Frau Jette Herz
Die unerfüllte Liebe der Henriette Herz.
Sinnlichkeit, Verlangen und die Enttäuschung über eine unerfüllte Liebe - Klaas Huizing mit dem beeindruckenden und einfühlsamen Porträt einer Frau aus der Frühromantik, deren Lebensgeschichte bis heute...
Sinnlichkeit, Verlangen und die Enttäuschung über eine unerfüllte Liebe - Klaas Huizing mit dem beeindruckenden und einfühlsamen Porträt einer Frau aus der Frühromantik, deren Lebensgeschichte bis heute...
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Produktinformationen zu „Frau Jette Herz “
Die unerfüllte Liebe der Henriette Herz.
Sinnlichkeit, Verlangen und die Enttäuschung über eine unerfüllte Liebe - Klaas Huizing mit dem beeindruckenden und einfühlsamen Porträt einer Frau aus der Frühromantik, deren Lebensgeschichte bis heute fasziniert: Henriette Herz.
»Wer den Gendarmenmarkt und Madame Herz nicht gesehen hat, der hat Berlin nicht gesehen.« So spricht man im ausgehenden 18. Jahrhundert über Henriette Herz. Mehr als 20 Jahre lang führt sie einen Berliner Salon, in dem sich illustre Gäste aus Politik, Kunst und Gelehrtenwelt drängen. Sie ist eine der gebildetsten und schönsten Frauen ihrer Zeit. Doch ihre große Liebe zu dem Philosophen Ernst Friedrich Schleiermacher findet keine Erfüllung. Seit ihrer ersten Begegnung verknüpft beide ein enges Freundschaftsband. Sie sehen sich fast täglich, genießen ihre Seelen- und Geistesverwandtschaft, doch eine gemeinsame Zukunft scheint ihnen verwehrt: Sie, auffallend groß und üppig, und er, klein und leicht verwachsen, ziehen sofort den Spott der Berliner Karikaturisten auf sich. Dem ist Schleiermacher nicht gewachsen. Er heiratet eine andere Frau. Im Laufe der Zeit durchschaut Henriette immer deutlicher seine Schwächen - aber sie bleibt ihm ein Leben lang treu. Sie ist die Einzige, die das Konzept der romantischen Freundschaft konsequent in die Praxis umsetzt, aber nicht nur darin liegt die Tragik ihres Lebens.
Klaas Huizing erzählt elegant und mit feinem Humor. Ihm gelingt es meisterhaft, im Lebensschicksal der Henriette Herz die Epoche der Romantik widerzuspiegeln. »Frau Jette Herz« ist ein Roman über eine faszinierende Frau, die ihren Gedanken Flügel wachsen ließ, aber mit ihren Gefühlen in den Grenzen ihrer Zeit gefangen blieb.
Sinnlichkeit, Verlangen und die Enttäuschung über eine unerfüllte Liebe - Klaas Huizing mit dem beeindruckenden und einfühlsamen Porträt einer Frau aus der Frühromantik, deren Lebensgeschichte bis heute fasziniert: Henriette Herz.
»Wer den Gendarmenmarkt und Madame Herz nicht gesehen hat, der hat Berlin nicht gesehen.« So spricht man im ausgehenden 18. Jahrhundert über Henriette Herz. Mehr als 20 Jahre lang führt sie einen Berliner Salon, in dem sich illustre Gäste aus Politik, Kunst und Gelehrtenwelt drängen. Sie ist eine der gebildetsten und schönsten Frauen ihrer Zeit. Doch ihre große Liebe zu dem Philosophen Ernst Friedrich Schleiermacher findet keine Erfüllung. Seit ihrer ersten Begegnung verknüpft beide ein enges Freundschaftsband. Sie sehen sich fast täglich, genießen ihre Seelen- und Geistesverwandtschaft, doch eine gemeinsame Zukunft scheint ihnen verwehrt: Sie, auffallend groß und üppig, und er, klein und leicht verwachsen, ziehen sofort den Spott der Berliner Karikaturisten auf sich. Dem ist Schleiermacher nicht gewachsen. Er heiratet eine andere Frau. Im Laufe der Zeit durchschaut Henriette immer deutlicher seine Schwächen - aber sie bleibt ihm ein Leben lang treu. Sie ist die Einzige, die das Konzept der romantischen Freundschaft konsequent in die Praxis umsetzt, aber nicht nur darin liegt die Tragik ihres Lebens.
Klaas Huizing erzählt elegant und mit feinem Humor. Ihm gelingt es meisterhaft, im Lebensschicksal der Henriette Herz die Epoche der Romantik widerzuspiegeln. »Frau Jette Herz« ist ein Roman über eine faszinierende Frau, die ihren Gedanken Flügel wachsen ließ, aber mit ihren Gefühlen in den Grenzen ihrer Zeit gefangen blieb.
Klappentext zu „Frau Jette Herz “
Die unerfüllte Liebe der Henriette Herz.Sinnlichkeit, Verlangen und die Enttäuschung über eine unerfüllte Liebe - Klaas Huizing mit dem beeindruckenden und einfühlsamen Porträt einer Frau aus der Frühromantik, deren Lebensgeschichte bis heute fasziniert: Henriette Herz.»Wer den Gendarmenmarkt und Madame Herz nicht gesehen hat, der hat Berlin nicht gesehen.« So spricht man im ausgehenden 18. Jahrhundert über Henriette Herz. Mehr als 20 Jahre lang führt sie einen Berliner Salon, in dem sich illustre Gäste aus Politik, Kunst und Gelehrtenwelt drängen. Sie ist eine der gebildetsten und schönsten Frauen ihrer Zeit. Doch ihre große Liebe zu dem Philosophen Ernst Friedrich Schleiermacher findet keine Erfüllung. Seit ihrer ersten Begegnung verknüpft beide ein enges Freundschaftsband. Sie sehen sich fast täglich, genießen ihre Seelen- und Geistesverwandtschaft, doch eine gemeinsame Zukunft scheint ihnen verwehrt: Sie, auffallend groß und üppig, und er, klein und leicht verwachsen, ziehen sofort den Spott der Berliner Karikaturisten auf sich. Dem ist Schleiermacher nicht gewachsen. Er heiratet eine andere Frau. Im Laufe der Zeit durchschaut Henriette immer deutlicher seine Schwächen - aber sie bleibt ihm ein Leben lang treu. Sie ist die Einzige, die das Konzept der romantischen Freundschaft konsequent in die Praxis umsetzt, aber nicht nur darin liegt die Tragik ihres Lebens.Klaas Huizing erzählt elegant und mit feinem Humor. Ihm gelingt es meisterhaft, im Lebensschicksal der Henriette Herz die Epoche der Romantik widerzuspiegeln. »Frau Jette Herz« ist ein Roman über eine faszinierende Frau, die ihren Gedanken Flügel wachsen ließ, aber mit ihren Gefühlen in den Grenzen ihrer Zeit gefangen blieb.
