Die Talent-Lüge
Warum wir (fast) alles erreichen können
Talent ist gottgegeben.
Oder fest in den Genen verankert.
Daran lässt sich nun mal nichts ändern.
"Falsch!", sagt Daniel Coyle. Veranlagung spielt natürlich eine Rolle, aber entscheidend sind Motivation, Übung und Disziplin. Neueste Erkenntnisse aus den...
Oder fest in den Genen verankert.
Daran lässt sich nun mal nichts ändern.
"Falsch!", sagt Daniel Coyle. Veranlagung spielt natürlich eine Rolle, aber entscheidend sind Motivation, Übung und Disziplin. Neueste Erkenntnisse aus den...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Die Talent-Lüge “
Talent ist gottgegeben.
Oder fest in den Genen verankert.
Daran lässt sich nun mal nichts ändern.
"Falsch!", sagt Daniel Coyle. Veranlagung spielt natürlich eine Rolle, aber entscheidend sind Motivation, Übung und Disziplin. Neueste Erkenntnisse aus den Neurowissenschaften beweisen, dass wir sehr wohl Einfluss auf unsere Talente nehmen können. Coyle besucht Wissenschaftler und erfolgreiche Talentschmieden rund um den Globus und macht auf äußerst anschauliche Weise klar: Geht nicht, gibt's nicht - Talent ist lernbar.
Oder fest in den Genen verankert.
Daran lässt sich nun mal nichts ändern.
"Falsch!", sagt Daniel Coyle. Veranlagung spielt natürlich eine Rolle, aber entscheidend sind Motivation, Übung und Disziplin. Neueste Erkenntnisse aus den Neurowissenschaften beweisen, dass wir sehr wohl Einfluss auf unsere Talente nehmen können. Coyle besucht Wissenschaftler und erfolgreiche Talentschmieden rund um den Globus und macht auf äußerst anschauliche Weise klar: Geht nicht, gibt's nicht - Talent ist lernbar.
Klappentext zu „Die Talent-Lüge “
Talent ist gottgegeben. Oder fest in den Genen verankert. Daran lässt sich nun mal nichts ändern. "Falsch!", sagt Daniel Coyle. Veranlagung spielt natürlich eine Rolle, aber entscheidend sind Motivation, Übung und Disziplin. Neueste Erkenntnisse aus den Neurowissenschaften beweisen, dass wir sehr wohl Einfluss auf unsere Talente nehmen können. Coyle besucht Wissenschaftler und erfolgreiche Talentschmieden rund um den Globus und macht auf äußerst anschauliche Weise
klar: Geht nicht, gibt's nicht - Talent ist lernbar.
Talent ist gottgegeben. Oder fest in den Genen verankert. Daran lässt sich nun mal nichts ändern. Falsch!, sagt Daniel Coyle. Veranlagung spielt natürlich eine Rolle, aber entscheidend sind Motivation, Übung und Disziplin. Neueste Erkenntnisse aus den Neurowissenschaften beweisen, dass wir sehr wohl Einfluss auf unsere Talente nehmen können. Coyle besucht Wissenschaftler und erfolgreiche Talentschmieden rund um den Globus und macht auf äußerst anschauliche Weise klar: Geht nicht, gibt's nicht - Talent ist lernbar.
Lese-Probe zu „Die Talent-Lüge “
Die Talent Lüge – Warum wir (fast) alles erreichen können von Daniel CoyleKapitel 1
In der Lernzone
Harvard in der Westentasche
Im Dezember 2006 begann ich meine Reise an kleine Orte, die Talente am Fließband hervorbringen.1 Meine Reise begann in einer baufälligen Tennishalle in Moskau und führte mich im Laufe der nächsten vierzehn Monate auf einen Fußballplatz im brasilianischen São Paulo, eine Musikschule in Dallas, eine Schule in Kalifornien, eine heruntergekommene Musikschule in den Bergen des Bundesstaates New York, eine baseballverrückte Karibikinsel und eine ganze Reihe weiterer Orte, die so klein und bescheiden sind und gleichzeitig so außergewöhnlich viele Talente von Weltrang hervorbringen, dass ein Freund sie als »Westentaschen-Harvards« bezeichnete.
