Die Tatarin
Roman. Originalausgabe
Russland im Jahre 1707: Das Leben der jungen Tartarin Schirin ändert sich jäh, als ihr Vater, der Khan, nach einem missglückten Aufstand von den Russen gefangen genommen wird. Die Sieger fordern den Khan auf, ihnen einen Sohn als Geisel zu stellen. Doch der...
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Produktinformationen zu „Die Tatarin “
Russland im Jahre 1707: Das Leben der jungen Tartarin Schirin ändert sich jäh, als ihr Vater, der Khan, nach einem missglückten Aufstand von den Russen gefangen genommen wird. Die Sieger fordern den Khan auf, ihnen einen Sohn als Geisel zu stellen. Doch der älteste seiner Söhne ist bereits tot und der jüngste noch zu klein. Also wird Schirin kurzerhand in Männerkleider gesteckt und unter dem Namen ihres toten Bruders an die Russen ausgeliefert. Für Schirin beginnt eine harte Zeit, in der sie nicht nur ihre wahre Identität verheimlichen, sondern auch ihre aufkeimenden Gefühle für einen jungen Russen aus feindlichem Lager verbergen muss ...
Ein neuer dramatischer und facettenreicher historischer Roman von dieser Meisterin des Genres!
Ein neuer dramatischer und facettenreicher historischer Roman von dieser Meisterin des Genres!
Klappentext zu „Die Tatarin “
Russland im Jahre 1707: Das Leben der jungen Tartarin Schirin ändert sich jäh, als ihr Vater, der Khan, nach einem missglückten Aufstand von den Russen gefangen genommen wird. Die Sieger fordern den Khan auf, ihnen einen Sohn als Geisel zu stellen. Doch der älteste seiner Söhne ist bereits tot und der jüngste noch zu klein. Also wird Schirin kurzerhand in Männerkleider gesteckt und unter dem Namen ihres toten Bruders an die Russen ausgeliefert. Für Schirin beginnt eine harte Zeit, in der sie nicht nur ihre wahre Identität verheimlichen, sondern auch ihre aufkeimenden Gefühle für einen jungen Russen aus feindlichem Lager verbergen muss ... Ein neuer dramatischer und facettenreicher historischer Roman von dieser Meisterin des Genres!
Lese-Probe zu „Die Tatarin “
Die Tatarin von Iny LorentzErster Teil
Die Geisel
1
Die Felsgruppe stieg unvermittelt aus der endlos scheinenden
Steppe empor, so als habe ein Riese sie zum Scherz dorthin
geworfen. Kaum hatten die Tataren sie erblickt, spornten
sie ihre erschöpften Pferde noch einmal an, um die
Deckung verheißenden Steine rechtzeitig vor ihren Verfolgern
zu erreichen.
Der alte Kosak, der direkt neben Sergej Wassiljewitsch
Tarlow ritt, verzog sein bärtiges Gesicht zu einem breiten
Lächeln. »Es läuft so, wie ich es dir heute Morgen prophezeit
habe, Väterchen Hauptmann. Die Kerle gehen uns hier
in die Falle!«
Sergej nickte, obwohl er immer noch an der Wirksamkeit
des Manövers zweifelte. »Hoffen wir, dass Wanja und seine
Leute schon dort sind, denn sonst verbarrikadieren die Aufständischen
sich zwischen den Felsen, und wir haben das
Nachsehen. In einer knappen Stunde geht die Sonne unter.
Dann könnten sie uns im Schutz der Dunkelheit entwischen.«
»Das werden die Tataren gefälligst bleiben lassen. Schau,
Väterchen, da ist das Zeichen!« Der Kosak wies auf eine
Stelle in den Felsen, an der für einen Augenblick ein Arm
sichtbar wurde, der einen Gegenstand schwenkte. Sergej
konnte nicht genau erkennen, was es war, und vermutete,
dass es sich um den Dreispitz seines Wachtmeisters handelte.
Er zügelte seinen hässlichen, aber ausdauernden Braunen,
dem er den Namen Moschka gegeben hatte, und befahl
den Kosaken auszuschwärmen. »Passt auf, dass die Kerle
nicht zwischen euch durchbrechen, wenn sie sich wie Ratten
in die Ecke gedrängt fühlen!«
... mehr
Die Kosaken lachten über seine Worte wie über einen
guten Witz, nahmen ihre Flinten und Karabiner zur Hand
und formierten sich zu einer langen Reihe, deren Enden
langsam nach vorne stießen, um die Tataren bei den Felsen
einzuschließen. Sie gingen so geschickt vor, dass Sergej ein
weiteres Mal zufrieden nickte. Mit solchen Männern an der
Seite würde er jeden Aufstand in Sibirien niederschlagen
können. Sie verfolgten die letzten Rebellen, die ihre Waffen
noch nicht vor den Soldaten des Zaren gestreckt hatten, und
Sergej wollte dafür sorgen, dass die Kerle sich noch an diesem
Tag ergeben mussten.
Während Sergej Tarlow, Hauptmann Seiner Majestät, des
Zaren, das Manöver seiner Männer überwachte, blickte
Möngür Khan, der Anführer der Tataren, über die Schulter
zurück und stellte fest, dass ihre Verfolger zurückblieben
und eine lange Reihe bildeten, mit der sie das Gelände anscheinend
umschließen wollten. Er lächelte, denn die Felsgruppe
war so weitläufig und zerklüftet, dass sie selbst von
der doppelten Anzahl an Männern nicht wirkungsvoll überwacht
werden konnte. Im Schutz der Nacht würden er und
seine Leute die Waffenknechte des russischen Zaren wie lästige
Fliegen abstreifen und unbehelligt in ihre Heimat zurückkehren.
Er winkte seinen Leuten, ihm zu folgen, und
lenkte sein Pferd zwischen zwei hohe Felsblöcke.
Indem Moment erscholl ein scharfes »Halt!«. Gleichzeitig
schoben sich Dutzende von Gewehrläufen aus der Deckung
und zeigten auf den Tatarenkhan und seine Männer.
Möngür riss sein Pferd so scharf zurück, dass Kitzaq, sein
Schwager und Stellvertreter, gegen ihn prallte. Während der
Khan noch darum kämpfte, nicht von seinem stolpernden
Reittier abgeworfen zu werden, legte Kitzaq einen Pfeil auf
die Sehne seines Bogens und zog durch. Sofort richteten sich
mehrere Läufe auf ihn.
»Lasst die Waffen fallen«, befahl jemand auf Russisch.
Kitzaq übersetzte die Worte für jene Krieger, die die Sprache
ihrer Feinde nicht verstanden.
Die Männer zischten leise Verwünschungen und einige
schossen, da die Feinde vor ihnen in sicherer Deckung lagen,
ihre Pfeile auf die Kosaken ab, die von außen einen Ring um
sie zogen. Die meisten zielten auf den russischen Hauptmann,
der sich mit dem Dreispitz auf dem Kopf und seinem
grünen Uniformrock von seinen Soldaten abhob, die lange
Kaftane mit aufgenähten Patronentaschen, weite Pluderhosen
und Pelzmützen in verschiedensten Farben und Formen
trugen. Noch mehr als die Kosaken verkörperte der Offizier
den verlängerten Arm des verhassten russischen Zaren.
Einer der Kosaken deutete auf die vor ihnen einschlagenden
Pfeile. »Ihr solltet Euch ein wenig zurückziehen, Väterchen
Hauptmann, sonst treffen die Kerle Euch noch!«
Sergej schüttelte den Kopf. Er wollte diese Sache an dieser
Stelle und an diesem Tag zum Abschluss bringen, um dieses
gottverfluchte Sibirien endlich verlassen zu können. Im
Westen des Zarenreichs drohte ein Krieg, der weitaus gefährlicher
war als der Aufstand von ein paar tausend Wogulen,
Ostjaken und Tataren. Sergej erinnerte sich nur mit
Schaudern an die verheerende Niederlage vor sieben Jahren
an der Narwa. Pjotr Alexejewitsch Romanow war es seitdem
gelungen, den Schweden einen Teil Ingermanlands wieder
abzunehmen, aber er hatte nur gegen kleine, verstreute
Garnisonen vorgehen müssen. Das Hauptheer der Schweden
befand sich in Polen und Sachsen und trieb dort die
Truppen des gar nicht so starken August zu Paaren. Aber jedermann
wusste, dass der König der Schweden nur darauf
lauerte, nach Russland einzubrechen und seine Drohung
wahr zu machen, den Zaren vom Thron zu stoßen und ihn
als Mönch in ein Kloster zu sperren.
Sergej sehnte sich danach, wieder mit seinem Regiment zu
reiten, anstatt sich mit Sibiriern herumschlagen zu müssen,
die gehofft hatten, den Krieg im fernen Westen ausnützen zu
können, um die russische Herrschaft abzuschütteln. Trotz
der Bedrohung durch die Schweden an der Nordwestgrenze
hatte der Zar rasch reagiert und Pawel Nikolajewitsch Gjorowzew,
einen seiner besten Generäle, nach Osten geschickt,
um die Aufständischen zur Räson zu bringen. Das war
zum größten Teil auch gelungen, doch der General hatte das
Ende der Operation nicht abgewartet, sondern führte wohl
aufgrund schlechter Nachrichten den größten Teil seiner
Truppen in Eilmärschen nach Westen und überließ die letzten
Scharmützel drei zurückgelassenen Kompanien und den
einheimischen Kosaken.
Ein dicht an seinem Kopf vorbeifliegender Pfeil machte
Sergej klar, dass er auf der Stelle handeln musste, wenn ihm
der Erfolg nicht wie Sand durch die Finger rinnen sollte. Er
stellte sich im Sattel auf und feuerte seine Pistole ab, um die
Aufmerksamkeit der Tataren auf sich zu lenken.
»Ihr sitzt in der Falle! Gebt auf, oder ihr werdet alle sterben.
« Lähmende Stille antwortete ihm, und er fragte sich,
ob die Aufständischen verrückt genug waren, bis zum letzten
Mann zu kämpfen. Wahrscheinlich aber waren sie der
russischen Sprache nicht mächtig und konnten ihn daher
nicht verstehen. In dem Moment, in dem er einen Kosaken
zu sich rief, der für ihn übersetzen sollte, kam eine Antwort.
»Schwörst du, meinen Stamm zu schonen, wenn wir die
Waffen niederlegen?« Die Frage war berechtigt, denn einige
Kosakentrupps waren wie Wölfe über die wehrlosen Dörfer
der Aufständischen hergefallen und hatten in ihrem Blutrausch
alles niedergemetzelt, was ihnen vor die Säbel gekommen
war.
Sergej war es bei all seinen bisherigen Aktionen gelungen,
seine Leute im Zaum zu halten, und er wollte es auch diesmal
nicht zu einem Massaker kommen lassen. »Wenn du
dem Zaren Treue schwörst, den Jassak bezahlst und mir deinen
ältesten Sohn als Geisel für dein weiteres Wohlverhalten
auslieferst, wird deinen Leuten nichts geschehen!«
Sergejs Worte brachten Möngür Khan in arge Bedrängnis.
Seine Frauen hatten ihm so viele Töchter geboren, dass er es
aufgegeben hatte, sie zu zählen, aber bisher nur zwei Söhne.
Bahadur, der ältere, war vor zwei Jahren bei einer Stammesfehde
ums Leben gekommen, und der jüngere wurde gerade
erst vier Jahre alt. Dieses Kind dem Feind zu übergeben,
hieß, es dem Tod durch Krankheit oder mangelnde
Pflege auszuliefern. Überlebte sein Sohn wider Erwarten,
würde man einen Russen aus ihm machen, der Allah vergessen
und vor einem goldstrotzenden Popen in die Knie sinken
würde, um ihm wie ein Hund die Hand zu lecken.
