erster Schritt. Während sie
nachdachte, wärmte sie ihre Hände an der Kaffeetasse.
Erster Schritt: Sie hatte Tommy am Frühstückstisch
zum Abschied geküsst, war in die East Eleventh Street gelaufen,
um ihren Honda zu holen (den sie immer wieder
woanders abstellten, um nicht falsch zu parken), und
hatte dann die Stadt verlassen, um ihrer jüngeren Schwes-
ter Karen, die ein Café in der Rue Saint-Paul in der Altstadt
von Montreal führte, den üblichen halbjährlichen Besuch
abzustatten.
Zweiter Schritt: Fünf Stunden und zweihundertfünfzig
Meilen später war sie spontan auf einen Rastplatz gefahren,
um auf die Straßenkarte zu sehen. Es gab einen geraden
Weg nach Montreal über die Route 87, aber dieser
Tag mitten im Mai erstrahlte unter einem unvergleichlich
blauen Himmel: Die Bäume waren voller Knospen, und
sie verspürte plötzlich das Bedürfnis, langsamer zu werden
und durch die Städtchen der Adirondack-Berge zu mäandern,
um zu sehen, wie die Wäsche draußen auf den Leinen
hing und die Kinder mit ihren Bobby-Cars durch die
Gegend kurvten. Mit dem Finger verfolgte sie eine Route,
die sie durch Keene Valley, Lake Placid, Saranac Lake,
Lamone und Trout River führen würde, dann über die
Grenze nach Quebec hinüber, durch Huntingdon, Ormstown,
Mercier und Chateaugay nach Montreal. Sie faltete
die Karte wieder zusammen und legte sie auf den Beifahrersitz.
An der Ausfahrt 30 setzte sie den Blinker rechts und
verließ die Autobahn.
Dritter Schritt: Völlig euphorisiert, was vermutlich am
Frühling lag, schlängelte sie sich die Serpentinen rauf
und runter, vorbei an Flüssen, die noch stark angeschwollen
waren vom Schmelzwasser, und Wäldern, die so dicht
waren, dass kaum ein Sonnenstrahl hindurchdrang. Sie
drehte das Autoradio auf, wählte einen Oldie-Sender und
sang lauthals mit. Sie kannte den Text von sämtlichen Liedern,
selbst den von »Alvin's Harmonica« von Alvin and
the Chipmunks, doch als die ersten Akkorde von Smokey
Robinsons »I Second That Emotion« erklangen, rief sie:
»Ja! Ja! Mein Lieblingslied!«
Die präzisen Tanzschritte der Miracles kamen ihr in den
Sinn, die Art und Weise, wie sie perfekt aufeinander abge-
stimmt in dieselbe Richtung schlenderten oder sich gleichzeitig
drehten. Dazu trugen sie hochgeschnittene Hosen
und Schuhe mit hohen Absätzen. Als sie daran dachte,
merkte sie, dass sie nichts sehnlicher wünschte, als ihre
eigenen Beine auszustrecken und ein wenig herumzutänzeln,
weshalb sie einen Parkplatz an der Hauptstraße von
Lamone ansteuerte, der zufällig in der Nähe von LaFleurs
Immobilienmakler lag. Das Büro befand sich in einem alten
Backsteingebäude direkt neben dem Fluss, der mitten
durch den Ort ging. Pittoresk, dachte Ellen, als sie auf die
Stromschnellen tief unter sich blickte. Und so friedlich.
Vierter Schritt: Ellen war neugierig geworden und blieb
vor dem Schaufenster von LaFleurs stehen, um sich die
Polaroidfotos anzusehen. Die Preise - große, alte Häuser
mit Grundstücken für dreißigtausend Dollar oder weniger
- waren verblüffend niedrig. Sie hatte in den Achtzigern
in New York gelebt, als wahre Bruchbuden für sechsstellige
Summen verkauft wurden. Dahingegen schienen
die Preise hier aus einer längst vergangenen und vergessenen
Zeit zu stammen. Am rechten Schaufensterrand bemerkte
Ellen das verschwommene Foto eines kleinen Bauernhauses.
Es war leuchtend rot umrahmt und befand sich
unterhalb eines Schildes mit der Aufschrift »Schnäppchen!!