Die unerfüllte Liebe der Henriette Herz.
Sinnlichkeit, Verlangen und die Enttäuschung über eine unerfüllte Liebe - Klaas Huizing mit dem beeindruckenden und einfühlsamen Porträt einer Frau aus der Frühromantik, deren Lebensgeschichte bis heute fasziniert: Henriette Herz.
"Wer den Gendarmenmarkt und Madame Herz nicht gesehen hat, der hat Berlin nicht gesehen." So spricht man im ausgehenden 18. Jahrhundert über Henriette Herz. Mehr als 20 Jahre lang führt sie einen Berliner Salon, in dem sich illustre Gäste aus Politik, Kunst und Gelehrtenwelt drängen. Sie ist eine der gebildetsten und schönsten Frauen ihrer Zeit. Doch ihre große Liebe zu dem Philosophen Ernst Friedrich Schleiermacher findet keine Erfüllung. Seit ihrer ersten Begegnung verknüpft beide ein enges Freundschaftsband. Sie sehen sich fast täglich, genießen ihre Seelen- und Geistesverwandtschaft, doch eine gemeinsame Zukunft scheint ihnen verwehrt: Sie, auffallend groß und üppig, und er, klein und leicht verwachsen, ziehen sofort den Spott der Berliner Karikaturisten auf sich. Dem ist Schleiermacher nicht gewachsen. Er heiratet eine andere Frau. Im Laufe der Zeit durchschaut Henriette immer deutlicher seine Schwächen - aber sie bleibt ihm ein Leben lang treu. Sie ist die Einzige, die das Konzept der romantischen Freundschaft konsequent in die Praxis umsetzt, aber nicht nur darin liegt die Tragik ihres Lebens.
Klaas Huizing erzählt elegant und mit feinem Humor. Ihm gelingt es meisterhaft, im Lebensschicksal der Henriette Herz die Epoche der Romantik widerzuspiegeln. "Frau Jette Herz" ist ein Roman über eine faszinierende Frau, die ihren Gedanken Flügel wachsen ließ, aber mit ihren Gefühlen in den Grenzen ihrer Zeit gefangen blieb.
Sinnlichkeit, Verlangen und die Enttäuschung über eine unerfüllte Liebe - Klaas Huizing mit dem beeindruckenden und einfühlsamen Porträt einer Frau aus der Frühromantik, deren Lebensgeschichte bis heute fasziniert: Henriette Herz.
"Wer den Gendarmenmarkt und Madame Herz nicht gesehen hat, der hat Berlin nicht gesehen." So spricht man im ausgehenden 18. Jahrhundert über Henriette Herz. Mehr als 20 Jahre lang führt sie einen Berliner Salon, in dem sich illustre Gäste aus Politik, Kunst und Gelehrtenwelt drängen. Sie ist eine der gebildetsten und schönsten Frauen ihrer Zeit. Doch ihre große Liebe zu dem Philosophen Ernst Friedrich Schleiermacher findet keine Erfüllung. Seit ihrer ersten Begegnung verknüpft beide ein enges Freundschaftsband. Sie sehen sich fast täglich, genießen ihre Seelen- und Geistesverwandtschaft, doch eine gemeinsame Zukunft scheint ihnen verwehrt: Sie, auffallend groß und üppig, und er, klein und leicht verwachsen, ziehen sofort den Spott der Berliner Karikaturisten auf sich. Dem ist Schleiermacher nicht gewachsen. Er heiratet eine andere Frau. Im Laufe der Zeit durchschaut Henriette immer deutlicher seine Schwächen - aber sie bleibt ihm ein Leben lang treu. Sie ist die Einzige, die das Konzept der romantischen Freundschaft konsequent in die Praxis umsetzt, aber nicht nur darin liegt die Tragik ihres Lebens.
Klaas Huizing erzählt elegant und mit feinem Humor. Ihm gelingt es meisterhaft, im Lebensschicksal der Henriette Herz die Epoche der Romantik widerzuspiegeln. "Frau Jette Herz" ist ein Roman über eine faszinierende Frau, die ihren Gedanken Flügel wachsen ließ, aber mit ihren Gefühlen in den Grenzen ihrer Zeit gefangen blieb.
Lese-Probe zu „Frau Jette Herz “
1Die Salondame Herz
Dann wurde Jette Herz ganz unruhig. Sie ging im Salon auf und ab, zupfte an einem Spitzendeckchen, rückte einen Fauteuil gerade, entkorkte eigenhändig - viel zu früh - vier Flaschen Wein, bat wiederholt die Köchin, die Vorräte an Tee und Brot zu überprüfen, weil letzte Woche ein Gast über dünnen Tee und dünne Butterbrote gespottet hatte, griff schließlich nach einem Roman, hangelte sich an den Zeilen entlang, hoffte, die Lektüre würde ihr einen Rhythmus aufdrängen, der sie ruhiger werden ließ, wenigstens für Minuten, am liebsten für Stunden, bis endlich die Gäste kämen. Sie ließ die Tür zum Flur einen Spalt weit offen, weil die vertrauten Geräusche ihrer Bediensteten sie an ihre Kindheit erinnerten, wenn sie, an Stickhusten erkrankt, mit einem Buch versorgt das Bett hüten musste.
