Elternratgeber Legasthenie
Hier erklärt der führende deutsche Legasthenie-Fachmann Dr. med. Schultze-Körne, wie Eltern Kindern mit Lese- und Rechtschreibschwäche helfen können: Von der rechtzeitigen Früherkennung über die optimale Förderung...
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Produktinformationen zu „Elternratgeber Legasthenie “
Hier erklärt der führende deutsche Legasthenie-Fachmann Dr. med. Schultze-Körne, wie Eltern Kindern mit Lese- und Rechtschreibschwäche helfen können: Von der rechtzeitigen Früherkennung über die optimale Förderung bis zur gezielten Therapie.
Anschaulich, verständlich und mit vielen Fach-Infos!
Lese-Probe zu „Elternratgeber Legasthenie “
Elternratgeber Legasthenie von Dr. med. Gerd Schulte-KörneVorwort
Täglich werde ich von Eltern gefragt: Ob bei ihrem Kind eine Legasthenie vorliegt? Wo man die Diagnostik durchführen kann? Was sind die Ursachen? Wie Eltern helfen können?
Motiviert durch meine Arbeit mit legasthenen Kindern und ihren Familien in der Diagnostik, Förderung und Forschung, habe ich die Erkenntnisse der letzten Jahre aus Praxis und Forschung zusammengestellt. Der Elternratgeber Legasthenie gibt Ihnen die aktuellste, wissenschaftlich fundierteste und umfassendste Übersicht zu den Themen Diagnostik, Ursachen und Förderung bei der Legasthenie.
Acht Kapitel führen Sie von der Frage, was Legasthenie ist, bis zu der Darstellung, wie Eltern ihre Kinder fördern können. Beispiele aus der Praxis geleiten Sie durch dieses Buch und geben Ihnen viele praktische Hinweise, wie Sie die Hausaufgaben mit Ihrem Kind durchführen können, was Sie über die Schule wissen sollten und wo Sie Hilfe finden.
Wichtig war mir auch die Information über die Möglichkeiten, die Sie als Eltern haben, um die Chancen Ihres legasthenen Kindes in unserem Bildungssystem zu verbessern. Aktuelle Ergebnisse der Ursachenforschung geben Ihnen neue Einsichten und werden Ihr Verständnis der Legasthenie verbessern.
Den größten Umfang in diesem Buch nehmen die Förder- und Behandlungsmöglichkeiten ein. Es gibt mittlerweile Förderprogramme, die in ihrer Wirksamkeit gut untersucht sind und die ich Ihnen und den Therapeuten Ihres Kindes empfehlen kann. Ich stelle sie Ihnen in diesem Buch vor. Leider ist die Verbreitung von nicht wirksamen Programmen sehr groß.
In diesem Buch erfahren Sie auch, welche Programme nicht zu empfehlen sind.
Der Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie e. V. vertritt bundesweit die Interessen und Rechte der Eltern.
Ich möchte mich für die
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Unterstützung des Verbandes für dieses Buch sehr herzlich bedanken. Ferner gilt mein Dank der Lektorin Frau Dr. Jabs, die mit ihren Anregungen zur Gestalt dieses Buches beigetragen hat.
Dr. med. Gerd Schulte-Körne
Arbeitsgruppe Lese-Rechtschreibstörung
Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie
Philipps Universität Marburg
Wie erkenne ich, ob mein Kind eine Legasthenie hat?
Viele Fehler beim Schreiben sowie langsames und fehlerhaftes Lesen kennzeichnen häufig die Legasthenie. Aber auch Bauch- und Kopfschmerzen können erste Anzeichen sein.
Fallbeispiel: Erste Anzeichen
Max besucht die dritte Klasse der Grundschule. Er hat sich auf die Schule gefreut, ging zunächst immer gerne zur Schule. In den letzten Wochen hat Max morgens immer häufiger Bauchschmerzen, er steht nur ungern auf und hat keinen Appetit. Da die Bauchschmerzen immer schlimmer werden, geht Max' Mutter mit ihm zum Kinderarzt.