Diese Reise stellte mich vor einige Herausforderungen. Nicht die geringste davon bestand darin, sie meiner Frau und vor allem meinen Kindern so überzeugend wie möglich zu erklären. Ich beschrieb sie daher als eine wissenschaftliche Expedition, ähnlich wie die großen Forschungsreisen des 19. Jahrhunderts. Ohne mit der Wimper zu zucken verglich ich meine Recherche mit Charles Darwins Entdeckungsfahrt auf der Beagle und erklärte, warum ich an diesen kleinen, abgelegenen Orten die Wirkungsweise von allgemeingültigen Gesetzen und Kräften beobachten konnte wie in einer Petrischale. Meine Kinder schienen mir meine Erklärung abzunehmen, zumindest zunächst.
Später hörte ich zufällig, wie meine zehnjährige Tochter Katie ihren jüngeren Geschwistern geduldig erklärte: »Papa geht auf Schatzsuche. So ähnlich wie bei einer Geburtstagsfeier.«
Eine Schatzsuche, eine Geburtstagsfeier – damit lag sie gar nicht so weit daneben. Die neun Talentschmieden, die ich besuchte, hatten auf den ersten Blick
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wenig miteinander gemeinsam, außer dass ihre Existenz hochgradig unwahrscheinlich war. Jede von ihnen war im Grunde eine statistische Unmöglichkeit – eine Maus, die nicht nur brüllte, sondern die es irgendwie geschafft hatte, den Dschungel zu regieren. Die Frage, die ich mir stellte, war: Wie war ihr das gelungen?
Der erste Hinweis war eine überraschende Gemeinsamkeit.
Vor meinen Reisen zu den Talentschmieden ging ich davon aus, dass ich dort vollkommen überwältigt werden würde. Ich malte mir aus, dort Tempo, Kraft und Eleganz von Weltrang zu begegnen. Diese Erwartungen wurden erfüllt und sogar noch übertroffen – zumindest sehr oft. In diesen Momenten hatte ich das Gefühl, inmitten einer Herde dahinfliehender Rehe zu stehen: Alles schien irgendwie schneller und flüssiger abzulaufen als im normalen Leben. (Wenn Ihnen ein achtjähriger Junge auf einem Tennisplatz aus Mitleid Punkte schenkt, dann wissen Sie, was es heißt, Ihr Ego auf die Probe zu stellen.)
Meistens konnte ich jedoch noch etwas ganz anderes beobachten:
mühevolle Kleinarbeit, die sehr viel Ähnlichkeit mit dem hatte, was ich im Clarissa-Video gesehen hatte. Es war, als müssten diese Rehe plötzlich einen vereisten Hang hinaufklettern. Sie bremsten ab, blieben stehen und tasteten sich langsam Schritt für Schritt voran. Auf jeden kleinen Schritt kamen zahlreiche Fehler und Misstritte. Dabei begegnete ich immer wieder demselben Gesichtsausdruck. So merkwürdig das klingen mag, der gespannte und konzentrierte Blick der Talente erinnerte mich irgendwie an Clint Eastwood. Darf ich vorstellen: Brunio. Auf einem Betonplatz im brasilianischen São Paulo übt der elfjährige Junge einen neuen Fußballtrick ein. Er bewegt sich langsam und fühlt, wie der
Ball unter seinem billigen Turnschuh entlangrollt. Er übt den elastico, ein Täuschmanöver, bei dem er den Ball erst mit dem Außenrist antippt, um ihn dann mit einer schnellen Bewegung mit dem Innenrist in die andere Richtung zu spielen. Wenn der Trick klappt, sieht es für den Zuschauer so aus, als wäre der Ball mit einem Gummiband am Fuß des Spielers befestigt. Als ich dazukomme, probiert Brunio den Trick gerade aus. Er scheitert, hält inne und denkt nach. Er wiederholt die Bewegung, diesmal langsamer, doch wieder rollt ihm der Ball davon. Wieder hält er inne und denkt nach. Dann probiert er den Trick erneut, noch langsamer und Schritt für Schritt. Erst dies, dann das. Sein Gesicht ist angespannt, sein Blick hochkonzentriert, und er scheint nichts um sich herum wahrzunehmen. Dann macht es klick, und mit einem Mal weiß Brunio, wie der Bewegungsablauf funktioniert.