Doch heute verstand der Roman es nicht, sie zu fesseln. Sie entwand sich den Stricken, oder die Stricke waren zu dünn für ihre kräftigen, ja, leider! sehr kräftigen Gelenke. Vielleicht waren die Seiten auch zu klein bedruckt oder ihre Augen zu müde, sie verspürte jedenfalls keine Lust, mit den Figuren umherzuwandern, und durch die Geschichte trödeln wollte sie erst recht nicht. Vielleicht auch war die Strahlkraft ihres Helden über Nacht verglüht oder ihre Begeisterung für den Meister in langen Lehrjahren abgenutzt. Sie wählte deshalb ein anderes Buch, eine Reisebeschreibung, versuchte sich an den Seiten festzusaugen, rutschte aber immer wieder ab, fand heute keinen Halt, und sie würde, das wusste sie jetzt, bei keinem anderen Buch Erfolg haben, weil sie dem Besuch eines neuen Gastes entgegenfieberte, den ihr Alexander Graf zu Dohna angekündigt hatte. Ihr treuer Alex hatte geheimnisvoll getan, hatte gemurmelt, der Gast verhülle sich gerne unter Schleiern, sei jung zwar, aber von kolossaler Bildung, und sie hatte ihn gedrängt, wollte mehr wissen, aber Alexander hatte mit aufreizender Langsamkeit einen Apfel geschält - nur Alexander schälte den Apfel stets in
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einem Stück, sie kannte niemanden sonst! -, hatte die Schale hoch gehalten und gesagt, "Locken, ihn schmücken Locken!" Dann hatte er abrupt das Thema gewechselt, sich über seine ihn oft ermüdenden Aktenstudien beschwert, ganz unvermutet noch einmal gesagt: "Ihn schmücken Locken" und sich schließlich mit einem Versprechen verabschiedet: "Er wird Ihnen gefallen, Jette. Vielleicht war er im großen Salon bereits vor Jahren einmal anwesend, ohne dass er Ihnen auffiel, aber ich bin mir ganz sicher, ich werde Ihnen jetzt einen erblühten Freund zuführen, und er wird schon bald in Ihrer Gunst zu einem sehr engen Vertrauten aufsteigen."
Jette Herz hatte während der letzten fünfzehn Jahre zahllose Gäste in ihrem Salon empfangen, junge Adelige, die sich in ihren Schlössern mit ihren Gemahlinnen schrecklich langweilten, Diplomaten, Minister, Offiziere, Gerichtspräsidenten, daneben Kunstsammler, Dichter, Maler, Komponisten, Philosophen, Theologen, Schauspieler. Kaufleute auch. Und immer war sie, versessen auf Geselligkeit, sehr unruhig geworden, wenn sich ein neuer Gast angekündigt hatte. Aber niemals hatte ihr Alexander mit dieser Festigkeit beteuert, er werde künftig einen Freund mit ihr teilen. Was hatte er unausgesprochen gelassen, was nur angedeutet?
Wohl nur Alexander wusste, dass sie ein Gemüt besaß, das sich im Lärm des Salons nach vertraulicher Nähe sehnte, nach ungeschützter Unmittelbarkeit, dabei auf Ausschließlichkeit bestand und kein Schweifen duldete. Sie verlangte, zumindest an den frühen Nachmittagen, ungeteilte Aufmerksamkeit und kleine, aber bitte mit Esprit vorgetragene Komplimente. Und warum glaubte Alexander diese Rolle nicht ausfüllen zu können? Und warum gelang es auch ihrem Mann nicht?
Ihr Mann.
Ja.
Marcus Herz.
Wenn überhaupt ein Mensch den Nachnamen Herz führen durfte, dann ihr Mann. Sie hatte sich zuerst in den Namen verliebt, weil sie ihren portugiesischen Mädchennamen de Lemos gerne gegen einen so sprechenden Namen eintauschen wollte, erst später in den beinahe siebzehn Jahre älteren Herz.
Sein Äußeres hatte sie nicht sofort für ihn eingenommen. Sie selbst fand ihn, als er sich ihr vorstellte, auf den ersten Blick gedrungen und hässlich, aber den zweiten Ehekandidaten, den ihr Vater ihr präsentiert hatte, verunstaltete ein Blutschwamm im Gesicht, und sein Name war zu schlicht und zu bedeutungslos. Also fiel die Wahl auf Marcus Herz. Außerdem hatte ihr Vater ihr erklärt, Herz sei Aufklärer. Sie verband zwar mit dem Wort wenig - mein Gott, sie war damals, als sie sich verlobte, noch nicht einmal dreizehn Jahre alt! -, aber häufig waren in dem Gespräch die Wörter Freiheit und Mündigkeit gefallen, und die hatten einen anziehenden Klang. Und schön war sie schließlich selbst.
Sie schenkte ihrem Mann stets teuerste seidene Halsbinden, aber der Kopf, ein leider früh kahl werdender Kopf, thronte zu unmittelbar auf dem Körper, gab seiner Gestalt etwas Kränkelndes.
Das ja.
Sie mochte sein geistreiches Gesicht, seine elegante Gestik, und wenn er den Mund öffnete, erschloss sich augenblicklich eine neue Welt. Er besaß einen funkelnden Witz, und sie war sich sicher, es war dieser Witz, der seine Patienten im jüdischen Hospital die Krankheiten vergessen machte und ihm als Professor der Philosophie half, den Studenten ihre Vorurteile zu entwenden.
Stolz?
Sie war sogar sehr stolz darauf, mit dem Lieblingsjünger - wer durfte das unwidersprochen von sich behaupten? - des berühmtesten deutschen Philosophen, Immanuel Kant, verheiratet zu sein.
Und hatte nicht er seiner jungen Frau die besten Lehrer besorgt, um sie aus der Unmündigkeit herauszuführen?
Ja.
Hatte nicht er ihr Talent für Fremdsprachen und ihren Bildungshunger sehr nachdrücklich gefördert?
Aber ja.
Diese Chuzpe, ein jüdisches Haus zu einem, ach was, zu dem Mittelpunkt einer geistigen Elite in Berlin zu machen, in dem sich Angehörige unterschiedlicher Stände versammelten und in geselliger Gemeinschaft die neuesten Ideen besprachen. Musste Jette ihn nicht dafür bewundern?
Doch. Dafür bewunderte sie ihn.
Betrieb sie nicht dank seiner Großzügigkeit diesen Salon und war zur 'Sehenswürdigkeit' - ein zwiespältiges, aber durchaus sehr angemessenes Kompliment, wie sie fand - von Berlin aufgestiegen?
Durchaus.
Und duldete nicht er auch ihre Leidenschaft für die empfindsamen Literaten, die sich häufig abends einfanden und sich, ein wenig verschwörerisch, wie ihr Marcus fand, in eine eigene Stube zurückzogen und der Lust der Lektüre frönten? Und verdankte sie nicht seiner Großmut, dass die junge Literatur endlich einen Ort gefunden hatte, wo sie gelesen und begeistert besprochen wurde?
Auch das. (Und vielleicht würden aus Leserinnen irgendwann auch Schriftstellerinnen. Darauf hoffte sie. Ohne diesen Wunsch ihrem Mann zu gestehen.)
