Die Vertraute des Königs
Sie ist die Mätresse des Königs von England. Und damit schwebt sie schon bald in Lebensgefahr.
"Ein Traum für alle Liebhaber von Mittelalter-Romanen."
ROMANTIC TIMES
England im 14. Jahrhundert: Die...
Leider schon ausverkauft
versandkostenfrei
Weltbild Ausgabe
10.99 €
- Lastschrift, Kreditkarte, Paypal, Rechnung
- Kostenlose Rücksendung
Produktdetails
Produktinformationen zu „Die Vertraute des Königs “
Sie ist die Mätresse des Königs von England. Und damit schwebt sie schon bald in Lebensgefahr.
"Ein Traum für alle Liebhaber von Mittelalter-Romanen."
ROMANTIC TIMES
England im 14. Jahrhundert: Die 14-jährige Alice geht eine arrangierte Ehe mit dem Kaufmann Janyn ein. Sie wird glücklich mit ihm - bis er eines Tages plötzlich spurlos verschwindet. Alice erfährt erst jetzt, dass er viele Geheimnisse hatte, die jetzt lebensbedrohlich für sie werden. Sie kommt zum Schutz an den Hof von König Edward III., den sie schon lange insgeheim verehrt hat. Edward verliebt sich in Alice und macht sie zu seiner Lieblingsmätresse. Doch nicht nur Edwards Frau Philippa ist gegen die Verbindung. Und schon bald schwebt Alice wieder in Gefahr.
Lese-Probe zu „Die Vertraute des Königs “
Die Vertraute des Königs von Emma CampionErstes Buch
Unschuld tritt ins Leben
»Wie A als erstes Zeichen unsrer Schrift Voran sie allen ging, in Schönheit einzig. Ihr lieblich Bild entzückte rings die Menge. Ein Wesen nie man sah des Preisens würdger, Noch strahlender ein Stern in schwarzer Nacht.«
Geoffrey Chaucer:
Troilus und Criseyde, I 171 - 175
Wann hatte ich je die Wahl, anders zu sein, als ich war? Hätte ich selbstsüchtiger sein sollen? Starrköpfiger, aufsässiger? War ich zu fügsam gewesen, zu schnell bereit, den Männern in meinem Leben zu geben, was sie zu begehren glaubten? Bin ich ein sündiges Frauenzimmer oder eine stets gehorsame Magd? Schicklich waren für mich als Frau nur die Rollen als jungfräuliche Tochter, Eheweib oder Witwe - es sei denn natürlich, ich wäre ins Kloster gegangen. Gewesen bin ich alles drei, Tochter, Eheweib, Witwe und noch ein viertes - Mätresse.
Mein Liebhaber ist inzwischen schon lange tot, und ich spüre auch meinen Tod nahen. Ich schreibe dies für meine Kinder in der Hoffnung, sie mögen Verständnis zeigen. Ich begann mein Leben in höchst ehrsamer Weise, doch die königliche Familie überzog meinen Weg mit so vielen Fallstricken, dass jeder, der den ersten Stein werfen möchte, dies selbst heute noch beruhigt tun kann, denn von falschen 12 Anschuldigungen kann ich mich nicht befreien. Wann aber hatte ich je die Wahl, anders zu sein, als ich war? Das bleibt die entscheidende Frage in meinem Leben.
London 1355
... mehr
Unsere Pfarrkirche St. Antonin in der Watling Street östlich von St. Paul's Cathedral war wochentags vom steten Gesumm der Stiftungsmessen erfüllt. Schon lange wurde unsere Gemeinde von wohlhabenden Händlern geprägt, deren Glaubensbekenntnisse sich vor allem aus dem Lehrsatz Jesu ableiteten, eher würde ein Kamel durch ein Nadelöhr gehen, denn dass ein Reicher ins Reich Gottes komme, und so stifteten sie große Summen, für die nach ihrem Tod Messen gelesen werden sollten. Da es sich um eine alte Gemeinde handelte, in der viele wohlhabende, Erlösung begehrende Männer und deren Frauen begraben lagen, waren die mit den Messstipendien betrauten Priester fast pausenlos mit Gebeten beschäftigt.