Darf ich vorstellen: Jennie. Die 24-Jährige steht in einem winzigen Tonstudio in Dallas und übt den Chorteil des Popsongs »Running Out of Time«. Sie arbeitet am großen Finale, in dem sich das Wort »time« in einen Wasserfall von Noten verwandelt. Sie setzt an, versingt sich, hält inne, denkt nach und singt die Passage ein zweites Mal, diesmal sehr viel langsamer. Jedes Mal, wenn sie einen Ton nicht trifft, bricht sie ab und geht zum Anfang der Passage oder zur betreffenden Note zurück. Jennie singt und stoppt, singt und stoppt. Plötzlich hat sie den Bogen raus. Die einzelnen Teile fügen sich zu einem Ganzen. Beim sechsten Durchgang singt Jennie die Passage fehlerfrei.
Wenn wir Menschen dabei zusehen, wie sie effektiv lernen, dann sprechen wir oft von »Willenskraft« oder »Konzentration «. Doch diese beiden Begriffe treffen es nur zum Teil, denn was sie nicht beinhalten, ist dieser Prozess des schrittweisen Vorantastens. Die Menschen, denen ich in den Talentschmieden begegnet bin, verhalten sich scheinbar paradox: Sie suchen sich ausgerechnet die vereisten Hänge. Wie Clarissa arbeiten sie ganz bewusst an der Grenze ihrer Fähigkeiten und scheitern dabei zwangsläufig immer wieder. Doch genau dieses Scheitern macht ihren Fortschritt aus. Wie kann das sein?
Das kollektive Talent der brasilianischen Fußballspieler beschreiben zu wollen ist so, als wollte man das Gesetz der Schwerkraft beschreiben. Es lässt sich messen, beispielsweise an den fünf Weltmeisterschaftstiteln, den rund neunhundert brasilianischen Fußballern, die in europäischen Spitzenmannschaften spielen, oder der langen Liste von Ausnahmespielern wie Pelé, Zico, Socrates, Romário, Ronaldo, Juninho, Robinho, Ronaldinho und Kaká, von denen zahlreiche zu Weltfußballern gekürt wurden. Doch das Wesen des brasilianischen Talents lässt sich mit diesen Namen und Zahlen nicht erfassen. Das lässt sich nur spüren. Jeder Fußballfan der Welt kennt die Szene: Ein brasilianischer Fußballer wird von Gegenspielern umringt, die ihm keinen Platz und keine Chance zu geben scheinen. Dann folgt eine schnelle, tänzelnde Bewegung – eine Körpertäuschung, eine Fußbewegung, ein Sprint – und plötzlich hat er sich freigespielt und läuft dem Knäuel seiner Gegner so lässig davon, als würde er aus einem überfüllten Bus aussteigen. Tag für Tag leistet Brasilien etwas extrem Schwieriges und Unwahrscheinliches: In einer weltweit heftig umkämpften Sportart stellt das Land nach wie vor einen ungewöhnlich hohen Anteil an Spitzenspielern.
