Gefangene der Lagon
Noch können die Wüstenstämme der Sem dem Ansturm der gohranischen Soldaten dank Guin trotzen. Aber der Krieger mit der Leopardenmaske weiß, dass sie auf Dauer verloren sind. Deshalb macht er sich allein auf den Weg in die Wüste, um die riesenhaften Lagon...
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Produktinformationen zu „Gefangene der Lagon “
Noch können die Wüstenstämme der Sem dem Ansturm der gohranischen Soldaten dank Guin trotzen. Aber der Krieger mit der Leopardenmaske weiß, dass sie auf Dauer verloren sind. Deshalb macht er sich allein auf den Weg in die Wüste, um die riesenhaften Lagon als Verbündete zu gewinnen. Währenddessen versucht sein Freund Istavan, die drohende Niederlage so lange wie möglich hinauszuzögern ...
Lese-Probe zu „Gefangene der Lagon “
"Wir haben..."Der Schleier der Nacht, der die bel zugerichteten, besiegten und ersch pften Soldaten einh llte, war so dick wie Tinte, weshalb sie nicht einmal die Hand vor Augen sahen.
"Wir haben uns in mancherlei Hinsicht get uscht..."
Die Wachposten schritten unabl ssig auf und ab, ihre Schritte knisterten wie trockenes Laub. Es war Befehl ergangen, die Feuer klein zu halten, und alle Krieger waren nach wie vor in voller R stung. Die Waffen lagen in Reichweite.
Bei jedem Klirren eines Schwertes, bei jedem leisen Wiehern eines Pferdes und jedem halblauten Wortwechsel am Rand des Lagers schreckten die Soldaten zusammen und griffen zur Waffe. Ihre Nerven lagen blank und waren zum Zerrei en gespannt, und es schien so, als k nnte bereits eine niederfallende Feder die tiefe Stille brechen.
Bisweilen nahm der Wind zu und wehte unheimliches Geheul und schauerliche Rufe ber den W stensand heran, was den M nnern noch weiter zusetzte. Vielleicht stammte das Geheul von den sagenumwobenen W stenw lfen der Nospherus-W ste, die angeblich tausend Tads am Tag zur cklegten, oder aber von einer noch gef hrlicheren Kreatur.
Es war eine Nacht des Schreckens. Die angeschlagene, unruhige mongaulische Armee f hlte sich verwundbar, und die gnadenlosen W stenbewohner setzten ihr ohne Unterlass zu. Sie wurden vom Blutgeruch angelockt: Vielfra e, W stenm uler, Sandw rmer, lautlose Schw rme von Vampirmoos, blutsaugende Fl he und auch die Sandegel. Diese widerw rtigen, unf rmigen, unheimlich phosphoreszierenden Wesen sorgten daf r, dass der teilweise reale, teilweise nur eingebildete Albtraum der Mongaulis einfach kein Ende nahm.
W hrend die riesigen Sandw rmer und die Vielfra e den gr ten Schrecken verbreiteten, verursachten die minderen Gefahren den Gohranern am meisten Kummer. Das uners ttliche Vampirmoos und die Fl he hefteten sich an jedes nackte St ck Haut und verbissen sich so fest darin, dass man sie einfach nicht mehr losbekam. St ndig waren die M nner damit
... mehr
besch ftigt, ihre Kameraden von hartn ckigen kleinen Blutsaugern zu befreien.
Die Sandegel waren wie die Yidohs durchscheinend, als ob sie keine eigenen Pigmente bes en, daf r war ihre widerliche Haut so gek rnt wie H hnerhaut. Wenn die Egel oder die dichten Flusen des Vampirmooses sich an Menschenfleisch hefteten, saugten sie so lange Blut, bis sie dick angeschwollen waren und sich dunkelrot gef rbt hatten. Gelang es dem Gepeinigten schlie lich, sich das Zeug abzurei en, und trat er darauf, staunte er ber das viele Blut, das sich in den trockenen, grauen Sand ergoss.
Welcher Krieger - der Streitmacht geh rten urspr nglich f nfzehntausend Elitesoldaten an, ausnahmslos handverlesene Angeh rige der f nf Ritterorden, der Stolz Mongauls - h tte sich tr umen lassen, dass f nftausend Barbaren ihrer Streitmacht so bel mitspielen k nnten? Die Soldaten hatten den schwarzen Kes berquert, die Grenze, die die Nospherus-W ste vom Osten Gohras trennte, um die dort beheimateten Sem zu vernichten und das Gebiet als neueste Eroberung dem glorreichen Mongaul einzuverleiben.
Angef hrt wurden die f nfzehntausend M nner von Amnelis mit der goldenen M hne, der Tochter des Erzherzogs, die mit ihren achtzehn Jahren bereits Generalin der Rechten war. Ihre Berater waren Gajus Wahrsager und die Wei en Ritter Feldrik, Lindrot und Vlon. Des Weiteren wurde sie vom loyalen Grafen Marus begleitet, dem Befehlshaber der Festung Tauride, und dessen zweitausend Blauen Rittern; aus Talos waren zweitausend Schwarze Ritter gekommen, die von den Hauptleuten Irrim und Tangard befehligt wurden, und aus Alvon zweitausend Rote Ritter unter dem Befehl der jungen Vicomtes Leegan und Astrias. Zusammen mit den zweitausend Armbrustsch tzen und den etwa f nftausend Infanteristen, die die Ritter unterst tzten, h tte Amnelis' Streitmacht eigentlich unbesiegbar sein sollen.
