Emma verduftet
Roman. Originalausgabe
Eine Reise nach Nizza stellt Emmas Leben gehörig auf den Kopf. Ihre Tochter hat nur Partys im Kopf und ihr Mann nur die Strand-Blondinen. Das reicht. Kurzerhand verduftet Emma einfach. Und zusammen mit ihrer Freundin Nora macht sie nicht nur Nizza, sondern auch die Männerwelt unsicher.
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Emma verduftet “
Eine Reise nach Nizza stellt Emmas Leben gehörig auf den Kopf. Ihre Tochter hat nur Partys im Kopf und ihr Mann nur die Strand-Blondinen. Das reicht. Kurzerhand verduftet Emma einfach. Und zusammen mit ihrer Freundin Nora macht sie nicht nur Nizza, sondern auch die Männerwelt unsicher.
Klappentext zu „Emma verduftet “
Jetzt reicht's! Jahrelang hat sich Emma um Mann, Tochter und Firma gekümmert. Doch dann kommt auf einer Reise nach Südfrankreich die große Enttäuschung: Ihr Mann interessiert sich mehr für russische Schönheiten als für seine Frau und die in Nizza studierende Tochter besucht lieber Partys als Vorlesungen. Kurzentschlossen verduftet Emma und landet unverhofft auf dem Feld des attraktiven Lavendelbauern David. Zusammen mit ihrer besten Freundin, der temperamentvollen Nora, stellt Emma fortan die Männerwelt auf den Kopf. Kann das gutgehen?Lese-Probe zu „Emma verduftet “
Emma verduftet von Tessa HennigProlog
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Die Essenz perfekter Liebe war umhüllt von geschliffenem Glas, das mit bunten Ornamenten versehen war. Im Schein der ersten Sonnenstrahlen, die sich im Spiegel vor ihr zu einem Lichtstrahl bündelten, begann es regelrecht zu leuchten. Emma hielt den Flakon nun schon eine ganze Weile unschlüssig in der Hand und bewunderte seine vollendete Schönheit. Was für ein charmant verspieltes Artefakt aus der Zeit des Art déco. Allein das Fläschchen musste ein Vermögen wert sein, noch mehr aber dessen Inhalt.
Hatte sie wirklich den Stein der Weisen gefunden, wie ihr Nora im Scherz gesagt hatte? Das, wonach Alchimisten aus aller Herren Länder über Jahrhunderte gesucht hatten? Typisch Nora mit ihren maßlosen Übertreibungen, die sie stets zum Schmunzeln brachten. Nein! Ein Schmunzeln war das eigentlich gar nicht. Ihr Spiegelbild strahlte sie förmlich an. Bildete sie sich das nur ein oder sah sie nun, mit dreiundfünfzig, jünger und vitaler aus als noch vor wenigen Jahren? Ihre braunen Augen funkelten jedenfalls voller Lebenskraft, ihr brünettes Haar glänzte seidig. Sie war glücklich. Lag dies am Ende an jenem Duft, den sie in ihren Händen hielt? Versuchung pur! - Nicht jetzt!, sagte sie sich, wusste aber zugleich, dass sie sich der hypnotischen Wirkung des schillernden Lichtspiels der Substanz nicht entziehen konnte. »Spür mich, berühr mich!«, schien ihr der Geist der Flasche mit der verführerischen Kraft von Sirenen zuzurufen. Nur kurz, nur daran schnuppern, nahm Emma sich tapfer vor, ein Atemzug, der, obgleich sie nur einen Hauch des Dufts aus dem Behältnis befreite, eine halbe Ewigkeit zu dauern schien. Ein Strom von Duftmolekülen entlud sich im Raum und füllte ihr Herz mit Liebe, aber auch mit der Erinnerung an Leidenschaft, Freundschaft, die bei aller fühlbaren Harmonie nahezu perfekt orchestriert von kleinen dissonanten Tönen unterbrochen wurde und gerade deshalb Neugier weckte. Wie mächtig doch das komplexe Spiel der Essenzen dieser erlesenen Komposition war. Kopf-, Herz- und Basisnote wie wohlklingende Akkorde meisterhaft aufeinander abgestimmt. Prickelnd, originell und auf den Punkt beim ersten Eindruck. Wärmende Geborgenheit und Vertrauen mit blumigen Zwischentönen im Duftverlauf. Solide, aber nicht langweilig. Das Bouquet zudem Boden einer Basis aus edlem Zedernholz - unerschütterlich und dennoch weich auf einem Fond aus Moos gebettet. Sosehr sie den Duft auch liebte, passte er zu ihr? Gab es so etwas wie die »perfekte Liebe« überhaupt? Die Urgewalt dieses Dufts schien ihr dies immer wieder zu suggerieren. Er konnte einen in einen Dämmerzustand hüllen, ließ Raum und Zeit vergessen, als bette er die Seele selbst in einen süßen Traum. Emma starrte immer noch nahezu regungslos auf den Flakon.