Diese Talentdichte wird gern mit einer Mischung aus Genen und Umwelt oder aus Natur und Erziehung erklärt. Demnach verdankt Brasilien seinen Status als Fußballnation einer einmaligen Kombination von Faktoren: seinem milden Klima, seiner großen Fußballleidenschaft und seiner genetisch vielfältigen Bevölkerung, die zu 40 Prozent unter der Armutsgrenze lebt und davon träumt, ihrer wirtschaftlichen Not mithilfe »des schönen Spiels« zu entkommen. Man nimmt diese Faktoren, rührt sie zusammen, und voilà! – das Ergebnis ist die perfekte Starfabrik. Diese Erklärung hat allerdings einen kleinen Haken: Brasilien hat nicht schon immer große Fußballtalente hervorgebracht. In den Vierziger- und Fünfzigerjahren des 20. Jahrhunderts waren Klima, Leidenschaft und Armut genauso vorhanden wie heute, doch die vermeintliche Starfabrik brachte nur Mittelmaß zustande, die brasilianische Nationalelf unterlag der damals führenden Fußballnation Ungarn in vier Partien und zeigte nichts von der brillanten Ballkunst, für die sie heute berühmt ist. Erst bei der Weltmeisterschaft des Jahres 1958 in Schweden betrat Brasilien die Bühne des Weltfußballs in Form einer Ausnahmemannschaft um den damals siebzehn Jahre alten Pelé.2 Sollte Brasilien irgendwann im kommenden Jahrzehnt völlig überraschend seine Vorherrschaft einbüßen (wie zuvor Ungarn), dann können wir nach der herkömmlichen Erklärung nur mit den Schultern zucken und den neuen Champion feiern, der seinen Aufstieg zweifelsohne ebenfalls einer einmaligen Kombination von Erfolgsfaktoren verdankt.
Wie also kommt es, dass Brasilien so viele Starfußballer hervorbringt?
Die Antwort ist überraschend. Brasilien bringt deshalb so viele Stars hervor, weil brasilianische Spieler seit den Fünfzigerjahren mit einer Methode trainieren, mit der sie die Balltechnik schneller erlernen als mit irgendeiner anderen Methode.
Wie eine Nation von Clarissas haben die Brasilianer eine Technik entwickelt, mit der sie ihre Lerngeschwindigkeit vervielfachen, und wie Clarissa sind sie sich dessen kaum bewusst. Ich nenne diese Methode »aktives Lernen«, und wie wir noch sehen werden, findet sie nicht nur im Fußball ihre
Anwendung.
Was aktives Lernen bedeutet, lässt sich am besten verstehen, wenn man es selbst ausprobiert. Sehen Sie sich folgende Liste einige Sekunden lang an und verwenden Sie auf jede der beiden Spalten dieselbe Zeit.
Für die deutschsprachige Ausgabe:
Copyright © 2009 by Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG,
Bergisch Gladbach
Der erste Hinweis war eine überraschende Gemeinsamkeit.
Vor meinen Reisen zu den Talentschmieden ging ich davon aus, dass ich dort vollkommen überwältigt werden würde. Ich malte mir aus, dort Tempo, Kraft und Eleganz von Weltrang zu begegnen. Diese Erwartungen wurden erfüllt und sogar noch übertroffen – zumindest sehr oft. In diesen Momenten hatte ich das Gefühl, inmitten einer Herde dahinfliehender Rehe zu stehen: Alles schien irgendwie schneller und flüssiger abzulaufen als im normalen Leben. (Wenn Ihnen ein achtjähriger Junge auf einem Tennisplatz aus Mitleid Punkte schenkt, dann wissen Sie, was es heißt, Ihr Ego auf die Probe zu stellen.)
