Eisenvogel
Drei Frauen aus Tibet. Die Geschichte meiner Familie
Sie hatten nur den Wunsch, ein Leben im Einklang mit der Natur und der Tradition zu führen. Doch Politik und Gewalt verhinderten das. Dies ist die Geschichte dreier tibetischer Frauen und zugleich die Geschichte einer Welt, in der das Leben Einzelner...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Eisenvogel “
Sie hatten nur den Wunsch, ein Leben im Einklang mit der Natur und der Tradition zu führen. Doch Politik und Gewalt verhinderten das. Dies ist die Geschichte dreier tibetischer Frauen und zugleich die Geschichte einer Welt, in der das Leben Einzelner und eines ganzen Volkes nicht mehr zählt.
Klappentext zu „Eisenvogel “
Eine authentische FamiliensagaVon den 20er Jahren bis heute: Fast ein ganzes Jahrhundert umspannt diese Geschichte dreier Frauen, die zugleich die Geschichte Tibets ist. Machtpolitik und Gewalt haben die Nonne Kunsang aus der klösterlichen Abgeschiedenheit in der kargen Bergwelt Tibets vertrieben- heute kämpft ihre Enkelin Yangzom für die Heimat ihrer Mutter und Großmutter.
Sie hatten nur den einen, ganz schlichten Wunsch: ein Leben im Einklang mit der Natur und der Tradition des Landes zu führen. Doch es war ihnen nicht vergönnt. Machtpolitik und Gewalt brachen in die Abgeschiedenheit der Berge Tibets ein ...
Von drei Frauen erzählt Yangzom Brauen: von ihrer Großmutter Kunsang, von ihrer Mutter Sonam und von ihrem eigenen Weg. Sie erzählt von drei Generationen, vom Verlust der Heimat, von Verfolgung und Angst, vom Sterben und der Trauer- und von dem Willen, sich gegen alle Widerstände zu behaupten. Es ist die Geschichte ihrer Familie und zugleich die Geschichte einer Welt im Umbruch, in der ein einzelnes Leben so wenig gilt wie das Los eines ganzen Volkes. Die berührende Geschichte eines Lebens zwischen den Welten, das doch ganz bei sich ist.
Dazu bestimmt, frei zu sein- die faszinierende Geschichte dreier Frauen, die sich ihrem Schicksal nie gefügt haben.
Lese-Probe zu „Eisenvogel “
Es ist später Herbst. Der Wind pfeift und rattert über verdorrte Wiesen und Felder. Sobald ich aus dem Schatten des Hauses trete, drückt mich diese himmlische Kraft so stark zur Seite, dass ich mich dagegenstemmen muss wie gegen jemanden, der mich wegschieben will. Mola kann nur breitbeinig gehen, sonst würde sie umfallen. Der Wind fährt in ihr bodenlanges rotes Kleid wie in ein Segel, und sie muss aufpassen, nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Mola bedeutet "Großmutter" auf Tibetisch. Meine Mola ist eine neunundachtzigjährige buddhistische Nonne, die, wie es sich gehört, ihr schlohweißes Haar kurz geschoren hat und keine anderen Farben außer Rot, Orange und Gelb trägt. Mola will um das Haus herumgehen und kora machen, wie sie das jeden Tag tut. Kora nennen wir Tibeter den in Gebeten versunkenen Rundweg um etwas Heiliges, eine Art Pilgerschaft, die viele Hundert Kilometer, aber auch nur ein paar Hundert Meter lang sein kann.Hier gibt es kein buddhistisches Heiligtum, denn wir sind auf der griechischen Insel Paros versammelt, meine gesamte Familie und ich. Mola hat ihre eigenen Kultgegenstände mitgebracht, ein Foto vom Dalai Lama, ein Bildchen von ihrem Guru Dudjom Rinpoche und ein kleines, in einen Goldrahmen gefasstes Bild Buddhas. Sie hat die beiden in einer Mauernische im Wohnzimmer des uralten Bauernhofs aufgestellt, in dem wir unsere Ferien verbringen, gleich gegenüber von ihrem Bett. Davor hat sie ein paar Räucherstäbchen gelegt, und fertig war ihr kleiner Reisealtar. Für sie ist der das Heiligste auf der ganzen Insel, und darum wollte sie um ihren Altar kora machen, einmal im Uhrzeigersinn um das Haus und den Garten herum, aber der Wind ist so stark, dass sie ihren Gang auf später verschieben muss.
