Die Tote von Buckingham Palace
Als Mängel-Exemplar
nur
Im Morgengrauen wird Thomas Pitt vom Staatsschutz geweckt, um den Mord an einer Prostituierten zu klären. Sein anfängliches Unverständnis für die Dringlichkeit des Falles legt sich, als er den Tatort hört: Buckingham Palace. Die Anzahl der Verdächtigen ist klein. Es muss sich im Grunde um einen der Gäste des Prince of Wales handeln, die im Palast zusammengekommen sind, um ein politisches Großprojekt zu diskutieren. Der Prinz selbst wäre nur allzu bereit, das Geschehnis unter den Teppich zu kehren. Doch steht die Rückkehr der Queen unmittelbar bevor, und das Verbrechen soll unbedingt vorher aufgeklärt und möglichst aus der Welt geschafft sein. Mit größter Vorsicht beginnt Pitt zu ermitteln und erhält einen faszinierenden und gefährlichen Einblick in das Palastleben, in dem Gesetze nicht viel gelten ...
Im Morgengrauen wird Thomas Pitt vom Staatsschutz geweckt, um den Mord an einer Prostituierten zu klären. Sein anfängliches Unverständnis für die Dringlichkeit des Falles legt sich, als er den Tatort hört: Buckingham Palace. Die Anzahl der Verdächtigen ist klein. Es muss sich im Grunde um einen der Gäste des Prince of Wales handeln, die im Palast zusammengekommen sind, um ein politisches Großprojekt zu diskutieren. Der Prinz selbst wäre nur allzu bereit, das Geschehnis unter den Teppich zu kehren. Doch steht die Rückkehr der Queen unmittelbar bevor, und das Verbrechen soll unbedingt vorher aufgeklärt und möglichst aus der Welt geschafft sein. Mit größter Vorsicht beginnt Pitt zu ermitteln und erhält einen faszinierenden und gefährlichen Einblick in das Palastleben, in dem Gesetze nicht viel gelten ...
"Brillant geschrieben, genial konstruiert und voller Verwicklungen." - New York Times Book Review
"Anne Perry konfrontiert uns mit moralischen und politischen Fragen, die unseren modernen nur allzu nahe kommen." - Los Angeles Times
"Anne Perry schreibt viktorianische Krimis, dass Charles Dickens die Luft wegbleiben würde." - New York Times Book Review
Die Tote von Buckingham Palace von Anne Perry
LESEPROBE
»Allem Anschein nach hatman die Ärmste in der Wäschekammer aufgefunden«, beantwortete Narraway mürrischPitts Frage. Seine Augen waren so dunkel, dass sie im schwachen Licht, das imInneren der Droschke herrschte, schwarz erschienen. Bevor sein Untergebeneretwas darauf sagen konnte, verbesserte er sich: »Ich meine natürlich in einerder Wäschekammern des Buckingham- Palasts. Es handelt sich um einen ganzbesonders brutalen Mord.«
Der Droschkengaul ruckteso heftig an, dass Pitt förmlich in seinen Sitz zurückgeschleudert wurde. »UndSie sagen, es war eine Prostituierte?«, fragte er ungläubig.
