Die Wunderheilerin
Leipzig, Anfang des 16. Jh.: Priska hat ihr Leben der Heilkunst gewidmet. Besonders beliebt ist sie bei den Frauen, deren oftmals großes Leid sie mit ihren Fähigkeiten lindern konnte. Doch ihr Wille zu helfen, ruft nicht nur Freunde auf den Plan. Ihre...
- Lastschrift, Kreditkarte, Paypal, Rechnung
- Kostenlose Rücksendung
Leipzig, Anfang des 16. Jh.: Priska hat ihr Leben der Heilkunst gewidmet. Besonders beliebt ist sie bei den Frauen, deren oftmals großes Leid sie mit ihren Fähigkeiten lindern konnte. Doch ihr Wille zu helfen, ruft nicht nur Freunde auf den Plan. Ihre Zwillingsschwester Regina neidet Priska ihre Beliebtheit und zeigt sie beim Rat an. Für Priska beginnen schwere Zeiten.
Priska flüchtet sich in die Arbeit als Gehilfin ihres Mannes, schnell geht ihr der Ruf als Wunderheilerin voraus. Besonders beliebt ist sie bei den Frauen. Sie hilft ihnen, ungewollte Schwangerschaften zu verhindern. Doch damit gewinnt sie nicht nur Freunde. Besonders ihre Zwillingsschwester Regina neidet Priska das Leben an Adams Seite ...
Die Wunderheilerin von Ines Thorn
LESEPROBE
Zweites Kapitel
Ich wusste, dass es schwierig seinwürde, dachte Johann von Schleußig, doch ich ahntenicht, dass es unmöglich ist, ihr zu sagen, was ich fühle.
Er saß in der Wohnstube desSilberschmiedehauses und ließ seinen Blick über die schweren Vorhänge vor denFenstern schweifen, die den Wind, der durch die Ritzen pfiff, abhaltensollten. Früher hatte er diese dunkelroten Vorhänge mit den goldenenStickereien immer behaglich gefunden. Jetzt aber, wo es keinen Mann mehr indiesem Haus gab, wirkten sie auf ihn wie Sargtücher. Die Felle, mit denenBänke, Armlehnstühle und sogar der Dielenboden bedeckt waren, hatten nichtsAnheimelndes mehr, sondern waren nur noch die Überbleibsel toter Tiere. Selbstdas Licht der Öllampe, die auf dem großen Holztisch stand, und das der Kerzenauf dein Kaminsimsleuchter schienen ihm düster, dieflackernden Schatten, die sie an die Wände warfen, beängstigend.
Er war gekommen, um Eva Trost zuspenden, das war seine Aufgabe als Priester. Doch Eva schien keinen Trost zubrauchen. Sie stand neben dem Kamin. Das Kleid aus dunklem, schwerem Wollstoffwar zwar kostbar und aufwendig gearbeitet, umhüllte sie jedoch formlos wie einePferdedecke und verwischte die Konturen ihres Körpers. Ihr Haar hatte sieunter einer Haube verborgen, die ebenfalls aus dunklem Stoff war, und Johannvon Schleußig erinnerte sie an eine Krähe, die aufeinem einsamen, nur von Raureif bedeckten Feld nach nicht vorhandenenSaatkrumen suchte. Er seufzte. Es wäre vielleicht besser gewesen, dachte er underschrak zugleich über seine Gedanken, wenn ihr Mann David sein Werk vollendethätte. Was für ein Leben wartete noch auf sie? Eine Witwe war sie nicht,sondern eine Verlassene. Eine Sitzengelassene, diees nicht verstanden hatte, ein gutes Weib zu sein. So würden die Leute reden. Mannlos zu sein war das Schlimmste, was einer Fraugeschehen konnte. Sie hatte keine Rechte, durfte keine Geschäfte tätigen,keine Werkstatt führen, wurde von den anderen gemieden und lief immer Gefahr,ihren guten Ruf zu verlieren. Eine verlassene Frau zu sein, das war schlimmerals Witwe oder Jungfer. Denn eine Verlassene war selbst schuld an ihremSchicksal. Eine Frau hatte dem Mann zu gehorchen. Im Haus, in der Werkstatt,in der Küche und im Bett. Lief er weg, nun, so war sie keine gute Ehefraugewesen. Die Zunft würde ihr die Werkstatt schließen, die Nachbarinnen den Grußverweigern, die Männer sie mit scheelen Blicken betrachten und sie den eigenenFrauen als abschreckendes Beispiel vorhalten.