Möngür wandte sich mit einer hilflosen Geste an seinen
Stellvertreter. »Rate du mir, was ich tun soll!«
Kitzaq starrte zu den Kosaken hinüber, deren Läufe jeden
Augenblick einen tödlichen Bleihagel speien konnten, und
wusste, dass es nur eine Möglichkeit gab, ihr Leben und damit
auch den Stamm zu retten. »Du musst auf ihre Forderung
eingehen, Möngür. Allah ist gerecht, er wird Ughur beschützen
oder dir einen weiteren Sohn schenken.«
»Allah hat uns auch in diesem Krieg nicht geholfen, wie
sollte er es in Zukunft tun?«, antwortete Möngür hitzig
und erschrak dann selbst über diese ketzerischen Worte. Im
Grunde seines Herzens wusste er, dass Kitzaq Recht hatte.
Ihm würde nichts anderes übrig bleiben, als den Kelch der
Bitternis bis zur Neige zu leeren. Nach kurzem innerem
Kampf senkte er resignierend den Kopf.
»Wir ergeben uns, Kosak!« Möngür erstickte beinahe an
diesen vier Worten. Mit einem bedauernden Blick warf er
seine Luntenflinte beiseite, die er von einem russischen
Händler für ein Bündel Zobelfelle eingetauscht hatte, und
schritt mit erhobenen Händen auf den russischen Offizier
zu.
Sergej atmete auf, als die Tataren ihrem Anführer folgten.
Es waren noch etwa achtzig Krieger, doch sie hatten ihm
und seinen Leuten mehr Probleme bereitet als alle anderen
Aufständischen zusammen. Er hatte diese Gruppe mit der
vierfachen Zahl an Kosaken tagelang durch die Steppe ge
hetzt und sie auch nur deshalb in die Falle locken können,
weil einige seiner Leute die Gegend besser kannten als die
Tataren.
Mit einem leichten Triumphgefühl musterte er die vor Erschöpfung
grauen Gesichter der Rebellen. Obwohl die meisten
verwundet waren, trugen sie eine verbissene Wut zur
Schau, letztlich durch eine List besiegt worden zu sein. Sergej
fühlte sich ebenso ausgelaugt und müde wie seine Gefangenen,
doch er durfte jetzt keine Schwäche zeigen. Militärisch
straff im Sattel sitzend wies er die Kosaken an, die
Tataren zu fesseln, ihnen aber vorher die Gelegenheit zu geben,
ihre Wunden zu versorgen. Dann stieg er vom Pferd
und nahm den Bericht seines Wachtmeisters entgegen, eines
mittelgroßen, untersetzten Mannes mit struppigem Blondhaar
und einem breiten, wie aus einem Holzblock gehackten
Gesicht, der beinahe doppelt so alt war wie er selbst.
»Ihr hättet diese verdammten Tataren keinen Augenblick
früher hierher treiben dürfen, Väterchen Hauptmann. Wir
haben die Kerle schon am Horizont gesehen, als wir die Felsgruppe
erreichten. Hätten sie mehr auf das geachtet, was
vor ihnen lag, und weniger auf Euch, hätten sie gewiss Verdacht
geschöpft«, erklärte Iwan Dobrowitsch, den alle nur
Wanja nannten. Er wirkte erleichtert, weil der Plan seines
Hauptmanns aufgegangen war und er einen guten Teil zum
Gelingen hatte beitragen können.
Sergej klopfte ihm anerkennend auf die Schulter. »Du und
deine Leute, ihr habt eure Sache gut gemacht! Wir haben die
Kerle erwischt, ohne dass es uns einen Blutstropfen gekostet
hat. General Gjorowzew wird mit uns zufrieden sein.«
Wanja machte eine wegwerfende Handbewegung. »Wenn
er es je erfährt! Immerhin befindet er sich bereits auf dem
Rückmarsch und wird an anderes zu denken haben als an
ein paar aufmüpfige sibirische Steppenräuber. Aber Väterchen
Mendartschuk, der Kommandant hier, wird gewiss
nicht mit Wodka für uns sparen.« Der Wachtmeister leckte
sich voller Vorfreude die Lippen und erinnerte sich daran,
dass noch eine halbe Flasche Schnaps in seiner Satteltasche
steckte.
»Ein Schlückchen hätte ich noch übrig, Sergej Wassiljewitsch.
Wollt Ihr ihn mit mir teilen?« Er wartete die Antwort
nicht ab, sondern lief auf die Felsen zu, hinter denen er
und seine Leute ihre Pferde versteckt hatten.
Sergej dachte weniger an Wodka als an die Verhandlungen
mit dem gefangenen Khan, den zwei Kosaken gerade zu
ihm brachten, und versuchte, eine möglichst strenge Miene
aufzusetzen. »Es war ein großer Fehler von dir, die Waffen
gegen die Herrschaft des Allererlauchtigsten Zaren zu erheben.
Ihr habt mit Toten und vielen Verletzten dafür bezahlt!
«
Möngür betrachtete den jungen Offizier mit zusammengekniffenen
Lidern. Der Russe war fast einen Kopf größer
als er, wirkte aber trotz seiner breiten, von der knapp sitzenden
Uniform betonten Schultern schlank und behände.
Beinahe träumerisch blickten seine hellblauen Augen aus
einem knabenhaft hübschen, für sein Empfinden viel zu
weich geformten Gesicht auf ihn herab. Der Kerl ist nicht
mehr als ein Milchbube, dachte der Khan wütend, und so
einem bin ich auf den Leim gekrochen! Einem Russenknaben
war es gelungen, ihn, den erfahrenen Kämpfer und Sieger
vieler Stammesfehden, wie einen Anfänger in die Falle zu
locken. Er konnte schon hören, wie die Häuptlinge der umliegenden
Stämme über ihn spotteten, und hätte den Kerl am
liebsten gepackt und ihm das Genick gebrochen. Doch ihm
war klar, dass sein Stamm für jeden falschen Schritt, den er
jetzt tat, würde büßen müssen, denn die Hunde des russischen
Zaren kannten keine Gnade.
Alles in ihm bäumte sich dagegen auf, sich vor diesem
Russen beugen zu müssen, aber er hatte keine andere Wahl,
als den Kopf zu senken und eine demütige Miene aufzusetzen.
»Du hast uns besiegt, großer Offizier, und nun bitte ich
dich, Gnade walten zu lassen. Unsere Weiber und Kinder
hungern in der Steppe, und unsere Feinde streichen um unser
Ordu wie Wölfe um eine Herde Schafe. Lass uns ziehen,
und wir werden deinen Namen auf ewig preisen!«
»So einfach geht das nicht! Ihr habt euch gegen den Zaren
erhoben und müsst dafür bestraft werden.« Sergej musterte
den Khan eingehender, denn er wunderte sich über dessen
ungewöhnlich flüssiges Russisch. Die Sibirier, die er
bisher kennen gelernt hatte, sprachen, wenn sie versuchten,
sich in seiner Muttersprache auszudrücken, ein kaum verständliches
Kauderwelsch. Dieser Tatar aber redete so, als
habe er jahrelang in Moskau gelebt, obwohl das Gebiet, in
dem sein Stamm lebte, nicht zum Russischen Reich gehörte.
Letzteres war ein Zustand, den Sergej nun ändern wollte.
»Du hast meine Bedingungen gehört, Tatar. Du wirst Seiner
Majestät, dem Zaren, Treue schwören und ihm deinen
ältesten Sohn als Geisel für dein zukünftiges Wohlverhalten
ausliefern!«
Möngür knurrte wie ein in die Enge getriebener Wolf.
»Mein Stamm wird den Zaren als Herrn anerkennen und
ihm den Jassak zahlen, aber meinen Sohn gebe ich nicht
her.«
»Dann wird uns nichts anderes übrig bleiben, als euch
hier über den Haufen zu schießen!« Sergej streckte die
rechte Hand aus. Sofort hoben seine Kosaken ihre Flinten
und zielten auf die Gefangenen. Als sie die Hähne spannten,
sank der Tatar in die Knie und reckte Sergej die Arme entgegen.
»Habe Mitleid, Herr! Wir wollen gewiss brave Untertanen
eures Zaren sein, doch lass mir meinen Sohn. Du kannst
Schafe haben und Pferde, so viele ich besitze, und dazu noch
mehrere Tragtierlasten kostbarer Pelze! Ich habe sogar
Gold, nämlich Münzen aus deinem Russland und aus Persien,
und Goldstaub, wie er im Ob gewaschen wird. Alles ist
dein, wenn du nur gnädig bist.« Möngür verachtete sich in
diesem Augenblick, doch es ging um seinen einzigen Sohn,
und für ihn war er bereit, jeden Preis zu zahlen.
»Wenn du Weiber haben willst, kannst du dir ein paar
von meinen Töchtern nehmen. Komm mit mir, und such dir
die schönsten unter ihnen aus!« Für einen Augenblick
hoffte der Khan, der Offizier würde auf dieses Angebot eingehen.
Billiger konnte er nicht davonkommen, denn Töchter
besaß er mehr als Pferde, und jedes Jahr kamen ein paar
neue dazu.
Sergej empfand wider Erwarten Bedauern mit dem Khan,
der sichtlich um seinen Sohn bangte. Doch die Befehle, die
General Gjorowzew bei seinem Abmarsch hinterlassen
hatte, waren unmissverständlich. »Es tut mir leid, Tatar!
Entweder lieferst du uns deinen Sohn aus, oder ihr bleibt
unsere Gefangenen.«
Einige Tataren in der Nähe atmeten auf, denn das hörte
sich schon besser an als die Drohung, sofort über den Haufen
geschossen zu werden. Ein paar von ihnen warfen Kitzaq
auffordernde Blicke zu, die der Schwager des Khans
nicht ignorieren konnte.
»Du hast vorhin selber gesagt, dass unsere Weiber und
Kinder derzeit schutzlos sind. Willst du für ein kleines Kind
unseren ganzen Stamm ins Unglück stürzen?«
Möngür hörte das zustimmende Murmeln seiner Leute
und begriff, dass sein eigenes Schicksal auf Messers Schneide
stand. Wenn er seinen Sohn über das Wohl des Stammes
stellte, würden die Krieger ihm die Treue versagen und Kitzaq
zu ihrem neuen Anführer wählen, und da sein Schwager
noch keine eigenen Söhne besaß, würde er seinen Neffen
den Russen ausliefern. So oder so würde Ughur als Geisel
verschleppt werden, also musste er jetzt nachgeben, wenn er
Khan bleiben wollte. Er bedachte seinen Schwager mit
einem mörderischen Blick und stieß die Worte aus, für die er
wenige Augenblicke zuvor noch seine Zunge verschluckt
hätte.
»Es sei, Russe, du erhältst meinen Sohn!«
»Gut! Du wirst jetzt einen deiner Leute bestimmen, der
ihn zu mir bringt. Vier Kosaken werden den Mann unter der
Führung meines Wachtmeisters begleiten. Sollte meinen
Leuten das Geringste zustoßen, werdet ihr alle erschossen!«
Der Khan fuhr erschrocken auf. »Und was geschieht mit
uns, während deine Männer zu unserem Ordu reiten?«
»Wir bringen euch nach Karasuk«, beschied Sergej ihm
kühl. »Dort werdet ihr den Treueid auf den Zaren ablegen.
Jetzt nenne mir deinen Boten!«
Der Offizier ist trotz seiner Jugend ein gerissener Bursche,
dachte Möngür und musterte Sergej mit widerwilliger Anerkennung.