Nach eingehender Untersuchung kommt der Kinderarzt zu dem Ergebnis, dass Max körperlich gesund sei. Jedoch falle ihm auf, dass Max traurig wirke. Der Kinderarzt fragt, ob Max Probleme in der Schule habe.
Zunächst denkt Max' Mutter, dass schulisch alles in Ordnung sei. Dann erinnert sie sich, dass Max im dritten Schuljahr bei Diktaten recht viele Fehler hat und die Lehrerin sie schon im Elterngespräch gebeten hat, mehr mit Max zu üben. Sie habe zwar der Lehrerin gleich geantwortet, dass sie regelmäßig mit Max übt, jedoch gedacht, dass dies wohl nicht genug sei.
Der Kinderarzt rät Max' Mutter, zu einem Fachkollegen, einem Kinder- und Jugendpsychiater, zu gehen, um zu überprüfen, warum Max so traurig ist. Möglicherweise hängt dies mit seinen Rechtschreibproblemen zusammen.
Diese kurze Fallgeschichte soll verdeutlichen, dass ein legasthenes Kind zuerst vielleicht durch ganz andere Probleme als die Schwierigkeiten beim Lesen und Rechtschreiben auffällt. Natürlich stehen Schwierigkeiten beim Schreiben von Wörtern und Lesen von einzelnen Buchstaben und Wörtern im Vordergrund der Legasthenie.
Aber auch Verhaltensauffälligkeiten können zusätzliche Hinweise für das Vorliegen einer Legasthenie sein: Herumkaspern in der Schule, Kopf- und Bauchschmerzen vor Klassenarbeiten, Schlafstörungen oder nächtliches Einnässen, das wieder auftritt, obwohl das Kind seit mehreren Jahren trocken ist.
In den ersten beiden Schuljahren haben legasthene Kinder beim Rechtschreiben große Schwierigkeiten, einzelne Buchstaben zu unterscheiden und zu schreiben. Trotz Unterstützung fällt es besonders schwer, für das gehörte Wort die richtigen Buchstaben zu finden.
Einzelne Buchstaben werden weggelassen oder auch zusätzlich eingefügt. Zum Beispiel wird anstatt »Kind« nur »Kin« geschrieben, anstatt »Maus« nur »Mas«. Zum Teil werden nur Wortruinen verschriftlicht, wie z.B. »letr« für »Blätter«. Auch das Abschreiben aus einem Buch oder von der Tafel gelingt nur mit vielen Fehlern. Zusätzlich ist oft die Handschrift unleserlich.
Am Beispiel des Rechtschreibtests von Peter (Abb. 1 auf S. 10), der die 5. Klasse besucht, durchschnittlich intelligent ist und von seinen Eltern regelmäßig unterstützt wird, kann man sehen, wie schwer es Peter fällt, einzelne Wörter richtig zu schreiben.
Bei diesem Test sollte Peter in die Lücken im Satz die ihm diktierten Worte schreiben. Man kann gut sehen, wie Peter sich bemüht, zumindest lautgetreu die Wörter wiederzugeben. Jedoch gelang es Peter nicht, auch nur eins der 45 diktierten Wörter richtig zu schreiben. Beim Lesen fällt es den legasthenen Kindern schwer, die einzelnen Laute zu verbinden.
Zum Beispiel wird beim Wort »Mond« nur der Anfang »M...o« lautiert, das Zusammenfügen mit den nachfolgenden Lauten misslingt jedoch. Insgesamt ist die Lesegeschwindigkeit erheblich herabgesetzt. Einzelne Wörter werden mit großer Mühe nacheinander gelesen, und dadurch wird häufig der Sinn des Satzes nicht verstanden.