Der Leiter desStaatsschutzes schwieg eine Weile. Die Hufe des Pferdes hallten auf demPflaster, während sich das linke Rad der Droschke bedrohlich dem Randstein desGehsteigs näherte. »Ich vermute, dass es sich bei dem Alarm um einengeschmacklosen Unfug handelt«, setzte Pitt nach, als das Gefährt in die Mall einbogund der Kutscher das Tier zu größerer Eile antrieb. »Äußerst geschmacklos«,stimmte ihm Narraway zu. »Trotzdem hätte ich nichts dagegen, wenn es sich soverhielte. Denn ich fürchte, dass die Sache ernst ist. Sollte sich aberherausstellen, dass dieser Cahoon Dunkeld unsere Zeit mit seiner Auffassung vonHumor vergeudet, würde ich ihn mit größter Bereitwilligkeit eigenhändig insGefängnis stecken - vorzugsweise in eins, wo ihm das Lachen gründlich vergeht.«
»Es muss ein üblerStreich sein«, sagte Pitt. Bei dem Gedanken lief es ihm kalt den Rückenhinunter. »Unmöglich kann es im Palast einen Mord gegeben haben. Wie solltenProstituierte überhaupt da hingekommen sein?«
»Durch die Tür, genauwie gleich wir beide«, gab sein Vorgesetzter zur Antwort. »Seien Sie nicht sonaiv. Bestimmt waren die dort deutlich willkommener als wir.«
Pitt vermied es,Narraway anzusehen, und fragte leicht gekränkt: »Wer ist dieser CahoonDunkeld?« Trotz gewisser exzentrischer Verhaltensweisen, die Königin Viktorianachgesagt wurden, und obwohl ihm bewusst war, dass sie im Volk nicht immerbeliebt gewesen war, verehrte er sie sehr. Sie war nicht mehr die Jüngste undentzog sich in ihrer anscheinend endlosen Trauer um den vor langer Zeitverstorbenen Prinzgemahl nicht nur den Freuden des Daseins, sondern vernachlässigteauch ihre Pflichten. Was den Kronprinzen betraf, so war Pitt einige Jahre zuvoraus nächster Nähe Zeuge von dessen Genusssucht und verschwenderischem Lebensstilgeworden. Überdies war ihm bekannt, dass er sich mehrere ausgesprochen aufwendigeMätressen hielt. Damals war Pitt als Oberinspektor Leiter der Wache in der BowStreet gewesen, und bei der Verschwörung um den Prinzen, die Pitt das Amtgekostet hatte, war der Thron gefährlich ins Wanken geraten. Danach hatte ereine Anstellung beim Staatsschutz gefunden, wo er für Victor Narraway arbeiteteund mit so mancher Form von Verrat, Anarchie und anderen subversivenHandlungsweisen gegen den Staat in Berührung gekommen war.
Doch die Vorstellung, eskönne Prostituierte im Palast der Königin geben, war noch einmal etwas völliganderes. Der bloße Gedanke widerte ihn an. Es fiel ihm schwer, seinen Abscheuzu verbergen, obwohl er wusste, dass Narraway seinen Idealismus unangebrachtund eher belustigend fand.
»Wer ist dieser CahoonDunkeld?«, wiederholte Pitt seine Frage.
Narraway beugte sichleicht vor. Das Sonnenlicht des frühen Morgens fiel durch das Blätterdach amRande der Mall und malte bunte Muster auf das Straßenpflaster. Es war keineWohn- gegend, noch herrschte wenig Verkehr, und die wenigen Reiter, die bereitsunterwegs sein mochten, trabten wohl eher am Rande des Hyde Parks über denReitweg Rotten Row.
»Ein zweifellos fähigerund, wenn er will, ausgesprochen liebenswürdiger Abenteurer, der nachAnerkennung giert und sich Zugang zu den besseren Kreisen verschaffen möchte«,sagte Narraway. »Außerdem gilt er als guter Freund Seiner Königlichen Hoheitdes Kronprinzen.«
»Und was tut er in allerHerrgottsfrühe im Palast?«
»Genau das werden wirfestzustellen versuchen«, knurrte Narraway. Inzwischen hatten sie ihr Zielerreicht. Die Spitzen des schmiedeeisernen Gitters waren vergoldet. Am Torstanden Gardisten mit gewaltigen Bärenfellmützen Wache; ihre roten Uniformröckeleuchteten im Sonnenlicht.
Pitt ließ den Blick überdie lange Fassade des Palasts und dann empor zum Dach schweifen und saherleichtert, dass dort keine Fahne wehte. Die Königin war also nicht anwesend.Zugleich war er in unerklärlicher Weise enttäuscht. Sicherlich fände Narraway PittsWunsch, noch einmal einen Blick auf Ihre Majestät zu erhaschen, unverständlich.Unwillkürlich beschleunigte sich sein Puls; er setzte sich ein wenig aufrechterhin, hob das Kinn und straffte die Schultern.