Dann drehte er sich zu seinem Schwager um.
»Reite du zum Ordu. Dir wird Zeyna am ehesten gehorchen.«
In seiner Stimme schwang Angst mit, seine Lieblingsfrau
könnte sich weigern, ihren Sohn herauszugeben, aber auch
heimliche Schadenfreude. Wenn Kitzaq seine Schwester
dazu zwang, Ughur den Russen auszuliefern, würde Zeyna
ihm dies nie verzeihen und sein Ansehen im Stamm so ruinieren,
dass keine Gefahr mehr bestand, der Stamm würde
ihn zum nächsten Khan wählen.
Kitzaq schüttelte es, als er den Befehl vernahm, denn er
kannte seine Schwester und hätte diesen Auftrag nur allzu
gerne einem anderen überlassen. Aber er war neben Möngür
der Einzige, der Zeyna zum Gehorsam zwingen konnte.
Die Dämmerung warf von Osten her ihr graues Tuch über
das Land, und es war zu spät, an diesem Tag noch weiterzureiten.
Daher befahl Sergej seinen Männern, ein Lager
aufzuschlagen und die Tataren gut zu bewachen. Nach einer
ereignislosen Nacht und einem kargen Frühstück brachen
zwei Gruppen auf, der Haupttrupp mit den Gefangenen
Richtung Karasuk und Wachtmeister Wanja mit seinen vier
Kosaken und dem Schwager des Khans nach Osten, zum
Ordu der Tataren.
2
Möngürs Dorf lag auf einer Art Hochplateau über dem hier
flach abfallenden Ufer des kleinen Flusses Burla, der etliche
Werst weiter in den noch recht jungen Ob mündete. Die
kleinen Felder rings um die Siedlung verrieten, dass dieser
Stamm nicht mehr aus reinen Weidenomaden bestand, sondern
ein festes Sommerlager bezog. Darauf wies auch die
mannshohe Palisade hin, die das Dorf umgab. Sie bestand
aus einzeln stehenden Pfosten, die mit geflochtenen Zweigen
verbunden waren, und schloss neben etlichen flachen,
runden Filzjurten eine hölzerne Hütte nach russischem Vorbild
ein, den Palast des Khans. Außerhalb des Schutzzauns
gab es weitere Jurten verschiedener Größe. Deren Schmuck
und die Tracht der Frauen, die zwischen ihnen hin-und herliefen,
wiesen darauf hin, dass sie zu verschiedenen Stammesabteilungen
gehörten, die sich nur wegen des Kriegszugs
der Hauptgruppe angeschlossen hatten.
Wanja schätzte die Zahl der in diesem Ordu lebenden
Menschen auf knapp über fünfhundert. Es waren zunächst
nur Frauen, Kinder und ältere Männer zu sehen, aber als die
Annäherung der kleinen Gruppe entdeckt wurde, kamen
auch einige jüngere, ausnahmslos verwundete Krieger aus
den Jurten, denen im Gegensatz zu Möngürs Haupttrupp
die Flucht vor den Russen gelungen war.
Während Wanja auf den ihm am nächsten gelegenen Eingang
des Ordu zuritt, lockerte er unwillkürlich seinen Kragen
und atmete tief durch. Aus den Augenwinkeln sah er
dass die Situation seinen Kosaken ebenfalls nicht geheuer
war. Eine Hand um die Zügel gekrallt, die andere um den
Karabiner, näherten sie sich dem Zeltdorf, als wäre es ein
schlafendes Ungeheuer, das jeden Augenblick erwachen und
sich auf sie stürzen konnte.
Die Tataren schienen noch nichts von der Gefangennahme
ihres Khans zu wissen, denn sie verhielten sich recht
friedlich, und nur ihre hasserfüllten Blicke verrieten, dass sie
die Kosaken nicht als Gäste, sondern als Feinde ansahen.
Wanja zügelte sein Pferd und sah Kitzaq unter hochgezogenen
Augenbrauen an. »Gib bloß Acht, dass deine Leute
keinen Unsinn machen!«
Möngürs Schwager nickte kurz und stellte sich im Sattel
auf, damit seine Stammesfreunde ihn sehen konnten. »Ich
bringe Nachricht von Möngür!«
»Was ist mit unserem Khan?«, rief einer der älteren Krieger
misstrauisch.
»Wir sind in eine Falle der Russen geraten und gefangen
genommen worden«, brüllte Kitzaq über das Dorf, so dass
seine Stimme in jeder Jurte gehört werden konnte. Ein Aufstöhnen
ging durch die Reihen der Männer, und einige der
jungen Krieger, die vom Schlachtfeld geflohen und ins Ordu
zurückgekehrt waren, wurden mit so vorwurfsvollen Blicken
bedacht, als gäbe man ihnen die Schuld an dem Unglück.
Kitzaq streckte fordernd die Hand aus. »Lasst uns jetzt
ein und bringt meinen Begleitern etwas zu essen und Kumys.
Ich muss mit Zeyna sprechen.«
Die Männer machten ihm widerwillig Platz, doch bevor
er weiterreiten konnte, schüttelte Wanja den Kopf. »Wir
fünf bleiben außerhalb des Dorfes, und euren Kumys könnt
ihr ebenfalls für euch behalten. Uns reichen Fleisch und
Wasser.«
Die Kosaken protestierten leise, denn sie hätten nichts gegen
einen Schlauch vergorener Stutenmilch einzuwenden gehabt.
Kumys war zwar kein guter russischer Wodka, aber
wenn man genug davon trank, wurde einem auch davon der
Kopf angenehm leicht. Wanja hatte jedoch gute Gründe,
ihnen das berauschende Getränk zu verbieten. Im betrunke-
nen Zustand hätten die Kosaken sich ungeachtet der Krieger
im Ordu an den tatarischen Frauen vergriffen, und er
hatte keine Lust, wegen ein paar besoffener, geiler Kerle ins
Gras zu beißen.
»Die paar Tage werdet ihr wohl noch ohne Schnaps aushalten
können, ihr Narren!«, herrschte er die Kosaken an.
»Wenn wir erst in Karasuk sind, könnt ihr so viel Wodka
saufen und Huren stoßen, wie ihr wollt.«
Einer der Männer lachte böse auf. »Dazu muss uns aber
der ausstehende Sold ausgezahlt werden.«
»Ich werde mit Sergej Wassiljewitsch darüber reden«, versprach
Wanja verärgert.
Der Kosak hob begütigend die Hand. »Wir haben es doch
nicht böse gemeint, Väterchen. Außerdem ist dieses Tatarengesöff
wirklich nicht mit unserem russischen Wässerchen zu
vergleichen.« Der Mann hatte die Verteidiger wohl ebenfalls
gezählt und befunden, dass ein paar Becher saurer Kumys
und ein paar weiche, aber widerstrebende Frauenschenkel
das Loch nicht wert waren, das einem ein Tatarensäbel in den
Leib schneiden konnte.
Wanja sah, dass Kitzaq stehen geblieben war und mit seinen
Stammesgenossen redete, und fuhr ihn zornig an. »Beeil
dich gefälligst und hole Möngürs Sohn! Wir wollen hier
nicht Wurzeln schlagen.«
Der Tatar wies auf die sinkende Sonne, die kaum eine
Handbreit über dem Horizont stand. »Wir sollten hier übernachten!
Oder willst du einen oder zwei Werst von hier in
der Steppe lagern?«
Wanja ärgerte sich über Kitzaqs Spott und zog die Schultern
hoch. Das schien der Tatar als Zustimmung zu werten,
denn er rief ein greisenhaftes Weib herbei und befahl ihr, die
Russen zu versorgen. Die Alte wies Wanja und seinen Leute
eine Jurte außerhalb der Palisade an und brachte ihnen Wasser
und etwas Ziegenbraten. Dann zog sie sich mit einer gemurmelten
Verwünschung zurück.
Kitzaq war froh, die Ereignisse zuerst seinen Stammesfreunden
berichten zu können, auch wenn seine Nachrichten
niederschmetternd waren, denn auf diese Weise konnte er
das Gespräch mit seiner Schwester noch etwas hinausschieben.
Als er ihnen erklärte, dass er Ughur zu den Russen bringen
müsse, hätten die Blicke, die ihn streiften, auch einem
Schwerverletzten gelten können, an dessen Überleben niemand
mehr glaubte, und ihre Mienen machten Kitzaq klar,
dass er von den Männern keine Unterstützung zu erwarten
hatte. Daher holte er tief Luft und wappnete sich innerlich
für die Auseinandersetzung mit der Khanum.
Zeyna, die Lieblingsfrau Möngür Khans, empfing ihren
Bruder in der Holzhütte, in der ihr Mann seine Schätze aufbewahrte.
Die Einrichtung des Gebäudes hatte keine Ähnlichkeit
mit der eines russischen Hauses, sondern glich der
einer Jurte. In der Mitte befand sich eine mit großen Steinen
gesäumte Feuerstelle, an den Wänden standen leicht zu
transportierende Kästen, die mit Teppichen bedeckt waren
und auch als Sitzgelegenheiten dienten, und über ihnen hingen
verschiedene Waffen, zumeist Beutestücke, die der Khan
in vielen Stammesfehden errungen hatte. Auf einem Wandteppich
im Hintergrund, der die Bedeutung des Prunkstücks
noch unterstreichen sollte, hing ein Ehrensäbel, den einer
der mächtigeren Emire - Möngür behauptete, es wäre der
von Karaganda - dem Khan als Geschenk hatte überreichen
lassen. Nur der etwa mannslange Tisch in einer Ecke passte
nicht in diese nomadische Welt. Möngür hatte ihn von dem
Knecht eines russischen Händlers anfertigen lassen, um einigen
besonderen Besitztümern einen herausragenden Platz zu
verschaffen. Nun trug die polierte Holzplatte Trinkgefäße
aus verschiedenfarbigen Gläsern, Messingplatten, die so
blank geputzt waren, dass sie wie Gold glänzten, ein paar
kupferne Teller und einen geschmückten Koran, der, wie
eine verblasste Aufschrift behauptete, aus Mekka stammen
sollte.
Mit dieser Sammlung wollte Möngür zeigen, was für ein bedeutender
Mann er war, und für Zeyna bot die Häuptlingshütte
nun einen Ort, an dem sie dem Unglück, das sie und den
Stamm getroffen hatte, trotzen und neuen Mut schöpfen
konnte. Die Khanum war eine kleine, stämmige Frau um die
dreißig, die mit ihrem runden Gesicht, den vollen Lippen, der
kurzen Nase und den großen, wie Jett glänzenden Augen als
Schönheit galt. Dies unterstrich sie noch mit ihrer Hörnerfrisur,
die nur angesehene Ehefrauen tragen durften.
Kitzaq erkannte sofort, dass die Sorge um Möngür und
ihre Neugier seine Schwester innerlich fast verbrannten.
Dennoch überfiel sie ihn nicht mit Fragen, sondern klatschte
in die Hände und befahl einer herbeihuschenden Frau, Kumys
für ihren Bruder zu bringen. Geduldig wartete sie, bis
er den ersten Becher leer getrunken hatte. Dann scheuchte
sie ihre Sklavin hinaus und forderte Kitzaq auf, ihr alles zu
erzählen, was sich zugetragen hatte. Die schlechteste Nachricht
behielt er zunächst für sich und schilderte den missglückten
Kriegszug und die Gefangennahme des Khans.