Mongaul brauchte dringend einen Sieg. Die drei Erzherzogt mer Yulania, Kumn und Mongaul, die sich zum Gohranischen Bund zusammengeschlossen hatten, der neuen Macht in Mittelland, lavierten unabl ssig, um das zerbrechliche Kr ftegleichgewicht zu bewahren, w hrend sie gleichzeitig versuchten, weiter nach Mittelland hinein zu expandieren, das von so ernst zu nehmenden Rivalen wie Parros, Cheironia, Grafgos und Kaulos beherrscht wurde. Mongaul war v llig berraschend ber das prachtvolle K nigreich Parros hergefallen, das sich nach einer Periode lang w hrenden Friedens in tr gerischer Sicherheit gewiegt hatte. Doch indem Mongaul die ber hmte Kristallstadt in seine Gewalt brachte, hatte es ironischerweise auch seine Stellung im Gohranischen Bund gef hrdet. Da die Furcht vor Erzherzog Vlad so gro geworden war, dass die anderen B ndnispartner ihre Selbst ndigkeit gef hrdet sahen, erwogen die Erzherz ge Olu Khan von Yulania und Tario von Kumn offenbar, sich heimlich gegen Mongaul zu verb nden.
Zudem hatte sich das eroberte K nigreich als weniger segensreich erwiesen, als Vlad sich erhofft hatte. Parros stand jetzt zwar unter mongaulischer Herrschaft, doch die Unterst tzer der verwaisten Zwillingskinder des Hohen K nigs Aldross, Prinz Remus und Prinzessin Rinda, die auf wundersame Weise den Flammen des Krieges entronnen waren, lie en sich in ihrem Widerstand gegen die mongaulischen Besatzer nicht beirren.
Somit musste es jedem unbeteiligten Beobachter schon seltsam erscheinen, dass Mongaul sein Augenmerk auf einmal von der neuen Eroberung in Mittelland abwandte und auf die de Nospherus-W ste richtete. Doch so unerwartet dieser Strategiewechsel auch kam, verr ckt war er keineswegs. Der Goldene Skorpionspalast von Mongaul hatte von einem gro en Geheimnis erfahren, das in der W ste verborgen sei, und dass Erzherzog Vlad Amnelis und eine ganze Invasionsarmee mit dessen Bergung beauftragt hatte, war ein entscheidender Schritt zur Verwirklichung seiner Ziele.
Jetzt aber, nach drei gewaltt tigen Zusammentreffen mit den Sem-Barbaren, wankte die mongaulische Armee unter dem Schock der Niederlage; und obwohl sie nicht aus der W ste vertrieben worden war, hatte sie sich doch zur ckziehen und neu formieren m ssen.
Die Mongaulis waren den Verteidigern zahlenm ig noch immer weit berlegen. Der gr te Schaden, den sie zu verzeichnen hatten, war psychologischer Natur. Der hoch gesch tzte Hauptmann Leegan war mit seiner Vorhut von einem Schwarm Yidohs eingekesselt worden, doch als der Staub sich legte, hatte sich herausgestellt, dass nur wenige Soldaten von den wogenden Ungeheuern in h ssliche Fleischklumpen verwandelt worden waren. Es war zwar ein schmerzlicher Verlust, aber noch kein entscheidender Schlag. Sp ter hatten die Sem zweimal im Schutze der Nacht angegriffen, die Vorposten berrannt und die Hauptstreitmacht in Angst und Schrecken versetzt, worauf sie sich ebenso schnell wieder zur ckgezogen hatten, wie sie aufgetaucht waren. Einschlie lich der von diesen beiden berf llen herr hrenden Toten und Verwundeten hatten die Mongaulis an diesem Tag den Meldungen zufolge nicht mehr als dreitausend Mann verloren, und selbst wenn man diese Verluste mit den fr heren addierte, blieben noch immer ber zehntausend gr tenteils unversehrte Soldaten brig. Die Invasionsarmee war noch immer mehr als doppelt so stark wie die vereinten Kr fte aller Sem-St mme.
Nichtsdestotrotz hatten die Angriffe ihren Tribut gefordert. Als am Abend endlich der Befehl zum Lagern gegeben wurde, waren die Gesichter der mongaulischen Soldaten von Mutlosigkeit und Verzweiflung gezeichnet.
berzahl ist nicht immer gleichbedeutend mit Siegesgewissheit, und den Gohranern machten die Verluste mehr zu schaffen als den Sem die ihren, denn sie hatten fast ein Drittel ihrer f nfzehntausend K pfe z hlenden Streitmacht verloren, w hrend die Barbaren nur ein F nftel ihrer urspr nglich f nftausend Krieger eingeb t hatten. Mit jeder im Laufe der Nacht eintreffenden Gefallenenmeldung erschienen ihnen die eigenen Verluste bedr ckender.
Der Krieger Guin h tte ihnen sagen k nnen, warum sie unterlegen waren und weshalb sie ein ums andere Mal hatten erfahren m ssen, wie bitter die Niederlage schmeckte. Er wusste, weshalb sie zitterten wie die berreste eines versprengten Heeres, obwohl sie ihre zahlenm ige berlegenheit doch bewahrt hatten. Die Nospherus-W ste war der Grund. Die Mongaulis befanden sich auf feindlichem Territorium. Sie hatten die Grenze berschritten, hatten das menschenbewohnte Land hinter sich gelassen, und jetzt schien es so, als habe sich die verbotene W ste gegen sie gewandt und alle Kreaturen des Sandes h tten sich mit den Sem zusammen erhoben, um sie zu vertreiben. Der unerwartete Angriff der grauenhaften Yidohs mochte zwar weniger Menschenleben gefordert haben, als die Mongaulis zun chst bef rchtet hatten, doch ihr Selbstvertrauen war zerst rt.