Renovierungsbedürftig! Für Heimwerker!« Aufgeregt
ging sie so nah wie möglich heran. Seit zehn Jahren
hatte sie einen immer wiederkehrenden Traum, in dem sie
einem engen, verwilderten Feldweg bis zu einer Lichtung
folgte, auf der genau dieses Cottage stand. Zu seiner Blütezeit
mochte es reizvoll gewesen sein, aber in ihrem Traum
und auf dem Foto sah es eher danach aus, als wolle es sich
für immer zu dem wuchernden Unkraut gesellen. In ihrem
Traum ging sie weder in das Haus hinein, noch betrat sie
jemals die brüchige Veranda.
»Du hast eben ein Faible für verlassene Häuser«, hatte
Tommy gesagt, als sie ihm zum ersten Mal von ihrem Traum erzählte.
»So, habe ich das?«, fragte sie verwirrt.
»Ja, jedes Mal wenn wir auf der Schnellstraße sind und
an der Ausfahrt Suffern vorbeikommen, zitierst du das Gedicht
von Joyce Kilmer ›Wann immer ich nach Suffern
laufe, entlang den alten Indianerpfaden‹.«
»So, tue ich das?«, fragte sie wieder. »Jedes Mal?« Sie
liebte dieses Gedicht nun mal, hatte es schon immer geliebt,
seit sie es mit sieben oder acht Jahren freiwillig auswendig
gelernt hatte.
Geh ich am armen, alten Bauernhaus vorbei, rezitierte sie
in Gedanken weiter, mit seinem kaputten, schwarzen Dach ...
Zwar hab ich's hundertmal gesehn, dennoch halt ich stets ...
und schaue auf das Haus, das tragische Haus, in dem niemand
mehr lebt. Die sieben Verse hatten sich in ihr Langzeitgedächtnis
eingebrannt.
»Haben Sie etwas gesehen, das Ihnen gefällt? Mein Name
ist Roger LaFleur.« Er hatte lange Beine, weißes Haar und
trug einen Bart wie die Amischen. Geistesabwesend zeigte
Ellen auf das Bild im Fenster.
»Das?«, fragte er. »Das ist oben in Eagle Beak. Haus
plus fünf Hektar Land für elftausendfünfhundert. Mehr
nehmen sie nicht.« Er machte eine Pause, und als Ellen
lächelte, fügte er hinzu: »Schöner Tag heute. Möchten Sie
schnell mal hinfahren?« Ellen sah auf ihre Uhr. Zwanzig
nach drei. Sie war nur fünfundsechzig Meilen von Montreal
entfernt. Warum also nicht? Sie würde eine Stunde
rumkriegen und noch den Berufsverkehr umgehen.
Während der zehn Meilen, die es den Berg hinaufging,
erläuterte Roger, was es mit den jeweiligen Verkaufsschildern
auf sich hatte. »Das da? Die Kinder sind erwachsen,
und das Haus wurde zu groß. Und das? Der Besitzer ist im
Altenheim.« Ellen nickte freundlich, aber insgeheim fühlte
sie sich schwindelig, so als habe man sie hoch in die Luft
gehoben, und der obere Teil ihres Magens, gerade unter
den Rippen, zitterte.
Fünfter Schritt: Roger bog in die Zufahrt ein. Ellen sah,
dass die Farbe am Haus abblätterte und die Gardinen hinter
den welligen Fensterscheiben schier zerbröselten. Ihr
wurde ziemlich übel. »Achten Sie auf die Stufen«, mahnte
Roger, während er mit geübten Fingern den Schlüsselbund
durchging. Aber Ellen machte sich keine Gedanken darüber,
dass sie durch die verrotteten hölzernen Planken brechen
oder sich den Fuß verstauchen könnte. Sie ging so
sicher, als würde sie den Ort bereits genau kennen.
»Wie lange hat es zum Verkauf gestanden?«, fragte sie
und folgte Roger ins Haus.
»Seit Viola de Beer gestorben ist«, antwortete Roger. »Das
müsste 1988 gewesen sein.«
Sieben Jahre also, dachte Ellen und subtrahierte im Kopf
dreißig Prozent vom verlangten Preis. Sie drehte eine
flüch tige Runde durch die drei kleinen Räume im Erdgeschoss
und die beiden Schlafzimmer unterm Dach. Das
Ganze dauerte nicht länger als zehn Minuten. »Es ist alles
mit drin, sogar die Trockentücher und das Silberbesteck.