Ich verbrachte an Werktagen gerne meine Zeit in St. Antonin. Es war der einzige Ort, den ich allein, ohne Begleitung eines Erwachsenen, aufsuchen durfte, und hier fühlte ich mich sicher. Das Gemurmel der betenden Priester umhüllte mich, und die vertrauten Gemälde und Statuen unseres Erlösers, der Heiligen Mutter Gottes und all der Heiligen erinnerten mich daran, dass ich den Satan niemals zu fürchten brauchte, solange ich nur meine Gebete aufsagen und den mir auferlegten Pflichten nachkommen würde. Ich war glücklich naiv, unschuldig in den Dingen des Lebens. Sonntags und an wichtigen Festtagen fehlte der Atmosphäre des Kirchleins diese Geborgenheit eines Mutterschoßes, da an solchen Tagen mit Ausnahme der Bettlägerigen alle Gemeindemitglieder die Messe besuchten. Dann protzten die reichen Kaufleute mit ihrem Erfolg, indem sie stolz ihre vornehm gekleideten Familien zur Schau stellten, während die Klatschmäuler aufmerksam jede Veränderung in der Versammlung, oder besser gesagt, jede Veränderung bei den Versammelten genau registrierten - etwa eine geschwollene Lippe oder ein geschwollener Bauch, verborgen unter einem verräterisch weit geschnittenen Gewand, oder ein sündhaft teurer neuer Kopfputz -, auf dass nach der Messe und in den Folgetagen alle Beobachtungen ausgiebig beredet und aufgeklärt werden konnten. An diesen geschäftigeren Tagen sonnte auch ich mich im Licht meiner stattlich anzuschauenden Familie.
Es dürfte mir schon lange bewusst gewesen sein, dass St. Antonin sonntags außerdem als Hochzeitsmarkt diente, aber dank des Talents, das wir als Kinder darin besitzen, alles zu ignorieren, was uns nicht betrifft oder interessiert, habe ich mich um diesen Aspekt des Tages nie gekümmert. Bis ich an die Reihe kam.
Ich beginne meine Geschichte damit, wie ich an diesem Ort, der wochentags meine sichere Zufluchtsstätte war, zum ersten Mal als Handelsware präsentiert wurde. Es war der Herbst nach meinem dreizehnten Geburtstag.
Es bedeutete keine Überraschung für mich, dass ich verheiratet werden würde, sobald ich das entsprechende Alter erreicht hatte. Der Wert, den ein Mädchen wie ich für seine Familie besaß, war seine Vermählbarkeit, entweder an einen Sterblichen oder an Christus. Solange ich zurückdenken kann, war mir dieser Sachverhalt klar, und von der Bereitschaft, mich in ein Kloster eintreten zu lassen, hatten meine Eltern nie gesprochen. Vater war ein angesehenes Mitglied seiner Kaufmannsgilde, ein Händler von feinem Tuch und Edelsteinen sowie Teilhaber einer Seehandelsge-sellschaft. Meine Vermählung sollte ihm mehr Wohlstand oder einen höheren gesellschaftlichen Rang einbringen, am besten beides.
Ich machte es den Plänen meiner Eltern leicht - anmutig, gut gebaut, schicklich, geistreich, dabei aber keineswegs offen eigenwillig. Ebenso vorzeigbar und ansehnlich wie Vaters Edelware. Ich selbst war bereit und willig, mich verloben zu lassen, da ich annahm, mein Leben würde erst mit diesem Schritt beginnen. Und das Ergebnis des Sonntags, von dem ich nun berichten möchte, bestimmte zweifellos den Rest meines Lebens, im Guten wie im Schlechten.
Kurz zuvor hatte mein erster Monatsfluss eingesetzt, was ich sofort als klares Warnzeichen begriff, dass meine Eltern demnächst anfangen würden, nach einer für die Familie vorteilhaften Verbindung für mich Ausschau zu halten. Dass sie derart rasch in Aktion treten würden, hatte ich allerdings nicht erwartet. Auf die übliche eisige Weise erklärte mir Mutter, ich sei jetzt in dem Alter, meine Rolle in der Familie zu erfüllen und die Verknüpfung zu einer anderen erfolgreichen Kaufmannsfamilie herzustellen, und daher sehe sie keinen Anlass, noch länger zu warten.
»Das Geld, das wir bislang für deinen Besuch der Klosterschule verwendet haben, ist anderweitig sinnvoller ausgegeben. Du wirst nicht dorthin zurückkehren.