Wieder seufzte er und musste an sichhalten, um nicht aufzustehen und sie in den Arm zu nehmen. Doch er warPriester.
Nicht nur wegen des Trostes war ergekommen, er brachte auch eine Warnung. Am liebsten würde er schweigen, docher musste darüber reden.
Eva lächelte, sie war ahnungslos,welches Unwetter sich über ihrem Haus zusammenbraute. Sie kam zum Tisch, hobden Krug, schenkte Most ein, setzte sich ihm gegenüber und legte die Hände vorsich auf die Tischplatte.
«Was wollt Ihr jetzt tun so ohneMann? », fragte der Priester und strich mit der Hand über seine Soutane.
Eva zuckte mit den Achseln. « Davidist fort, aber nur wir wissen, dass er niemals zurückkehrt. Sagen werde ich, ersei auf Reisen gegangen. Ja, das werde ich machen, wenn die Nachbarinnenfragen, die Boten von der Zunft Nachrichten wollen und die Krämer auf dem Markterneut fragen. Nach Florenz ist er gegangen, um Juwelen zu kaufen. Oder bessernoch: Er ist nach Florenz gegangen, um Susanne zu ihrem Bräutigam zu bringen.Das ist gut, dann habe ich eine Begründung für die Abwesenheit der beiden undkann selbst allmählich in den Alltag zurückfinden. Susanne hat einenJuwelenhändler zur Messe kennen gelernt. Einen Witwer, der viel älter ist, aberein sorgenfreies Leben zu bieten hat. David begleitet sie, verheiratet sie. Sohaben die Leute nichts zu schwatzen, und ich kann an seiner Stelle die Werkstattweiterführen. Wenigstens für eine Weile noch.»
«Aber das werden sie Euch nichtglauben», warf der Priester ein. «Die Nachbarn wissen mehr, als Ihr glaubt.Eine Hochzeit und eine solche Reise erfordern Vorbereitungen, die nichtunbemerkt bleiben. Die Händler kennen sich untereinander. Bald schon wird manEuch fragen, wer der glückliche Bräutigam ist. Was wollt Ihr dann sagen?»
Eva zuckte mit den Schultern. «Ichweiß es nicht, Johann. Aber die Wahrheit muss verborgen bleiben. Wem wäregedient, wenn ich sagen würde, wie es wirklich war? Dass David sich zum Herrnüber Leben und Tod aufgeschwungen hat und sich größer und klüger dünkte alsalle Ratsherren zusammen? Dass er gemordet hat? Zuerst das Bademädchen inFrankfurt, dann den Ratsherrn und Kaufmann Andreas Mattstedt.Und am Ende ich. Erschlagen hätte mich David wie einen Hund.»
Johann schüttelte entschlossen denKopf: « Ihr müsst die Wahrheit sagen, Eva. Eure Lügen werden über kurz oderlang ans Licht kommen. Sagt, wie es war. Schlimmer als jetzt kann es nicht mehrwerden.»
« Ich soll den Leuten erzählen, dassDavid mich töten wollte und danach mit meiner Schwester durchgebrannt ist?Sagen soll ich, dass ich eine Verlassene hin, eine, die es nicht verstandenhat, ihren Mann zu halten?»
«Seit wann schert Euch das Gerededer Leute?»
Eva zuckte die Schultern und sahüber Johann von Schleußig hinweg an die Wand. «Es istschwer, stark zu sein, wenn man allein ist», sagte sie leise. «Ich habe nurwenige Freunde hier in der Stadt und ertrage es nicht, nun noch mit Hohn undSpott überschüttet zu werden. Ich bin schwanger, Johann.»
Ihr seid schwanger von ihm?»
Johann von Schleußigblickte verstohlen auf ihren Leib.
Sie nickte und warf den Kopf trotzigin den Nacken. «Was ist dabei? Er ist mein Ehemann. Mein Kind ist ehrlichgezeugt.»