Meistens konnte ich jedoch noch etwas ganz anderes beobachten:
mühevolle Kleinarbeit, die sehr viel Ähnlichkeit mit dem hatte, was ich im Clarissa-Video gesehen hatte. Es war, als müssten diese Rehe plötzlich einen vereisten Hang hinaufklettern. Sie bremsten ab, blieben stehen und tasteten sich langsam Schritt für Schritt voran. Auf jeden kleinen Schritt kamen zahlreiche Fehler und Misstritte. Dabei begegnete ich immer wieder demselben Gesichtsausdruck. So merkwürdig das klingen mag, der gespannte und konzentrierte Blick der Talente erinnerte mich irgendwie an Clint Eastwood. Darf ich vorstellen: Brunio. Auf einem Betonplatz im brasilianischen São Paulo übt der elfjährige Junge einen neuen Fußballtrick ein. Er bewegt sich langsam und fühlt, wie der
Ball unter seinem billigen Turnschuh entlangrollt. Er übt den elastico, ein Täuschmanöver, bei dem er den Ball erst mit dem Außenrist antippt, um ihn dann mit einer schnellen Bewegung mit dem Innenrist in die andere Richtung zu spielen. Wenn der Trick klappt, sieht es für den Zuschauer so aus, als wäre der Ball mit einem Gummiband am Fuß des Spielers befestigt. Als ich dazukomme, probiert Brunio den Trick gerade aus. Er scheitert, hält inne und denkt nach. Er wiederholt die Bewegung, diesmal langsamer, doch wieder rollt ihm der Ball davon. Wieder hält er inne und denkt nach. Dann probiert er den Trick erneut, noch langsamer und Schritt für Schritt. Erst dies, dann das. Sein Gesicht ist angespannt, sein Blick hochkonzentriert, und er scheint nichts um sich herum wahrzunehmen. Dann macht es klick, und mit einem Mal weiß Brunio, wie der Bewegungsablauf funktioniert.
Darf ich vorstellen: Jennie. Die 24-Jährige steht in einem winzigen Tonstudio in Dallas und übt den Chorteil des Popsongs »Running Out of Time«. Sie arbeitet am großen Finale, in dem sich das Wort »time« in einen Wasserfall von Noten verwandelt. Sie setzt an, versingt sich, hält inne, denkt nach und singt die Passage ein zweites Mal, diesmal sehr viel langsamer. Jedes Mal, wenn sie einen Ton nicht trifft, bricht sie ab und geht zum Anfang der Passage oder zur betreffenden Note zurück. Jennie singt und stoppt, singt und stoppt. Plötzlich hat sie den Bogen raus. Die einzelnen Teile fügen sich zu einem Ganzen. Beim sechsten Durchgang singt Jennie die Passage fehlerfrei.
Wenn wir Menschen dabei zusehen, wie sie effektiv lernen, dann sprechen wir oft von »Willenskraft« oder »Konzentration «. Doch diese beiden Begriffe treffen es nur zum Teil, denn was sie nicht beinhalten, ist dieser Prozess des schrittweisen Vorantastens. Die Menschen, denen ich in den Talentschmieden begegnet bin, verhalten sich scheinbar paradox: Sie suchen sich ausgerechnet die vereisten Hänge. Wie Clarissa arbeiten sie ganz bewusst an der Grenze ihrer Fähigkeiten und scheitern dabei zwangsläufig immer wieder. Doch genau dieses Scheitern macht ihren Fortschritt aus. Wie kann das sein?
Das kollektive Talent der brasilianischen Fußballspieler beschreiben zu wollen ist so, als wollte man das Gesetz der Schwerkraft beschreiben. Es lässt sich messen, beispielsweise an den fünf Weltmeisterschaftstiteln, den rund neunhundert brasilianischen Fußballern, die in europäischen Spitzenmannschaften spielen, oder der langen Liste von Ausnahmespielern wie Pelé, Zico, Socrates, Romário, Ronaldo, Juninho, Robinho, Ronaldinho und Kaká, von denen zahlreiche zu Weltfußballern gekürt wurden. Doch das Wesen des brasilianischen Talents lässt sich mit diesen Namen und Zahlen nicht erfassen. Das lässt sich nur spüren. Jeder Fußballfan der Welt kennt die Szene: Ein brasilianischer Fußballer wird von Gegenspielern umringt, die ihm keinen Platz und keine Chance zu geben scheinen. Dann folgt eine schnelle, tänzelnde Bewegung – eine Körpertäuschung, eine Fußbewegung, ein Sprint – und plötzlich hat er sich freigespielt und läuft dem Knäuel seiner Gegner so lässig davon, als würde er aus einem überfüllten Bus aussteigen. Tag für Tag leistet Brasilien etwas extrem Schwieriges und Unwahrscheinliches: In einer weltweit heftig umkämpften Sportart stellt das Land nach wie vor einen ungewöhnlich hohen Anteil an Spitzenspielern.