Zeyna nahm die Nachrichten zunächst völlig gefasst auf,
als sei sie überzeugt, dass sich noch alles zum Guten wenden
werde. Als Kitzaq ihr jedoch stockend erklärte, dass ihr
Sohn den Russen als Geisel ausgeliefert werden müsse,
zischte sie ihn wütend an. »Nicht Ughur!«
Kitzaq presste seine Fäuste gegen die Brust. »Sei vernünftig,
Schwester! Oder willst du, dass die Russen deinen Mann
und all die anderen Gefangenen erschießen?«
»Die Russen sind verdammte Hunde, die Allah strafen
wird!« Zeyna funkelte ihren Bruder herausfordernd an.
»Schlagt den Kerlen, die mit dir gekommen sind, die Köpfe
ab, und brecht dann auf, um Möngür und unsere Krieger zu
befreien!«
Kitzaq musste sich ein spöttisches Auflachen verkneifen.
»Wie stellst du dir das vor? Möngür wurde mit all unseren
Leuten nach Karasuk gebracht, in eine Festung, die von
mehr als tausend Soldaten des Russenzaren verteidigt wird.
Jeder Versuch, die Stadt anzugreifen, würde in einer Katastrophe
für uns enden!«
»Ich gebe Ughur nicht her!«, antwortete seine Schwester
angriffslustig.
Sie würde sich weder von ihm noch von dem Mullah des
Stammes etwas befehlen lassen, das war Kitzaq klar. Also
musste er versuchen, ihr den Ernst der Lage klarzumachen,
in die Möngür den Stamm manövriert hatte. Während er
nach Argumenten rang, um seine Schwester zur Vernunft zu
bringen, wanderte Zeyna mit geballten Fäusten durch den
Raum. Dabei fiel ihr Blick durch das offene Fenster auf
einen Reiter, der sich dem rückwärtigen Eingang des Ordu
näherte. Die Khanum bedachte die Kleidung, die die Person
trug, mit einem verächtlichen Blick und schürzte die Lippen.
»Die Tochter der Russin will sich schon wieder interessant
machen!«
Sie wandte sich ab und wollte wohl noch etwas sagen,
zuckte dann aber zusammen, trat dichter ans Fenster und
blieb stocksteif stehen, bis das junge Mädchen ihr Pferd zügelte
und abstieg. Dann klatschte sie mit der Faust in die
offene Hand und rief ihre Sklavin herbei. »Bischla, bringe
Schirin auf der Stelle zu mir, sorge aber dafür, dass keiner
dieser von Allah verfluchten Russen sie zu sehen bekommt.«
Die Dienerin nickte und verschwand, Kitzaq aber musterte
seine Schwester misstrauisch. »Was hast du vor, Zeyna?«
»Ich werde den Russen die Geisel verschaffen, die sie verdienen.«
Kitzaq fuhr auf. »Doch nicht Schirin! Bist du wahnsinnig
geworden?« Zeyna warf lachend den Kopf in den Nacken.
»Ganz und gar nicht! Wie du weißt, ist gegen diese ungläubigen
Hunde jede List erlaubt. Hauptsache, Möngür und
unsere Leute kommen frei.«
»Aber was ist, wenn die Russen Schirins wahres Geschlecht
entdecken?«
»Sie wird sich wohl kaum am ersten Tag nackt vor ihnen
ausziehen!«, spottete seine Schwester. »Was später mit ihr
geschieht, braucht uns nicht zu berühren.«
»Es wird uns aber berühren, wenn die Russen ihren Zorn
über diese Täuschung an unserem Stamm auslassen.« Kitzaq
hätte seine Schwester am liebsten gepackt und so lange
geschüttelt, bis diese ihren verrückten Plan aufgab.
»Bei den Russen gibt es eine Redensart: Der Himmel ist
hoch und der Zar weit. Daher bin ich sicher, dass nichts geschehen
wird. Und selbst wenn, ist Möngür wieder bei uns,
und er wird wissen, was zu tun ist.« Zeyna streifte ihren
Bruder mit einem Blick, der ihm zeigte, dass sie ihn für einen
Feigling und Versager hielt. Kitzaq knirschte mit den Zähnen
und wollte eben sagen, was er von ihr hielt, als die Tür
der Hütte geöffnet wurde und Schirin eintrat.
Das Mädchen trug kurze, spitz zulaufende Stiefel, weite
Hosen und einen bis zu den Waden reichenden Kaftan, der
ihre Figur verbarg. Mit dem festen, aber wohlgeformten
Mund, der leicht gebogenen Nase und den hellen, graugrünen
Augen, in denen goldene Punkte wie kleine Sterne
blitzten, hätte sie durchaus als hübscher, wenn auch in Tatarenaugen
etwas fremdartig wirkender Jüngling gelten
können, wären da nicht die bis zu den Hüften fallenden
Zöpfe gewesen, deren Farbe an Herbstblätter erinnerte.
Auf der von einem Handschuh geschützten Rechten trug
Schirin einen Falken und in der Linken mehrere von ihr gebeizte
Rebhühner. Sie wirkte ein wenig befremdet, denn die
Lieblingsfrau ihres Vaters pflegte sonst keine Kenntnis von
ihr zu nehmen.
Zeyna musterte das Mädchen, das sie um mehr als Haupteslänge
überragte, mit jenem Blick, mit dem der Mullah das
Schaf zu prüfen pflegte, das zum Opferfest geschlachtet werden
soll. Dann packte sie den Kaftan über der Brust des
Mädchens und zog ihn stramm. »Sie ist genau die Richtige
für unseren Plan! Dort, wo ein Weib weich und füllig sein
sollte, ist sie so flach wie die Steppe, und ihre Größe wird die
Russen zusätzlich täuschen.«
Kitzaq stieß ein Brummen aus, das genauso gut Zustimmung
wie Ablehnung bedeuten konnte; Zeyna interessierte
sich jedoch nicht für seine Meinung, sondern blickte an dem
Mädchen hoch. »Dein Vater, der Khan, ist von den russischen
Hunden besiegt und gefangen genommen worden,
und sie wollen ihn nur dann freilassen, wenn er ihnen seinen
Sohn als Geisel übergibt. Ughur ist jedoch zu klein für eine
Reise nach Westen, und andere Söhne gibt es nicht. Daher
hat Möngür bestimmt, dass du als Jüngling verkleidet mit
den Russen gehen wirst.«
Kitzaq spürte eine widerwillige Bewunderung für seine
Schwester.
Da Zeyna es so hinstellte, als stamme ihr Plan von Möngür
selbst, konnte Schirin sich diesem Befehl nicht verweigern.
Es war gewiss kein schlechter Gedanke, sie den Russen
als Geisel unterzuschieben, den sie war größer als die meisten
Männer des Stammes und so schlank, dass man sie in der
richtigen Kleidung leicht für einen Jüngling halten konnte.
Während Kitzaq sich mit dem Plan seiner Schwester anzufreunden
begann, versuchte Schirin, ihre wirbelnden Gedanken
zu ordnen. Bisher hatte ihr Vater sich so gut wie nie
für sie interessiert, aber das war ein Schicksal, das sie mit
den meisten ihrer Schwestern teilte. Während die schwatzhaften
Dinger sich mit ihrem Leben zufriedengaben, hatte
sie sich oft gewünscht, ein Knabe zu sein, um wenigstens
einen Teil der Zuneigung zu erfahren, die Möngür Ughur
und früher auch Bahadur hatte zukommen lassen. Natürlich
hatte sie Angst davor, in die Gewalt der russischen Barbaren
zu geraten, von denen sie Dinge gehört hatte, die einem
das Blut in den Adern gefrieren ließen, aber es erfüllte sie
auch mit Stolz, ihrem Vater und dem Stamm einen wichtigen
Dienst erweisen zu dürfen. Vielleicht würde man, wenn
sie wieder nach Hause zurückkehrte, vergessen haben, dass
sie die Tochter einer verhassten Russin war, und sie mehr
achten als bisher.
Für einen Augenblick glitten ihre Gedanken zurück zu
ihrer Mutter, die sie im Alter von zwölf Jahren verloren
hatte. Möngür hatte die nicht mehr ganz junge Frau gekauft,
um von ihr Russisch zu lernen, damit die Händler ihn
nicht mehr so leicht übervorteilen konnten. Irgendwann
hatte er auch sie in seine Jurte geholt und dabei eine weitere
Tochter gezeugt. Obwohl ihre Mutter sich bis zuletzt vor
den Tataren geekelt hatte, war sie sehr liebevoll zu ihr gewesen
und hatte alles getan, um eine kleine Russin aus ihr
zu machen. Sie hatte ihr heimlich den russischen Namen
Tatjana gegeben, ihr Lesen und Schreiben beigebracht und
ihr von den wundersamen heiligen Männern und Frauen erzählt,
zu denen die Menschen ihrer Heimat beteten.
Die Geschichten von den vielen Heiligen hatte Schirin
nicht so ganz verstanden, denn schließlich gab es nur Allah,
der die Welt geschaffen hatte, und allein die Gebete, die ihm
galten, konnten etwas bewirken, und so hatte sie sich seit
dem Tod der Mutter ganz von dem Aberglauben abgewandt,
den die Stammesältesten als Gräuel bezeichneten. Nun
grauste es ihr bei dem Gedanken, dass man sie in der Gefangenschaft
zwingen würde, zu den drei christlichen Göttern
und deren nicht mehr zu zählenden Schar von angeblich
wundertätigen Gefolgsleuten zu beten, denn dann würde sie
vor Allahs Antlitz verflucht sein.
Zeyna ärgerte sich über Schirins Schweigen und schüttelte
sie heftig. »Hast du mich verstanden? Du wirst den Russen
als Möngürs ältester Sohn ausgeliefert, um deinen Vater zu
retten. Um Allahs willen darfst du dich aber niemals als
Mädchen zu erkennen geben, denn dann würden die Kosaken
wie wilde Tiere über dich herfallen, dich vergewaltigen
und dir anschließend die Kehle durchschneiden.«
Die Khanum hörte sich so an, als würde sie Schirin genau
dieses Schicksal vergönnen, aber ihre Worte fielen auf frucht
baren Boden. Schirin wurde klar, dass sie, solange die Russen
sie festhielten, jeden Tag und jede Stunde in höchster Gefahr
schweben würde. Das machte ihr Angst, und sie hätte Zeyna
am liebsten gebeten, jemand anderen an ihrer Stelle zu schicken,
einen jungen Mann, der sich als Möngürs Sohn ausgab.
Aber die Augen der Khanum verrieten ihr, dass ihre Bitte vergebens
sein würde. Krieger waren wertvoll, und ihr Vater
hatte entschieden, dass sie für den Stamm am entbehrlichsten
war. Der Gedanke tat ihr weh, dennoch nahm sie sich vor,
alles zu tun, um Möngür Khan nicht zu enttäuschen.
»Ich bin bereit, den Russen zu trotzen!«
Schirins Opferbereitschaft ist ebenso groß wie ihr Mut,
fuhr es Kitzaq durch den Kopf, und er schämte sich ein wenig
des falschen Spiels, das seine Schwester mit dem Mädchen
trieb. Doch wenn es half, seinen Schwager und die
gefangenen Krieger den Russen zu entreißen, mochte das
Opfer sich lohnen.
Er trat auf das Mädchen zu und strich ihr über das Haar.
»Vergiss nie, du tust es für unseren Stamm. Bleibe standhaft,
und vertraue auf Allah!«
Seine Schwester gab ihm einen Wink. »Geh jetzt, Kitzaq,
und schicke mir die anderen Weiber. Wir müssen Schirin auf
ihre Aufgabe vorbereiten, und da gibt es noch viel zu tun.