Falls das Narrawayaufgefallen war, gestattete er sich nicht das leiseste Lächeln.
Sie wandten sich nachrechts, dem Lieferanteneingang zu. Die Schildwache am Tor hielt sie an, dochals Narraway seinen Namen nannte, trat der Mann sogleich zurück und salutiertezum Erstaunen des Droschkenkutschers.
Zehn Minuten späterführte ein ziemlich schmächtiger Mann mit straffen Schultern, der sich alsOberdiener Tyndale vorgestellt hatte, Pitt und Narraway eine breitegeschwungene Treppe hinauf. Obwohl der Mann nach Pitts Schätzung sicher um die Mittefünfzig war, bewegte er sich überraschend flink. Auch wenn er die beidenBesucher höflich behandelte, schien er so erschüttert zu sein, dass es ihmschwerfiel, Haltung zu bewahren.
Zu jeder anderen Zeithätte die Vorstellung, sich im Buckingham- Palast zu befinden, Pitt begeistert,jetzt aber überschattete die Aufgabe, die vor ihnen lag, jeden anderenGedanken. Unter diesen Umständen waren aller Prunk und alle Großartigkeitbedeutungslos. Ob es sich wirklich um einen hirnverbrannten Streich handelte? Tyndalesbleiches Gesicht sprach dagegen. Zum ersten Mal, seit Narraway in der Droschkeseine sonderbare Aussage gemacht hatte, hielt Pitt es für möglich, dass es mehrwar als ein übler Scherz.
Oben angekommen, klopfteTyndale an eine Tür zu ihrer Linken. Der Mann, der ihnen öffnete, hatte eintief gebräuntes, von Wind und Wetter gegerbtes Gesicht. Er war weit größer alsTyndale, hatte breite Schultern und wirkte ungemein dynamisch. Nicht einmal dieStirnglatze war seinem ausgesprochen guten Aussehen abträglich. Da seine Brauenpechschwarz waren, durfte man annehmen, dass seine grauen Haare früher von dergleichen Farbe gewesen waren.
»Die Herren vomStaatsschutz, Mr Dunkeld«, sagte der Oberdiener ruhig.
»Gut«, gab derAngesprochene zurück. »Sie können gehen.
Sorgen Sie aber dafür,dass man uns nicht stört, oder besser noch, dass niemand von der Dienerschaftheraufkommt.« Er wandte sich Narraway zu, als sei Tyndale bereits gegangen.»Narraway?«, fragte er.
Dieser nicktebestätigend und stellte Pitt vor.
»Cahoon Dunkeld«, sagteder Breitschultrige und schüttelte Narraway flüchtig die Hand. Pitt bedachte erlediglich mit einem angedeuteten Lächeln. Mit den Worten »Treten Sie ein und schließenSie die Tür« wandte er sich um und ging voraus in ein mit Möbeln vollgestelltesZimmer, dessen breite, hohe Fenster auf den Park gingen. Die Kronen der Bäumein der Ferne sahen im Morgenlicht aus wie reglose grüne Wolken.