Johann von Schleußigverzog das Gesicht. «Was redet Ihr da, Eva? Das wird Euch auch nicht helfen,wenn die Wahrheit herauskommt. Ihr braucht einen Beschützer. Ihr müsst zurRuhe kommen. Die letzte Zeit war sehr schwierig und anstrengend für Euch.Allein werdet Ihr nicht bestehen können - vergesst nicht, Ihr seid eine Frau»,mahnte der Priester.
«Ihr sagt das? Ausgerechnet Ihr, derIhr immer gepredigt habt., dass ein jeder selbstseines Glückes Schmied sei, dass eine Frau ebenso viel wert sei wie ein Mann ? »Evas Wut färbte ihre Wangen rot.
Johann von Schleußigsenkte den Kopf. Sie hat Recht, dachte er. Es sind meine Worte. Aber ich möchtesie schützen. Sie braucht jemanden, der ihr beisteht.
«Ich sorge mich um Euch. Könnt Ihrdas nicht verstehen?»
Evas Züge wurden weich. « Es istfreundlich gedacht von Euch. Ihr wart mir immer einguter Freund, ein Helfer in der größten Not. Ich habe Euch so sehr gebraucht., als David noch da war. David hat ...»
«David, immer wieder David.» Johannvon Schleußig konnte diesen Namen nicht mehr hören. «Er sitzt Euch in den Knochen wie ein immer währender Schnupfen. Er trübt Euchden Blick, macht das Ohr taub und den Kopf schwer. Ihr werdet Mutter, Eva.Allein schafft Ihr das nicht», setzte er erbost nach. Dann erschrak er überseine eigenen Worte. Er konnte nicht mehr ganz bei Trost sein.
Evas Gesicht hatte sich verdunkelt.Sie stieß sich mit den Händen vom Tisch ab, als brauche sie Schwung, und standauf Dann trat sie vor ihn, streckte ihre Hände nach ihm aus.
«.Johann, Ihr wisst, wielieb und teuer Ihr mir seid. Ja, Ihr seid mir lieber, als ich möchte, lieber,als für einen Priester gut ist. Ihr wisst es doch. Warum zwingt Ihr mich, esauszusprechen? »
Sie lachte schrill auf, was Johannvon Schleußig an das Krächzen einer Krähe erinnerte.
«Die Sitzengelasseneund der Priester», fuhr sie fort, «ein schönes Gespann sind wir.» ()
© Rowohlt Verlag
Die Titel Ihrer Romane wie „Die Pelzhändlerin“ oder „Die Silberschmiedin“ verraten schon, dass sich die Geschichten um Frauengestalten herum entwickeln. Warum?
Oh, hier ist die Antwort recht einfach: Ich kenne mich mit Frauen einfach besser aus. Insbesondere, wenn es um weibliche Identität geht, glaube ich, darüber besser Bescheid zu wissen als über Identität und Selbstverständnis der Männer. Darüber hinaus weiß man aus den historischen Wissenschaften einfach mehr über Männer als über Frauen. Geschichtsforschung war Jahrhunderte lang Männerforschung. Es wird Zeit, dass die Frau mal in den Mittelpunkt gerückt wird. Selbst eine so berühmte Theologin wie Hildegard von Bingen war über Jahrhunderte in Vergessenheit geraten.
Schreiben Sie hauptsächlich für eine weibliche Leserschaft?
Nein, ich trenne nicht zwischen einer weiblichen und einer männlichen Leserschaft. Ich freue mich ganz einfach über jeden Leser. Und jede Lesermeinung ist für mich interessant, beflügelt mich oder hinterfragt mich. Ich habe schon tolle Anregungen von Männern bekommen, aber selbstverständlich auch von Frauen. Natürlich kann ich nicht abstreiten, dass meine Bücher mehr von Frauen als von Männern gelesen werden. Vielleicht liegt das daran, dass meine Themen Frauen mehr ansprechen als Männer. Ein Buch sozusagen von Frau zu Frau.