Sage den russischen Hunden, die dich begleitet haben, dass
der Sohn des Khans ihnen morgen bei Sonnenaufgang übergeben
wird.«
Bevor Kitzaq die Hütte verließ, drehte er sich noch einmal
um. »Welchen Namen soll ich ihnen nennen, wenn sie mich
fragen?«
Zeyna dachte an Bahadur, der der Sohn einer anderen
Frau gewesen war und dessen Tod ihren Sohn zum Erstgeborenen
und sie selbst zur Khanum gemacht hatte. Nun
würde sie ihn zu ihrem Nutzen wieder auferstehen lassen,
dachte sie und lächelte sehr zufrieden. »Sage ihnen, es handele
sich um Möngürs ältesten Sohn Bahadur.«
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Die letzte Jahreszahl gibt die aktuelle Lizenzausgabe an.
Die Kosaken lachten über seine Worte wie über einen
guten Witz, nahmen ihre Flinten und Karabiner zur Hand
und formierten sich zu einer langen Reihe, deren Enden
langsam nach vorne stießen, um die Tataren bei den Felsen
einzuschließen. Sie gingen so geschickt vor, dass Sergej ein
weiteres Mal zufrieden nickte. Mit solchen Männern an der
Seite würde er jeden Aufstand in Sibirien niederschlagen
können. Sie verfolgten die letzten Rebellen, die ihre Waffen
noch nicht vor den Soldaten des Zaren gestreckt hatten, und
Sergej wollte dafür sorgen, dass die Kerle sich noch an diesem
Tag ergeben mussten.
Während Sergej Tarlow, Hauptmann Seiner Majestät, des
Zaren, das Manöver seiner Männer überwachte, blickte
Möngür Khan, der Anführer der Tataren, über die Schulter
zurück und stellte fest, dass ihre Verfolger zurückblieben
und eine lange Reihe bildeten, mit der sie das Gelände anscheinend
umschließen wollten. Er lächelte, denn die Felsgruppe
war so weitläufig und zerklüftet, dass sie selbst von
der doppelten Anzahl an Männern nicht wirkungsvoll überwacht
werden konnte. Im Schutz der Nacht würden er und
seine Leute die Waffenknechte des russischen Zaren wie lästige
Fliegen abstreifen und unbehelligt in ihre Heimat zurückkehren.
Er winkte seinen Leuten, ihm zu folgen, und
lenkte sein Pferd zwischen zwei hohe Felsblöcke.
Indem Moment erscholl ein scharfes »Halt!«. Gleichzeitig
schoben sich Dutzende von Gewehrläufen aus der Deckung
und zeigten auf den Tatarenkhan und seine Männer.
Möngür riss sein Pferd so scharf zurück, dass Kitzaq, sein
Schwager und Stellvertreter, gegen ihn prallte. Während der
Khan noch darum kämpfte, nicht von seinem stolpernden
Reittier abgeworfen zu werden, legte Kitzaq einen Pfeil auf
die Sehne seines Bogens und zog durch. Sofort richteten sich
mehrere Läufe auf ihn.
»Lasst die Waffen fallen«, befahl jemand auf Russisch.
Kitzaq übersetzte die Worte für jene Krieger, die die Sprache
ihrer Feinde nicht verstanden.
Die Männer zischten leise Verwünschungen und einige
schossen, da die Feinde vor ihnen in sicherer Deckung lagen,
ihre Pfeile auf die Kosaken ab, die von außen einen Ring um
sie zogen. Die meisten zielten auf den russischen Hauptmann,
der sich mit dem Dreispitz auf dem Kopf und seinem
grünen Uniformrock von seinen Soldaten abhob, die lange
Kaftane mit aufgenähten Patronentaschen, weite Pluderhosen
und Pelzmützen in verschiedensten Farben und Formen
trugen. Noch mehr als die Kosaken verkörperte der Offizier
den verlängerten Arm des verhassten russischen Zaren.
Einer der Kosaken deutete auf die vor ihnen einschlagenden
Pfeile. »Ihr solltet Euch ein wenig zurückziehen, Väterchen
Hauptmann, sonst treffen die Kerle Euch noch!«
Sergej schüttelte den Kopf. Er wollte diese Sache an dieser
Stelle und an diesem Tag zum Abschluss bringen, um dieses
gottverfluchte Sibirien endlich verlassen zu können. Im
Westen des Zarenreichs drohte ein Krieg, der weitaus gefährlicher
war als der Aufstand von ein paar tausend Wogulen,
Ostjaken und Tataren. Sergej erinnerte sich nur mit
Schaudern an die verheerende Niederlage vor sieben Jahren
an der Narwa. Pjotr Alexejewitsch Romanow war es seitdem
gelungen, den Schweden einen Teil Ingermanlands wieder
abzunehmen, aber er hatte nur gegen kleine, verstreute
Garnisonen vorgehen müssen. Das Hauptheer der Schweden
befand sich in Polen und Sachsen und trieb dort die
Truppen des gar nicht so starken August zu Paaren. Aber jedermann
wusste, dass der König der Schweden nur darauf
lauerte, nach Russland einzubrechen und seine Drohung
wahr zu machen, den Zaren vom Thron zu stoßen und ihn
als Mönch in ein Kloster zu sperren.
Sergej sehnte sich danach, wieder mit seinem Regiment zu
reiten, anstatt sich mit Sibiriern herumschlagen zu müssen,
die gehofft hatten, den Krieg im fernen Westen ausnützen zu
können, um die russische Herrschaft abzuschütteln. Trotz
der Bedrohung durch die Schweden an der Nordwestgrenze
hatte der Zar rasch reagiert und Pawel Nikolajewitsch Gjorowzew,
einen seiner besten Generäle, nach Osten geschickt,
um die Aufständischen zur Räson zu bringen. Das war
zum größten Teil auch gelungen, doch der General hatte das
Ende der Operation nicht abgewartet, sondern führte wohl
aufgrund schlechter Nachrichten den größten Teil seiner
Truppen in Eilmärschen nach Westen und überließ die letzten
Scharmützel drei zurückgelassenen Kompanien und den
einheimischen Kosaken.
Ein dicht an seinem Kopf vorbeifliegender Pfeil machte
Sergej klar, dass er auf der Stelle handeln musste, wenn ihm
der Erfolg nicht wie Sand durch die Finger rinnen sollte. Er
stellte sich im Sattel auf und feuerte seine Pistole ab, um die
Aufmerksamkeit der Tataren auf sich zu lenken.
»Ihr sitzt in der Falle! Gebt auf, oder ihr werdet alle sterben.
« Lähmende Stille antwortete ihm, und er fragte sich,
ob die Aufständischen verrückt genug waren, bis zum letzten
Mann zu kämpfen. Wahrscheinlich aber waren sie der
russischen Sprache nicht mächtig und konnten ihn daher
nicht verstehen. In dem Moment, in dem er einen Kosaken
zu sich rief, der für ihn übersetzen sollte, kam eine Antwort.
»Schwörst du, meinen Stamm zu schonen, wenn wir die
Waffen niederlegen?« Die Frage war berechtigt, denn einige
Kosakentrupps waren wie Wölfe über die wehrlosen Dörfer
der Aufständischen hergefallen und hatten in ihrem Blutrausch
alles niedergemetzelt, was ihnen vor die Säbel gekommen
war.
Sergej war es bei all seinen bisherigen Aktionen gelungen,
seine Leute im Zaum zu halten, und er wollte es auch diesmal
nicht zu einem Massaker kommen lassen. »Wenn du
dem Zaren Treue schwörst, den Jassak bezahlst und mir deinen
ältesten Sohn als Geisel für dein weiteres Wohlverhalten
auslieferst, wird deinen Leuten nichts geschehen!«
Sergejs Worte brachten Möngür Khan in arge Bedrängnis.
Seine Frauen hatten ihm so viele Töchter geboren, dass er es
aufgegeben hatte, sie zu zählen, aber bisher nur zwei Söhne.
Bahadur, der ältere, war vor zwei Jahren bei einer Stammesfehde
ums Leben gekommen, und der jüngere wurde gerade
erst vier Jahre alt. Dieses Kind dem Feind zu übergeben,
hieß, es dem Tod durch Krankheit oder mangelnde
Pflege auszuliefern. Überlebte sein Sohn wider Erwarten,
würde man einen Russen aus ihm machen, der Allah vergessen
und vor einem goldstrotzenden Popen in die Knie sinken
würde, um ihm wie ein Hund die Hand zu lecken.
Möngür wandte sich mit einer hilflosen Geste an seinen
Stellvertreter. »Rate du mir, was ich tun soll!«
Kitzaq starrte zu den Kosaken hinüber, deren Läufe jeden
Augenblick einen tödlichen Bleihagel speien konnten, und
wusste, dass es nur eine Möglichkeit gab, ihr Leben und damit
auch den Stamm zu retten. »Du musst auf ihre Forderung
eingehen, Möngür. Allah ist gerecht, er wird Ughur beschützen
oder dir einen weiteren Sohn schenken.«
»Allah hat uns auch in diesem Krieg nicht geholfen, wie
sollte er es in Zukunft tun?«, antwortete Möngür hitzig
und erschrak dann selbst über diese ketzerischen Worte. Im
Grunde seines Herzens wusste er, dass Kitzaq Recht hatte.
Ihm würde nichts anderes übrig bleiben, als den Kelch der
Bitternis bis zur Neige zu leeren. Nach kurzem innerem
Kampf senkte er resignierend den Kopf.
»Wir ergeben uns, Kosak!« Möngür erstickte beinahe an
diesen vier Worten. Mit einem bedauernden Blick warf er
seine Luntenflinte beiseite, die er von einem russischen
Händler für ein Bündel Zobelfelle eingetauscht hatte, und
schritt mit erhobenen Händen auf den russischen Offizier
zu.
Sergej atmete auf, als die Tataren ihrem Anführer folgten.
Es waren noch etwa achtzig Krieger, doch sie hatten ihm
und seinen Leuten mehr Probleme bereitet als alle anderen
Aufständischen zusammen. Er hatte diese Gruppe mit der
vierfachen Zahl an Kosaken tagelang durch die Steppe ge
hetzt und sie auch nur deshalb in die Falle locken können,
weil einige seiner Leute die Gegend besser kannten als die
Tataren.
Mit einem leichten Triumphgefühl musterte er die vor Erschöpfung
grauen Gesichter der Rebellen. Obwohl die meisten
verwundet waren, trugen sie eine verbissene Wut zur
Schau, letztlich durch eine List besiegt worden zu sein. Sergej
fühlte sich ebenso ausgelaugt und müde wie seine Gefangenen,
doch er durfte jetzt keine Schwäche zeigen. Militärisch
straff im Sattel sitzend wies er die Kosaken an, die
Tataren zu fesseln, ihnen aber vorher die Gelegenheit zu geben,
ihre Wunden zu versorgen. Dann stieg er vom Pferd
und nahm den Bericht seines Wachtmeisters entgegen, eines
mittelgroßen, untersetzten Mannes mit struppigem Blondhaar
und einem breiten, wie aus einem Holzblock gehackten
Gesicht, der beinahe doppelt so alt war wie er selbst.
»Ihr hättet diese verdammten Tataren keinen Augenblick
früher hierher treiben dürfen, Väterchen Hauptmann. Wir
haben die Kerle schon am Horizont gesehen, als wir die Felsgruppe
erreichten. Hätten sie mehr auf das geachtet, was
vor ihnen lag, und weniger auf Euch, hätten sie gewiss Verdacht
geschöpft«, erklärte Iwan Dobrowitsch, den alle nur
Wanja nannten. Er wirkte erleichtert, weil der Plan seines
Hauptmanns aufgegangen war und er einen guten Teil zum
Gelingen hatte beitragen können.