« Freiwillig verschwendete sie tatsächlich nichts auf mich, insbesondere keine Zuneigung. Die sparte sie lieber für meinen Bruder John, den Ältesten unter uns. Sie hatte sogar erklärt, ihre Milch sei völlig aufgebraucht worden, als sie ihn gestillt habe, weshalb sie vor meiner Geburt eine Amme in Dienst stellte. Meine beiden jüngeren Geschwister waren später ebenfalls von Ammen versorgt worden, und nach dem Abstillen hatte sich Nan um uns alle gekümmert, ein Hausmädchen, das sich mit Hingabe und Zuneigung jedem unserer Bedürfnisse annahm. Aber ganz vermochte auch sie nicht, Mutters Gleichgültigkeit aufzuwiegen.
Vater war mein großer Förderer. Er hatte auf meinem Besuch der Klosterschule bestanden, und er hatte mir auch, ohne das Wissen von Mutter, nicht nur viel über Tucharten und deren Güteklassen beigebracht, sondern auch darüber, wie man einen guten Preis aushandelt und Bücher führt. Von ihm dazu ermuntert, hielt ich mich häufig hinter dem Türvorhang zu dem Gewölbekeller in unserem Haus verborgen, wo er seine Waren lagerte und vorführte, und lauschte dort seinen Verhandlungen mit Kunden. Anschließend erklärte er mir dann seine Schachzüge. Meine frühreifen Vorschläge schienen ihm zu gefallen. Mir wiederum gefiel, dieses kleine Geheimnis mit Vater zu teilen, und ich erzählte niemandem davon, nicht einmal meinem besten Freund Geoffrey Chaucer.
An diesem schicksalhaften Sonntag spürte ich, wie alle Hausbewohner schon seit dem Aufstehen vor Anspannung den Atem anzuhalten schienen. Vater pfiff nervös vor sich hin und fragte Nan zweimal danach, wo seine Stiefel standen, während er in der Wohnhalle herumlief. John war bereits vorzeitig fertig und wirkte ebenfalls unruhig.
Mein Kleid und mein Surcot waren aus Mutters erst kürzlich abgelegten Sachen geschneidert worden, ein azurfarbenes Kleid - aus Scharlach, dem feinsten Wollstoff - und ein Überwurf in Lincolngrün. Hatte sie sonst stets die Anweisung erteilt, meine Kleider weit und unförmig zu schneidern, sollte es diesmal eng an meinem erblühenden Busen und meiner schlanken Taille anliegen. Nans Hände zitterten, als sie mich gemeinsam mit einem anderen Mädchen, das ähnlich angespannt wirkte, fertig ankleidete. Beide beschäftigte zweifellos die bange Frage, ob Mutter sich mit meinem Aufzug zufrieden zeigen und keinen Anlass zu einem Wutausbruch finden würde.
Obwohl ich fast bewegungslos dasaß, während Nan mir das Haar kämmte, bebte auch ich innerlich vor erwartungsvoller Aufregung. Ich lenkte mich ab, indem ich zu erraten suchte, welchen wohlhabenden Kaufmann Vater für mich im Auge hatte. Wie ich wusste, würde er nicht einfach den bestaussehenden Mann mit dem freundlichsten Wesen auswählen, da meine Heirat ja darauf abzielte, eine Allianz zu knüpfen zwischen unserem prosperierenden Haus mit einem anderen, möglichst noch bedeutenderen. Ebenso wenig durfte ich auf jemanden in meinem Alter hoffen.
Eine Weile hatte ich geglaubt, mein bester Freund Geoffrey könne der Auserwählte sein, aber seine Eltern hatten ihn jüngst fortgeschickt, um als Knappe in einem Adelshaus zu dienen. Als er meine Enttäuschung bemerkte, hatte Vater mich daran erinnert, dass die Chaucers zwar den entsprechenden Wohlstand und das nötige Ansehen besaßen, ihr Sohn aber erst dreizehn Jahre alt war. Um heiraten zu können, musste ein junger Mann jedoch über die Stellung oder die finanziellen Mittel verfügen, die es ihm ermöglichten, einen Hausstand zu unterhalten, und Geoffrey hatte weder das eine noch das andere.