Manchen legasthenen Kinder gelingt es, Sätze auswendig zu lernen. So kann der Eindruck entstehen, dass sie recht gut lesen können. Bei unbekannten Wörtern und Sätzen wird dann aber deutlich, dass große Probleme vorliegen. Bei manchen Kindern fallen die Rechtschreibprobleme erst dann auf, wenn in der Schule statt geübter Diktate unbekannte Texte (»ungeübte Diktate«) geschrieben werden. Diese Kinder verfügen über gute Gedächtnisfähigkeiten, sodass es ihnen gelingt, einzelne, häufig geübte Wörter im Gedächtnis zu speichern.
Allerdings ist ihre Strategie nicht auf Dauer erfolgreich, denn sie können nicht eine ausreichende Anzahl von Wörtern als Wortbild speichern, um eine durchschnittliche Rechtschreibleistung zu entwickeln. In der dritten und vierten Klasse kommt es oft zusätzlich zu Schwierigkeiten in anderen Fächern.
Da in fast allen Fächern das Lesen Grundlage für den Wissenserwerb darstellt, sind legasthene Kinder häufig in allen Schulfächern benachteiligt. Dies führt manchmal dazu, dass legasthene Kinder als dumm bezeichnet werden, da das allgemeine Leistungsversagen auf mangelnde Intelligenz zurückgeführt wird.
Dass der Hintergrund für die Schulschwierigkeiten eine Legasthenie ist, wird oft nicht erkannt und kann erst durch eine eingehende Diagnostik festgestellt werden.
Fallbeispiel: Scheitern trotz vielen Übens
Max ist in der Rechtschreibung sehr schlecht. Seine Lehrerin schreibt unter seine Hausaufgaben, dass er mehr üben und sich mehr Mühe geben soll, die Wörter richtig zu schreiben. Beim Elternabend wird Max' Mutter von der Klassenlehrerin direkt angesprochen.
Max mache, so berichtet die Lehrerin, in der Rechtschreibung kaum Fortschritte. Außerdem seien Max' Hausaufgaben häufig sehr fehlerhaft. Sie bittet Max' Mutter, die Hausaufgaben besser zu kontrollieren und mit Max täglich zehn Wörter zu schreiben.
Max' Mutter ist durch die Lehrerin eingeschüchtert und traut sich nicht zu sagen, dass sie bereits mit Max ständig übt und es mittlerweile aufgegeben hat, alle Fehler aus den Hausaufgaben zu korrigieren. Sie berichtet auch nicht darüber, dass sie sich mit Max ständig um die Hausaufgaben streitet und es ihr kaum noch gelingt, Max dazu zu bringen, überhaupt die Hausaufgaben anzufertigen.
Die Schwierigkeiten beim Lesen und Rechtschreiben fallen, wie das Fallbeispiel zeigt, auch bei den Hausaufgaben auf. Die Kinder benötigen viel Zeit für die Hausaufgaben, sie sind wenig motiviert zu schreiben, lassen sich leicht ablenken oder »vergessen« die Hausaufgaben.
Dies führt häufig dazu, dass Eltern versuchen, durch gemeinsames und nicht selten andauerndes Üben die Rechtschreibleistung zu verbessern. Obwohl seitens des Kindes und der Eltern viel Zeit und Mühe für das Üben aufgewandt wird, sind die Fortschritte im Lesen und Rechtschreiben sehr gering. Teilweise verschlechtern sich die Leistungen auch trotz des Übens.
Auch wenn es dem Kind manchmal direkt nach intensivem Üben gelingt, die Lernwörter überwiegend richtig zu schreiben, schreibt es am nächsten Tag in der Schule die meisten geübten Wörter wieder falsch. Die angespannte Hausaufgabensituation und das Versagen des Kindes im Diktat führen oft zu Spannungen zwischen Eltern und Kind.
Eltern werfen sich gegenseitig Versagen vor, das Kind erlebt einen kontinuierlichen schulischen Misserfolg, sodass ein erheblicher Eltern-Kind-Konflikt nicht selten die Folge ist. Alle Beteiligten wissen oft nicht, warum gerade ihr Kind solche schulischen Schwierigkeiten entwickelt.