»Schatz, bist du schon fertig? Wir müssen.« Die ihr vertraute Männerstimme, die vom Flur ins Badezimmer drang, riss Emma abrupt zurück ins Hier und Jetzt, erinnerte sie daran, warum sie an diesem Morgen so früh aufgestanden war. Eilig verschloss sie den Flakon wieder, doch auch jetzt war immer noch genug von der Substanz im Raum wahrnehmbar. So verführerisch, so hypnotisch. Erneut vernahm sie die dringlich klingende Stimme.
»Schatz, ich fahr den Wagen schon mal vor!«
Aus der Traum, aber wer sagt eigentlich, dass die Realität nicht viel schöner sein kann? Erleichtert darüber, der Kraft der Essenz nun Paroli bieten zu können, stellte Emma den Flakon mit einem Hauch Wehmut zurück in ein Holzschränkchen, natürlich nicht, ohne noch einmal sanft und fast zärtlich mit der Hand über den vergoldeten Verschluss zu streichen.
Kapitel 1
Emma fragte sich, ob die letzte Plastiktüte mit Lillys Tennissachen noch in den Kofferraum passen würde, der bereits jetzt bis zum Anschlag vollgestopft war. So etwas nannte man wohl »Umzug auf Raten«.
»Wieso hat sie ihren ganzen Krempel nicht gleich auf einmal mitgenommen?«, beschwerte sich Georg, während er versuchte, den Tennisschläger noch irgendwie zwischen ihre zwei Koffer und die Tüten mit Lillys Klamotten zu pressen. »Diese ganzen Tüten, so was von asozial«, grantelte Georg weiter und warf Emma dabei einen vorwurfsvollen Blick zu.
Wenn dieses rastlose Energiebündel, das sie vor fünfundzwanzig Jahren geheiratet hatte, einmal in Fahrt war, hielt man sich besser mit einer passenden Replik zurück. Eine Tüte konnte gar nicht asozial sein, sondern nur praktisch. Wenn allerdings Georg das Wort »asozial« in den Mund nahm, musste es für alles Mögliche herhalten. In diesem Fall eine unschuldige Plastiktüte, mit der man sich in seinen Augen höchstens im Discounter blicken lassen konnte.
»Wofür haben wir eigentlich die teuren Ledertaschen im Keller?«, blaffte Georg weiter.