Jetzt schreckten die Soldaten bei jedem Windhauch und jedem Sandrutsch auf den D nen zusammen, da sie f rchteten, dies seien Vorboten eines neuen Schreckens. Die Nospherus-W ste war ihr Feind, und deren lebensfeindliche Weite umgab sie von allen Seiten. ber ihnen breitete sich der unbarmherzige Himmel aus, dunkel und bedrohlich.
Ihre Gedanken standen den Soldaten ins Gesicht geschrieben und erf llten sie mit einem solchen Unbehagen, dass die Offiziere gegen ihre Unsicherheit einfach nichts ausrichten konnten, ganz gleich, wie oft sie ihnen die eigene berlegenheit vor Augen f hrten und den sicheren Sieg heraufbeschworen. Nicht wenige verfluchten ihre Vorgesetzten, die sich diesen unter b sen Vorzeichen stehenden Feldzug ausgedacht hatten, und haderten damit, daran beteiligt zu sein. Am liebsten w re es ihnen gewesen, Amnelis h tte den R ckzug angetreten und diesem Wahnsinn ein Ende gemacht, doch das wagten sie nur hinter vorgehaltener Hand zu u ern.
Vor allem eines bedr ckte sie und hinterlie ein geradezu greifbares Gef hl von Bedrohung, das sie einfach nicht abstreifen konnten: die gro e Silhouette, die bei Sonnenuntergang auf sie herabgeblickt hatte und deren Schatten bis in ihr Herz gekrochen war und ihre d stersten Gedanken noch schw rzer gemacht hatte. Dies war der leopardenk pfige Krieger gewesen, der die vier gro en Sem-St mme - die Raku, Tubai, Rasa und Guro - sowie die mit ihnen verb ndeten kleineren St mme befehligte. Auf einem gewaltigen schwarzen Schlachtross war er an der Spitze der Barbarenstreitmacht die D nen herabgeritten, und seine Augen hatten gelb geleuchtet wie Feuer. Er war ein unbekannter Krieger, dessen Vergangenheit im Dunkeln lag, aber auf dem Schlachtfeld war sein Geschick ohne Beispiel.
H tten sie es allein mit den Sem-St mmen zu tun gehabt, h tten sich die Mongaulis gewiss nicht in die Defensive dr ngen lassen. Dem leopardenk pfigen Tiermenschen aber war etwas eigen, das seine Gegner ins Wanken brachte, sodass deren Schwerter und Pfeile auf einmal nicht mehr Instrumente des Todes, sondern nur mehr unhandliche Werkzeuge furchtsamer Selbstverteidigung waren. Er war die Verk rperung der Angst, die eigentlich gestaltlos h tte sein sollen. Insgeheim hatten die Soldaten das unangenehme Gef hl, ein Sakrileg zu begehen, so als zielten sie auf den Sonnengott Ruah oder den Tiergott Cirenos. Sie glaubten nicht mehr daran, dass sie der rechten Sache dienten, und eine von Zweifeln befallene Armee hat von vornherein verloren.
Keiner von ihnen wusste, woher das Unbehagen kam, das sie beim Anblick des Leopardenkriegers berfiel; sie h tten auch nicht genau sagen k nnen, ob er nun ein Mensch oder ein Gott war, wenn er wie ein Sturmwind ber sie herfiel und die Barbaren in die Schlacht f hrte, worauf er abermals in den D nen verschwand. So kam es, dass die Soldaten in der n chtlichen Dunkelheit, die ihnen umso dunkler erschien, da sie nicht einmal Wachfeuer entz nden durften, miteinander tuschelten und sich fragten, wer dieser unbekannte Krieger sei. Doch sobald jemand seine Stimme erhob, wurde er auch schon von einem ngstlichen Offizier ermahnt.
"Pst! Der Feind h rt mit!"
Und dann verstummten die Soldaten. Einige aber hatten zwingendere Gr nde als blo e Befehle, nicht ber den Leopardenk pfigen zu sprechen. Sie berkreuzten die Zeigefinger, machten das Janos-Zeichen zur Abwehr von D monen und erkl rten im Fl sterton, niemand d rfe von "ihm" sprechen.
"Sagt kein Wort... Das ist kein Mensch aus Fleisch und Blut wie wir, das ist ein D mon! Ja, wom glich ist sogar der D monengott Doal pers nlich auf die Erde herabgestiegen! Und wenn das stimmt -"
"Was dann?"
"Dann sollte man tunlichst nicht von ihm sprechen, geschweige denn etwas sagen, was man nicht so leicht wieder zur cknehmen kann. Man braucht nur den Namen eines D mons auszusprechen, und schon l dt er einen zum Abendessen ein!"
"Doal-Rotz! Wir sind zwar in der Nospherus-W ste, aber der? Hier? Ich meine -"
"Schweig! Ich hab doch gesagt, man soll nicht ber ihn sprechen - Janos steh uns bei."
"Janos sch tze uns. Sag mal, Dormog, du verstehst dich doch aufs Wetten."
"Ja, und?"
"Wie hoch sch tzt du unsere Chancen ein, lebend zur Talos-Feste zur ckzukehren?"