Fallbeispiel: Auch Eltern geraten unter Druck
Max' Vater bemerkt, dass sich das Verhältnis zwischen seiner Frau und Max in letzter Zeit deutlich verändert hat. Seine im Nachbarhaus lebenden Eltern haben schon vor längerer Zeit gesagt, dass seine Frau den Max verziehe und nicht streng genug sei.
Wenn seine Frau nur richtig durchgreifen und das viele Fernsehen verbieten würde, dann würde der Max auch richtig schreiben lernen. Max' Vater ist verunsichert und spricht seine Frau auf die Probleme mit Max an. Sie berichtet, dass sie mittlerweile am Ende sei, da sie Druck von allen Seiten verspüre, von der Schule, von den Großeltern, von Max und sie merke auch, dass sie nicht ausreichend von ihrem Mann unterstützt wird.
Er unternehme mit Max fast nur die angenehmen Dinge, während sie sich um die schwierigen, weniger angenehmen Arbeiten kümmern dürfe. Beide Eltern sind angespannt und erheben gegenseitige Vorwürfe.
Die Legasthenie belastet oft die gesamte Familie (s. Fallbeispiel auf S. 13), und viele Konflikte werden dann deutlich, wenn konkrete Leistungsanforderungen im Lesen und Schreiben an das Kind gestellt werden. Auch im Unterricht erleben die legasthenen Kinder häufig wenig Unterstützung.
Lehrer stellen die Legasthenie zu selten fest und ziehen oft falsche Folgerungen aus dem Schülerverhalten. Sie suchen z. B. Ursachen für die schlechte Lese- und Rechtschreibleistung im familiären Umfeld. Als Erklärung sehen sie an, dass eine allein erziehende Mutter nicht genug Zeit für ihr Kind habe, um es angemessen zu unterstützen.
Fallbeispiel: Der Stress beginnt in der Schule
Max geht nur noch ungern in die Schule. Besonders vor dem Deutschunterricht hat er Angst. Sein Deutschlehrer hat ihm gestern bereits gedroht, er werde sich etwas Besonderes einfallen lassen, wenn Max morgen die Geschichte aus der Fibel nicht laut vorlesen könne. Dies hat der Lehrer bereits in der Vergangenheit getan.
Da musste Max mit ihm in die erste Klasse gehen und an der Tafel den Erstklässlern zeigen, wie schlecht er rechtschreiben kann. Max hat zu Hause viel geübt, um den Fibeltext lesen zu können. Trotzdem weiß er, dass er wieder in der Klasse beim Vorlesen Schwierigkeiten haben wird.
Als genau das eintritt, fordert ihn sein Lehrer auf, er solle doch den Text singen, wenn er ihn schon nicht lesen könne. Max ist ganz verzweifelt. Er springt auf und rennt nach Hause.
Nicht selten wird der Druck in der Klasse dadurch erhöht, dass legasthene Kinder durch quälende Vorleseübungen und Rechtschreibübungen an der Tafel bloßgestellt werden.
In Folge der schulischen Misserfolge und der familiär belastenden Situation können psychische Probleme beim Kind entstehen: Ängste, Traurigkeit, Herumkaspern und z.T. sogar aggressives Verhalten. Diese emotionalen Probleme und Verhaltensschwierigkeiten sind gerade bei legasthenen Kindern der dritten und vierten Klasse häufig erst der Auslöser für die Einleitung einer eingehenden Untersuchung.
In dem Textkasten auf S. 15 sind die wesentlichen Merkmale der Legasthenie zusammengefasst.
Dr. med. Gerd Schulte-Körne
Arbeitsgruppe Lese-Rechtschreibstörung
Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie
Philipps Universität Marburg
Wie erkenne ich, ob mein Kind eine Legasthenie hat?
Viele Fehler beim Schreiben sowie langsames und fehlerhaftes Lesen kennzeichnen häufig die Legasthenie. Aber auch Bauch- und Kopfschmerzen können erste Anzeichen sein.