Wie meine Eltern und mein Bruder auch ist meine Mola nur für einen kurzen Urlaub nach Paros gekommen, denn eigentlich lebt sie in Bern, im alten Schweizer
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Haus meiner Familie. Dort hat sie ihren großen Altar stehen, alle ihre Kostbarkeiten, dort verrichtet sie ihre täglichen Gebete, dort reicht sie ihre Opfer dar, denn eine tibetische Nonne hat ein umfangreiches tägliches Programm zu absolvieren.
Das Leben hat meine Familie in alle Windrichtungen verstreut: Bern, Zürich, Los Angeles, New York, Berlin. Eigentlich müssten wir alle in Pang leben, einem abgelegenen Bergdorf im Südosten Tibets. Dort, wo meine Großeltern Mönch und Nonne in einem Kloster waren, aus dem sie im Winter 1959/1960 flüchten mussten vor den chinesischen Soldaten, die Kloster für Kloster systematisch dem Erdboden gleichmachten. Noch heute ächzt Tibet, das Land meiner Mutter und meiner Großmutter, das Land, aus dem sie vor fünfzig Jahren geflohen sind, mein Land, unter der chinesischen Besatzung. Ohne diese Flucht wären wir nicht auf Paros, ohne diese Flucht würden wir nicht in diesen Sonnenuntergang sehen.
Der rote Ball ist fast schon versunken, als Mola zu singen beginnt. Als Kinder hörten mein Bruder und ich oft ihre alten Lieder, aber nun hatten wir Mola schon lange nicht mehr singen gehört. Mit dieser Stimme, die schon ein wenig brüchig klingt, aber doch klar ist und mild und uns etwas erzählt von einer lange versunkenen, weit entfernten Welt. Mit dieser Stimme, die uns von Tibet erzählt. Mola singt, wie sie als junges Mädchen sang, als sie als Einsiedlerin unter anderen Nonnen in einer Laubhütte hoch oben in den tibetischen Bergen lebte. Damals meditierte sie zu den ersten Lichtstrahlen des Tages.
Nun meditiert Mola zu den letzten Strahlen des Tages, gegen Ende ihres langen Lebens. Sie tut das ohne Schmerz, ohne Wehmut und ohne Trauer. Sie ist ganz da, ganz bei uns. Sie weiß, dass sie eines Tages in vielleicht nicht so ferner Zukunft gehen wird, doch das macht ihr keine Angst. Sie ist ruhig und gelassen, sie hält nichts Irdisches fest.
Wir sehen der Sonne nach, wie sie hinter den Bergen versinkt und uns in einer dunkler und dunkler werdenden Landschaft aus Stein und Himmel zurücklässt. Fast sieht es hier wie in Tibet aus, und darum gefällt es meiner Familie hier auch so gut. Als das letzte Leuchten verlischt, verstummt auch Mola. Ich muss schlucken. Mir ist, als wären wir am Ziel einer weiten Reise. Einer Reise, von der ich jetzt erzählen möchte.