Sergej klopfte ihm anerkennend auf die Schulter. »Du und
deine Leute, ihr habt eure Sache gut gemacht! Wir haben die
Kerle erwischt, ohne dass es uns einen Blutstropfen gekostet
hat. General Gjorowzew wird mit uns zufrieden sein.«
Wanja machte eine wegwerfende Handbewegung. »Wenn
er es je erfährt! Immerhin befindet er sich bereits auf dem
Rückmarsch und wird an anderes zu denken haben als an
ein paar aufmüpfige sibirische Steppenräuber. Aber Väterchen
Mendartschuk, der Kommandant hier, wird gewiss
nicht mit Wodka für uns sparen.« Der Wachtmeister leckte
sich voller Vorfreude die Lippen und erinnerte sich daran,
dass noch eine halbe Flasche Schnaps in seiner Satteltasche
steckte.
»Ein Schlückchen hätte ich noch übrig, Sergej Wassiljewitsch.
Wollt Ihr ihn mit mir teilen?« Er wartete die Antwort
nicht ab, sondern lief auf die Felsen zu, hinter denen er
und seine Leute ihre Pferde versteckt hatten.
Sergej dachte weniger an Wodka als an die Verhandlungen
mit dem gefangenen Khan, den zwei Kosaken gerade zu
ihm brachten, und versuchte, eine möglichst strenge Miene
aufzusetzen. »Es war ein großer Fehler von dir, die Waffen
gegen die Herrschaft des Allererlauchtigsten Zaren zu erheben.
Ihr habt mit Toten und vielen Verletzten dafür bezahlt!
«
Möngür betrachtete den jungen Offizier mit zusammengekniffenen
Lidern. Der Russe war fast einen Kopf größer
als er, wirkte aber trotz seiner breiten, von der knapp sitzenden
Uniform betonten Schultern schlank und behände.
Beinahe träumerisch blickten seine hellblauen Augen aus
einem knabenhaft hübschen, für sein Empfinden viel zu
weich geformten Gesicht auf ihn herab. Der Kerl ist nicht
mehr als ein Milchbube, dachte der Khan wütend, und so
einem bin ich auf den Leim gekrochen! Einem Russenknaben
war es gelungen, ihn, den erfahrenen Kämpfer und Sieger
vieler Stammesfehden, wie einen Anfänger in die Falle zu
locken. Er konnte schon hören, wie die Häuptlinge der umliegenden
Stämme über ihn spotteten, und hätte den Kerl am
liebsten gepackt und ihm das Genick gebrochen. Doch ihm
war klar, dass sein Stamm für jeden falschen Schritt, den er
jetzt tat, würde büßen müssen, denn die Hunde des russischen
Zaren kannten keine Gnade.
Alles in ihm bäumte sich dagegen auf, sich vor diesem
Russen beugen zu müssen, aber er hatte keine andere Wahl,
als den Kopf zu senken und eine demütige Miene aufzusetzen.
»Du hast uns besiegt, großer Offizier, und nun bitte ich
dich, Gnade walten zu lassen. Unsere Weiber und Kinder
hungern in der Steppe, und unsere Feinde streichen um unser
Ordu wie Wölfe um eine Herde Schafe. Lass uns ziehen,
und wir werden deinen Namen auf ewig preisen!«
»So einfach geht das nicht! Ihr habt euch gegen den Zaren
erhoben und müsst dafür bestraft werden.« Sergej musterte
den Khan eingehender, denn er wunderte sich über dessen
ungewöhnlich flüssiges Russisch. Die Sibirier, die er
bisher kennen gelernt hatte, sprachen, wenn sie versuchten,
sich in seiner Muttersprache auszudrücken, ein kaum verständliches
Kauderwelsch. Dieser Tatar aber redete so, als
habe er jahrelang in Moskau gelebt, obwohl das Gebiet, in
dem sein Stamm lebte, nicht zum Russischen Reich gehörte.
Letzteres war ein Zustand, den Sergej nun ändern wollte.
»Du hast meine Bedingungen gehört, Tatar. Du wirst Seiner
Majestät, dem Zaren, Treue schwören und ihm deinen
ältesten Sohn als Geisel für dein zukünftiges Wohlverhalten
ausliefern!«
Möngür knurrte wie ein in die Enge getriebener Wolf.
»Mein Stamm wird den Zaren als Herrn anerkennen und
ihm den Jassak zahlen, aber meinen Sohn gebe ich nicht
her.«
»Dann wird uns nichts anderes übrig bleiben, als euch
hier über den Haufen zu schießen!« Sergej streckte die
rechte Hand aus. Sofort hoben seine Kosaken ihre Flinten
und zielten auf die Gefangenen. Als sie die Hähne spannten,
sank der Tatar in die Knie und reckte Sergej die Arme entgegen.
»Habe Mitleid, Herr! Wir wollen gewiss brave Untertanen
eures Zaren sein, doch lass mir meinen Sohn. Du kannst
Schafe haben und Pferde, so viele ich besitze, und dazu noch
mehrere Tragtierlasten kostbarer Pelze! Ich habe sogar
Gold, nämlich Münzen aus deinem Russland und aus Persien,
und Goldstaub, wie er im Ob gewaschen wird. Alles ist
dein, wenn du nur gnädig bist.« Möngür verachtete sich in
diesem Augenblick, doch es ging um seinen einzigen Sohn,
und für ihn war er bereit, jeden Preis zu zahlen.
»Wenn du Weiber haben willst, kannst du dir ein paar
von meinen Töchtern nehmen. Komm mit mir, und such dir
die schönsten unter ihnen aus!« Für einen Augenblick
hoffte der Khan, der Offizier würde auf dieses Angebot eingehen.
Billiger konnte er nicht davonkommen, denn Töchter
besaß er mehr als Pferde, und jedes Jahr kamen ein paar
neue dazu.
Sergej empfand wider Erwarten Bedauern mit dem Khan,
der sichtlich um seinen Sohn bangte. Doch die Befehle, die
General Gjorowzew bei seinem Abmarsch hinterlassen
hatte, waren unmissverständlich. »Es tut mir leid, Tatar!
Entweder lieferst du uns deinen Sohn aus, oder ihr bleibt
unsere Gefangenen.«
Einige Tataren in der Nähe atmeten auf, denn das hörte
sich schon besser an als die Drohung, sofort über den Haufen
geschossen zu werden. Ein paar von ihnen warfen Kitzaq
auffordernde Blicke zu, die der Schwager des Khans
nicht ignorieren konnte.
»Du hast vorhin selber gesagt, dass unsere Weiber und
Kinder derzeit schutzlos sind. Willst du für ein kleines Kind
unseren ganzen Stamm ins Unglück stürzen?«
Möngür hörte das zustimmende Murmeln seiner Leute
und begriff, dass sein eigenes Schicksal auf Messers Schneide
stand. Wenn er seinen Sohn über das Wohl des Stammes
stellte, würden die Krieger ihm die Treue versagen und Kitzaq
zu ihrem neuen Anführer wählen, und da sein Schwager
noch keine eigenen Söhne besaß, würde er seinen Neffen
den Russen ausliefern. So oder so würde Ughur als Geisel
verschleppt werden, also musste er jetzt nachgeben, wenn er
Khan bleiben wollte. Er bedachte seinen Schwager mit
einem mörderischen Blick und stieß die Worte aus, für die er
wenige Augenblicke zuvor noch seine Zunge verschluckt
hätte.
»Es sei, Russe, du erhältst meinen Sohn!«
»Gut! Du wirst jetzt einen deiner Leute bestimmen, der
ihn zu mir bringt. Vier Kosaken werden den Mann unter der
Führung meines Wachtmeisters begleiten. Sollte meinen
Leuten das Geringste zustoßen, werdet ihr alle erschossen!«
Der Khan fuhr erschrocken auf. »Und was geschieht mit
uns, während deine Männer zu unserem Ordu reiten?«
»Wir bringen euch nach Karasuk«, beschied Sergej ihm
kühl. »Dort werdet ihr den Treueid auf den Zaren ablegen.
Jetzt nenne mir deinen Boten!«
Der Offizier ist trotz seiner Jugend ein gerissener Bursche,
dachte Möngür und musterte Sergej mit widerwilliger Anerkennung.
Dann drehte er sich zu seinem Schwager um.
»Reite du zum Ordu. Dir wird Zeyna am ehesten gehorchen.«
In seiner Stimme schwang Angst mit, seine Lieblingsfrau
könnte sich weigern, ihren Sohn herauszugeben, aber auch
heimliche Schadenfreude. Wenn Kitzaq seine Schwester
dazu zwang, Ughur den Russen auszuliefern, würde Zeyna
ihm dies nie verzeihen und sein Ansehen im Stamm so ruinieren,
dass keine Gefahr mehr bestand, der Stamm würde
ihn zum nächsten Khan wählen.
Kitzaq schüttelte es, als er den Befehl vernahm, denn er
kannte seine Schwester und hätte diesen Auftrag nur allzu
gerne einem anderen überlassen. Aber er war neben Möngür
der Einzige, der Zeyna zum Gehorsam zwingen konnte.
Die Dämmerung warf von Osten her ihr graues Tuch über
das Land, und es war zu spät, an diesem Tag noch weiterzureiten.
Daher befahl Sergej seinen Männern, ein Lager
aufzuschlagen und die Tataren gut zu bewachen. Nach einer
ereignislosen Nacht und einem kargen Frühstück brachen
zwei Gruppen auf, der Haupttrupp mit den Gefangenen
Richtung Karasuk und Wachtmeister Wanja mit seinen vier
Kosaken und dem Schwager des Khans nach Osten, zum
Ordu der Tataren.
2
Möngürs Dorf lag auf einer Art Hochplateau über dem hier
flach abfallenden Ufer des kleinen Flusses Burla, der etliche
Werst weiter in den noch recht jungen Ob mündete. Die
kleinen Felder rings um die Siedlung verrieten, dass dieser
Stamm nicht mehr aus reinen Weidenomaden bestand, sondern
ein festes Sommerlager bezog. Darauf wies auch die
mannshohe Palisade hin, die das Dorf umgab. Sie bestand
aus einzeln stehenden Pfosten, die mit geflochtenen Zweigen
verbunden waren, und schloss neben etlichen flachen,
runden Filzjurten eine hölzerne Hütte nach russischem Vorbild
ein, den Palast des Khans. Außerhalb des Schutzzauns
gab es weitere Jurten verschiedener Größe. Deren Schmuck
und die Tracht der Frauen, die zwischen ihnen hin-und herliefen,
wiesen darauf hin, dass sie zu verschiedenen Stammesabteilungen
gehörten, die sich nur wegen des Kriegszugs
der Hauptgruppe angeschlossen hatten.
Wanja schätzte die Zahl der in diesem Ordu lebenden
Menschen auf knapp über fünfhundert. Es waren zunächst
nur Frauen, Kinder und ältere Männer zu sehen, aber als die
Annäherung der kleinen Gruppe entdeckt wurde, kamen
auch einige jüngere, ausnahmslos verwundete Krieger aus
den Jurten, denen im Gegensatz zu Möngürs Haupttrupp
die Flucht vor den Russen gelungen war.
Während Wanja auf den ihm am nächsten gelegenen Eingang
des Ordu zuritt, lockerte er unwillkürlich seinen Kragen
und atmete tief durch. Aus den Augenwinkeln sah er
dass die Situation seinen Kosaken ebenfalls nicht geheuer
war. Eine Hand um die Zügel gekrallt, die andere um den
Karabiner, näherten sie sich dem Zeltdorf, als wäre es ein
schlafendes Ungeheuer, das jeden Augenblick erwachen und
sich auf sie stürzen konnte.