Sie hatte allerdings häufig einen kleinen Anflug von Unmut gespürt, das wohl, denn ihr Mann übte seinen Witz an dunklen Passagen in den Texten ihrer Lieblingsautoren und empfahl sogar neulich seinem Freund David Friedländer, der eine undeutliche Stelle aus einem Gedicht von Goethe ausgelegt haben wollte: "Gehen Sie zu meiner Frau; die versteht die Kunst, Unsinn zu erklären." Aber er hatte die sie umschwärmenden Männer in seinem Haus geduldet und klug gescherzt: "Zwei Kammern hat das Herz, liebste Jette. In der einen wohnt der aufgeklärte Verstand, in der anderen haust das warme Gefühl. Zusammen vereinigen wir ein ganzes Zeitalter."
Nein. Eifersüchtig war er nicht. Wie sollte der Lieblingsschüler des Junggesellen Kant auch diese Regung erlernt haben!
Und war das nicht angenehm?
Das war oft angenehm. Sehr angenehm sogar.
Aber ihr Bedürfnis nach Nähe, ihre Sehnsucht, die großen Empfindungen zu teilen, die konnte ihr Marcus nicht stillen. Zu häufig sprach er von Pflicht und leider zu wenig von Neigung. Selbst wenn er sie lächelnd anschaute, spürte sie, wie er seine Leidenschaften im Zaum hielt, den Gemütsbewegungen nur kleine Spaziergänge erlaubte und jede feurige Geste vor den Richterstuhl der Vernunft zitierte. Und er war weiß Gott ein strenger Richter. Was geht noch, was darf man zulassen, wann gewinnt der Körper die Herrschaft über den Verstand? Vor allem: Wann triumphiert die Begierde?
Jette wünschte sich entschieden häufiger einen Freispruch.
Wenn er sie berührte, dann hatte sie stets den Eindruck, er würde wie bei den Patienten allenfalls nach dem Puls fahnden. Seine dicken Hände mit den knotigen Gelenken waren für die Liebe einfach nicht geschaffen!
Ihr Marcus, ja.
Sie legte die Reisebeschreibungen endgültig zurück, riss die Fenster auf, ließ den Straßenlärm hereinschwappen, badete kurz in den lauten Geräuschen, atmete tief durch, dann schloss sie die Fenster, machte ausgiebig Toilette. Ihr turbanähnlicher Kopfputz - dafür war sie berühmt. Sie wählte einen apfelgrünen Seidenstoff. Ein Kleid aus bleifarbenem Atlas, mit Pelzwerk verbrämt. Stiefeletten, die die Füße kleiner erscheinen ließen. Zwei Spritzer Resedawasser. Oder besser: drei.
Heute Abend würden sie wieder einige wissenschaftliche Experimente durchführen. Dann stand sie, schweigend zwar, aber doch neben Marcus als seine Assistentin. Und das war unerhört in der Gelehrtenwelt: eine Frau, die sich in das Gebiet der Physik und Optik hineinwagte, die wusste, warum ein Kurzsichtiger sich konkaver Gläser bedienen musste und ein Weitsichtiger konvexer, die wusste, wie ein Fernglas funktionierte, die, das grenzte doch an ein Wunder!, mit stählernen Stäben eine sehr große magnetische Kraft erzeugen konnte, die auch mit viel Geduld den Zuhörern erklärte, was in einer Camera obscura für geheimnisvolle Dinge geschahen oder warum die Magnetnadeln an jedem Orte der Erde eine gewisse Richtung bevorzugt liebten.
Aber eine tiefe, eine leidenschaftliche Anziehung hatte sie, Jette Herz, noch nicht erlebt. Zwar hatte sie vor Jahren einen Tugendbund gegründet, ihn wie eine Geheimbündlerin mit hehren Statuten versehen, man hatte die Korrespondenz verschlüsselt, hatte das vertraute Du gepflegt, priesterliche Küsse ausgetauscht und sich geschworen, nichts voreinander zu verheimlichen, hielt sich für Freimaurer des Herzens. Die Humboldts hatten dazu gehört, Schillers Schwägerin Caroline von Wolzogen, Karl von La Roche, die Schriftstellerin Therese Forster-Huber (auf die Bezeichnung Schriftstellerin legte sie übertrieben großen Wert!), natürlich ihre Freundin Dorothea Veit, nur Rahel Varnhagen hatte schnippisch abgelehnt. Nun gut. Aber dann hatten sich Geheimniskrämereien eingeschlichen. Wilhelm von Humboldt, der doch sehr nachdrücklich für sie geschwärmt und mitten in einer Hebräischstunde vor ihr gekniet und lispelnd - das raubte der Szene ein wenig die Leidenschaftlichkeit - von großen Gefühlen gestammelt und ihr Gesichtsprofil als ebenbürtig mit den vollkommensten Kunstwerken griechischer Kunst gefeiert hatte, verliebte sich nur wenige Wochen später in Karoline von Dacheröden. Sie selbst hatte mit viel Talent die Eifersüchtige gegeben, und die engen Bande hatten sich gelöst. Aber eine leidenschaftliche Anziehung? Nein. Sie hatte mit großer Leidenschaft bisher allenfalls gespielt.
Und heute Abend hatte ihr Alexander einen Gast angekündigt, der auf sie eine gewaltige Anziehung ausüben sollte: einen verschleierten Gast.
Und hatte sie diese Erfahrung zu machen nicht endlich verdient?
Sie fand: Ja.
Ganz entschieden. Ja. Ja.
2
Ein Experiment!
Wenn Marcus Herz, mit frischer Halsbinde ausgestattet, der Gesellschaft ein Experiment ankündigte, dann wirkte er sehr konzentriert, beinahe entrückt, und diese Konzentration strahlte auf Jette aus, gab ihr Sicherheit, dann folgten die Hände, die oft wie aufgescheuchte Vögel an ihrem Körper herumflatterten, willig den Befehlen, dann wirkte ihr reizbares Gesicht gleichmütig, dann verstummten die Gespräche in ihrem Kopf. Aber heute taugte das Wort "Experiment" nicht, die Unruhe blieb, weil ihr Blick unfolgsam immer wieder den neuen Gast streifte, den ihr Alexander, dieser Scharlatan!, als Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher vorgestellt hatte, "Prediger an der Charité, von ältestem Denkadel, der als Erzieher vor allem meines jüngeren Bruders, so darf ich hoffen, auch noch mir einen kleinen Anteil vererbt hat". Sie hatte auf Alexander geblickt und gelacht und es versäumt, mit diesem Gast, der, so glaubte sie sich zu erinnern, verschüchtert vor Jahren einmal den Salon besucht hatte, ein paar Worte zu wechseln, weil ein anderer Gast ihre Aufmerksamkeit verlangte.