Fallbeispiel: Erste Anzeichen
Max besucht die dritte Klasse der Grundschule. Er hat sich auf die Schule gefreut, ging zunächst immer gerne zur Schule. In den letzten Wochen hat Max morgens immer häufiger Bauchschmerzen, er steht nur ungern auf und hat keinen Appetit. Da die Bauchschmerzen immer schlimmer werden, geht Max' Mutter mit ihm zum Kinderarzt.
Nach eingehender Untersuchung kommt der Kinderarzt zu dem Ergebnis, dass Max körperlich gesund sei. Jedoch falle ihm auf, dass Max traurig wirke. Der Kinderarzt fragt, ob Max Probleme in der Schule habe.
Zunächst denkt Max' Mutter, dass schulisch alles in Ordnung sei. Dann erinnert sie sich, dass Max im dritten Schuljahr bei Diktaten recht viele Fehler hat und die Lehrerin sie schon im Elterngespräch gebeten hat, mehr mit Max zu üben. Sie habe zwar der Lehrerin gleich geantwortet, dass sie regelmäßig mit Max übt, jedoch gedacht, dass dies wohl nicht genug sei.
Der Kinderarzt rät Max' Mutter, zu einem Fachkollegen, einem Kinder- und Jugendpsychiater, zu gehen, um zu überprüfen, warum Max so traurig ist. Möglicherweise hängt dies mit seinen Rechtschreibproblemen zusammen.
Diese kurze Fallgeschichte soll verdeutlichen, dass ein legasthenes Kind zuerst vielleicht durch ganz andere Probleme als die Schwierigkeiten beim Lesen und Rechtschreiben auffällt. Natürlich stehen Schwierigkeiten beim Schreiben von Wörtern und Lesen von einzelnen Buchstaben und Wörtern im Vordergrund der Legasthenie.
Aber auch Verhaltensauffälligkeiten können zusätzliche Hinweise für das Vorliegen einer Legasthenie sein: Herumkaspern in der Schule, Kopf- und Bauchschmerzen vor Klassenarbeiten, Schlafstörungen oder nächtliches Einnässen, das wieder auftritt, obwohl das Kind seit mehreren Jahren trocken ist.
In den ersten beiden Schuljahren haben legasthene Kinder beim Rechtschreiben große Schwierigkeiten, einzelne Buchstaben zu unterscheiden und zu schreiben. Trotz Unterstützung fällt es besonders schwer, für das gehörte Wort die richtigen Buchstaben zu finden.
Einzelne Buchstaben werden weggelassen oder auch zusätzlich eingefügt. Zum Beispiel wird anstatt »Kind« nur »Kin« geschrieben, anstatt »Maus« nur »Mas«. Zum Teil werden nur Wortruinen verschriftlicht, wie z.B. »letr« für »Blätter«. Auch das Abschreiben aus einem Buch oder von der Tafel gelingt nur mit vielen Fehlern. Zusätzlich ist oft die Handschrift unleserlich.
Am Beispiel des Rechtschreibtests von Peter (Abb. 1 auf S. 10), der die 5. Klasse besucht, durchschnittlich intelligent ist und von seinen Eltern regelmäßig unterstützt wird, kann man sehen, wie schwer es Peter fällt, einzelne Wörter richtig zu schreiben.
Bei diesem Test sollte Peter in die Lücken im Satz die ihm diktierten Worte schreiben. Man kann gut sehen, wie Peter sich bemüht, zumindest lautgetreu die Wörter wiederzugeben. Jedoch gelang es Peter nicht, auch nur eins der 45 diktierten Wörter richtig zu schreiben. Beim Lesen fällt es den legasthenen Kindern schwer, die einzelnen Laute zu verbinden.
Zum Beispiel wird beim Wort »Mond« nur der Anfang »M...o« lautiert, das Zusammenfügen mit den nachfolgenden Lauten misslingt jedoch. Insgesamt ist die Lesegeschwindigkeit erheblich herabgesetzt. Einzelne Wörter werden mit großer Mühe nacheinander gelesen, und dadurch wird häufig der Sinn des Satzes nicht verstanden.
