Wolfsschatten / Geschöpfe der Nacht Bd.8
Roman. Deutsche Erstausgabe
Grace McDaniel ist die Polizeichefin des Örtchens Lake Bluff, Georgia. Als nach einem merkwürdigen Gewittersturm auffällig viele ältere Menschen sterben, nimmt Grace die Ermittlungen auf. Irgendetwas scheint in Lake Bluff nicht mit rechten Dingen zuzugehen....
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Produktinformationen zu „Wolfsschatten / Geschöpfe der Nacht Bd.8 “
Klappentext zu „Wolfsschatten / Geschöpfe der Nacht Bd.8 “
Grace McDaniel ist die Polizeichefin des Örtchens Lake Bluff, Georgia. Als nach einem merkwürdigen Gewittersturm auffällig viele ältere Menschen sterben, nimmt Grace die Ermittlungen auf. Irgendetwas scheint in Lake Bluff nicht mit rechten Dingen zuzugehen. Graces Verdacht erhärtet sich, als ein geheimnisvoller Fremder im Ort auftaucht. Dr. Ian Walker verbindet traditionelle indianische Heilkunde mit moderner Medizin, und er scheint mehr über die rätselhaften Todesfälle zu wissen, als er zugibt. Doch trotz ihres Argwohns fühlt sich Grace stark zu dem attraktiven Arzt hingezogen.
Lese-Probe zu „Wolfsschatten / Geschöpfe der Nacht Bd.8 “
Wolfsschatten von Lori Handeland 2
Bis ich meine Pistole gezogen hatte, war das Tier zwischen den Bäumen an der Nordseite der Lichtung verschwunden. Ich setzte ihm nach, obwohl ich noch nicht mal Silberkugeln dabeihatte.
Ich spreche von Munition.
„Was ist passiert?" Cal folgte mir, auch er seine Waffe im Anschlag.
„Hast du nicht den ..." Ich unterbrach mich. Hatte ich wirklich einen Wolf gesehen?
Ja.
Wollte ich es Cal erzählen?
Nein.
„Nicht wichtig." Ich steckte die Glock weg. „Es war nur ein Schatten. Schlimmstenfalls ein Bär."
Es gab in diesen Bergen keine Wölfe, Bären hingegen schon.
Die blaugrauen Augen zusammengekniffen, spähte Cal in den Wald. „Gewöhnlich wagen sie sich nicht so nahe an Menschen heran."
„Was erklären könnte, warum er so schnell Reißaus nahm."
„Mmm." Cal steckte die Waffe ins Holster, behielt aber vorsichtshalber die Hand an seinem Gürtel.
Es überraschte mich ein wenig, dass er den Wolf nicht gesehen hatte. Das Tier hatte direkt vor ihm gestanden; er hätte, auch wenn er auf den rätselhaften Krater im Boden konzentriert gewesen war, zumindest eine Bewegung wahrnehmen müssen.
Ich untersuchte den Boden auf Spuren, entdeckte jedoch keine. Obwohl es noch immer in Strömen goss, hätte ein Bär Abdrücke hinterlassen. Auch ein Wolf hätte das tun müssen.
„Wir können ebenso gut zurückfahren", sagte ich schließlich. „Ich bin sicher, Jordan hat eine armlange Liste von Problemen, um die wir uns kümmern müssen."
„Vermutlich", stimmte Cal mir zu. „Was denkst du, was dieses orangefarbene Leuchten war?"
„Eine Reflektion?"
... mehr
„Von einem UFO?"
„Zum Beispiel." Es waren schon seltsamere Dinge passiert - gleich hier in Lake Bluff.
Cal lachte über meine spontane Zustimmung. „Leben hier draußen noch andere, mit denen wir sprechen könnten? Vielleicht haben sie ja etwas gesehen."
„Meine Urgroßmutter hatte eine Freundin, die wohnt ..." Ich gestikulierte vage Richtung Norden. „Allerdings weiß ich nicht, wie viel sie noch sehen oder hören kann."