Alles, was Sie noch benötigen, ist ein feiner Kamm«, bemerkte
Roger hinter ihrem Rücken, als sie das Haus verließen
und über die Veranda gingen. Ellen hörte kaum hin.
»Sicher, es ist ein bisschen heruntergekommen«, gab er
etwas kleinmütig zu, während sie in sein Auto stiegen. Ellen
schwieg. Abgesehen von seiner Stimme war es herrlich
ruhig hier oben auf dem Berg. Roger bog in den nicht
gepflasterten Landwirtschaftsweg ein. »Außerdem gibt's
noch einen Brunnen, und die Kerosinbrenner halten es im
Winter hübsch warm.« Danach schien ihm die Puste auszugehen.
Auf dem Weg nach unten hielt Ellen freundlicherweise
die Konversation aufrecht. Und dann, als Roger
schließlich in die Stadt hineinfuhr, bat sie ihn, an der Key
Bank zu halten. Er blickte sie kurz an, seine weißen Augenbrauen
hoben und senkten sich wie die oberen Bögen von
Fragezeichen, aber er sagte nichts außer: »Kein Problem.«
Sechster Schritt: Ellen marschierte hinein und holte
beide Kreditkarten, die Optima und MasterCard, aus einem
Seitenfach ihrer Brieftasche. Sie hatte eine ganze
Reihe von Kreditkarten angesammelt, die ein großes Überziehungspotenzial
aufwiesen. Tommy lachte immer, wenn
sie wieder einmal ein »Ja« auf einem Kreditkartenantrag
ankreuzte, der im Briefkasten lag und Kredit ohne Bedingungen
versprach, und wie sie dann den Rückumschlag
schnell zuklebte und postwendend zurücksandte. In seinen
Augen war das verrückt, denn eigentlich lebte sie bescheiden.
Nie gab sie Geld für sich selbst aus, und ständig
hielt sie eine ausufernde Predigt, die Tommy »Wie Amerika
wegen der Kreditkarten zusammenbrach, von Ellen
Kenny« genannt hatte. Doch sie fand nun mal Gefallen
an der Möglichkeit, schnell an Geld heranzukommen. Als
sie nun in einer Reihe hinter einem Bauern in kniehohen
Gummistiefeln stand, der nach Kuhdung roch, berauschte
sie sich an der Vorstellung, dieses Geld tatsächlich einmal
in Anspruch zu nehmen. Sie kam sich wie ein Turmspringer
vor, der am Ende des Bretts auf und ab federt. Entschlossen
ging sie bis zur Kasse vor und sagte: »Ich möchte
eine Auszahlung.« Dann schob sie ihre Optima-Karte mit
einem Limit in Höhe von zehntausend Dollar unter dem
dicken Glas hindurch. »Achttausendfünfhundert bitte!«
Der Kassierer benötigte nicht einmal die Zustimmung des Filialleiters.
Siebter Schritt: Sie stopfte das Bündel Geldscheine in
ihre Brieftasche und setzte sich wieder zu Roger ins Auto.
Er fuhr zwei Blöcke weiter und parkte auf dem kleinen
Stellplatz neben seinem Büro. Selbstzufrieden betrachtete
sie ihn von der Seite. Ob er wohl etwas ahnte? Ob er frisches
Geld riechen konnte?
»So«, sagte er, als sie am Schaufenster angekommen waren,
»kann ich Ihnen noch etwas anderes zeigen?«
»Lassen Sie uns erst hineingehen«, erwiderte sie und
ging ihm voraus in sein staubiges Büro. Sie ließ sich in einen
Drehsessel fallen. »Achttausendfünfhundert Dollar in
bar. Entweder oder.«
»Was?«, stotterte Roger. »Soll das ein Angebot sein?«
»Genau das.«
»Nun, Donnerwetter, lassen Sie mich erst mal telefonieren.
« Er blätterte durch einen prall gefüllten Rolodex
und gluckste verhalten. »Hoffentlich ist Violas Taugenichts
von Sohn zu Hause. Müsste er eigentlich. Rodney hat noch
nie in seinem Leben gearbeitet. Könnte sein, dass er bewusstlos
in einem Graben liegt oder sich gerade in einer
Ausnüchterungszelle befindet.« Er riss eine alte Visitenkarte
heraus und hielt sie wie eine Trophäe hoch: »Hier ist sie!«
Ellen ließ sich in den Sessel zurückfallen. Sie fühlte sich
plötzlich entspannt, so als befände sie sich bereits auf der
vom Wetter arg mitgenommenen Veranda und lauschte
dem Summen der Kolibris, die sich über die Fliederbüsche
hermachten. Verträumt schloss sie die Augen, ihr Kinn
sackte nach unten, aber als Roger den Telefonhörer auf die
Gabel knallte und »Er macht's!« rief, da erwachte sie ruckartig.