Ich wurde durch Nan aus meinen Grübeleien gerissen, die mir signalisierte, ich solle mich umdrehen, damit sie überprüfen konnte, ob alles ordentlich zugeknöpft war und richtig saß. Sie klatschte in die Hände, während ich mich vor ihr im Kreis drehte, aber als ich ihr wieder zugewandt war, sah ich, dass sie weinte.
»Nan, was ist nicht in Ordnung? «
»Ihr werdet bis heute Abend gewiss schon ein Dutzend Heiratsangebote haben und an Weihnachten verheiratet sein«, schluchzte sie. »Und dann werde ich Euch nicht mehr sehen. Ihr werdet Eure alte Nan vergessen.
« Ich drückte sie so fest an mich, dass sie aufschrie und sich losmachte. »Ich hab dich viel zu lieb, um dich zu vergessen «, sagte ich und meinte es von ganzem Herzen.
»Ihr ruiniert mir noch meine ganze Arbeit «, protestierte sie, aber ich merkte, wie sehr sie meine Reaktion freute. Als ich in die Wohnhalle trat, unterbrach mein Bruder John sein Herumlaufen, um mich anzusehen. Dann senkte er den Blick und ließ den Kopf von einer Seite zur anderen wandern, als würde er auf dem Boden nach etwas suchen.
»Was ist?«, fragte ich.
Er sah wieder auf. Sein Blick fiel erst auf mein inzwischen errötetes Gesicht, dann auf meinen Hals und Nacken, die weitgehend unbekleidet waren.
»Ich erkenne dich kaum, so angezogen «, murmelte er und wandte sich zu Vater, der zu uns getreten war.
»Um Himmels willen, Alice, kau nicht so auf deiner Lippe herum. « Vater zog mich auf die Seite. »Du hast keinerlei Grund, dir Sorgen zu machen. Dies ist der Tag, an dem du dich deiner Jugend und Schönheit erfreuen sollst, ja?« Er nahm eine meiner Hände, beugte sich hinab und küsste sie, bevor er ein Stück zurücktrat, um mich aufmerksam zu mustern. »Grundgütiger Himmel «, entfuhr es ihm leise. Er lächelte nicht, aber seine Miene verfinsterte sich auch nicht. »Sehe ich schön aus, Vater? «, fragte ich, verwirrt über seinen Gesichtsausdruck.
»Das tust du gewiss. Deine Mutter wird heute stolz auf dich sein. Wir alle werden stolz auf dich sein.«
»Werdet Ihr mir denn jetzt sagen, wer mich heute beim Beten am genausten beobachten wird, Vater? Ich weiß, dass Ihr mit jemandem gesprochen habt.«
Er nahm den Hut ab und betupfte seine Stirn, die trotz der Kühle in der Halle schweißnass war. »Du wirst ihn noch früh genug sehen, Alice, noch früh genug. Tritt bescheiden auf und lächele allen nett zu, die dich grüßen. Es ist immer von Vorteil, noch ein paar Anwärter in Reserve zu haben, he?«
Genehmigte Lizenzausgabe für Verlagsgruppe Weltbild GmbH, Steinerne Furt, 86167 Augsburg
Originalausgabe © 2009 Emma Campion
deutschsprachige Ausgabe © 2010 Wilhelm Heyne Verlag, München
Übersetzung: Jens Plassman
Unsere Pfarrkirche St. Antonin in der Watling Street östlich von St. Paul's Cathedral war wochentags vom steten Gesumm der Stiftungsmessen erfüllt. Schon lange wurde unsere Gemeinde von wohlhabenden Händlern geprägt, deren Glaubensbekenntnisse sich vor allem aus dem Lehrsatz Jesu ableiteten, eher würde ein Kamel durch ein Nadelöhr gehen, denn dass ein Reicher ins Reich Gottes komme, und so stifteten sie große Summen, für die nach ihrem Tod Messen gelesen werden sollten. Da es sich um eine alte Gemeinde handelte, in der viele wohlhabende, Erlösung begehrende Männer und deren Frauen begraben lagen, waren die mit den Messstipendien betrauten Priester fast pausenlos mit Gebeten beschäftigt.