Die Tataren schienen noch nichts von der Gefangennahme
ihres Khans zu wissen, denn sie verhielten sich recht
friedlich, und nur ihre hasserfüllten Blicke verrieten, dass sie
die Kosaken nicht als Gäste, sondern als Feinde ansahen.
Wanja zügelte sein Pferd und sah Kitzaq unter hochgezogenen
Augenbrauen an. »Gib bloß Acht, dass deine Leute
keinen Unsinn machen!«
Möngürs Schwager nickte kurz und stellte sich im Sattel
auf, damit seine Stammesfreunde ihn sehen konnten. »Ich
bringe Nachricht von Möngür!«
»Was ist mit unserem Khan?«, rief einer der älteren Krieger
misstrauisch.
»Wir sind in eine Falle der Russen geraten und gefangen
genommen worden«, brüllte Kitzaq über das Dorf, so dass
seine Stimme in jeder Jurte gehört werden konnte. Ein Aufstöhnen
ging durch die Reihen der Männer, und einige der
jungen Krieger, die vom Schlachtfeld geflohen und ins Ordu
zurückgekehrt waren, wurden mit so vorwurfsvollen Blicken
bedacht, als gäbe man ihnen die Schuld an dem Unglück.
Kitzaq streckte fordernd die Hand aus. »Lasst uns jetzt
ein und bringt meinen Begleitern etwas zu essen und Kumys.
Ich muss mit Zeyna sprechen.«
Die Männer machten ihm widerwillig Platz, doch bevor
er weiterreiten konnte, schüttelte Wanja den Kopf. »Wir
fünf bleiben außerhalb des Dorfes, und euren Kumys könnt
ihr ebenfalls für euch behalten. Uns reichen Fleisch und
Wasser.«
Die Kosaken protestierten leise, denn sie hätten nichts gegen
einen Schlauch vergorener Stutenmilch einzuwenden gehabt.
Kumys war zwar kein guter russischer Wodka, aber
wenn man genug davon trank, wurde einem auch davon der
Kopf angenehm leicht. Wanja hatte jedoch gute Gründe,
ihnen das berauschende Getränk zu verbieten. Im betrunke-
nen Zustand hätten die Kosaken sich ungeachtet der Krieger
im Ordu an den tatarischen Frauen vergriffen, und er
hatte keine Lust, wegen ein paar besoffener, geiler Kerle ins
Gras zu beißen.
»Die paar Tage werdet ihr wohl noch ohne Schnaps aushalten
können, ihr Narren!«, herrschte er die Kosaken an.
»Wenn wir erst in Karasuk sind, könnt ihr so viel Wodka
saufen und Huren stoßen, wie ihr wollt.«
Einer der Männer lachte böse auf. »Dazu muss uns aber
der ausstehende Sold ausgezahlt werden.«
»Ich werde mit Sergej Wassiljewitsch darüber reden«, versprach
Wanja verärgert.
Der Kosak hob begütigend die Hand. »Wir haben es doch
nicht böse gemeint, Väterchen. Außerdem ist dieses Tatarengesöff
wirklich nicht mit unserem russischen Wässerchen zu
vergleichen.« Der Mann hatte die Verteidiger wohl ebenfalls
gezählt und befunden, dass ein paar Becher saurer Kumys
und ein paar weiche, aber widerstrebende Frauenschenkel
das Loch nicht wert waren, das einem ein Tatarensäbel in den
Leib schneiden konnte.
Wanja sah, dass Kitzaq stehen geblieben war und mit seinen
Stammesgenossen redete, und fuhr ihn zornig an. »Beeil
dich gefälligst und hole Möngürs Sohn! Wir wollen hier
nicht Wurzeln schlagen.«
Der Tatar wies auf die sinkende Sonne, die kaum eine
Handbreit über dem Horizont stand. »Wir sollten hier übernachten!
Oder willst du einen oder zwei Werst von hier in
der Steppe lagern?«
Wanja ärgerte sich über Kitzaqs Spott und zog die Schultern
hoch. Das schien der Tatar als Zustimmung zu werten,
denn er rief ein greisenhaftes Weib herbei und befahl ihr, die
Russen zu versorgen. Die Alte wies Wanja und seinen Leute
eine Jurte außerhalb der Palisade an und brachte ihnen Wasser
und etwas Ziegenbraten. Dann zog sie sich mit einer gemurmelten
Verwünschung zurück.
Kitzaq war froh, die Ereignisse zuerst seinen Stammesfreunden
berichten zu können, auch wenn seine Nachrichten
niederschmetternd waren, denn auf diese Weise konnte er
das Gespräch mit seiner Schwester noch etwas hinausschieben.
Als er ihnen erklärte, dass er Ughur zu den Russen bringen
müsse, hätten die Blicke, die ihn streiften, auch einem
Schwerverletzten gelten können, an dessen Überleben niemand
mehr glaubte, und ihre Mienen machten Kitzaq klar,
dass er von den Männern keine Unterstützung zu erwarten
hatte. Daher holte er tief Luft und wappnete sich innerlich
für die Auseinandersetzung mit der Khanum.
Zeyna, die Lieblingsfrau Möngür Khans, empfing ihren
Bruder in der Holzhütte, in der ihr Mann seine Schätze aufbewahrte.
Die Einrichtung des Gebäudes hatte keine Ähnlichkeit
mit der eines russischen Hauses, sondern glich der
einer Jurte. In der Mitte befand sich eine mit großen Steinen
gesäumte Feuerstelle, an den Wänden standen leicht zu
transportierende Kästen, die mit Teppichen bedeckt waren
und auch als Sitzgelegenheiten dienten, und über ihnen hingen
verschiedene Waffen, zumeist Beutestücke, die der Khan
in vielen Stammesfehden errungen hatte. Auf einem Wandteppich
im Hintergrund, der die Bedeutung des Prunkstücks
noch unterstreichen sollte, hing ein Ehrensäbel, den einer
der mächtigeren Emire - Möngür behauptete, es wäre der
von Karaganda - dem Khan als Geschenk hatte überreichen
lassen. Nur der etwa mannslange Tisch in einer Ecke passte
nicht in diese nomadische Welt. Möngür hatte ihn von dem
Knecht eines russischen Händlers anfertigen lassen, um einigen
besonderen Besitztümern einen herausragenden Platz zu
verschaffen. Nun trug die polierte Holzplatte Trinkgefäße
aus verschiedenfarbigen Gläsern, Messingplatten, die so
blank geputzt waren, dass sie wie Gold glänzten, ein paar
kupferne Teller und einen geschmückten Koran, der, wie
eine verblasste Aufschrift behauptete, aus Mekka stammen
sollte.
Mit dieser Sammlung wollte Möngür zeigen, was für ein bedeutender
Mann er war, und für Zeyna bot die Häuptlingshütte
nun einen Ort, an dem sie dem Unglück, das sie und den
Stamm getroffen hatte, trotzen und neuen Mut schöpfen
konnte. Die Khanum war eine kleine, stämmige Frau um die
dreißig, die mit ihrem runden Gesicht, den vollen Lippen, der
kurzen Nase und den großen, wie Jett glänzenden Augen als
Schönheit galt. Dies unterstrich sie noch mit ihrer Hörnerfrisur,
die nur angesehene Ehefrauen tragen durften.
Kitzaq erkannte sofort, dass die Sorge um Möngür und
ihre Neugier seine Schwester innerlich fast verbrannten.
Dennoch überfiel sie ihn nicht mit Fragen, sondern klatschte
in die Hände und befahl einer herbeihuschenden Frau, Kumys
für ihren Bruder zu bringen. Geduldig wartete sie, bis
er den ersten Becher leer getrunken hatte. Dann scheuchte
sie ihre Sklavin hinaus und forderte Kitzaq auf, ihr alles zu
erzählen, was sich zugetragen hatte. Die schlechteste Nachricht
behielt er zunächst für sich und schilderte den missglückten
Kriegszug und die Gefangennahme des Khans.
Zeyna nahm die Nachrichten zunächst völlig gefasst auf,
als sei sie überzeugt, dass sich noch alles zum Guten wenden
werde. Als Kitzaq ihr jedoch stockend erklärte, dass ihr
Sohn den Russen als Geisel ausgeliefert werden müsse,
zischte sie ihn wütend an. »Nicht Ughur!«
Kitzaq presste seine Fäuste gegen die Brust. »Sei vernünftig,
Schwester! Oder willst du, dass die Russen deinen Mann
und all die anderen Gefangenen erschießen?«
»Die Russen sind verdammte Hunde, die Allah strafen
wird!« Zeyna funkelte ihren Bruder herausfordernd an.
»Schlagt den Kerlen, die mit dir gekommen sind, die Köpfe
ab, und brecht dann auf, um Möngür und unsere Krieger zu
befreien!«
Kitzaq musste sich ein spöttisches Auflachen verkneifen.
»Wie stellst du dir das vor? Möngür wurde mit all unseren
Leuten nach Karasuk gebracht, in eine Festung, die von
mehr als tausend Soldaten des Russenzaren verteidigt wird.
Jeder Versuch, die Stadt anzugreifen, würde in einer Katastrophe
für uns enden!«
»Ich gebe Ughur nicht her!«, antwortete seine Schwester
angriffslustig.
Sie würde sich weder von ihm noch von dem Mullah des
Stammes etwas befehlen lassen, das war Kitzaq klar. Also
musste er versuchen, ihr den Ernst der Lage klarzumachen,
in die Möngür den Stamm manövriert hatte. Während er
nach Argumenten rang, um seine Schwester zur Vernunft zu
bringen, wanderte Zeyna mit geballten Fäusten durch den
Raum. Dabei fiel ihr Blick durch das offene Fenster auf
einen Reiter, der sich dem rückwärtigen Eingang des Ordu
näherte. Die Khanum bedachte die Kleidung, die die Person
trug, mit einem verächtlichen Blick und schürzte die Lippen.
»Die Tochter der Russin will sich schon wieder interessant
machen!«
Sie wandte sich ab und wollte wohl noch etwas sagen,
zuckte dann aber zusammen, trat dichter ans Fenster und
blieb stocksteif stehen, bis das junge Mädchen ihr Pferd zügelte
und abstieg. Dann klatschte sie mit der Faust in die
offene Hand und rief ihre Sklavin herbei. »Bischla, bringe
Schirin auf der Stelle zu mir, sorge aber dafür, dass keiner
dieser von Allah verfluchten Russen sie zu sehen bekommt.«
Die Dienerin nickte und verschwand, Kitzaq aber musterte
seine Schwester misstrauisch. »Was hast du vor, Zeyna?«
»Ich werde den Russen die Geisel verschaffen, die sie verdienen.«
Kitzaq fuhr auf. »Doch nicht Schirin! Bist du wahnsinnig
geworden?« Zeyna warf lachend den Kopf in den Nacken.
»Ganz und gar nicht! Wie du weißt, ist gegen diese ungläubigen
Hunde jede List erlaubt. Hauptsache, Möngür und
unsere Leute kommen frei.«
»Aber was ist, wenn die Russen Schirins wahres Geschlecht
entdecken?«
»Sie wird sich wohl kaum am ersten Tag nackt vor ihnen
ausziehen!«, spottete seine Schwester. »Was später mit ihr
geschieht, braucht uns nicht zu berühren.«
»Es wird uns aber berühren, wenn die Russen ihren Zorn
über diese Täuschung an unserem Stamm auslassen.« Kitzaq
hätte seine Schwester am liebsten gepackt und so lange
geschüttelt, bis diese ihren verrückten Plan aufgab.