»Lassen Sie mich schnell noch einen Kaufvertrag heraussuchen«,
sagte er und kramte in seinem Schreibtisch herum.
Dann, ohne Vorwarnung, zog er aus der untersten
Schublade eine Kamera und drückte auf den Ausleser. »Ich
mag diese Schnappschüsse«, erklärte er und zog das Polaroidbild
heraus, »damit Sie immer wissen, wie Sie ausge-
sehen haben, als Sie das Cottage gekauft haben. War nicht
ernst gemeint, ist bloß ein Maklerwitz.«
Während Roger sich um den Papierkram kümmerte,
wartete sie darauf, dass ihr Bild allmählich auftauchte. Als
es erschien, konnte sie nicht anders und musste laut auflachen.
»O Gott, Ellen«, rief Roger. Er schaute über ihre
Schulter. Ihren Vornamen hatte er soeben von ihrem Führerschein
abgeschrieben. »Sie sehen aus, als hätte man Ihnen
einen Holzprügel über den Kopf gehauen!«
Er hatte recht. Sie legte das Bündel Geldscheine auf den
Tisch und schob es zu ihm hinüber. Er lächelte so süffisant,
dass sie sich an die berühmten Worte von P. T. Barnum
erinnert fühlte: »Keine Minute, in der nicht ein Leichtgläubiger
geboren wird.« Sie musste heftig schlucken.
Dies brachte sie zum Achten Schritt: es Tommy erzählen.
Das war relativ schmerzlos über die Bühne gegangen,
aber sie war davon überzeugt, dass sie bei Karen mindestens
drei wütende Nachrichten von ihm zu erwarten hatte.
Sie schob die halb ausgetrunkene dritte Tasse Kaffee
beiseite, hob ihre Brieftasche auf und blickte noch einmal
heimlich auf das Foto, das Roger zusammen mit der Quittung
über den Kaufpreis an das Verkaufsangebot geheftet
hatte. Er hatte ihr den Namen eines örtlichen Notars gegeben,
den sie von seinem Büro aus angerufen hatte. Der
Notar bekam die Nummer ihrer MasterCard für die Anzahlung
seiner Gebühr. Weil es sich um eine Barzahlung
gehandelt habe, sei der Rest in einem Monat fällig, spätestens.
»Schön, schön«, sagte sie und legte auf.
»Nun«, sagte sie in Rogers Richtung.
»Nun, willkommen im North Country«, antwortete er
und reichte ihr die Hand. Sie schüttelte sie und fühlte sich
dabei, als habe sie ein Diplom bekommen, ohne es verdient
zu haben.
3
Karen hatte sie gebeten, im Duty-free-Shop zwei Stangen
Craven-A-Zigaretten und Jack Daniels zu kaufen. Sie ließ
die Einkäufe vorne im Wagen liegen und fuhr zum kanadischen
Zoll. »Bonjour«, sagte der Zollbeamte, der wie ein
Baby in Uniform aussah. »Ihr Wohnort?«
»Eagle Beak«, antwortete sie ohne zu zögern.
»Was ist der Grund Ihres Aufenthaltes in Kanada?«
»Ich fahre nach Montreal, um meine Schwester zu besuchen.«
»Okay, fahren Sie weiter.«
Ellen drückte aufs Gaspedal. »Eagle Beak?«, wiederholte
sie erstaunt. »Warum habe ich das gesagt?« Doch es kam
ihr so natürlich vor, als wären die zwei Jahrzehnte in New
York einfach verschwunden. Nichts ändert sich so schnell,
überlegte sie, aber dann bemerkte sie, dass die Straßenschilder
in Französisch geschrieben und die Geschwindigkeitsbegrenzungen
in Kilometern pro Stunde angegeben
waren. Sie blickte in den Rückspiegel. Da war Amerika,
siebzig Meter hinter ihr, zusammen mit einem Schild für
Hot Dogs und einem Wahlplakat an einem Telefonmast,
auf dem WÄHLT JIM JACKSON ZUM SHERIFF stand. Sie zuckte die
Schultern. Wer wusste schon, wie schnell sich alles ändern
konnte? Oder warum oder wann, oder ob es nicht völlig egal war?