Ich verbrachte an Werktagen gerne meine Zeit in St. Antonin. Es war der einzige Ort, den ich allein, ohne Begleitung eines Erwachsenen, aufsuchen durfte, und hier fühlte ich mich sicher. Das Gemurmel der betenden Priester umhüllte mich, und die vertrauten Gemälde und Statuen unseres Erlösers, der Heiligen Mutter Gottes und all der Heiligen erinnerten mich daran, dass ich den Satan niemals zu fürchten brauchte, solange ich nur meine Gebete aufsagen und den mir auferlegten Pflichten nachkommen würde. Ich war glücklich naiv, unschuldig in den Dingen des Lebens. Sonntags und an wichtigen Festtagen fehlte der Atmosphäre des Kirchleins diese Geborgenheit eines Mutterschoßes, da an solchen Tagen mit Ausnahme der Bettlägerigen alle Gemeindemitglieder die Messe besuchten. Dann protzten die reichen Kaufleute mit ihrem Erfolg, indem sie stolz ihre vornehm gekleideten Familien zur Schau stellten, während die Klatschmäuler aufmerksam jede Veränderung in der Versammlung, oder besser gesagt, jede Veränderung bei den Versammelten genau registrierten - etwa eine geschwollene Lippe oder ein geschwollener Bauch, verborgen unter einem verräterisch weit geschnittenen Gewand, oder ein sündhaft teurer neuer Kopfputz -, auf dass nach der Messe und in den Folgetagen alle Beobachtungen ausgiebig beredet und aufgeklärt werden konnten. An diesen geschäftigeren Tagen sonnte auch ich mich im Licht meiner stattlich anzuschauenden Familie.
Es dürfte mir schon lange bewusst gewesen sein, dass St. Antonin sonntags außerdem als Hochzeitsmarkt diente, aber dank des Talents, das wir als Kinder darin besitzen, alles zu ignorieren, was uns nicht betrifft oder interessiert, habe ich mich um diesen Aspekt des Tages nie gekümmert. Bis ich an die Reihe kam.
Ich beginne meine Geschichte damit, wie ich an diesem Ort, der wochentags meine sichere Zufluchtsstätte war, zum ersten Mal als Handelsware präsentiert wurde. Es war der Herbst nach meinem dreizehnten Geburtstag.
Es bedeutete keine Überraschung für mich, dass ich verheiratet werden würde, sobald ich das entsprechende Alter erreicht hatte. Der Wert, den ein Mädchen wie ich für seine Familie besaß, war seine Vermählbarkeit, entweder an einen Sterblichen oder an Christus. Solange ich zurückdenken kann, war mir dieser Sachverhalt klar, und von der Bereitschaft, mich in ein Kloster eintreten zu lassen, hatten meine Eltern nie gesprochen. Vater war ein angesehenes Mitglied seiner Kaufmannsgilde, ein Händler von feinem Tuch und Edelsteinen sowie Teilhaber einer Seehandelsge-sellschaft. Meine Vermählung sollte ihm mehr Wohlstand oder einen höheren gesellschaftlichen Rang einbringen, am besten beides.
Ich machte es den Plänen meiner Eltern leicht - anmutig, gut gebaut, schicklich, geistreich, dabei aber keineswegs offen eigenwillig. Ebenso vorzeigbar und ansehnlich wie Vaters Edelware. Ich selbst war bereit und willig, mich verloben zu lassen, da ich annahm, mein Leben würde erst mit diesem Schritt beginnen. Und das Ergebnis des Sonntags, von dem ich nun berichten möchte, bestimmte zweifellos den Rest meines Lebens, im Guten wie im Schlechten.
Kurz zuvor hatte mein erster Monatsfluss eingesetzt, was ich sofort als klares Warnzeichen begriff, dass meine Eltern demnächst anfangen würden, nach einer für die Familie vorteilhaften Verbindung für mich Ausschau zu halten. Dass sie derart rasch in Aktion treten würden, hatte ich allerdings nicht erwartet. Auf die übliche eisige Weise erklärte mir Mutter, ich sei jetzt in dem Alter, meine Rolle in der Familie zu erfüllen und die Verknüpfung zu einer anderen erfolgreichen Kaufmannsfamilie herzustellen, und daher sehe sie keinen Anlass, noch länger zu warten.
»Das Geld, das wir bislang für deinen Besuch der Klosterschule verwendet haben, ist anderweitig sinnvoller ausgegeben. Du wirst nicht dorthin zurückkehren.