GEFANGEN
Aus Angst vor chinesischen Posten marschierten die Flüchtlinge immer nachts durch die Eiseskälte. Nur die Sterne leuchteten ihnen den Weg und erst kurz vor dem Morgengrauen der neue Mond. Schwarz standen die Bergriesen vor einem dunklen Himmel, nur hie und da waren Schneeflecken zu erahnen, Felswände und Wolkenfetzen. Selbst ihren Landsleuten, den Tibetern aus Kongpo im Südosten des Landes, musste die Flüchtlingsgruppe aus dem Weg gehen, denn dort lebte das Bergvolk der Loba. Die Loba arbeiteten für ein paar Säcke Reis oder eine Kiste Schnaps als Wächter für die Chinesen. In der Ferne sahen die Flüchtenden den Widerschein ihrer Feuer und hörten ihre grellen Rufe, hoy, hoy, hoy. Dann gingen sie noch schneller. Sonam klopfte das Herz bis zum Hals, stumm rannte sie hinter den Erwachsenen her, die Angst lief ihr trotz der beißenden Kälte heiß den Rücken hinab.
Sechs Jahre alt war Sonam. Sie ist meine Mutter.
Die Gruppe von knapp einem Dutzend Flüchtlingen war kurz vor dem tibetischen Neujahrsfest aufgebrochen, das wie der chinesische Jahresbeginn meist auf den zweiten Neumond nach der Wintersonnenwende fällt. Das Neujahrsfest galt unter den vielen Flüchtlingen, die sich damals auf den Weg machten, als günstigste Zeit: Dann waren die hohen Pässe zwar verschneit, dann pfiffen eisige Winde über die Höhen, dann gab es kaum ein trockenes Plätzchen zum Rasten, doch die Schneedecke war zumindest nachts festgefroren und manchmal sogar tagsüber stabil, im Gegensatz zur warmen Jahreszeit, in der Wanderer an den Flanken der Berge bei jedem Schritt knietief oder bis zum Bauchnabel in einer Mischung aus Schnee, Firn, Wasser, Schlamm und Geröll einsanken. Außerdem war allgemein bekannt, dass sich die chinesischen Grenzwächter im Winter lieber in ihren behelfsmäßigen Kasernen wärmten, als in der beißenden Kälte auf Patrouille zu gehen. Überhaupt würden die Soldaten zum Neujahrsfest, also an den wichtigsten chinesischen Feiertagen, das Feiern, Trinken und Kartenspielen ihren eigentlichen Aufgaben vorziehen.
Das Leben hat meine Familie in alle Windrichtungen verstreut: Bern, Zürich, Los Angeles, New York, Berlin. Eigentlich müssten wir alle in Pang leben, einem abgelegenen Bergdorf im Südosten Tibets. Dort, wo meine Großeltern Mönch und Nonne in einem Kloster waren, aus dem sie im Winter 1959/1960 flüchten mussten vor den chinesischen Soldaten, die Kloster für Kloster systematisch dem Erdboden gleichmachten. Noch heute ächzt Tibet, das Land meiner Mutter und meiner Großmutter, das Land, aus dem sie vor fünfzig Jahren geflohen sind, mein Land, unter der chinesischen Besatzung. Ohne diese Flucht wären wir nicht auf Paros, ohne diese Flucht würden wir nicht in diesen Sonnenuntergang sehen.
Der rote Ball ist fast schon versunken, als Mola zu singen beginnt. Als Kinder hörten mein Bruder und ich oft ihre alten Lieder, aber nun hatten wir Mola schon lange nicht mehr singen gehört. Mit dieser Stimme, die schon ein wenig brüchig klingt, aber doch klar ist und mild und uns etwas erzählt von einer lange versunkenen, weit entfernten Welt. Mit dieser Stimme, die uns von Tibet erzählt. Mola singt, wie sie als junges Mädchen sang, als sie als Einsiedlerin unter anderen Nonnen in einer Laubhütte hoch oben in den tibetischen Bergen lebte. Damals meditierte sie zu den ersten Lichtstrahlen des Tages.
Nun meditiert Mola zu den letzten Strahlen des Tages, gegen Ende ihres langen Lebens. Sie tut das ohne Schmerz, ohne Wehmut und ohne Trauer. Sie ist ganz da, ganz bei uns. Sie weiß, dass sie eines Tages in vielleicht nicht so ferner Zukunft gehen wird, doch das macht ihr keine Angst. Sie ist ruhig und gelassen, sie hält nichts Irdisches fest.