»Bei den Russen gibt es eine Redensart: Der Himmel ist
hoch und der Zar weit. Daher bin ich sicher, dass nichts geschehen
wird. Und selbst wenn, ist Möngür wieder bei uns,
und er wird wissen, was zu tun ist.« Zeyna streifte ihren
Bruder mit einem Blick, der ihm zeigte, dass sie ihn für einen
Feigling und Versager hielt. Kitzaq knirschte mit den Zähnen
und wollte eben sagen, was er von ihr hielt, als die Tür
der Hütte geöffnet wurde und Schirin eintrat.
Das Mädchen trug kurze, spitz zulaufende Stiefel, weite
Hosen und einen bis zu den Waden reichenden Kaftan, der
ihre Figur verbarg. Mit dem festen, aber wohlgeformten
Mund, der leicht gebogenen Nase und den hellen, graugrünen
Augen, in denen goldene Punkte wie kleine Sterne
blitzten, hätte sie durchaus als hübscher, wenn auch in Tatarenaugen
etwas fremdartig wirkender Jüngling gelten
können, wären da nicht die bis zu den Hüften fallenden
Zöpfe gewesen, deren Farbe an Herbstblätter erinnerte.
Auf der von einem Handschuh geschützten Rechten trug
Schirin einen Falken und in der Linken mehrere von ihr gebeizte
Rebhühner. Sie wirkte ein wenig befremdet, denn die
Lieblingsfrau ihres Vaters pflegte sonst keine Kenntnis von
ihr zu nehmen.
Zeyna musterte das Mädchen, das sie um mehr als Haupteslänge
überragte, mit jenem Blick, mit dem der Mullah das
Schaf zu prüfen pflegte, das zum Opferfest geschlachtet werden
soll. Dann packte sie den Kaftan über der Brust des
Mädchens und zog ihn stramm. »Sie ist genau die Richtige
für unseren Plan! Dort, wo ein Weib weich und füllig sein
sollte, ist sie so flach wie die Steppe, und ihre Größe wird die
Russen zusätzlich täuschen.«
Kitzaq stieß ein Brummen aus, das genauso gut Zustimmung
wie Ablehnung bedeuten konnte; Zeyna interessierte
sich jedoch nicht für seine Meinung, sondern blickte an dem
Mädchen hoch. »Dein Vater, der Khan, ist von den russischen
Hunden besiegt und gefangen genommen worden,
und sie wollen ihn nur dann freilassen, wenn er ihnen seinen
Sohn als Geisel übergibt. Ughur ist jedoch zu klein für eine
Reise nach Westen, und andere Söhne gibt es nicht. Daher
hat Möngür bestimmt, dass du als Jüngling verkleidet mit
den Russen gehen wirst.«
Kitzaq spürte eine widerwillige Bewunderung für seine
Schwester.
Da Zeyna es so hinstellte, als stamme ihr Plan von Möngür
selbst, konnte Schirin sich diesem Befehl nicht verweigern.
Es war gewiss kein schlechter Gedanke, sie den Russen
als Geisel unterzuschieben, den sie war größer als die meisten
Männer des Stammes und so schlank, dass man sie in der
richtigen Kleidung leicht für einen Jüngling halten konnte.
Während Kitzaq sich mit dem Plan seiner Schwester anzufreunden
begann, versuchte Schirin, ihre wirbelnden Gedanken
zu ordnen. Bisher hatte ihr Vater sich so gut wie nie
für sie interessiert, aber das war ein Schicksal, das sie mit
den meisten ihrer Schwestern teilte. Während die schwatzhaften
Dinger sich mit ihrem Leben zufriedengaben, hatte
sie sich oft gewünscht, ein Knabe zu sein, um wenigstens
einen Teil der Zuneigung zu erfahren, die Möngür Ughur
und früher auch Bahadur hatte zukommen lassen. Natürlich
hatte sie Angst davor, in die Gewalt der russischen Barbaren
zu geraten, von denen sie Dinge gehört hatte, die einem
das Blut in den Adern gefrieren ließen, aber es erfüllte sie
auch mit Stolz, ihrem Vater und dem Stamm einen wichtigen
Dienst erweisen zu dürfen. Vielleicht würde man, wenn
sie wieder nach Hause zurückkehrte, vergessen haben, dass
sie die Tochter einer verhassten Russin war, und sie mehr
achten als bisher.
Für einen Augenblick glitten ihre Gedanken zurück zu
ihrer Mutter, die sie im Alter von zwölf Jahren verloren
hatte. Möngür hatte die nicht mehr ganz junge Frau gekauft,
um von ihr Russisch zu lernen, damit die Händler ihn
nicht mehr so leicht übervorteilen konnten. Irgendwann
hatte er auch sie in seine Jurte geholt und dabei eine weitere
Tochter gezeugt. Obwohl ihre Mutter sich bis zuletzt vor
den Tataren geekelt hatte, war sie sehr liebevoll zu ihr gewesen
und hatte alles getan, um eine kleine Russin aus ihr
zu machen. Sie hatte ihr heimlich den russischen Namen
Tatjana gegeben, ihr Lesen und Schreiben beigebracht und
ihr von den wundersamen heiligen Männern und Frauen erzählt,
zu denen die Menschen ihrer Heimat beteten.
Die Geschichten von den vielen Heiligen hatte Schirin
nicht so ganz verstanden, denn schließlich gab es nur Allah,
der die Welt geschaffen hatte, und allein die Gebete, die ihm
galten, konnten etwas bewirken, und so hatte sie sich seit
dem Tod der Mutter ganz von dem Aberglauben abgewandt,
den die Stammesältesten als Gräuel bezeichneten. Nun
grauste es ihr bei dem Gedanken, dass man sie in der Gefangenschaft
zwingen würde, zu den drei christlichen Göttern
und deren nicht mehr zu zählenden Schar von angeblich
wundertätigen Gefolgsleuten zu beten, denn dann würde sie
vor Allahs Antlitz verflucht sein.
Zeyna ärgerte sich über Schirins Schweigen und schüttelte
sie heftig. »Hast du mich verstanden? Du wirst den Russen
als Möngürs ältester Sohn ausgeliefert, um deinen Vater zu
retten. Um Allahs willen darfst du dich aber niemals als
Mädchen zu erkennen geben, denn dann würden die Kosaken
wie wilde Tiere über dich herfallen, dich vergewaltigen
und dir anschließend die Kehle durchschneiden.«
Die Khanum hörte sich so an, als würde sie Schirin genau
dieses Schicksal vergönnen, aber ihre Worte fielen auf frucht
baren Boden. Schirin wurde klar, dass sie, solange die Russen
sie festhielten, jeden Tag und jede Stunde in höchster Gefahr
schweben würde. Das machte ihr Angst, und sie hätte Zeyna
am liebsten gebeten, jemand anderen an ihrer Stelle zu schicken,
einen jungen Mann, der sich als Möngürs Sohn ausgab.
Aber die Augen der Khanum verrieten ihr, dass ihre Bitte vergebens
sein würde. Krieger waren wertvoll, und ihr Vater
hatte entschieden, dass sie für den Stamm am entbehrlichsten
war. Der Gedanke tat ihr weh, dennoch nahm sie sich vor,
alles zu tun, um Möngür Khan nicht zu enttäuschen.
»Ich bin bereit, den Russen zu trotzen!«
Schirins Opferbereitschaft ist ebenso groß wie ihr Mut,
fuhr es Kitzaq durch den Kopf, und er schämte sich ein wenig
des falschen Spiels, das seine Schwester mit dem Mädchen
trieb. Doch wenn es half, seinen Schwager und die
gefangenen Krieger den Russen zu entreißen, mochte das
Opfer sich lohnen.
Er trat auf das Mädchen zu und strich ihr über das Haar.
»Vergiss nie, du tust es für unseren Stamm. Bleibe standhaft,
und vertraue auf Allah!«
Seine Schwester gab ihm einen Wink. »Geh jetzt, Kitzaq,
und schicke mir die anderen Weiber. Wir müssen Schirin auf
ihre Aufgabe vorbereiten, und da gibt es noch viel zu tun.
Sage den russischen Hunden, die dich begleitet haben, dass
der Sohn des Khans ihnen morgen bei Sonnenaufgang übergeben
wird.«
Bevor Kitzaq die Hütte verließ, drehte er sich noch einmal
um. »Welchen Namen soll ich ihnen nennen, wenn sie mich
fragen?«
Zeyna dachte an Bahadur, der der Sohn einer anderen
Frau gewesen war und dessen Tod ihren Sohn zum Erstgeborenen
und sie selbst zur Khanum gemacht hatte. Nun
würde sie ihn zu ihrem Nutzen wieder auferstehen lassen,
dachte sie und lächelte sehr zufrieden. »Sage ihnen, es handele
sich um Möngürs ältesten Sohn Bahadur.«
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Autoren-Porträt von Iny Lorentz
Im Jahre 2003 veröffentlichte Iny Lorentz ihren ersten historischen Roman: „Die Kastratin“. Es folgten in rasantem Tempo weitere Titel, darunter Bestseller wie „Die Wanderhure“, „Die Feuerbraut“ und „Die Tochter der Wanderhure“. „Ganz nebenbei“ verfasst Iny Lorentz noch unter verschiedenen Pseudonymen Fantasy-Romane und sogar Heimatliteratur. Bevor der Leser sich ob dieses Fleißes nun allzu sehr wundert, sei verraten: Iny musste die Arbeit nicht allein erledigen, ihr Mann Elmar war und ist immer dabei. „Iny Lorentz“ ist ein Pseudonym, hinter dem sich das Schriftstellerehepaar Iny und Elmar verbirgt. Der Verlag kreierte aus ihrem Vornamen und dem Namen von Elmars Vater den Künstlernamen, kurz und einprägsam.
Iny wurde 1949 in Köln geboren, wo sie die Schule besuchte und eine Ausbildung als Arzthelferin absolvierte. Nach dem Abitur im Abendgymnasium begann sie ein Medizinstudium, das sie aber aus finanziellen Gründen abbrechen musste. Sie wurde Programmiererin und zog 1980 nach München, um bei einer großen Versicherung zu arbeiten. Ihr Ehemann Elmar arbeitete seit 1981 ebenfalls dort. Er ist gebürtiger Bayer und stammt aus einem kleinen Bauerndorf mit gerade einmal fünf Höfen.
Beiden gemeinsam ist die große Leidenschaft für das Geschichtenerzählen. Elmar begann bereits in der Schule mit dem Schreiben, die Religionslehrerin erkannte und förderte sein Talent. Iny veröffentlichte schon in jungen Jahren Kurzgeschichten in Zeitschriften. Schließlich trafen sich die verwandten Seelen in einem Fantasy-Club und heirateten 1982, um von da an alles gemeinsam zu machen, auch das Schreiben. Zunächst arbeiteten sie viele Jahre abends und im Urlaub an ihren Büchern, nach den ersten Erfolgen widmeten sie sich dann ganz dem Schreiben.
Wie schon die Titel verraten (u. a. „Die
... mehr
Goldhändlerin“, „Die Pilgerin“, „Die Löwin“) sind immer Frauen die Hauptfiguren der historischen Romane. Iny und Elmar finden es einfach reizvoll, die „Geschichten von der schwächeren Seite aus aufzuzeigen, und über lange Jahrhunderte stellten Frauen aller Klassen diese schwächere Seite dar“. Man darf jedenfalls hoffen, dass noch viele weitere Geschichten folgen werden...
... weniger
Bibliographische Angaben
- Autor: Iny Lorentz
- 2005, 19. Aufl., 592 Seiten, Maße: 11,5 x 18 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: Droemer/Knaur
- ISBN-10: 3426628570
- ISBN-13: 9783426628577
- Erscheinungsdatum: 01.07.2005
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