« Freiwillig verschwendete sie tatsächlich nichts auf mich, insbesondere keine Zuneigung. Die sparte sie lieber für meinen Bruder John, den Ältesten unter uns. Sie hatte sogar erklärt, ihre Milch sei völlig aufgebraucht worden, als sie ihn gestillt habe, weshalb sie vor meiner Geburt eine Amme in Dienst stellte. Meine beiden jüngeren Geschwister waren später ebenfalls von Ammen versorgt worden, und nach dem Abstillen hatte sich Nan um uns alle gekümmert, ein Hausmädchen, das sich mit Hingabe und Zuneigung jedem unserer Bedürfnisse annahm. Aber ganz vermochte auch sie nicht, Mutters Gleichgültigkeit aufzuwiegen.
Vater war mein großer Förderer. Er hatte auf meinem Besuch der Klosterschule bestanden, und er hatte mir auch, ohne das Wissen von Mutter, nicht nur viel über Tucharten und deren Güteklassen beigebracht, sondern auch darüber, wie man einen guten Preis aushandelt und Bücher führt. Von ihm dazu ermuntert, hielt ich mich häufig hinter dem Türvorhang zu dem Gewölbekeller in unserem Haus verborgen, wo er seine Waren lagerte und vorführte, und lauschte dort seinen Verhandlungen mit Kunden. Anschließend erklärte er mir dann seine Schachzüge. Meine frühreifen Vorschläge schienen ihm zu gefallen. Mir wiederum gefiel, dieses kleine Geheimnis mit Vater zu teilen, und ich erzählte niemandem davon, nicht einmal meinem besten Freund Geoffrey Chaucer.
An diesem schicksalhaften Sonntag spürte ich, wie alle Hausbewohner schon seit dem Aufstehen vor Anspannung den Atem anzuhalten schienen. Vater pfiff nervös vor sich hin und fragte Nan zweimal danach, wo seine Stiefel standen, während er in der Wohnhalle herumlief. John war bereits vorzeitig fertig und wirkte ebenfalls unruhig.
Mein Kleid und mein Surcot waren aus Mutters erst kürzlich abgelegten Sachen geschneidert worden, ein azurfarbenes Kleid - aus Scharlach, dem feinsten Wollstoff - und ein Überwurf in Lincolngrün. Hatte sie sonst stets die Anweisung erteilt, meine Kleider weit und unförmig zu schneidern, sollte es diesmal eng an meinem erblühenden Busen und meiner schlanken Taille anliegen. Nans Hände zitterten, als sie mich gemeinsam mit einem anderen Mädchen, das ähnlich angespannt wirkte, fertig ankleidete. Beide beschäftigte zweifellos die bange Frage, ob Mutter sich mit meinem Aufzug zufrieden zeigen und keinen Anlass zu einem Wutausbruch finden würde.
Obwohl ich fast bewegungslos dasaß, während Nan mir das Haar kämmte, bebte auch ich innerlich vor erwartungsvoller Aufregung. Ich lenkte mich ab, indem ich zu erraten suchte, welchen wohlhabenden Kaufmann Vater für mich im Auge hatte. Wie ich wusste, würde er nicht einfach den bestaussehenden Mann mit dem freundlichsten Wesen auswählen, da meine Heirat ja darauf abzielte, eine Allianz zu knüpfen zwischen unserem prosperierenden Haus mit einem anderen, möglichst noch bedeutenderen. Ebenso wenig durfte ich auf jemanden in meinem Alter hoffen.
Eine Weile hatte ich geglaubt, mein bester Freund Geoffrey könne der Auserwählte sein, aber seine Eltern hatten ihn jüngst fortgeschickt, um als Knappe in einem Adelshaus zu dienen. Als er meine Enttäuschung bemerkte, hatte Vater mich daran erinnert, dass die Chaucers zwar den entsprechenden Wohlstand und das nötige Ansehen besaßen, ihr Sohn aber erst dreizehn Jahre alt war. Um heiraten zu können, musste ein junger Mann jedoch über die Stellung oder die finanziellen Mittel verfügen, die es ihm ermöglichten, einen Hausstand zu unterhalten, und Geoffrey hatte weder das eine noch das andere.