Wir sehen der Sonne nach, wie sie hinter den Bergen versinkt und uns in einer dunkler und dunkler werdenden Landschaft aus Stein und Himmel zurücklässt. Fast sieht es hier wie in Tibet aus, und darum gefällt es meiner Familie hier auch so gut. Als das letzte Leuchten verlischt, verstummt auch Mola. Ich muss schlucken. Mir ist, als wären wir am Ziel einer weiten Reise. Einer Reise, von der ich jetzt erzählen möchte.
GEFANGEN
Aus Angst vor chinesischen Posten marschierten die Flüchtlinge immer nachts durch die Eiseskälte. Nur die Sterne leuchteten ihnen den Weg und erst kurz vor dem Morgengrauen der neue Mond. Schwarz standen die Bergriesen vor einem dunklen Himmel, nur hie und da waren Schneeflecken zu erahnen, Felswände und Wolkenfetzen. Selbst ihren Landsleuten, den Tibetern aus Kongpo im Südosten des Landes, musste die Flüchtlingsgruppe aus dem Weg gehen, denn dort lebte das Bergvolk der Loba. Die Loba arbeiteten für ein paar Säcke Reis oder eine Kiste Schnaps als Wächter für die Chinesen. In der Ferne sahen die Flüchtenden den Widerschein ihrer Feuer und hörten ihre grellen Rufe, hoy, hoy, hoy. Dann gingen sie noch schneller. Sonam klopfte das Herz bis zum Hals, stumm rannte sie hinter den Erwachsenen her, die Angst lief ihr trotz der beißenden Kälte heiß den Rücken hinab.
Sechs Jahre alt war Sonam. Sie ist meine Mutter.
Die Gruppe von knapp einem Dutzend Flüchtlingen war kurz vor dem tibetischen Neujahrsfest aufgebrochen, das wie der chinesische Jahresbeginn meist auf den zweiten Neumond nach der Wintersonnenwende fällt. Das Neujahrsfest galt unter den vielen Flüchtlingen, die sich damals auf den Weg machten, als günstigste Zeit: Dann waren die hohen Pässe zwar verschneit, dann pfiffen eisige Winde über die Höhen, dann gab es kaum ein trockenes Plätzchen zum Rasten, doch die Schneedecke war zumindest nachts festgefroren und manchmal sogar tagsüber stabil, im Gegensatz zur warmen Jahreszeit, in der Wanderer an den Flanken der Berge bei jedem Schritt knietief oder bis zum Bauchnabel in einer Mischung aus Schnee, Firn, Wasser, Schlamm und Geröll einsanken. Außerdem war allgemein bekannt, dass sich die chinesischen Grenzwächter im Winter lieber in ihren behelfsmäßigen Kasernen wärmten, als in der beißenden Kälte auf Patrouille zu gehen. Überhaupt würden die Soldaten zum Neujahrsfest, also an den wichtigsten chinesischen Feiertagen, das Feiern, Trinken und Kartenspielen ihren eigentlichen Aufgaben vorziehen.
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Autoren-Porträt von Yangzom Brauen
Yangzom Brauen, 1980 in der Schweiz geboren, pendelt heute als Model und Schauspielerin zwischen Hollywood, New York, Berlin und Zürich. Sie engagiert sich ehrenamtlich für ein freies Tibet.
Bibliographische Angaben
- Autor: Yangzom Brauen
- 2009, 415 Seiten, mit zahlreichen farbigen Abbildungen, Maße: 15 x 22 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Heyne
- ISBN-10: 3453164040
- ISBN-13: 9783453164048
Rezension zu „Eisenvogel “
"Diese tibetische Familiengeschichte ist so bewegend, dass sie uns Kummer vergessen machen kann, während wir sie lesen."
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