Zumindest was ihren Taschenbestand betraf, hatte er ja recht, aber wenn Emma ihm jetzt den Vorteil von kleineren Packstücken erklären wollte, die man flexibler im Kofferraum verstauen konnte, hätte ihn das nur noch mehr in Rage gebracht. Dass es im Kofferraum nach Öl und Metall stank und man diesen dumpfen Mief mit Hilfe der Plastiktüten besser von Lillys Kleidung fernhalten konnte, würde er sowieso nicht gelten lassen. Vermutlich nahm er den Eigengeruch des Kofferraums nicht einmal wahr. Um des lieben Friedens willen erklärte sie die Plastiktütendebatte mit einem devoten Schulterzucken für beendet. Es war sowieso schon ein Wunder, dass er diesmal mitfuhr. Die letzten Besuche bei ihrer Tochter in Nizza hatte sie allein absolvieren dürfen. Nur zweimal war er bisher mitgekommen, was man ihm aber nicht zum Vorwurf machen konnte. Die Arbeit ging nun mal vor. Georg lief Tag und Nacht irgendwelchen Financiers und Neureichen hinterher, die sich ein maßgeschneidertes Haus und somit ihn, einen Architekten, leisten konnten. Kein Wunder, dass gelegentlich die Pferde mit ihm durchgingen. Sein Schatzi, wie er sie gelegentlich nannte, hatte sich um die Buchhaltung und die geschäftliche Abwicklung zu kümmern, zwar auch ein Fulltime-Job, aber sicherlich weniger stressig als Georgs unermüdliche Akquise. Ihn so zornig mit den Päckchen und Tüten kämpfen zu sehen hatte auch etwas unfreiwillig Komisches. Georg erinnerte sie nicht zum ersten Mal an das HB-Männchen aus der Werbung, mit der ein Tabakkonzern bis weit in die siebziger Jahre hinein versucht hatte, seine Zigaretten als »Beruhigungsmittel« an den Mann zu bringen. Genau so kam er ihr jetzt vor, wie jenes Trickfilmmännchen, das kurz vor dem Herzinfarkt stand und jeden Moment mit Raketenantrieb gen Himmel abzuheben drohte. »Wer wird denn gleich in die Luft gehen?«, hieß es damals. Auch optisch hatte er, abgesehen von seinen blonden Haaren, etwas von der bekannten Zeichentrickfigur: klein, gedrungen, große Nase und Häschenblick, in den sie sich vor Jahren verliebt hatte, nur dass aus dem Häschen mittlerweile ein schlachtreifer Hase geworden war - Tribut an ungesunde Ernährungsgewohnheiten und das berühmt-berüchtigte Gläschen Wein zu viel.
Gut, dass nun alles verstaut war. Ob der Kofferraumdeckel zugehen würde, war allerdings fraglich. Georg kämpfte tapfer, drückte immer wieder rhythmisch auf das Blech, bis der ganze Wagen anfing zu wippen. So musste sich ein Fahrzeug bei einem Erdbeben bewegen. Vergebens! Georgs Zorn wuchs im Sekundentakt und entlud sich schließlich in brachialer Gewalt. Wie ein aus dem Meer emporsteigender Pottwal schmiss er sich mit der Wucht seiner Pfunde auf die Abdeckhaube. Zu dumm, dass er sich dabei den Zeigefinger zwischen der Abdeckhaube und der Halterung des hinteren Scheibenwischers einklemmte.
»So ein Scheißdreck!«, fluchte er. Dann überzog jedoch ein selbstironisches Lächeln seine Miene. Wer wirklich dar an schuld war, stand sowieso schon fest. Wenn Emma nicht dabeigestanden hätte, hätte er sich natürlich besser konzentrieren können, und das kleine Malheur wäre gar nicht erst passiert. Überraschenderweise blieb dieser Vorwurf jetzt jedoch aus. Ansonsten liebte er es aber, sie aufzuziehen und ihr die Schuld an einfach allem zu geben, selbst an einem Börsencrash in China oder einem neuartigen Computervirus, der das Pentagon lahmgelegt hatte.
»Können wir jetzt?«, hakte er ungeduldig nach.
»Du willst fahren, mit dem Finger?«, wunderte sie sich. Das musste beim Lenken doch ordentlich weh tun. Georg nickte nur gleichgültig und stieg wortlos in den Wagen.
Schmollend, versteht sich. Emma warf noch einen letzten Blick zurück zu ihrem Haus. Alle Türen waren verschlossen, doch wer immer auch in ihren Palast aus Glas einbrechen wollte, hätte sowieso leichtes Spiel. Das teure Interieur, ihr Schmuck, der heimkinogroße Plasmafernseher - alles war letztlich nur einen »Steinwurf« weit entfernt.