"In der letzten Woche, liebe Freunde, hatte ich bereits angemerkt, dass man, wenn man auf einen sehr hohen Berg steigt oder auf einen hohen, nein: gewaltig hohen Turm, die Luft weniger zusammengedrückt findet, weil alsdann das Gewicht der Luft über ihr doch merklich kleiner ist. Mit einem kleinen Experiment wollen wir diese Erscheinung außer Zweifel setzen. Wenn man eine Röhre nimmt ..."
Mit jedem schnellen Blick schnappte Jette eine Eigenart des neuen Gastes auf: Der Überrock war zwar ordentlich gebürstet, aber er wirkte abgetragen, erschreckend ärmlich; die Halsbinde war frisch, aber etwas zu sehr gestärkt, als müsste sie dem Hals als Stützband dienen; seine Locken kringelten sich nicht ganz so elegant, wie Alexanders Spiel mit der Apfelschale vermuten ließ - vielleicht hatte der Gast sie vor Aufregung ungeschickt zu bändigen versucht?
Und was war mit seinen Händen? Warum verbarg er sie? Waren sie klein und dick? Von einem Ekzem verunstaltet?
"Jette, bist du mir bitte behilflich?" Jette erschrak kurz, lächelte. Marcus spitzte, kaum wahrnehmbar, die Lippen. "Also: Wenn man die Röhre nimmt und an dem oberen Ende mit dem Finger ordentlich verschließt, und wenn man dann diese Röhre mit einfachem Wasser füllt, sie dann umkehrt, so, dass das offene Ende nach unten zeigt, so wird nichts herauslaufen."
Aufreizend langsam drehte Jette die Röhre um, ohne dass das Wasser den Weg durch die unverschlossene Öffnung nach draußen fand. Das Publikum klatschte. Einer der ältesten Freunde von Marcus, Johann Jakob Engel (auch dieser Name wäre für Jette bei der Wahl ihres Ehegatten von einiger Attraktion gewesen), ein Meister der menschlichen Mimik, sein Gesicht war immer in Bewegung, gab sehr überzeugend den ungläubigen Thomas, wurde prompt nach vorne gebeten, klopfte vorsichtig auf das Glasröhrchen, prüfte die Öffnung und sprach ein wenig theatralisch von Zauberei, ging dann unter erneutem Applaus auf seinen Platz zurück.
Jetzt war sich Jette sicher, die linke Schulter dieses Schleiermacher weigerte sich, mit der rechten Schulter in schöner Eintracht zu leben, und wurde auffällig, wenn Schleiermacher sich unbeobachtet fühlte. Aber diese Augen! In ihnen wohnte eine Sehnsucht, sich mit der ganzen Welt zu verbrüdern, darin siedelten Sinn und Geschmack, Leidenschaft und, ja, das auch, Leidensfähigkeit. Überdacht wurden diese Augen von einem schmalen Baldachin zart geschwungener Augenbrauen. Sie kannte solche Augen in dieser Reinheit nicht, sie kannte matte, gewitzte, ungezogene, tief unter Augenbrauen vergrabene und welche, die hervortraten, als habe man plötzlich beim Erdrosseln Einhalt geboten, aber nicht solche.
"Die Elastizität oder aber der Druck der Luft, liebe Freunde, der gegen das Wasser unten stößt, erhält die Flüssigkeit in der Röhre. Aber sobald man die Röhre oben freigibt, sogleich fällt die Materie herunter. Jette, bitte."
Jette nahm ihren Daumen von der oberen Öffnung, und das Wasser spritzte durch die untere Öffnung in die auffangbereite Wanne.
"Vielleicht hat unsere Jette das Wasser betört", rief Friedrich Nicolai, der so lebensklug war, als Schriftsteller zugleich Buchhändler zu sein, und ergänzte, weil er mit der Reaktion des Publikums unzufrieden war: "Vielleicht auch hat Jette ihren Daumen mit einem starken Leim eingerieben, der wahre Wunder vollbringt."
"Diesen Leim möchte ich erwerben, dann würde ich damit die Böschung an meinem Haus vor Hochwasser schützen", spottete ein anderer Gast, ein Komponist und gelernter Maurer, der seinen ursprünglichen Beruf nie ganz verleugnen konnte.
"Die Ursache", hob Marcus an, und sofort verstummten die Zwischenrufe, "nun, die Ursache ist, weil die Luft alsdann auch von oben sehr mächtig auf das Wasser drückt und es also mit aller Kraft heruntertreibt. Daraus sieht man, dass, solange die Röhre oben durch Jettes Finger geschlossen bleibt, die Kraft der äußeren Luft das Wasser in derselben erhielt."
Seine Nase war stark, Ausdruck einer gesunden Willenskraft, aber auch empfindsam; ein fein geschwungener Mund, wie man ihn, ja, doch, eher an einer Frau vermuten würde; eine mächtige, denkstarke Stirn, die die empfindsamen Partien so herrlich ausbalancierte. Ein fast weiblicher Teint. Aber dann fielen ihr die starken Falten auf, die von den Nasenflügeln in einer tiefen Spur zu den Mundwinkeln führten und ein Magenleiden verrieten.
Und warum versteckte er seine Hände?
"Setzt man nun diese Röhre in ein Gefäß, aus dem man, Jette, ich darf dich bitten, mir noch einmal zur Hand zu gehen, durch eine Luftpumpe die Luft weggenommen hat, so fällt das Wasser sogleich aus der Röhre! Achtung! Jetzt!"
Und obwohl Jette die Glasröhre mit dem Finger verschlossen hielt, fiel das Wasser in den luftentleerten Glaskolben, sobald sie die Röhre hineinsteckte.
Erneuter Applaus.
"Und wenn wir, stehend auf einem hohen Berg, ein sehr langes Rohr in eine vor Wasser schwangere Wolke hielten und das andere Ende in diesen Glasballon führten, dem man vorher die Luft ausgetrieben hat, würde es dann regnen?"Jette Herz bestaunte immer den Mut, mit der Dorothea Veit die seltsamsten Fragen stellte. Sie gehörte mit Rahel Levin zu ihren engsten Freundinnen seit Kindertagen. Beide hatten nach Jette ebenfalls die Chance ergriffen, durch einen eigenen Salon ihre Langeweile abzukürzen - Rahel empfing Gäste in ihrer Dachstube, und Dorothea unterhielt jede Woche einen Leseabend. Dorothea. Ja. Seit einigen Jahren nannte sie sich nicht mehr Brendel sondern Dorothea. Seht her! Ich gehöre zu euch.