Manchen legasthenen Kinder gelingt es, Sätze auswendig zu lernen. So kann der Eindruck entstehen, dass sie recht gut lesen können. Bei unbekannten Wörtern und Sätzen wird dann aber deutlich, dass große Probleme vorliegen. Bei manchen Kindern fallen die Rechtschreibprobleme erst dann auf, wenn in der Schule statt geübter Diktate unbekannte Texte (»ungeübte Diktate«) geschrieben werden. Diese Kinder verfügen über gute Gedächtnisfähigkeiten, sodass es ihnen gelingt, einzelne, häufig geübte Wörter im Gedächtnis zu speichern.
Allerdings ist ihre Strategie nicht auf Dauer erfolgreich, denn sie können nicht eine ausreichende Anzahl von Wörtern als Wortbild speichern, um eine durchschnittliche Rechtschreibleistung zu entwickeln. In der dritten und vierten Klasse kommt es oft zusätzlich zu Schwierigkeiten in anderen Fächern.
Da in fast allen Fächern das Lesen Grundlage für den Wissenserwerb darstellt, sind legasthene Kinder häufig in allen Schulfächern benachteiligt. Dies führt manchmal dazu, dass legasthene Kinder als dumm bezeichnet werden, da das allgemeine Leistungsversagen auf mangelnde Intelligenz zurückgeführt wird.
Dass der Hintergrund für die Schulschwierigkeiten eine Legasthenie ist, wird oft nicht erkannt und kann erst durch eine eingehende Diagnostik festgestellt werden.
Fallbeispiel: Scheitern trotz vielen Übens
Max ist in der Rechtschreibung sehr schlecht. Seine Lehrerin schreibt unter seine Hausaufgaben, dass er mehr üben und sich mehr Mühe geben soll, die Wörter richtig zu schreiben. Beim Elternabend wird Max' Mutter von der Klassenlehrerin direkt angesprochen.
Max mache, so berichtet die Lehrerin, in der Rechtschreibung kaum Fortschritte. Außerdem seien Max' Hausaufgaben häufig sehr fehlerhaft. Sie bittet Max' Mutter, die Hausaufgaben besser zu kontrollieren und mit Max täglich zehn Wörter zu schreiben.
Max' Mutter ist durch die Lehrerin eingeschüchtert und traut sich nicht zu sagen, dass sie bereits mit Max ständig übt und es mittlerweile aufgegeben hat, alle Fehler aus den Hausaufgaben zu korrigieren. Sie berichtet auch nicht darüber, dass sie sich mit Max ständig um die Hausaufgaben streitet und es ihr kaum noch gelingt, Max dazu zu bringen, überhaupt die Hausaufgaben anzufertigen.
Die Schwierigkeiten beim Lesen und Rechtschreiben fallen, wie das Fallbeispiel zeigt, auch bei den Hausaufgaben auf. Die Kinder benötigen viel Zeit für die Hausaufgaben, sie sind wenig motiviert zu schreiben, lassen sich leicht ablenken oder »vergessen« die Hausaufgaben.
Dies führt häufig dazu, dass Eltern versuchen, durch gemeinsames und nicht selten andauerndes Üben die Rechtschreibleistung zu verbessern. Obwohl seitens des Kindes und der Eltern viel Zeit und Mühe für das Üben aufgewandt wird, sind die Fortschritte im Lesen und Rechtschreiben sehr gering. Teilweise verschlechtern sich die Leistungen auch trotz des Übens.
Auch wenn es dem Kind manchmal direkt nach intensivem Üben gelingt, die Lernwörter überwiegend richtig zu schreiben, schreibt es am nächsten Tag in der Schule die meisten geübten Wörter wieder falsch. Die angespannte Hausaufgabensituation und das Versagen des Kindes im Diktat führen oft zu Spannungen zwischen Eltern und Kind.
Eltern werfen sich gegenseitig Versagen vor, das Kind erlebt einen kontinuierlichen schulischen Misserfolg, sodass ein erheblicher Eltern-Kind-Konflikt nicht selten die Folge ist. Alle Beteiligten wissen oft nicht, warum gerade ihr Kind solche schulischen Schwierigkeiten entwickelt.