»Hier bricht schon niemand ein«, sagte Georg genervt. Er konnte es nicht ausstehen, wenn sie sich mehrfach versicherte, ob die Tür auch wirklich verschlossen war.
Also einsteigen!
Zehn Stunden Fahrt lagen vor ihnen und mindestens ein Strafzettel wegen Geschwindigkeitsüberschreitung, sofern es ihr nicht gelingen würde, ihn auf der Fahrt für längere Zeit abzulösen.
Die Essenz perfekter Liebe war umhüllt von geschliffenem Glas, das mit bunten Ornamenten versehen war. Im Schein der ersten Sonnenstrahlen, die sich im Spiegel vor ihr zu einem Lichtstrahl bündelten, begann es regelrecht zu leuchten. Emma hielt den Flakon nun schon eine ganze Weile unschlüssig in der Hand und bewunderte seine vollendete Schönheit. Was für ein charmant verspieltes Artefakt aus der Zeit des Art déco. Allein das Fläschchen musste ein Vermögen wert sein, noch mehr aber dessen Inhalt.
Hatte sie wirklich den Stein der Weisen gefunden, wie ihr Nora im Scherz gesagt hatte? Das, wonach Alchimisten aus aller Herren Länder über Jahrhunderte gesucht hatten? Typisch Nora mit ihren maßlosen Übertreibungen, die sie stets zum Schmunzeln brachten. Nein! Ein Schmunzeln war das eigentlich gar nicht. Ihr Spiegelbild strahlte sie förmlich an. Bildete sie sich das nur ein oder sah sie nun, mit dreiundfünfzig, jünger und vitaler aus als noch vor wenigen Jahren? Ihre braunen Augen funkelten jedenfalls voller Lebenskraft, ihr brünettes Haar glänzte seidig. Sie war glücklich. Lag dies am Ende an jenem Duft, den sie in ihren Händen hielt? Versuchung pur! - Nicht jetzt!, sagte sie sich, wusste aber zugleich, dass sie sich der hypnotischen Wirkung des schillernden Lichtspiels der Substanz nicht entziehen konnte. »Spür mich, berühr mich!«, schien ihr der Geist der Flasche mit der verführerischen Kraft von Sirenen zuzurufen. Nur kurz, nur daran schnuppern, nahm Emma sich tapfer vor, ein Atemzug, der, obgleich sie nur einen Hauch des Dufts aus dem Behältnis befreite, eine halbe Ewigkeit zu dauern schien. Ein Strom von Duftmolekülen entlud sich im Raum und füllte ihr Herz mit Liebe, aber auch mit der Erinnerung an Leidenschaft, Freundschaft, die bei aller fühlbaren Harmonie nahezu perfekt orchestriert von kleinen dissonanten Tönen unterbrochen wurde und gerade deshalb Neugier weckte. Wie mächtig doch das komplexe Spiel der Essenzen dieser erlesenen Komposition war. Kopf-, Herz- und Basisnote wie wohlklingende Akkorde meisterhaft aufeinander abgestimmt. Prickelnd, originell und auf den Punkt beim ersten Eindruck. Wärmende Geborgenheit und Vertrauen mit blumigen Zwischentönen im Duftverlauf. Solide, aber nicht langweilig. Das Bouquet zudem Boden einer Basis aus edlem Zedernholz - unerschütterlich und dennoch weich auf einem Fond aus Moos gebettet. Sosehr sie den Duft auch liebte, passte er zu ihr? Gab es so etwas wie die »perfekte Liebe« überhaupt? Die Urgewalt dieses Dufts schien ihr dies immer wieder zu suggerieren. Er konnte einen in einen Dämmerzustand hüllen, ließ Raum und Zeit vergessen, als bette er die Seele selbst in einen süßen Traum. Emma starrte immer noch nahezu regungslos auf den Flakon.