Dormogs Antwort wurde von einem scharfen Befehl unterbunden. "Pst! Ruhe da dr ben! Habt ihr die Befehle nicht geh rt, ihr Gossenratten?" Am Tonfall war zu erkennen, dass der Offizier ebenso nerv s war wie seine M nner. Die Fu soldaten zerstreuten sich, und die tiefschwarze Nacht war wieder von Stille erf llt.
Doch ob sie ihn nun aussprachen oder nicht, Guins Name war gegenw rtig das, was jeder einzelne Soldat der mongaulischen Invasionsarmee am meisten f rchtete. Aber nicht nur die einfachen Soldaten f rchteten den Leopardenmenschen - der geheimnisvolle Krieger hatte die nerv se Neugier selbst der h chsten Offiziere geweckt.
"Offenbar haben wir die Sem ein wenig untersch tzt...", wandte sich Generalin Amnelis an die Offiziere, die sich in ihrem Zelt zum Kriegsrat versammelt hatten. Graf Marus, Irrim, Tangard, Astrias, Gajus, Vlon und Lindrot dr ngten sich um einen Tisch mit einer halb herabgebrannten Kerze. "In dieser Situation bleibt uns nichts anderes brig, als das Einsatzziel neu zu bestimmen. Wir k nnen die Suche nach Gur Nuu nicht fortsetzen. Zun chst m ssen wir die Sem-St mme ausl schen. Wir werden das verborgene Tal erst dann suchen und dort eine Festung errichten, wenn der Vernichtungsfeldzug abgeschlossen ist. Sind alle einverstanden?"
"Wie Ihr meint."
"Euer Wille ist uns Befehl."
"Ich habe keine Einw nde gegen den Plan."
Einer nach dem anderen bekundeten die F hrer der mongaulischen Armee halblaut ihr Einverst ndnis, doch ihre Stimmung war gedr ckt. Mehr als der Ausgang der Schlacht bedr ckte sie der Tod Leegans, des geliebten Sohns des Grafen Ricard, des Befehlshabers der Alvon-Feste, und h llte sie in die Schleier der Trauer.
"Also gut. Die Sem werden sterben. Und doch scheint es, als k mpften wir weniger gegen die Sem als gegen den Leopardenkrieger - er allein hat uns die Niederlage zugef gt. Stimmt Ihr mir zu, Marus?"
Amnelis sprach in ruhigem Ton. Der Stimmungswandel der Offiziere war ihr nicht entgangen. Sie hatte aufgeh rt, gegen den schwer fassbaren Guin zu w ten, und ihren Zorn in kalte Gelassenheit umgewandelt. Sie musste unbedingt k hlen Kopf bewahren.
Ihre Lippen zitterten selbst dann nicht, als sie Guins Namen aussprach - sie hatte ihre legend re Eisesk lte wiederhergestellt. Sie hatte ihren Stolz hintangesetzt, denn sie hatte begriffen, wie wichtig es war, unvoreingenommen ber ihren Gegner zu urteilen, und dieser Sinneswandel war bemerkenswert. Nat rlich wussten alle Anwesenden, dass die Wutanf lle der letzten Tage getrogen hatten und dass mit der Generalin stets zu rechnen war.
Der Festungsherr von Tauride nickte mit dem Kopf und sagte gewichtig: "Es soll geschehen, wie Ihr sagt, Herrin."
Amnelis musterte die vor ihr stehenden M nner. Jedes Mal wenn sie den Kopf wandte, funkelten ihre gr nen Augen. "Die Sem haben keine Ahnung von Strategie", sagte sie nach langem Schweigen, "und noch weniger von Taktik. Sie sind Barbaren und vertrauen darauf, dass sie allein aufgrund ihrer schieren berzahl den Sieg davontragen werden. Das haben wir Mongaulis wieder und wieder erlebt, bei der ungl ckseligen Schlacht um die Stafolos-Feste und bei jedem einzelnen Scharm tzel, das unsere Patrouillen im Grenzland zu bestehen hatten. Stets haben sie sich wie Tiere ohne Verstand verhalten - bis heute. Seit wir den Kes berquert haben, stellen die Sem eine erstaunliche Schl ue unter Beweis - ja, sie erweisen sich sogar als listenreich. Sie setzen unterschiedliche Taktiken ein, machen sich unsere Ortsunkundigkeit zunutze und locken uns in Hinterhalte, wie bei der Yidoh-Falle, als sie einen Teil ihrer Streitmacht als K der eingesetzt haben, um unsere Formation zu spalten und mit ihrer Hauptstreitmacht ber unsere Flanke herzufallen. Da kaum anzunehmen ist, dass sie Augustinus' Milit rhandbuch oder Alzandross' Buch der Taktik gelesen haben, m ssen wir davon ausgehen, dass die Erfolge der Sem das Verdienst der Kreatur sind, die den Namen Guin tr gt." Sie lie den Blick abermals ber die Offiziere schweifen und wandelte ihre Aussage damit in eine Frage um. Die Offiziere schlossen sich ihrem Urteil bereitwillig an.
"Es ist, wie Ihr sagt, Herrin."
"So muss es sein."
"Ja, das ist ganz offensichtlich das Werk dieses Teufels."
"Nur weil wir nicht wussten, welch gro en Einfluss er auf die Sem hat, haben wir die Barbaren auf die leichte Schulter genommen, Generalin."
Amnelis nickte bed chtig und l chelte grimmig. "Somit ist wohl klar, dass unser wahrer Gegner nicht die Sem sind, sondern der Leopardenmensch, der ihre Streitmacht befehligt. Und der ist wahrlich gerissen! Das Geschick, mit dem sie die Angriffe ausf hren, ihr rasches Vorr cken und ihr noch rascherer R ckzug, dies alles offenbart sein Format. Er ist kein blo er S ldner, und er ist auch nicht zuf llig Krieger geworden. Ich glaube, wenn wir dieses Wesen gefangen nehmen und ihm die Leopardenmaske herunterrei en, wird darunter ein ber hmter Feldherr zum Vorschein kommen."