Ich hatte Quatie lange Zeit nicht mehr besucht. Meine Urgroßmutter hatte mich gebeten, nach ihr zu sehen, wann immer ich in der Gegend wäre, aber das letzte Jahr war - wegen der Werwölfe - die Hölle gewesen, und ich hatte es schlichtweg vergessen. Ich musste das so schnell wie möglich nachholen.
„Vermutlich lohnt es sich nicht, extra hinzufahren", meinte Cal.
„Nein", bestätigte ich, machte mir jedoch eine geistige Notiz, an einem anderen Tag bei ihr vorbeizusehen.
Wir stiegen in unsere Autos und schafften es ohne stecken zu bleiben zur Schnellstraße. Anschließend düste Cal in die eine Richtung davon, ich in die andere.
Ich beschloss, auf direktem Weg zum Haus der Bürgermeisterin zu fahren. Claire Kennedy hatte nicht nur das Sagen in dieser Stadt, sie wäre um ein Haar auch von den Werwölfen getötet worden; ihr Ehemann, Malachi Cartwright, wusste mehr über sie als jeder andere.
Früher hatte ich allem Übersinnlichen skeptisch gege übergestanden. Obwohl meine Urgroßmutter eine Medizinfrau mit ungeheuren Fähigkeiten gewesen war und sie an die Magie geglaubt hatte, fühlte ich mich lange hin- und hergerissen. Einerseits hatte ich wie sie sein wollen; ich hatte glauben wollen. Andererseits hatte ich meinem Vater gefallen wollen - bevor ich sehr viel später feststellen musste, dass das ein Ding der Unmöglichkeit war -, und er war Polizist gewesen, ein Skeptiker vor dem Herrn, der auf Fakten bestand. Ich war verwirrt gewesen, zerrissen ... bis zum letzten Sommer, als ich keine andere mehr Wahl hatte, als das Inakzeptable zu akzeptieren. Ohne mich darum zu kümmern, dass es fast Mitternacht war und Claire ein Neugeborenes hatte, wendete ich den Streifenwagen und schlug den Weg zu ihrem Haus ein. Claire würde Bescheid wissen wollen.
Aber noch bevor meine Reifen zwanzig Umdrehungen gemacht hatten, flackerten Scheinwerfer auf der anderen Seite einer Anhöhe auf. Ich fasste gerade nach der Sirene, als ein Fahrzeug über die Hügelkuppe holperte, die Kurve zu schnell nahm und über die gelbe Mittellinie schlitterte. Außer Kontrolle geraten, raste der Wagen direkt auf mich zu.
Ich riss das Lenkrad nach rechts, in der panischen Hoffnung, einem Frontalzusammenstoß zu entgehen und auch nicht in die Fahrerseite gerammt zu werden. Das entgegenkommende Auto streifte lediglich meine Stoßstange, doch durch die Kombination aus Geschwindigkeit und rutschiger Fahrbahn geriet ich ins Schleudern. Unfähig, den Streifenwagen wieder unter Kontrolle zu bringen, prallte ich gegen einen nahen Baum.
Mein Airbag blies sich auf und schlug mir so hart ins Gesicht, dass mein Kopf nach hinten gerissen wurde; dann wurde alles schwarz.
Beim Aufwachen vernahm ich die Geräusche des Regens und den fernen Rhythmus von etwas, das eine Trommel hätte sein können. Vielleicht war es Donnergrollen.
Nein, das war nicht richtig.
Ich runzelte die Stirn, dann stöhnte ich, als der Schmerz in meiner Stirn und Brust explodierte. Langsam öffnete ich die Augen.
Der Streifenwagen war in den Stamm einer hohen Eiche gekracht, mein Gesicht in den Airbag gequetscht. Ich schmeckte Blut.
Der Motor lief nicht. Das Funkgerät war zerschmettert. Ich tastete nach meinem Handy und blinzelte benommen auf das Display, das verkündete: Kein Netz.
Mir war schwindlig und übel. Ein flüchtiger Blick in den Rückspiegel erbrachte nicht viel, allerdings konnten die dunklen Flecken in meinem schemenhaften Konterfei ein Hinweis darauf sein, dass ich mir die Nase gebrochen hatte.