»Schatz, bist du schon fertig? Wir müssen.« Die ihr vertraute Männerstimme, die vom Flur ins Badezimmer drang, riss Emma abrupt zurück ins Hier und Jetzt, erinnerte sie daran, warum sie an diesem Morgen so früh aufgestanden war. Eilig verschloss sie den Flakon wieder, doch auch jetzt war immer noch genug von der Substanz im Raum wahrnehmbar. So verführerisch, so hypnotisch. Erneut vernahm sie die dringlich klingende Stimme.
»Schatz, ich fahr den Wagen schon mal vor!«
Aus der Traum, aber wer sagt eigentlich, dass die Realität nicht viel schöner sein kann? Erleichtert darüber, der Kraft der Essenz nun Paroli bieten zu können, stellte Emma den Flakon mit einem Hauch Wehmut zurück in ein Holzschränkchen, natürlich nicht, ohne noch einmal sanft und fast zärtlich mit der Hand über den vergoldeten Verschluss zu streichen.
Kapitel 1
Emma fragte sich, ob die letzte Plastiktüte mit Lillys Tennissachen noch in den Kofferraum passen würde, der bereits jetzt bis zum Anschlag vollgestopft war. So etwas nannte man wohl »Umzug auf Raten«.
»Wieso hat sie ihren ganzen Krempel nicht gleich auf einmal mitgenommen?«, beschwerte sich Georg, während er versuchte, den Tennisschläger noch irgendwie zwischen ihre zwei Koffer und die Tüten mit Lillys Klamotten zu pressen. »Diese ganzen Tüten, so was von asozial«, grantelte Georg weiter und warf Emma dabei einen vorwurfsvollen Blick zu.
Wenn dieses rastlose Energiebündel, das sie vor fünfundzwanzig Jahren geheiratet hatte, einmal in Fahrt war, hielt man sich besser mit einer passenden Replik zurück. Eine Tüte konnte gar nicht asozial sein, sondern nur praktisch. Wenn allerdings Georg das Wort »asozial« in den Mund nahm, musste es für alles Mögliche herhalten. In diesem Fall eine unschuldige Plastiktüte, mit der man sich in seinen Augen höchstens im Discounter blicken lassen konnte.
»Wofür haben wir eigentlich die teuren Ledertaschen im Keller?«, blaffte Georg weiter.
Zumindest was ihren Taschenbestand betraf, hatte er ja recht, aber wenn Emma ihm jetzt den Vorteil von kleineren Packstücken erklären wollte, die man flexibler im Kofferraum verstauen konnte, hätte ihn das nur noch mehr in Rage gebracht. Dass es im Kofferraum nach Öl und Metall stank und man diesen dumpfen Mief mit Hilfe der Plastiktüten besser von Lillys Kleidung fernhalten konnte, würde er sowieso nicht gelten lassen. Vermutlich nahm er den Eigengeruch des Kofferraums nicht einmal wahr. Um des lieben Friedens willen erklärte sie die Plastiktütendebatte mit einem devoten Schulterzucken für beendet. Es war sowieso schon ein Wunder, dass er diesmal mitfuhr. Die letzten Besuche bei ihrer Tochter in Nizza hatte sie allein absolvieren dürfen. Nur zweimal war er bisher mitgekommen, was man ihm aber nicht zum Vorwurf machen konnte. Die Arbeit ging nun mal vor. Georg lief Tag und Nacht irgendwelchen Financiers und Neureichen hinterher, die sich ein maßgeschneidertes Haus und somit ihn, einen Architekten, leisten konnten. Kein Wunder, dass gelegentlich die Pferde mit ihm durchgingen. Sein Schatzi, wie er sie gelegentlich nannte, hatte sich um die Buchhaltung und die geschäftliche Abwicklung zu kümmern, zwar auch ein Fulltime-Job, aber sicherlich weniger stressig als Georgs unermüdliche Akquise. Ihn so zornig mit den Päckchen und Tüten kämpfen zu sehen hatte auch etwas unfreiwillig Komisches. Georg erinnerte sie nicht zum ersten Mal an das HB-Männchen aus der Werbung, mit der ein Tabakkonzern bis weit in die siebziger Jahre hinein versucht hatte, seine Zigaretten als »Beruhigungsmittel« an den Mann zu bringen. Genau so kam er ihr jetzt vor, wie jenes Trickfilmmännchen, das kurz vor dem Herzinfarkt stand und jeden Moment mit Raketenantrieb gen Himmel abzuheben drohte. »Wer wird denn gleich in die Luft gehen?«, hieß es damals. Auch optisch hatte er, abgesehen von seinen blonden Haaren, etwas von der bekannten Zeichentrickfigur: klein, gedrungen, große Nase und Häschenblick, in den sie sich vor Jahren verliebt hatte, nur dass aus dem Häschen mittlerweile ein schlachtreifer Hase geworden war - Tribut an ungesunde Ernährungsgewohnheiten und das berühmt-berüchtigte Gläschen Wein zu viel.