"Da habt Ihr wohl Recht, Herrin."
"Vielleicht", f gte Marus hinzu, "wird sich sogar herausstellen, dass er ein K nig ist oder ein Festungsherr oder ein hierzulande unbekannter Held. Ja, das ist so gewiss, wie dass der Tag auf den Abend folgt."
"Ah." Tangard nickte, dann platzte er heraus: "Er k nnte sogar ein Gohraner sein - nat rlich nur im schlimmstm glichen Fall."Der kampferprobte Graf Marus zog die buschigen wei en Augenbrauen zusammen und legte die Stirn in Falten. "Tangard. Wenn das ein Scherz sein sollte, ist er Euch misslungen."
Die Sandegel waren wie die Yidohs durchscheinend, als ob sie keine eigenen Pigmente bes en, daf r war ihre widerliche Haut so gek rnt wie H hnerhaut. Wenn die Egel oder die dichten Flusen des Vampirmooses sich an Menschenfleisch hefteten, saugten sie so lange Blut, bis sie dick angeschwollen waren und sich dunkelrot gef rbt hatten. Gelang es dem Gepeinigten schlie lich, sich das Zeug abzurei en, und trat er darauf, staunte er ber das viele Blut, das sich in den trockenen, grauen Sand ergoss.
Welcher Krieger - der Streitmacht geh rten urspr nglich f nfzehntausend Elitesoldaten an, ausnahmslos handverlesene Angeh rige der f nf Ritterorden, der Stolz Mongauls - h tte sich tr umen lassen, dass f nftausend Barbaren ihrer Streitmacht so bel mitspielen k nnten? Die Soldaten hatten den schwarzen Kes berquert, die Grenze, die die Nospherus-W ste vom Osten Gohras trennte, um die dort beheimateten Sem zu vernichten und das Gebiet als neueste Eroberung dem glorreichen Mongaul einzuverleiben.
Angef hrt wurden die f nfzehntausend M nner von Amnelis mit der goldenen M hne, der Tochter des Erzherzogs, die mit ihren achtzehn Jahren bereits Generalin der Rechten war. Ihre Berater waren Gajus Wahrsager und die Wei en Ritter Feldrik, Lindrot und Vlon. Des Weiteren wurde sie vom loyalen Grafen Marus begleitet, dem Befehlshaber der Festung Tauride, und dessen zweitausend Blauen Rittern; aus Talos waren zweitausend Schwarze Ritter gekommen, die von den Hauptleuten Irrim und Tangard befehligt wurden, und aus Alvon zweitausend Rote Ritter unter dem Befehl der jungen Vicomtes Leegan und Astrias. Zusammen mit den zweitausend Armbrustsch tzen und den etwa f nftausend Infanteristen, die die Ritter unterst tzten, h tte Amnelis' Streitmacht eigentlich unbesiegbar sein sollen.
Mongaul brauchte dringend einen Sieg. Die drei Erzherzogt mer Yulania, Kumn und Mongaul, die sich zum Gohranischen Bund zusammengeschlossen hatten, der neuen Macht in Mittelland, lavierten unabl ssig, um das zerbrechliche Kr ftegleichgewicht zu bewahren, w hrend sie gleichzeitig versuchten, weiter nach Mittelland hinein zu expandieren, das von so ernst zu nehmenden Rivalen wie Parros, Cheironia, Grafgos und Kaulos beherrscht wurde. Mongaul war v llig berraschend ber das prachtvolle K nigreich Parros hergefallen, das sich nach einer Periode lang w hrenden Friedens in tr gerischer Sicherheit gewiegt hatte. Doch indem Mongaul die ber hmte Kristallstadt in seine Gewalt brachte, hatte es ironischerweise auch seine Stellung im Gohranischen Bund gef hrdet. Da die Furcht vor Erzherzog Vlad so gro geworden war, dass die anderen B ndnispartner ihre Selbst ndigkeit gef hrdet sahen, erwogen die Erzherz ge Olu Khan von Yulania und Tario von Kumn offenbar, sich heimlich gegen Mongaul zu verb nden.
Zudem hatte sich das eroberte K nigreich als weniger segensreich erwiesen, als Vlad sich erhofft hatte. Parros stand jetzt zwar unter mongaulischer Herrschaft, doch die Unterst tzer der verwaisten Zwillingskinder des Hohen K nigs Aldross, Prinz Remus und Prinzessin Rinda, die auf wundersame Weise den Flammen des Krieges entronnen waren, lie en sich in ihrem Widerstand gegen die mongaulischen Besatzer nicht beirren.
Somit musste es jedem unbeteiligten Beobachter schon seltsam erscheinen, dass Mongaul sein Augenmerk auf einmal von der neuen Eroberung in Mittelland abwandte und auf die de Nospherus-W ste richtete. Doch so unerwartet dieser Strategiewechsel auch kam, verr ckt war er keineswegs. Der Goldene Skorpionspalast von Mongaul hatte von einem gro en Geheimnis erfahren, das in der W ste verborgen sei, und dass Erzherzog Vlad Amnelis und eine ganze Invasionsarmee mit dessen Bergung beauftragt hatte, war ein entscheidender Schritt zur Verwirklichung seiner Ziele.