Mich fasziniert der Alltag im Mittelalter. Ich möchte wissen, was und wie die Menschen damals gelebt, geliebt, gelitten haben. Was wurde gegessen in einer Zeit, in der es weder Nudeln noch Reis noch Kartoffeln gab? Wie wurde getanzt, gefeiert? Wie getrauert und gelitten? Was galt damals, das noch heute gilt? Was können wir aus der Vergangenheit lernen? Was hat sich grundlegend verändert? Diesen Fragen möchte ich gern in meinen Büchern nachgehen.
Sie haben nach eigenen Worten eine „glückliche sozialistische Kindheit“ in Leipzig verbracht und leben nun schon einige Jahre in Frankfurt/Main. Wie kam es zu dem Umzug?
Aus Liebe. Ich habe 1990 in der „ersten deutsch-deutschen Werbeagentur“ gearbeitet, ein Joint Venture aus Frankfurtern und Leipzigern. Dort habe ich mich in meinen Kollegen und Chef verliebt und bin mit ihm zusammen nach Frankfurt gezogen. Es hat lange gedauert, bis ich mich in Frankfurt heimisch gefühlt habe, aber jetzt liebe ich insbesondere den Stadtteil Bornheim und die Berger Straße aus vollem Herzen.
Wie sehr fühlen Sie sich noch mit Leipzig verbunden?
Leipzig ist für mich nach wie vor die schönste Stadt der Welt, auch wenn ihr mittlerweile Frankfurt dicht auf den Fersen folgt. Meine Eltern und meine Großmutter leben dort, außerdem einige Freunde. Es kommt immer mal wieder vor, dass ich Sehnsucht nach Leipzig habe, richtiges Heimweh. Schließlich habe ich dort Kindheit und Jugend verbracht.
Sie erzählten einmal, dass in Ihrer Familie die meisten Männer Bücher schreiben. Sind Sie also in einem literarisch geprägten Umfeld aufgewachsen, ist Ihre Leidenschaft, Bücher zu schreiben, quasi schon angelegt gewesen?
Oh, das weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass mir sowohl meine Eltern und auch meine Großeltern stundenlang vorgelesen haben, als ich noch ein kleines Kind war. Außerdem hörte und höre ich noch heute wahnsinnig gern Geschichten. Dabei ist es mir sogar gleichgültig, ob sie wahr oder erfunden sind. Nicht die Leidenschaft für Bücher liegt mir im Blut, glaube ich, sondern eher die Leidenschaft für Geschichten.
Sie selbst nennen Ihre Lust am Schreiben „Besessenheit“ und wollen durch intensives Studium anderer Schriftsteller immer noch dazu lernen. Wer sind Ihre Lieblingsautoren, wer hat Sie am nachhaltigsten beeinflusst?
Ich bin ein großer Fan von Christoph Hein, von Christa Wolf und – neuerdings – von Uwe Tellkamp. Sehr gern lese ich auch die französischen Gegenwartsautoren. Von Josef Winkler habe ich Detailbeschreibungen gelernt, von amerikanischen Fernsehserien ein wenig Dramaturgie abgeschaut. Eigentlich lerne ich bei jedem Buch etwas. Manchmal ist da ein Wort, ein anderes Mal eine Satzstellung, die mir gut gefällt. Lesen und Schreiben sind für mich mehr als ein Beruf, sie sind einfach mein Leben.
Auch die „Galgentochter“ bekommt eine Fortsetzung mit dem Titel „Höllenknecht“. Arbeiten Sie zeitgleich an mehreren Büchern?
Leider bin ich nur sehr begrenzt fähig zum Multitasking. Ich schreibe meine Bücher fein säuberlich nacheinander. Und nicht nur das: Ich schreibe auch meine Bücher ganz ordentlich von Seite 1 bis Seite 400. Vor- und zurückspringen, wie zahlreiche Kollegen es beherrschen, kann ich leider nicht.
Die Fragen stellte Roland Große Holtforth, Literaturtest.
- Autor: Ines Thorn
- 2006, 7. Aufl., Maße: 12,5 x 19 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: Rowohlt TB.
- ISBN-10: 3499242648
- ISBN-13: 9783499242649
- Erscheinungsdatum: 01.09.2006
Zustand | Preis | Porto | Zahlung | Verkäufer | Rating |
---|
4.5 von 5 Sternen
5 Sterne 3Schreiben Sie einen Kommentar zu "Die Wunderheilerin".
Kommentar verfassen