Gut, dass nun alles verstaut war. Ob der Kofferraumdeckel zugehen würde, war allerdings fraglich. Georg kämpfte tapfer, drückte immer wieder rhythmisch auf das Blech, bis der ganze Wagen anfing zu wippen. So musste sich ein Fahrzeug bei einem Erdbeben bewegen. Vergebens! Georgs Zorn wuchs im Sekundentakt und entlud sich schließlich in brachialer Gewalt. Wie ein aus dem Meer emporsteigender Pottwal schmiss er sich mit der Wucht seiner Pfunde auf die Abdeckhaube. Zu dumm, dass er sich dabei den Zeigefinger zwischen der Abdeckhaube und der Halterung des hinteren Scheibenwischers einklemmte.
»So ein Scheißdreck!«, fluchte er. Dann überzog jedoch ein selbstironisches Lächeln seine Miene. Wer wirklich dar an schuld war, stand sowieso schon fest. Wenn Emma nicht dabeigestanden hätte, hätte er sich natürlich besser konzentrieren können, und das kleine Malheur wäre gar nicht erst passiert. Überraschenderweise blieb dieser Vorwurf jetzt jedoch aus. Ansonsten liebte er es aber, sie aufzuziehen und ihr die Schuld an einfach allem zu geben, selbst an einem Börsencrash in China oder einem neuartigen Computervirus, der das Pentagon lahmgelegt hatte.
»Können wir jetzt?«, hakte er ungeduldig nach.
»Du willst fahren, mit dem Finger?«, wunderte sie sich. Das musste beim Lenken doch ordentlich weh tun. Georg nickte nur gleichgültig und stieg wortlos in den Wagen.
Schmollend, versteht sich. Emma warf noch einen letzten Blick zurück zu ihrem Haus. Alle Türen waren verschlossen, doch wer immer auch in ihren Palast aus Glas einbrechen wollte, hätte sowieso leichtes Spiel. Das teure Interieur, ihr Schmuck, der heimkinogroße Plasmafernseher - alles war letztlich nur einen »Steinwurf« weit entfernt.
»Hier bricht schon niemand ein«, sagte Georg genervt. Er konnte es nicht ausstehen, wenn sie sich mehrfach versicherte, ob die Tür auch wirklich verschlossen war.
Also einsteigen!
Zehn Stunden Fahrt lagen vor ihnen und mindestens ein Strafzettel wegen Geschwindigkeitsüberschreitung, sofern es ihr nicht gelingen würde, ihn auf der Fahrt für längere Zeit abzulösen.
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Autoren-Porträt von Tessa Hennig
Tessa Hennig schreibt seit vielen Jahren große TV-Unterhaltung und Bestseller-Romane mit Herz und Humor, die auch erfolgreich verfilmt wurden. Wenn sie vom Schreiben eine Auszeit benötigt, reist sie auf der Suche nach neuen Stoffen gern in den Süden.
Bibliographische Angaben
- Autor: Tessa Hennig
- 2012, 6. Aufl., 384 Seiten, Maße: 12,5 x 18,7 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: List TB.
- ISBN-10: 3548610927
- ISBN-13: 9783548610924
- Erscheinungsdatum: 08.05.2012
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