Jetzt aber, nach drei gewaltt tigen Zusammentreffen mit den Sem-Barbaren, wankte die mongaulische Armee unter dem Schock der Niederlage; und obwohl sie nicht aus der W ste vertrieben worden war, hatte sie sich doch zur ckziehen und neu formieren m ssen.
Die Mongaulis waren den Verteidigern zahlenm ig noch immer weit berlegen. Der gr te Schaden, den sie zu verzeichnen hatten, war psychologischer Natur. Der hoch gesch tzte Hauptmann Leegan war mit seiner Vorhut von einem Schwarm Yidohs eingekesselt worden, doch als der Staub sich legte, hatte sich herausgestellt, dass nur wenige Soldaten von den wogenden Ungeheuern in h ssliche Fleischklumpen verwandelt worden waren. Es war zwar ein schmerzlicher Verlust, aber noch kein entscheidender Schlag. Sp ter hatten die Sem zweimal im Schutze der Nacht angegriffen, die Vorposten berrannt und die Hauptstreitmacht in Angst und Schrecken versetzt, worauf sie sich ebenso schnell wieder zur ckgezogen hatten, wie sie aufgetaucht waren. Einschlie lich der von diesen beiden berf llen herr hrenden Toten und Verwundeten hatten die Mongaulis an diesem Tag den Meldungen zufolge nicht mehr als dreitausend Mann verloren, und selbst wenn man diese Verluste mit den fr heren addierte, blieben noch immer ber zehntausend gr tenteils unversehrte Soldaten brig. Die Invasionsarmee war noch immer mehr als doppelt so stark wie die vereinten Kr fte aller Sem-St mme.
Nichtsdestotrotz hatten die Angriffe ihren Tribut gefordert. Als am Abend endlich der Befehl zum Lagern gegeben wurde, waren die Gesichter der mongaulischen Soldaten von Mutlosigkeit und Verzweiflung gezeichnet.
berzahl ist nicht immer gleichbedeutend mit Siegesgewissheit, und den Gohranern machten die Verluste mehr zu schaffen als den Sem die ihren, denn sie hatten fast ein Drittel ihrer f nfzehntausend K pfe z hlenden Streitmacht verloren, w hrend die Barbaren nur ein F nftel ihrer urspr nglich f nftausend Krieger eingeb t hatten. Mit jeder im Laufe der Nacht eintreffenden Gefallenenmeldung erschienen ihnen die eigenen Verluste bedr ckender.
Der Krieger Guin h tte ihnen sagen k nnen, warum sie unterlegen waren und weshalb sie ein ums andere Mal hatten erfahren m ssen, wie bitter die Niederlage schmeckte. Er wusste, weshalb sie zitterten wie die berreste eines versprengten Heeres, obwohl sie ihre zahlenm ige berlegenheit doch bewahrt hatten. Die Nospherus-W ste war der Grund. Die Mongaulis befanden sich auf feindlichem Territorium. Sie hatten die Grenze berschritten, hatten das menschenbewohnte Land hinter sich gelassen, und jetzt schien es so, als habe sich die verbotene W ste gegen sie gewandt und alle Kreaturen des Sandes h tten sich mit den Sem zusammen erhoben, um sie zu vertreiben. Der unerwartete Angriff der grauenhaften Yidohs mochte zwar weniger Menschenleben gefordert haben, als die Mongaulis zun chst bef rchtet hatten, doch ihr Selbstvertrauen war zerst rt.
Jetzt schreckten die Soldaten bei jedem Windhauch und jedem Sandrutsch auf den D nen zusammen, da sie f rchteten, dies seien Vorboten eines neuen Schreckens. Die Nospherus-W ste war ihr Feind, und deren lebensfeindliche Weite umgab sie von allen Seiten. ber ihnen breitete sich der unbarmherzige Himmel aus, dunkel und bedrohlich.
Ihre Gedanken standen den Soldaten ins Gesicht geschrieben und erf llten sie mit einem solchen Unbehagen, dass die Offiziere gegen ihre Unsicherheit einfach nichts ausrichten konnten, ganz gleich, wie oft sie ihnen die eigene berlegenheit vor Augen f hrten und den sicheren Sieg heraufbeschworen. Nicht wenige verfluchten ihre Vorgesetzten, die sich diesen unter b sen Vorzeichen stehenden Feldzug ausgedacht hatten, und haderten damit, daran beteiligt zu sein. Am liebsten w re es ihnen gewesen, Amnelis h tte den R ckzug angetreten und diesem Wahnsinn ein Ende gemacht, doch das wagten sie nur hinter vorgehaltener Hand zu u ern.
Vor allem eines bedr ckte sie und hinterlie ein geradezu greifbares Gef hl von Bedrohung, das sie einfach nicht abstreifen konnten: die gro e Silhouette, die bei Sonnenuntergang auf sie herabgeblickt hatte und deren Schatten bis in ihr Herz gekrochen war und ihre d stersten Gedanken noch schw rzer gemacht hatte. Dies war der leopardenk pfige Krieger gewesen, der die vier gro en Sem-St mme - die Raku, Tubai, Rasa und Guro - sowie die mit ihnen verb ndeten kleineren St mme befehligte. Auf einem gewaltigen schwarzen Schlachtross war er an der Spitze der Barbarenstreitmacht die D nen herabgeritten, und seine Augen hatten gelb geleuchtet wie Feuer. Er war ein unbekannter Krieger, dessen Vergangenheit im Dunkeln lag, aber auf dem Schlachtfeld war sein Geschick ohne Beispiel.