Jette Herz hatte während der letzten fünfzehn Jahre zahllose Gäste in ihrem Salon empfangen, junge Adelige, die sich in ihren Schlössern mit ihren Gemahlinnen schrecklich langweilten, Diplomaten, Minister, Offiziere, Gerichtspräsidenten, daneben Kunstsammler, Dichter, Maler, Komponisten, Philosophen, Theologen, Schauspieler. Kaufleute auch. Und immer war sie, versessen auf Geselligkeit, sehr unruhig geworden, wenn sich ein neuer Gast angekündigt hatte. Aber niemals hatte ihr Alexander mit dieser Festigkeit beteuert, er werde künftig einen Freund mit ihr teilen. Was hatte er unausgesprochen gelassen, was nur angedeutet?
Wohl nur Alexander wusste, dass sie ein Gemüt besaß, das sich im Lärm des Salons nach vertraulicher Nähe sehnte, nach ungeschützter Unmittelbarkeit, dabei auf Ausschließlichkeit bestand und kein Schweifen duldete. Sie verlangte, zumindest an den frühen Nachmittagen, ungeteilte Aufmerksamkeit und kleine, aber bitte mit Esprit vorgetragene Komplimente. Und warum glaubte Alexander diese Rolle nicht ausfüllen zu können? Und warum gelang es auch ihrem Mann nicht?
Ihr Mann.
Ja.
Marcus Herz.
Wenn überhaupt ein Mensch den Nachnamen Herz führen durfte, dann ihr Mann. Sie hatte sich zuerst in den Namen verliebt, weil sie ihren portugiesischen Mädchennamen de Lemos gerne gegen einen so sprechenden Namen eintauschen wollte, erst später in den beinahe siebzehn Jahre älteren Herz.
Sein Äußeres hatte sie nicht sofort für ihn eingenommen. Sie selbst fand ihn, als er sich ihr vorstellte, auf den ersten Blick gedrungen und hässlich, aber den zweiten Ehekandidaten, den ihr Vater ihr präsentiert hatte, verunstaltete ein Blutschwamm im Gesicht, und sein Name war zu schlicht und zu bedeutungslos. Also fiel die Wahl auf Marcus Herz. Außerdem hatte ihr Vater ihr erklärt, Herz sei Aufklärer. Sie verband zwar mit dem Wort wenig - mein Gott, sie war damals, als sie sich verlobte, noch nicht einmal dreizehn Jahre alt! -, aber häufig waren in dem Gespräch die Wörter Freiheit und Mündigkeit gefallen, und die hatten einen anziehenden Klang. Und schön war sie schließlich selbst.
Sie schenkte ihrem Mann stets teuerste seidene Halsbinden, aber der Kopf, ein leider früh kahl werdender Kopf, thronte zu unmittelbar auf dem Körper, gab seiner Gestalt etwas Kränkelndes.
Das ja.
Sie mochte sein geistreiches Gesicht, seine elegante Gestik, und wenn er den Mund öffnete, erschloss sich augenblicklich eine neue Welt. Er besaß einen funkelnden Witz, und sie war sich sicher, es war dieser Witz, der seine Patienten im jüdischen Hospital die Krankheiten vergessen machte und ihm als Professor der Philosophie half, den Studenten ihre Vorurteile zu entwenden.
Stolz?
Sie war sogar sehr stolz darauf, mit dem Lieblingsjünger - wer durfte das unwidersprochen von sich behaupten? - des berühmtesten deutschen Philosophen, Immanuel Kant, verheiratet zu sein.
Und hatte nicht er seiner jungen Frau die besten Lehrer besorgt, um sie aus der Unmündigkeit herauszuführen?
Ja.
Hatte nicht er ihr Talent für Fremdsprachen und ihren Bildungshunger sehr nachdrücklich gefördert?
Aber ja.
Diese Chuzpe, ein jüdisches Haus zu einem, ach was, zu dem Mittelpunkt einer geistigen Elite in Berlin zu machen, in dem sich Angehörige unterschiedlicher Stände versammelten und in geselliger Gemeinschaft die neuesten Ideen besprachen. Musste Jette ihn nicht dafür bewundern?
Doch. Dafür bewunderte sie ihn.
Betrieb sie nicht dank seiner Großzügigkeit diesen Salon und war zur 'Sehenswürdigkeit' - ein zwiespältiges, aber durchaus sehr angemessenes Kompliment, wie sie fand - von Berlin aufgestiegen?
Durchaus.
Und duldete nicht er auch ihre Leidenschaft für die empfindsamen Literaten, die sich häufig abends einfanden und sich, ein wenig verschwörerisch, wie ihr Marcus fand, in eine eigene Stube zurückzogen und der Lust der Lektüre frönten? Und verdankte sie nicht seiner Großmut, dass die junge Literatur endlich einen Ort gefunden hatte, wo sie gelesen und begeistert besprochen wurde?
Auch das. (Und vielleicht würden aus Leserinnen irgendwann auch Schriftstellerinnen. Darauf hoffte sie. Ohne diesen Wunsch ihrem Mann zu gestehen.)
Sie hatte allerdings häufig einen kleinen Anflug von Unmut gespürt, das wohl, denn ihr Mann übte seinen Witz an dunklen Passagen in den Texten ihrer Lieblingsautoren und empfahl sogar neulich seinem Freund David Friedländer, der eine undeutliche Stelle aus einem Gedicht von Goethe ausgelegt haben wollte: "Gehen Sie zu meiner Frau; die versteht die Kunst, Unsinn zu erklären." Aber er hatte die sie umschwärmenden Männer in seinem Haus geduldet und klug gescherzt: "Zwei Kammern hat das Herz, liebste Jette. In der einen wohnt der aufgeklärte Verstand, in der anderen haust das warme Gefühl. Zusammen vereinigen wir ein ganzes Zeitalter."
Nein. Eifersüchtig war er nicht. Wie sollte der Lieblingsschüler des Junggesellen Kant auch diese Regung erlernt haben!
Und war das nicht angenehm?
Das war oft angenehm. Sehr angenehm sogar.
