Eingesperrt, ausgeschlossen

Sehr eindrücklich

Das omnipräsente Thema Corona ist natürlich auch in der Literatur zu finden. Die Autorin erzählt vom Lockdown (Frühling 2020) in der Schweiz und welche Auswirkungen das für sie und ihre 84-jährige Mutter, die sie nicht mehr im Altersheim besuchen konnte, hatte. Daniela Kuhn hat weitere Personen gefragt, wie sie das Ein- und Ausgesperrtsein empfunden haben. 17 Heimbewohner und Angehörige haben ihr Auskunft gegeben. Die rechtliche Seite beleuchtet Prof. Dr. Franziska Sprecher, Staats- und Verwaltungsrecht mit besonderer Berücksichtigung des Gesundheitsrechts, Universität Bern.

Erster Eindruck: Das Cover ist ziemlich schlicht; mir gefällt der Buchtitel sehr gut.

Die Autorin hat mir vielen unterschiedlichen Menschen gesprochen. Hier nur ein paar Auszüge:
Franziska Hunziker, deren Mann aufgrund seiner schweren Demenz im Pflegeheim ist, erzählt, dass er am zehnten Tag des Besuchsverbots aufhörte zu kauen und sodann pürierte Nahrung erhielt. Sie durfte ihren Mann nicht besuchen und fand das alles sehr unwürdig.
Settimio Monteverde ist Medizinethiker an der Universität Zürich. Seine 82-jährige Mutter lebt in einem Pflegeheim, wo er sie beinahe täglich besuchte. Als sie durch eine Pflegehilfe mit dem Coronavirus angesteckt wurde, hätte sie ins Spital verlegt werden sollen, aber seine Mutter hat verfügt, dass sie keine Intensivmedizin möchte und im Falle einer Ansteckung mit Corona nicht beatmet werden wolle. Schlussendlich kam sie doch in ein Geriatriespital, wo sie sich zuerst gut erholte, aber ein Sturz alles schwieriger machte. Seine Mutter würde sich am liebsten wieder eine Wohnung nehmen, weiss aber, dass das nicht geht.
Es werden nicht nur Geschichten aus Pflege- bzw. Altersheimen erzählt, sondern auch von jungen Menschen mit einer psychiatrischen Beeinträchtigung, die in einer therapeutischen Wohngemeinschaft leben. Oder von einer jungen Frau, die aufgrund ihrer Epilepsie und Cerebralparese während der Woche eine Tagesstätte besucht. Der Vater von Marie erzählt, wie seine Tochter unter den wegfallenden Strukturen gelitten hat: Zuerst fielen sämtliche Therapien aus und somit achtzig Prozent ihrer Sozialkontakte. Es gab auch keine Veranstaltungen mit Musik, Schifffahrten, Besuche im Biergarten, Besuche von Angehörigen. Sie wurde regelrecht apathisch – eine grosse Belastung für die Eltern.

„Nicht alle alten Menschen wollen um jeden Preis ihr Leben verlängern.“ (S. Monteverde)

Ich war sehr gespannt auf die Einblicke in die verschiedenen Lebenssituationen. Auch in meinem persönlichen Umfeld war ich vom temporären Besuchs- bzw. Ausgehverbot der Heimbewohner betroffen. Es ist eine sehr schwierige Situation – für alle. Mich haben die Geschichten sehr beeindruckt.