H tten sie es allein mit den Sem-St mmen zu tun gehabt, h tten sich die Mongaulis gewiss nicht in die Defensive dr ngen lassen. Dem leopardenk pfigen Tiermenschen aber war etwas eigen, das seine Gegner ins Wanken brachte, sodass deren Schwerter und Pfeile auf einmal nicht mehr Instrumente des Todes, sondern nur mehr unhandliche Werkzeuge furchtsamer Selbstverteidigung waren. Er war die Verk rperung der Angst, die eigentlich gestaltlos h tte sein sollen. Insgeheim hatten die Soldaten das unangenehme Gef hl, ein Sakrileg zu begehen, so als zielten sie auf den Sonnengott Ruah oder den Tiergott Cirenos. Sie glaubten nicht mehr daran, dass sie der rechten Sache dienten, und eine von Zweifeln befallene Armee hat von vornherein verloren.
Keiner von ihnen wusste, woher das Unbehagen kam, das sie beim Anblick des Leopardenkriegers berfiel; sie h tten auch nicht genau sagen k nnen, ob er nun ein Mensch oder ein Gott war, wenn er wie ein Sturmwind ber sie herfiel und die Barbaren in die Schlacht f hrte, worauf er abermals in den D nen verschwand. So kam es, dass die Soldaten in der n chtlichen Dunkelheit, die ihnen umso dunkler erschien, da sie nicht einmal Wachfeuer entz nden durften, miteinander tuschelten und sich fragten, wer dieser unbekannte Krieger sei. Doch sobald jemand seine Stimme erhob, wurde er auch schon von einem ngstlichen Offizier ermahnt.
"Pst! Der Feind h rt mit!"
Und dann verstummten die Soldaten. Einige aber hatten zwingendere Gr nde als blo e Befehle, nicht ber den Leopardenk pfigen zu sprechen. Sie berkreuzten die Zeigefinger, machten das Janos-Zeichen zur Abwehr von D monen und erkl rten im Fl sterton, niemand d rfe von "ihm" sprechen.
"Sagt kein Wort... Das ist kein Mensch aus Fleisch und Blut wie wir, das ist ein D mon! Ja, wom glich ist sogar der D monengott Doal pers nlich auf die Erde herabgestiegen! Und wenn das stimmt -"
"Was dann?"
"Dann sollte man tunlichst nicht von ihm sprechen, geschweige denn etwas sagen, was man nicht so leicht wieder zur cknehmen kann. Man braucht nur den Namen eines D mons auszusprechen, und schon l dt er einen zum Abendessen ein!"
"Doal-Rotz! Wir sind zwar in der Nospherus-W ste, aber der? Hier? Ich meine -"
"Schweig! Ich hab doch gesagt, man soll nicht ber ihn sprechen - Janos steh uns bei."
"Janos sch tze uns. Sag mal, Dormog, du verstehst dich doch aufs Wetten."
"Ja, und?"
"Wie hoch sch tzt du unsere Chancen ein, lebend zur Talos-Feste zur ckzukehren?"
Dormogs Antwort wurde von einem scharfen Befehl unterbunden. "Pst! Ruhe da dr ben! Habt ihr die Befehle nicht geh rt, ihr Gossenratten?" Am Tonfall war zu erkennen, dass der Offizier ebenso nerv s war wie seine M nner. Die Fu soldaten zerstreuten sich, und die tiefschwarze Nacht war wieder von Stille erf llt.
Doch ob sie ihn nun aussprachen oder nicht, Guins Name war gegenw rtig das, was jeder einzelne Soldat der mongaulischen Invasionsarmee am meisten f rchtete. Aber nicht nur die einfachen Soldaten f rchteten den Leopardenmenschen - der geheimnisvolle Krieger hatte die nerv se Neugier selbst der h chsten Offiziere geweckt.
"Offenbar haben wir die Sem ein wenig untersch tzt...", wandte sich Generalin Amnelis an die Offiziere, die sich in ihrem Zelt zum Kriegsrat versammelt hatten. Graf Marus, Irrim, Tangard, Astrias, Gajus, Vlon und Lindrot dr ngten sich um einen Tisch mit einer halb herabgebrannten Kerze. "In dieser Situation bleibt uns nichts anderes brig, als das Einsatzziel neu zu bestimmen. Wir k nnen die Suche nach Gur Nuu nicht fortsetzen. Zun chst m ssen wir die Sem-St mme ausl schen. Wir werden das verborgene Tal erst dann suchen und dort eine Festung errichten, wenn der Vernichtungsfeldzug abgeschlossen ist. Sind alle einverstanden?"
"Wie Ihr meint."
"Euer Wille ist uns Befehl."
"Ich habe keine Einw nde gegen den Plan."
Einer nach dem anderen bekundeten die F hrer der mongaulischen Armee halblaut ihr Einverst ndnis, doch ihre Stimmung war gedr ckt. Mehr als der Ausgang der Schlacht bedr ckte sie der Tod Leegans, des geliebten Sohns des Grafen Ricard, des Befehlshabers der Alvon-Feste, und h llte sie in die Schleier der Trauer.
"Also gut. Die Sem werden sterben. Und doch scheint es, als k mpften wir weniger gegen die Sem als gegen den Leopardenkrieger - er allein hat uns die Niederlage zugef gt. Stimmt Ihr mir zu, Marus?"
Amnelis sprach in ruhigem Ton. Der Stimmungswandel der Offiziere war ihr nicht entgangen. Sie hatte aufgeh rt, gegen den schwer fassbaren Guin zu w ten, und ihren Zorn in kalte Gelassenheit umgewandelt. Sie musste unbedingt k hlen Kopf bewahren.