Aber ihr Bedürfnis nach Nähe, ihre Sehnsucht, die großen Empfindungen zu teilen, die konnte ihr Marcus nicht stillen. Zu häufig sprach er von Pflicht und leider zu wenig von Neigung. Selbst wenn er sie lächelnd anschaute, spürte sie, wie er seine Leidenschaften im Zaum hielt, den Gemütsbewegungen nur kleine Spaziergänge erlaubte und jede feurige Geste vor den Richterstuhl der Vernunft zitierte. Und er war weiß Gott ein strenger Richter. Was geht noch, was darf man zulassen, wann gewinnt der Körper die Herrschaft über den Verstand? Vor allem: Wann triumphiert die Begierde?
Jette wünschte sich entschieden häufiger einen Freispruch.
Wenn er sie berührte, dann hatte sie stets den Eindruck, er würde wie bei den Patienten allenfalls nach dem Puls fahnden. Seine dicken Hände mit den knotigen Gelenken waren für die Liebe einfach nicht geschaffen!
Ihr Marcus, ja.
Sie legte die Reisebeschreibungen endgültig zurück, riss die Fenster auf, ließ den Straßenlärm hereinschwappen, badete kurz in den lauten Geräuschen, atmete tief durch, dann schloss sie die Fenster, machte ausgiebig Toilette. Ihr turbanähnlicher Kopfputz - dafür war sie berühmt. Sie wählte einen apfelgrünen Seidenstoff. Ein Kleid aus bleifarbenem Atlas, mit Pelzwerk verbrämt. Stiefeletten, die die Füße kleiner erscheinen ließen. Zwei Spritzer Resedawasser. Oder besser: drei.
Heute Abend würden sie wieder einige wissenschaftliche Experimente durchführen. Dann stand sie, schweigend zwar, aber doch neben Marcus als seine Assistentin. Und das war unerhört in der Gelehrtenwelt: eine Frau, die sich in das Gebiet der Physik und Optik hineinwagte, die wusste, warum ein Kurzsichtiger sich konkaver Gläser bedienen musste und ein Weitsichtiger konvexer, die wusste, wie ein Fernglas funktionierte, die, das grenzte doch an ein Wunder!, mit stählernen Stäben eine sehr große magnetische Kraft erzeugen konnte, die auch mit viel Geduld den Zuhörern erklärte, was in einer Camera obscura für geheimnisvolle Dinge geschahen oder warum die Magnetnadeln an jedem Orte der Erde eine gewisse Richtung bevorzugt liebten.
Aber eine tiefe, eine leidenschaftliche Anziehung hatte sie, Jette Herz, noch nicht erlebt. Zwar hatte sie vor Jahren einen Tugendbund gegründet, ihn wie eine Geheimbündlerin mit hehren Statuten versehen, man hatte die Korrespondenz verschlüsselt, hatte das vertraute Du gepflegt, priesterliche Küsse ausgetauscht und sich geschworen, nichts voreinander zu verheimlichen, hielt sich für Freimaurer des Herzens. Die Humboldts hatten dazu gehört, Schillers Schwägerin Caroline von Wolzogen, Karl von La Roche, die Schriftstellerin Therese Forster-Huber (auf die Bezeichnung Schriftstellerin legte sie übertrieben großen Wert!), natürlich ihre Freundin Dorothea Veit, nur Rahel Varnhagen hatte schnippisch abgelehnt. Nun gut. Aber dann hatten sich Geheimniskrämereien eingeschlichen. Wilhelm von Humboldt, der doch sehr nachdrücklich für sie geschwärmt und mitten in einer Hebräischstunde vor ihr gekniet und lispelnd - das raubte der Szene ein wenig die Leidenschaftlichkeit - von großen Gefühlen gestammelt und ihr Gesichtsprofil als ebenbürtig mit den vollkommensten Kunstwerken griechischer Kunst gefeiert hatte, verliebte sich nur wenige Wochen später in Karoline von Dacheröden. Sie selbst hatte mit viel Talent die Eifersüchtige gegeben, und die engen Bande hatten sich gelöst. Aber eine leidenschaftliche Anziehung? Nein. Sie hatte mit großer Leidenschaft bisher allenfalls gespielt.
Und heute Abend hatte ihr Alexander einen Gast angekündigt, der auf sie eine gewaltige Anziehung ausüben sollte: einen verschleierten Gast.
Und hatte sie diese Erfahrung zu machen nicht endlich verdient?
Sie fand: Ja.
Ganz entschieden. Ja. Ja.
2
Ein Experiment!
Wenn Marcus Herz, mit frischer Halsbinde ausgestattet, der Gesellschaft ein Experiment ankündigte, dann wirkte er sehr konzentriert, beinahe entrückt, und diese Konzentration strahlte auf Jette aus, gab ihr Sicherheit, dann folgten die Hände, die oft wie aufgescheuchte Vögel an ihrem Körper herumflatterten, willig den Befehlen, dann wirkte ihr reizbares Gesicht gleichmütig, dann verstummten die Gespräche in ihrem Kopf. Aber heute taugte das Wort "Experiment" nicht, die Unruhe blieb, weil ihr Blick unfolgsam immer wieder den neuen Gast streifte, den ihr Alexander, dieser Scharlatan!, als Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher vorgestellt hatte, "Prediger an der Charité, von ältestem Denkadel, der als Erzieher vor allem meines jüngeren Bruders, so darf ich hoffen, auch noch mir einen kleinen Anteil vererbt hat". Sie hatte auf Alexander geblickt und gelacht und es versäumt, mit diesem Gast, der, so glaubte sie sich zu erinnern, verschüchtert vor Jahren einmal den Salon besucht hatte, ein paar Worte zu wechseln, weil ein anderer Gast ihre Aufmerksamkeit verlangte.
"In der letzten Woche, liebe Freunde, hatte ich bereits angemerkt, dass man, wenn man auf einen sehr hohen Berg steigt oder auf einen hohen, nein: gewaltig hohen Turm, die Luft weniger zusammengedrückt findet, weil alsdann das Gewicht der Luft über ihr doch merklich kleiner ist. Mit einem kleinen Experiment wollen wir diese Erscheinung außer Zweifel setzen. Wenn man eine Röhre nimmt ..."