Diese Talentdichte wird gern mit einer Mischung aus Genen und Umwelt oder aus Natur und Erziehung erklärt. Demnach verdankt Brasilien seinen Status als Fußballnation einer einmaligen Kombination von Faktoren: seinem milden Klima, seiner großen Fußballleidenschaft und seiner genetisch vielfältigen Bevölkerung, die zu 40 Prozent unter der Armutsgrenze lebt und davon träumt, ihrer wirtschaftlichen Not mithilfe »des schönen Spiels« zu entkommen. Man nimmt diese Faktoren, rührt sie zusammen, und voilà! – das Ergebnis ist die perfekte Starfabrik. Diese Erklärung hat allerdings einen kleinen Haken: Brasilien hat nicht schon immer große Fußballtalente hervorgebracht. In den Vierziger- und Fünfzigerjahren des 20. Jahrhunderts waren Klima, Leidenschaft und Armut genauso vorhanden wie heute, doch die vermeintliche Starfabrik brachte nur Mittelmaß zustande, die brasilianische Nationalelf unterlag der damals führenden Fußballnation Ungarn in vier Partien und zeigte nichts von der brillanten Ballkunst, für die sie heute berühmt ist. Erst bei der Weltmeisterschaft des Jahres 1958 in Schweden betrat Brasilien die Bühne des Weltfußballs in Form einer Ausnahmemannschaft um den damals siebzehn Jahre alten Pelé.2 Sollte Brasilien irgendwann im kommenden Jahrzehnt völlig überraschend seine Vorherrschaft einbüßen (wie zuvor Ungarn), dann können wir nach der herkömmlichen Erklärung nur mit den Schultern zucken und den neuen Champion feiern, der seinen Aufstieg zweifelsohne ebenfalls einer einmaligen Kombination von Erfolgsfaktoren verdankt.
Wie also kommt es, dass Brasilien so viele Starfußballer hervorbringt?
Die Antwort ist überraschend. Brasilien bringt deshalb so viele Stars hervor, weil brasilianische Spieler seit den Fünfzigerjahren mit einer Methode trainieren, mit der sie die Balltechnik schneller erlernen als mit irgendeiner anderen Methode.
Wie eine Nation von Clarissas haben die Brasilianer eine Technik entwickelt, mit der sie ihre Lerngeschwindigkeit vervielfachen, und wie Clarissa sind sie sich dessen kaum bewusst. Ich nenne diese Methode »aktives Lernen«, und wie wir noch sehen werden, findet sie nicht nur im Fußball ihre
Anwendung.
Was aktives Lernen bedeutet, lässt sich am besten verstehen, wenn man es selbst ausprobiert. Sehen Sie sich folgende Liste einige Sekunden lang an und verwenden Sie auf jede der beiden Spalten dieselbe Zeit.
Für die deutschsprachige Ausgabe:
Copyright © 2009 by Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG,
Bergisch Gladbach
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Autoren-Porträt von Daniel Coyle
Daniel Coyle ist Sportjournalist und Autor, u.a. des New-York-Times-Bestsellers "Lance Armstrong's War". Coyle lebt mit seiner Familie in Cleveland Heights, Ohio, und Homer, Alaska.
Bibliographische Angaben
- Autor: Daniel Coyle
- 2009, 252 Seiten, mit Abbildungen, Maße: 13,5 x 21,5 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Übersetzer: Jürgen Neubauer
- Verlag: Ehrenwirth
- ISBN-10: 3431037852
- ISBN-13: 9783431037852
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