Ihre Lippen zitterten selbst dann nicht, als sie Guins Namen aussprach - sie hatte ihre legend re Eisesk lte wiederhergestellt. Sie hatte ihren Stolz hintangesetzt, denn sie hatte begriffen, wie wichtig es war, unvoreingenommen ber ihren Gegner zu urteilen, und dieser Sinneswandel war bemerkenswert. Nat rlich wussten alle Anwesenden, dass die Wutanf lle der letzten Tage getrogen hatten und dass mit der Generalin stets zu rechnen war.
Der Festungsherr von Tauride nickte mit dem Kopf und sagte gewichtig: "Es soll geschehen, wie Ihr sagt, Herrin."
Amnelis musterte die vor ihr stehenden M nner. Jedes Mal wenn sie den Kopf wandte, funkelten ihre gr nen Augen. "Die Sem haben keine Ahnung von Strategie", sagte sie nach langem Schweigen, "und noch weniger von Taktik. Sie sind Barbaren und vertrauen darauf, dass sie allein aufgrund ihrer schieren berzahl den Sieg davontragen werden. Das haben wir Mongaulis wieder und wieder erlebt, bei der ungl ckseligen Schlacht um die Stafolos-Feste und bei jedem einzelnen Scharm tzel, das unsere Patrouillen im Grenzland zu bestehen hatten. Stets haben sie sich wie Tiere ohne Verstand verhalten - bis heute. Seit wir den Kes berquert haben, stellen die Sem eine erstaunliche Schl ue unter Beweis - ja, sie erweisen sich sogar als listenreich. Sie setzen unterschiedliche Taktiken ein, machen sich unsere Ortsunkundigkeit zunutze und locken uns in Hinterhalte, wie bei der Yidoh-Falle, als sie einen Teil ihrer Streitmacht als K der eingesetzt haben, um unsere Formation zu spalten und mit ihrer Hauptstreitmacht ber unsere Flanke herzufallen. Da kaum anzunehmen ist, dass sie Augustinus' Milit rhandbuch oder Alzandross' Buch der Taktik gelesen haben, m ssen wir davon ausgehen, dass die Erfolge der Sem das Verdienst der Kreatur sind, die den Namen Guin tr gt." Sie lie den Blick abermals ber die Offiziere schweifen und wandelte ihre Aussage damit in eine Frage um. Die Offiziere schlossen sich ihrem Urteil bereitwillig an.
"Es ist, wie Ihr sagt, Herrin."
"So muss es sein."
"Ja, das ist ganz offensichtlich das Werk dieses Teufels."
"Nur weil wir nicht wussten, welch gro en Einfluss er auf die Sem hat, haben wir die Barbaren auf die leichte Schulter genommen, Generalin."
Amnelis nickte bed chtig und l chelte grimmig. "Somit ist wohl klar, dass unser wahrer Gegner nicht die Sem sind, sondern der Leopardenmensch, der ihre Streitmacht befehligt. Und der ist wahrlich gerissen! Das Geschick, mit dem sie die Angriffe ausf hren, ihr rasches Vorr cken und ihr noch rascherer R ckzug, dies alles offenbart sein Format. Er ist kein blo er S ldner, und er ist auch nicht zuf llig Krieger geworden. Ich glaube, wenn wir dieses Wesen gefangen nehmen und ihm die Leopardenmaske herunterrei en, wird darunter ein ber hmter Feldherr zum Vorschein kommen."
"Da habt Ihr wohl Recht, Herrin."
"Vielleicht", f gte Marus hinzu, "wird sich sogar herausstellen, dass er ein K nig ist oder ein Festungsherr oder ein hierzulande unbekannter Held. Ja, das ist so gewiss, wie dass der Tag auf den Abend folgt."
"Ah." Tangard nickte, dann platzte er heraus: "Er k nnte sogar ein Gohraner sein - nat rlich nur im schlimmstm glichen Fall."Der kampferprobte Graf Marus zog die buschigen wei en Augenbrauen zusammen und legte die Stirn in Falten. "Tangard. Wenn das ein Scherz sein sollte, ist er Euch misslungen."
... weniger
Autoren-Porträt von Kaoru Kurimoto
Kaoru Kurimoto war zunächst Literaturkritikerin, bevor sie Ende der 70er-Jahre ein großes Fantasy-Projekt begann. Die Guin-Saga sollte eines Tages 100 Bände umfassen. Mittlerweile sind in Japan fast 90 Romane des Mammutprojekts erschienen, das zu einem unglaublichen Erfolg wurde. Kaoru Kurimoto lebt in Tokio, wo sie an weiteren Romanen und an einem Musical der Guin-Saga arbeitet.Norbert Stöbe, geboren 1953 in Troisdorf, begann schon als Chemiestudent zu schreiben. Neben seiner Tätigkeit als Chemiker am Institut Textilchemie und Makromolekulare Chemie der RWTH Aachen begann er zudem als Übersetzer zu arbeiten. Norbert Stöbe ist einer der bekanntesten deutschen Science-Fiction-Schriftsteller. Für seine Romane wurde er bereits mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Norbert Stöbelebt als freier Autor und Übersetzer in Stolberg-Dorff.
Bibliographische Angaben
- Autor: Kaoru Kurimoto
- 2007, 285 Seiten, Maße: 18,5 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Dtsch. v. Norbert Stöbe
- Verlag: Blanvalet
- ISBN-10: 344224417X
- ISBN-13: 9783442244171
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