Mit jedem schnellen Blick schnappte Jette eine Eigenart des neuen Gastes auf: Der Überrock war zwar ordentlich gebürstet, aber er wirkte abgetragen, erschreckend ärmlich; die Halsbinde war frisch, aber etwas zu sehr gestärkt, als müsste sie dem Hals als Stützband dienen; seine Locken kringelten sich nicht ganz so elegant, wie Alexanders Spiel mit der Apfelschale vermuten ließ - vielleicht hatte der Gast sie vor Aufregung ungeschickt zu bändigen versucht?
Und was war mit seinen Händen? Warum verbarg er sie? Waren sie klein und dick? Von einem Ekzem verunstaltet?
"Jette, bist du mir bitte behilflich?" Jette erschrak kurz, lächelte. Marcus spitzte, kaum wahrnehmbar, die Lippen. "Also: Wenn man die Röhre nimmt und an dem oberen Ende mit dem Finger ordentlich verschließt, und wenn man dann diese Röhre mit einfachem Wasser füllt, sie dann umkehrt, so, dass das offene Ende nach unten zeigt, so wird nichts herauslaufen."
Aufreizend langsam drehte Jette die Röhre um, ohne dass das Wasser den Weg durch die unverschlossene Öffnung nach draußen fand. Das Publikum klatschte. Einer der ältesten Freunde von Marcus, Johann Jakob Engel (auch dieser Name wäre für Jette bei der Wahl ihres Ehegatten von einiger Attraktion gewesen), ein Meister der menschlichen Mimik, sein Gesicht war immer in Bewegung, gab sehr überzeugend den ungläubigen Thomas, wurde prompt nach vorne gebeten, klopfte vorsichtig auf das Glasröhrchen, prüfte die Öffnung und sprach ein wenig theatralisch von Zauberei, ging dann unter erneutem Applaus auf seinen Platz zurück.
Jetzt war sich Jette sicher, die linke Schulter dieses Schleiermacher weigerte sich, mit der rechten Schulter in schöner Eintracht zu leben, und wurde auffällig, wenn Schleiermacher sich unbeobachtet fühlte. Aber diese Augen! In ihnen wohnte eine Sehnsucht, sich mit der ganzen Welt zu verbrüdern, darin siedelten Sinn und Geschmack, Leidenschaft und, ja, das auch, Leidensfähigkeit. Überdacht wurden diese Augen von einem schmalen Baldachin zart geschwungener Augenbrauen. Sie kannte solche Augen in dieser Reinheit nicht, sie kannte matte, gewitzte, ungezogene, tief unter Augenbrauen vergrabene und welche, die hervortraten, als habe man plötzlich beim Erdrosseln Einhalt geboten, aber nicht solche.
"Die Elastizität oder aber der Druck der Luft, liebe Freunde, der gegen das Wasser unten stößt, erhält die Flüssigkeit in der Röhre. Aber sobald man die Röhre oben freigibt, sogleich fällt die Materie herunter. Jette, bitte."
Jette nahm ihren Daumen von der oberen Öffnung, und das Wasser spritzte durch die untere Öffnung in die auffangbereite Wanne.
"Vielleicht hat unsere Jette das Wasser betört", rief Friedrich Nicolai, der so lebensklug war, als Schriftsteller zugleich Buchhändler zu sein, und ergänzte, weil er mit der Reaktion des Publikums unzufrieden war: "Vielleicht auch hat Jette ihren Daumen mit einem starken Leim eingerieben, der wahre Wunder vollbringt."
"Diesen Leim möchte ich erwerben, dann würde ich damit die Böschung an meinem Haus vor Hochwasser schützen", spottete ein anderer Gast, ein Komponist und gelernter Maurer, der seinen ursprünglichen Beruf nie ganz verleugnen konnte.
"Die Ursache", hob Marcus an, und sofort verstummten die Zwischenrufe, "nun, die Ursache ist, weil die Luft alsdann auch von oben sehr mächtig auf das Wasser drückt und es also mit aller Kraft heruntertreibt. Daraus sieht man, dass, solange die Röhre oben durch Jettes Finger geschlossen bleibt, die Kraft der äußeren Luft das Wasser in derselben erhielt."
Seine Nase war stark, Ausdruck einer gesunden Willenskraft, aber auch empfindsam; ein fein geschwungener Mund, wie man ihn, ja, doch, eher an einer Frau vermuten würde; eine mächtige, denkstarke Stirn, die die empfindsamen Partien so herrlich ausbalancierte. Ein fast weiblicher Teint. Aber dann fielen ihr die starken Falten auf, die von den Nasenflügeln in einer tiefen Spur zu den Mundwinkeln führten und ein Magenleiden verrieten.
Und warum versteckte er seine Hände?
"Setzt man nun diese Röhre in ein Gefäß, aus dem man, Jette, ich darf dich bitten, mir noch einmal zur Hand zu gehen, durch eine Luftpumpe die Luft weggenommen hat, so fällt das Wasser sogleich aus der Röhre! Achtung! Jetzt!"
Und obwohl Jette die Glasröhre mit dem Finger verschlossen hielt, fiel das Wasser in den luftentleerten Glaskolben, sobald sie die Röhre hineinsteckte.
Erneuter Applaus.
"Und wenn wir, stehend auf einem hohen Berg, ein sehr langes Rohr in eine vor Wasser schwangere Wolke hielten und das andere Ende in diesen Glasballon führten, dem man vorher die Luft ausgetrieben hat, würde es dann regnen?"Jette Herz bestaunte immer den Mut, mit der Dorothea Veit die seltsamsten Fragen stellte. Sie gehörte mit Rahel Levin zu ihren engsten Freundinnen seit Kindertagen. Beide hatten nach Jette ebenfalls die Chance ergriffen, durch einen eigenen Salon ihre Langeweile abzukürzen - Rahel empfing Gäste in ihrer Dachstube, und Dorothea unterhielt jede Woche einen Leseabend. Dorothea. Ja. Seit einigen Jahren nannte sie sich nicht mehr Brendel sondern Dorothea. Seht her! Ich gehöre zu euch.
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Autoren-Porträt von Klaas Huizing
Klaas Huizing, 1958 in Nordhorn geboren, lebt und arbeitet heute in Würzburg und in Saarbrücken. Er ist u.a. Chefredakteur des Kulturmagazins OPUS . 2003/2004 erhielt er das Jahresstipendium im Internationalen Künstlerhaus Villa Concordia.
Bibliographische Angaben
- Autor: Klaas Huizing
- 2005, 1, 318 Seiten, Maße: 13,8 x 22,1 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Knaus
- ISBN-10: 3813502090
- ISBN-13: 9783813502091
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