Ich wurde durch Nan aus meinen Grübeleien gerissen, die mir signalisierte, ich solle mich umdrehen, damit sie überprüfen konnte, ob alles ordentlich zugeknöpft war und richtig saß. Sie klatschte in die Hände, während ich mich vor ihr im Kreis drehte, aber als ich ihr wieder zugewandt war, sah ich, dass sie weinte.
»Nan, was ist nicht in Ordnung? «
»Ihr werdet bis heute Abend gewiss schon ein Dutzend Heiratsangebote haben und an Weihnachten verheiratet sein«, schluchzte sie. »Und dann werde ich Euch nicht mehr sehen. Ihr werdet Eure alte Nan vergessen.
« Ich drückte sie so fest an mich, dass sie aufschrie und sich losmachte. »Ich hab dich viel zu lieb, um dich zu vergessen «, sagte ich und meinte es von ganzem Herzen.
»Ihr ruiniert mir noch meine ganze Arbeit «, protestierte sie, aber ich merkte, wie sehr sie meine Reaktion freute. Als ich in die Wohnhalle trat, unterbrach mein Bruder John sein Herumlaufen, um mich anzusehen. Dann senkte er den Blick und ließ den Kopf von einer Seite zur anderen wandern, als würde er auf dem Boden nach etwas suchen.
»Was ist?«, fragte ich.
Er sah wieder auf. Sein Blick fiel erst auf mein inzwischen errötetes Gesicht, dann auf meinen Hals und Nacken, die weitgehend unbekleidet waren.
»Ich erkenne dich kaum, so angezogen «, murmelte er und wandte sich zu Vater, der zu uns getreten war.
»Um Himmels willen, Alice, kau nicht so auf deiner Lippe herum. « Vater zog mich auf die Seite. »Du hast keinerlei Grund, dir Sorgen zu machen. Dies ist der Tag, an dem du dich deiner Jugend und Schönheit erfreuen sollst, ja?« Er nahm eine meiner Hände, beugte sich hinab und küsste sie, bevor er ein Stück zurücktrat, um mich aufmerksam zu mustern. »Grundgütiger Himmel «, entfuhr es ihm leise. Er lächelte nicht, aber seine Miene verfinsterte sich auch nicht. »Sehe ich schön aus, Vater? «, fragte ich, verwirrt über seinen Gesichtsausdruck.
»Das tust du gewiss. Deine Mutter wird heute stolz auf dich sein. Wir alle werden stolz auf dich sein.«
»Werdet Ihr mir denn jetzt sagen, wer mich heute beim Beten am genausten beobachten wird, Vater? Ich weiß, dass Ihr mit jemandem gesprochen habt.«
Er nahm den Hut ab und betupfte seine Stirn, die trotz der Kühle in der Halle schweißnass war. »Du wirst ihn noch früh genug sehen, Alice, noch früh genug. Tritt bescheiden auf und lächele allen nett zu, die dich grüßen. Es ist immer von Vorteil, noch ein paar Anwärter in Reserve zu haben, he?«
Genehmigte Lizenzausgabe für Verlagsgruppe Weltbild GmbH, Steinerne Furt, 86167 Augsburg
Originalausgabe © 2009 Emma Campion
deutschsprachige Ausgabe © 2010 Wilhelm Heyne Verlag, München
Übersetzung: Jens Plassman
... weniger
Autoren-Porträt von Emma Campion
Emma Campion, geboren in North Carolina, hat nach ihrem Studium der mittelalterlichen Literatur und Geschichte als Lektorin für wissenschaftliche Publikationen und freischaffende Schriftstellerin gearbeitet, während sie sich weiter mit der Geschichte des Mittelalters beschäftigte. Sie lebt mit ihrem Ehemann in Seattle und reist regelmäßig nach Großbritannien. In ihrer Freizeit beschäftigt sie sich mit Bergwandern, Gärtnern, Yoga und Vipassana-Meditation.
Bibliographische Angaben
- Autor: Emma Campion
- 768 Seiten, Maße: 14,3 x 22 cm, Geb. mit Su.
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 3828996876
- ISBN-13: 9783828996878
Kommentar zu "Die Vertraute des Königs"
0 Gebrauchte Artikel zu „Die Vertraute des Königs“
Zustand | Preis | Porto | Zahlung | Verkäufer | Rating |
---|
Schreiben Sie einen Kommentar zu "Die Vertraute des Königs".
Kommentar verfassen