Die Straße nach Montreal verlief parallel zu einem Fluss,
der sich durch grünes Ackerland und kleine Orte mit den
Namen von Heiligen schlängelte. Ellen war glücklich, dass
sie die ausgetretenen Pfade verlassen und die wirkliche
Welt gefunden hatte. Dennoch machte ihr einiges daran
Angst, zum Beispiel der blutende Jesus Christus, den sie
in einem Vorgarten in einem Sarkophag aus Plexiglas entdeckte,
und die zornigen Plakatwände, die übersät waren
mit Bildern von Skalps und Tomahawks und auf denen
gegen die Polizeipräsenz im Kahnawake-Indianerreservat
protestiert wurde. Und als sich ihr Honda die Auffahrt zur
Mercier-Autobahnbrücke hocharbeitete, schien der St.-Lorenz-
Strom unter ihr schwarz vor Wut darüber, dass man
ihn für den Transport von Gütern gezähmt hatte.
Ellen war immer noch freudig erregt. Sie wechselte auf
die Spur Richtung Stadtmitte und steuerte einen Tunnel
an, der sie nur einen Steinwurf von Karens Café entfernt
wieder ausspucken würde. Ihre Schwester war dreizehn
Jahre jünger als sie und dazu eine natürliche Schönheit,
die das Fläschchen ihres Babys im Gürtel ihres Stretch-
Mini rocks stecken hatte. Ihr Sohn Olivier war gerade achtzehn
Monate alt geworden. Ellen hatte für ihn Kinderkleidung
besorgt, dazu zwei pädagogisch wertvolle Spiele, die
die Auge-Hand-Koordination stärkten, sowie eine gelbe
Stoffente. Für Karen brachte sie eine Flasche voll orangefarbener
Badekugeln mit Lavendelblüten mit, ein Fotoalbum
vom Metropolitan Museum of Art und einen Angora pulli,
den sie aus einer Laune heraus gekauft hatte, nachdem sie
mit Tommy aus dem brüllend komischen Film Ed Wood
gekommen war.
Ellen liebte es, wenn Karen hinter dem Tresen ihres
Cafés stand, Milch für Cappuccinos aufschäumte und mit
ihren Gästen auf Französisch schäkerte. Sie liebte ihr blondes
Haar, das sie auf klassische Weise, aber sexy, nach oben
gesteckt trug. Sie mochte auch Karens Geschäftspartnerin,
Regine-Marie, Schlagzeugerin einer Blues Band, die man
sechs Monate im Voraus buchen musste. Sie bewunderte
einfach alles, wenn sie in Montreal zu Besuch war, nicht
zuletzt, dass man immer einen Parkplatz in der Straße be-
kam, meist nicht weiter als einen halben Block vom Café
L'Alibi entfernt. Sie hüpfte aus dem Auto, ging zum Café,
trat ein und wurde zunächst von der Dunkelheit überwältigt.
»Ellen!«, rief Karen und kam sofort hinter der Espresso-
Maschine hervorgeschossen. »Ellen!« Ellen rechnete bereits
mit Karens französischer Begrüßung - zweimal vor
und zurück, vier kleine Wangenküsschen - und schaffte
es, die richtige Choreografie einzuhalten. Als es endlich
vorbei war, schnappte sie sich ihre kleine Schwester und
umarmte sie kräftig. Karen fühlte sich so zerbrechlich an,
nichts als zarte Knochen und ein Hauch von ihrem Lieblingsparfüm:
ein Eau de Cologne, das sich »Rain« nannte
und tatsächlich nach Regen duftete.
»Du siehst großartig aus!«, sagte Karen und trat einen
Schritt zurück. »Ich freue mich so, dich zu sehen.«
Ellen lächelte. Sie wusste, dass sie in den Augen ihrer
Schwester großartig aussah. Vermutlich verspürte sie aus
diesem Grund die wärmsten Gefühle für Karen. Wie von
einer eigenen Schutzhülle umgeben war sie durch die
Achtziger gesegelt, in denen ansonsten alles den Bach runterging,
ohne dass sie für ihre Schwester an Wert verloren
hatte. Karen und ihr Lebensstil - lange Nächte, Wunschkind,
Wohnen im schicken Apartment - versetzten Ellen
jedes Mal zurück in die Sechziger nach Somerville, in eine
Zeit, als die »Schönheit« einer Person nach dem Inneren
und nicht dem Äußeren bemessen wurde.
