Feuerzeit
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Feuerzeit von Jeffery Deaver
LESEPROBE
Mit seinen schweren Stiefeln stapfte er die Treppe hinauf. Auf dem
burgunderfarbenen Teppich mit Blumenmuster klangen seine Schritte
dumpf, an den fadenscheinigen Stellen, wo das verkratzteEichenholz
durchschimmerte, etwas heller.
Das Treppenhaus war dunkel. In einem Viertel wie diesem wurden die
Birnen aus den Deckenlampen und Notausgangsbeleuchtungen geklaut,
sobald sie eingesetzt worden waren.
John Pellam hob den Kopf und versuchte, den seltsamen Gerucheinzuordnen.
Er konnte es nicht, wusste nur, dass er ihn beunruhigte und leicht
nervös machte.
Erster Stock und weiter in den nächsten.
Er war vielleicht zum zehnten Mal in diesem alten Mietshaus, dochimmer
noch entdeckte er Dinge, die ihm bei den anderen Besuchenentgangen
waren. Heute Abend wurde sein Blick auf einen Bleiglas-Einsatz mit
einem über einer gelben Blume schwebenden Kolibri gelenkt.
Was machte dieses wunderschöne Bleiglas-Bild in einem hundertJahre
alten Mietshaus in einem der übelsten Viertel von New York? Undwarum
ein Kolibri?
Er hörte ein Schlurfen über sich und blickte nach oben. Er hattegedacht,
er wäre allein. Ein leiser Schlag, als etwas auf den Boden fiel.Ein
Seufzen.
Wie der undefinierbare Geruch weckte auch dieses Geräusch einunbehagliches
Gefühl in ihm.
Im zweiten Stock hielt Pellam kurz an und betrachtete denGlaseinsatz
über der Tür von Apartment 3B. Dieses Bild, einRotkehl-Hüttensänger
oder Eichelhäher auf einem Zweig, war genauso sorgfältiggearbeitet
wie der Kolibri im ersten Stock. Bei seinem ersten Besuch hier vor
einigen Monaten hatte er die schäbige Fassade gesehen underwartet,
dass das Haus innen genauso verfallen wäre. Doch er hatte Unrecht
gehabt. Es war ein Meisterstück der Handwerkskunst -Eichenholzdielen,
die so dicht aneinander lagen wie Stahlplatten, Gips, der somakellos
war wie Marmor, gedrechselte Geländer und Pfosten, bogenförmigeNischen,
in denen früher bestimmt einmal katholische Heiligenbildergestanden
hatten. Er
Wieder dieser Geruch. Diesmal stärker. Seine Nasenflügelflatterten.
Noch ein Schlag über ihm. Jemand keuchte. Er spürte, dass esirgendwie
dringend war, und stieg mit nach oben gerichtetem Blick weiter die
enge Treppe hinauf, während er sich gegen das Gewicht seinerTasche
- Videokamera, Akkus und Zubehör - stemmte. Er war schweißgebadet.
Es war zehn Uhr abends, doch im August war New York einfach nurdie
Hölle.
Was war das für ein Geruch?
Er weckte Erinnerungen in ihm, dann war er wieder verschwunden,überdeckt
von dem Duft nach gebratenen Zwiebeln, Knoblauch und zu oftverwendetem
Öl. Er erinnerte sich, dass an Etties Herd immer eine leere DoseFolgers-Kaffee
mit altem Fett stand. »Ich kann Ihnen sagen, damit spare ich eine
ganze Menge Geld.«
Auf halbem Wege zwischen dem zweiten und dritten Stock bliebPellam
noch einmal stehen und rieb sich die brennenden Augen. In demMoment
fiel es ihm ein:
Ein Studebaker.
Er stellte sich vor, wie der purpurrote, Ende der Fünfzigerjahregebaute
Wagen seiner Eltern, der wie ein Raumschiff ausgesehen hatte,langsam
bis auf die Reifen abgebrannt war. Sein Vater hatte aus Verseheneine
Zigarette auf den Sitz fallen lassen, und das Polster des Buck-Rogers-Wagens
hatte Feuer gefangen. Pellam, seine Eltern und alle Nachbarnhatten
sich das Schauspiel schockiert, erschrocken oder in heimlicherFreude
betrachtet.
Und jetzt hatte er den gleichen Geruch in der Nase: schwelendesFeuer,
Rauch. Plötzlich war er von heißen Rauchschwaden umhüllt. Erbeugte
sich über das Geländer und blickte ins Treppenhaus. Zuerst waralles
nur dunkel und rauchig. Doch plötzlich wurde in einer heftigenExplosion
die Tür im Erdgeschoss nach innen gerissen, und Flammen wie auseiner
startenden Rakete schossen ins Treppenhaus und in den kleinen Flur
im Erdgeschoss hinaus.
»Feuer!«, rief Pellam, als die schwarze Wolke den Flammen vorauszu
ihm hinaufjagte. Er hämmerte an die nächstgelegene Tür. KeineAntwort.
Er rannte die Treppen hinunter, doch die Flammen hielten ihnzurück,
die wogende Welle aus Rauch und Funken war zu dicht. Der Würgereiz
ließ ihn am ganzen Körper erzittern.
Verdammt, das Feuer kam rasend schnell näher! Flammen,Papierfetzen
und Funken wurden wie in einem Wirbelsturm durchs Treppenhaus nach
oben bis in den fünften, den obersten Stock getrieben.
Über sich hörte er einen Schrei und blickte hinauf. (...)
© Blanvalet Verlag
Übersetzung: Helmut Splinter
Autoren-Porträt von Jeffery Deaver
Jeffery Deaver gilt als einer der weltweit besten Autorenintelligenter psychologischer Thriller. Seit dem ersten großen Erfolg alsSchriftsteller hat er sich aus seinem Beruf als Rechtsanwalt zurückgezogen undlebt nun abwechselnd in Virginia und Kalifornien. Seine Bücher wurden in 12Sprachen übersetzt und haben ihm bereits zahlreiche renommierte Auszeichnungeneingebracht.
Die kongeniale Verfilmung seines Romans Die Assistentin" unter dem Titel DerKnochenjäger" (mit Denzel Washington und Angelina Joliein den Hauptrollen) war weltweit ein sensationeller Kinoerfolg und hat demfaszinierenden Ermittler- und Liebespaar Lincoln Rhymeund Amelia Sachs eine riesige Fangemeinde erobert.
- Autor: Jeffery Deaver
- 2003, 350 Seiten, Maße: 11,6 x 18,4 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Dtsch. v. Helmut Splinter
- Übersetzer: Helmut Splinter
- Verlag: Blanvalet
- ISBN-10: 344235823X
- ISBN-13: 9783442358236
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