Dunkeld, der mitten imZimmer stehen geblieben war, sprach ausschließlich zu Narraway. »Es ist zueinem entsetzlichen Zwi- schenfall gekommen. Noch nie im Leben habe ich etwasso Bestialisches gesehen. Wie das ausgerechnet hier geschehen konnte, entziehtsich meinem Verständnis.«
»Berichten Sie genau,was geschehen ist, Mr Dunkeld«, sagte Narraway. »Von Anfang an.«
Dunkeld zuckte zusammen,als bereite ihm schon der Gedanke
daran Unbehagen. »VonAnfang an? Ich bin früh wach geworden
« Demonstrativ nahmNarraway in einem der mit bordeauxfarbenem
Brokat bezogenenPolstersessel Platz, ohne von Dunkeld dazu aufgefordert worden zu sein. Erschlug die Beine übereinander, was nicht ganz so elegant aussah, wie er es wohlbeabsichtigt hatte, und wiederholte: »Von Anfang an, Mr Dunkeld. Wer sind Sie,und was tun Sie um diese frühe Stunde hier im Palast?« »Zum Henker «, brach esaus Dunkeld heraus. Dann setzte er sich ebenfalls und begann zu erklären. Eskostete ihn sichtlich Mühe, sich zu beherrschen. Er erweckte den Eindruck einesMenschen, der der Laune eines ihm geistig Unterlegenen nachgab, und schiennicht begriffen zu haben, worauf Narraway hinauswollte. Nervös trommelten dieFinger seiner Rechten auf der Sessellehne. »Seine Königliche Hoheit, der Prinzvon Wales, interessiert sich sehr für ein technisches Projekt, das meine Firmaund einige meiner Kollegen vorantreiben wollen«, begann er. »Vier von uns haltensich im Augenblick hier auf, um über die sich daraus ergebenden Möglichkeitenzu sprechen - die Einzelheiten, wenn Sie so wollen. Wir sind in Begleitungunserer Ehefrauen, damit die Sache nach einem gesellschaftlichen Anlassaussieht. Die anderen drei Herren sind Julius Sorokine, Simnel Marquand undHamilton Quase. Wir befinden uns bereits seit zwei Tagen hier, und die Gesprächehaben äußerst vielversprechend begonnen.«
Pitt, der stehengeblieben war, beobachtete Dunkeld aufmerksam, während er ihm zuhörte. DasGesicht des Mannes wirkte angespannt, seine Augen schienen vor Begeisterung zuleuchten. Die Knöchel seiner linken Hand, mit der er die Sessellehneumklammerte, standen weiß hervor.
»Gestern Abend haben wirden erzielten Fortschritt gefeiert«, fuhr der Mann fort. »Ich nehme an, dassSie ein Mann von Welt sind, sodass ich Ihnen nicht alles in Einzelheitenauszumalen brauche? Die Damen haben sich früh zurückgezogen, während SeineKönigliche Hoheit und wir in weiblicher Gesellschaft noch ziemlich langeaufgeblieben sind. Es gab sehr guten Kognak, und so waren alle in bester undgelöster Stimmung.« Während er sprach, sah er nicht ein einziges Mal zu Pitthin, als sei dieser unsichtbar, nichts weiter als ein Diener.
»Ich verstehe«, sagteNarraway ausdruckslos.
»Wir haben unsirgendwann nach Mitternacht zurückgezogen «, setzte Dunkeld seinen Berichtfort. »Wie gesagt, bin ich früh wach geworden - ich glaube, gegen sechs. Ichwar noch im Morgenmantel, als mir mein Kammerdiener eine Mitteilung brachte, dieer telefonisch bekommen hatte. Da es um etwas ging, was der Kronprinz sogleichwissen wollte, habe ich ihm trotz der frühen Stunde meine Aufwartung gemacht.Danach bin ich in mein Zimmer zurückgekehrt, habe mich rasiert, angekleidet undeine Tasse Tee zu mir genommen. Als ich Seine Königliche Hoheit noch einmalaufsuchen wollte, um die Sache weiter mit ihm zu besprechen, sah ich auf demGang, dass die Tür der Wäschekammer leicht offen stand.« Seine Stimme klangangespannt. »An und für sich ist das selbstverständlich ohne jede Bedeutung,aber ich nahm einen sonderbaren Geruch wahr und öffnete daher die Tür einwenig. Da sah ich wohl das Schrecklichste, was mir je begegnet ist.« Eröffnete und schloss die Augen rasch und schien eine Weile zu brauchen, um sichwieder zu fassen.
Narraway sah den Mannunverwandt an, ohne dessen Bericht zu unterbrechen. ( )
© Heyne Verlag
Übersetzung: K.Schatzhauser
- Autor: Anne Perry
- 2007, 1, 430 Seiten, Maße: 14 x 22 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzung: Schatzhauser, K.
- Verlag: Heyne
- ISBN-10: 3453010264
- ISBN-13: 9783453010260
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