Ellen war sich durchaus darüber im Klaren, dass ihr Aussehen
nach den Standards der Mittneunziger kaum großartig
genannt werden konnte. Die Schwerkraft hatte alle
wichtigen Körperteile mit der gleichen Präzision herabgezogen,
wie ein Abschleppwagen ein Fahrzeug vor der Werkstatt
herunterließ. Nasolabiale Furchen, auch Marionetten
falten genannt, wie sie mal in einer spätabendlichen
Sendung über plastische Chirurgie gehört hatte, hatten
sich von der Nase bis zu den Mundwinkeln in ihr Gesicht
gegraben. Ihre Haare, einst kastanienbraun mit einem
kräftigen Kupferton, waren zu irgendeiner Nichtfarbe
verblichen, und keine fünfzig Sit-ups pro Tag konnten den
Bauchspeck im Zaum halten.
»Von Babyspeck zu einem Bierbauch zu einem vierzig
Jahre alten Bauch«, hatte sie eines Abends schluchzend
zu Tommy gesagt, als sie in einem geblümten Badeanzug
vor dem großen Spiegel stand. »Mein Leben ist vorüber,
und ich habe noch nie einen Bikini getragen.«
»Wenn ich mich richtig erinnere«, hatte Tommy mit einem
unmerklichen Lächeln festgestellt, »hast du dich dein
ganzes Leben lang geweigert, überhaupt Badesachen zu tragen.«
»Das ist etwas völlig anderes«, keifte sie, »und lass gefälligst
Truro aus dem Spiel. Immer versuchst du, Truro an
den Haaren herbeizuziehen.«
Tommy, aufrecht gegen eine Wolke aus Kissen gelehnt,
legte sein Buch zur Seite. »Ich versuche nicht immer, Truro
an den Haaren herbeizuziehen«, entgegnete er. Er sah
amüsiert aus, so als freue er sich, dass dieser Augenblick
mal wieder aufgefrischt wurde. Der Strand von Truro, an
der Ostküste von Cape Cod am Atlantik gelegen, hatte in
ihrer Ehe gewissermaßen eine mythische Symbolkraft gewonnen.
Jeden Augenblick konnte er aus dem Gedächtnis
hervorgekramt werden, um zu beweisen, wie unwahrscheinlich
verschieden oder wie exakt gleich Tommy
und Ellen waren. Truro war wie ein Feuerzeug: Entweder
konnte man damit die Flamme entzünden und den anderen
wärmen oder, was genauso möglich war, ihn verbrennen.
Das alles rührte von ihrem ersten offiziellen Date her,
wobei damals weder das Wort offiziell noch das Wort Date
in Gebrauch war.
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2010 by
Blanvalet Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Dieses Werk wurde im Auftrag von St. Martin's Press, L.L.C.,
durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH,
30827 Garbsen, vermittelt.
Umschlaggestaltung: © HildenDesign, München,
unter Verwendung eines Motivs von Willem Dijkstra / Shutterstock
Redaktion: Kristina Lake-Zapp
NB • Herstellung: sam
Satz: Uhl + Massopust, Aalen
Druck und Bindung: GGP Media GmbH, Pößneck
Printed in Germany
ISBN: 978-3-442-37353-6
www.blanvalet.de
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Autoren-Porträt von Julie Mars
Julie Mars lebt in Albuquerque, New Mexico, und hat schon mehrere Werke in den USA veröffentlicht. Sie wurde für ihre Bücher mit verschiedenen Preisen ausgezeichnet und arbeitet neben dem Schreiben als Lehrerin für Creative Writing.
Bibliographische Angaben
- Autor: Julie Mars
- 2010, 540 Seiten, Maße: 11,6 x 18,2 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Hanowell, Holger
- Übersetzer: Holger Hanowell
- Verlag: Blanvalet
- ISBN-10: 3442373530
- ISBN-13: 9783442373536
Rezension zu „Die Stunde der Glühwürmchen “
"Julie Mars führt die Leser durch das Minenfeld einer Midlife-Krise. Lebendige, sympathische Figuren, witzig und klug - ein wunderbarer Lesegenuss."
Kommentar zu "Die Stunde der Glühwürmchen"
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