Fallbeispiel: Auch Eltern geraten unter Druck
Max' Vater bemerkt, dass sich das Verhältnis zwischen seiner Frau und Max in letzter Zeit deutlich verändert hat. Seine im Nachbarhaus lebenden Eltern haben schon vor längerer Zeit gesagt, dass seine Frau den Max verziehe und nicht streng genug sei.
Wenn seine Frau nur richtig durchgreifen und das viele Fernsehen verbieten würde, dann würde der Max auch richtig schreiben lernen. Max' Vater ist verunsichert und spricht seine Frau auf die Probleme mit Max an. Sie berichtet, dass sie mittlerweile am Ende sei, da sie Druck von allen Seiten verspüre, von der Schule, von den Großeltern, von Max und sie merke auch, dass sie nicht ausreichend von ihrem Mann unterstützt wird.
Er unternehme mit Max fast nur die angenehmen Dinge, während sie sich um die schwierigen, weniger angenehmen Arbeiten kümmern dürfe. Beide Eltern sind angespannt und erheben gegenseitige Vorwürfe.
Die Legasthenie belastet oft die gesamte Familie (s. Fallbeispiel auf S. 13), und viele Konflikte werden dann deutlich, wenn konkrete Leistungsanforderungen im Lesen und Schreiben an das Kind gestellt werden. Auch im Unterricht erleben die legasthenen Kinder häufig wenig Unterstützung.
Lehrer stellen die Legasthenie zu selten fest und ziehen oft falsche Folgerungen aus dem Schülerverhalten. Sie suchen z. B. Ursachen für die schlechte Lese- und Rechtschreibleistung im familiären Umfeld. Als Erklärung sehen sie an, dass eine allein erziehende Mutter nicht genug Zeit für ihr Kind habe, um es angemessen zu unterstützen.
Fallbeispiel: Der Stress beginnt in der Schule
Max geht nur noch ungern in die Schule. Besonders vor dem Deutschunterricht hat er Angst. Sein Deutschlehrer hat ihm gestern bereits gedroht, er werde sich etwas Besonderes einfallen lassen, wenn Max morgen die Geschichte aus der Fibel nicht laut vorlesen könne. Dies hat der Lehrer bereits in der Vergangenheit getan.
Da musste Max mit ihm in die erste Klasse gehen und an der Tafel den Erstklässlern zeigen, wie schlecht er rechtschreiben kann. Max hat zu Hause viel geübt, um den Fibeltext lesen zu können. Trotzdem weiß er, dass er wieder in der Klasse beim Vorlesen Schwierigkeiten haben wird.
Als genau das eintritt, fordert ihn sein Lehrer auf, er solle doch den Text singen, wenn er ihn schon nicht lesen könne. Max ist ganz verzweifelt. Er springt auf und rennt nach Hause.
Nicht selten wird der Druck in der Klasse dadurch erhöht, dass legasthene Kinder durch quälende Vorleseübungen und Rechtschreibübungen an der Tafel bloßgestellt werden.
In Folge der schulischen Misserfolge und der familiär belastenden Situation können psychische Probleme beim Kind entstehen: Ängste, Traurigkeit, Herumkaspern und z.T. sogar aggressives Verhalten. Diese emotionalen Probleme und Verhaltensschwierigkeiten sind gerade bei legasthenen Kindern der dritten und vierten Klasse häufig erst der Auslöser für die Einleitung einer eingehenden Untersuchung.
In dem Textkasten auf S. 15 sind die wesentlichen Merkmale der Legasthenie zusammengefasst.
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Bibliographische Angaben
- Autor: DR. MED. GERD SCHULTE-KÖRNE
- 180 Seiten, mit zahlreichen farbigen Abbildungen, Maße: 15,9 x 18,5 cm, Kartoniert (TB)
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 3828952127
- ISBN-13: 9783828952126
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