Ich löste den Sicherheitsgurt und kämpfte mich aus dem Auto. Anschließend stand ich allein auf der verlassenen, regennassen Fahrbahn. Der Mistkerl, der mich gerammt hatte, war einfach getürmt. Ich würde ihn zu Kleinholz verarbeiten, wenn ich ihn in die Finger bekäme.
Der Regen durchnässte mich in Sekunden bis auf die Haut. Ich hatte meine Regenjacke ausgezogen, bevor ich eingestiegen war. Und ich war zu benommen gewesen, um mir den Befehl zu erteilen, sie vor dem Aussteigen wieder überzuziehen.
Die Bäume drehten sich im Kreis. Ich wollte mich setzen. Stattdessen lehnte ich mich gegen die hintere Stoßstange und angelte nach einem zusammenhängenden Gedanken.
Ich saß in den Bergen fest, ohne die Möglichkeit, jemanden zu kontaktieren. Ich könnte nach Lake Bluff zurücklaufen, würde es wahrscheinlich tun müssen. Nur nicht jetzt gleich.
Zweige knackten. Ich blinzelte den Regen aus meinen Wimpern. Immer noch war alles verschwommen. Ich konnte zusehen, wie meine Nase anschwoll. Ich würde zwei Veilchen bekommen. Wäre nicht das erste Mal. Ich hatte vier ältere Brüder.
Nicht, dass sie mich häufig geschlagen hätten, aber ich hatte immer mit ihnen mithalten wollen, und aufgrund der mangelnden Beaufsichtigung - Resultat der Besessenheit meines Vaters von seiner Arbeit und der Flucht meiner Mutter, als ich drei war - hatte ich mir jede Menge blauer Flecken und blutiger Kratzer geholt.
Gleichzeitig hatte es mich hart im Nehmen gemacht, fähig, auf mich selbst aufzupassen und den Schmerz auszublenden - exakt die Eigenschaften, die ich im Moment brauchte.
„Danke, George, Gerry, Greg und Gene", murmelte ich.
Ich hatte mich oft gefragt, ob meine Mutter aus sentimentalen Gründen Vornamen mit G ausgesucht hatte oder weil wir ihr nicht wichtig genug waren, um sich etwas Originelles einfallen zu lassen. Falls sie nicht eines Tages zurückkehrt, und darauf würde ich lieber nicht wetten, werde ich es nie erfahren. Meine Brüder haben sich immer geweigert, über sie zu sprechen, genau wie mein Vater.
Hat ihre Flucht mich negativ geprägt? Definitiv. Wann immer mir jemand etwas bedeutete, wusste ich, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis er mich verlassen würde. Bis heute wurde ich nie enttäuscht.
Ich bewegte mich auf die Ausläufer des Waldes zu. Obwohl ich benommen war, mein Kopf wehtat und ich nicht wusste, inwieweit ich bei klarem Verstand war, beunruhigten mich diese Bäume. Sie wiegten sich nicht im Wind, wie ich anfangs dachte, sondern sie schwankten, als würde etwas auf mich zukommen.
Ich zog meine Waffe. Würde ich in meinem Zustand überhaupt in der Lage sein, ein Ziel zu treffen? Würde mir eine Bleikugel in dieser Nacht etwas nützen?
Warum nur hatte ich nicht auf meine innere Stimme gehört und alle meine Schusswaffen mit den speziell angefertigten Silberkugeln bestückt, die ich letzten Sommer in Auftrag gegeben hatte? Ich war hier der Boss. Niemand würde Einwände erheben.
Zumindest nicht in meiner Gegenwart.
Ich baute mich breitbeinig auf und umklammerte die Glock mit beiden Händen, um sie zu stabilisieren. Was immer da kam, es war groß.
Wieder hörte ich dieses seltsame Rumpeln - kein Donner, keine Trommeln, vielleicht der Wind, ich wusste es nicht. Dann wurde eine schattenhafte Gestalt zwischen den Kiefern sichtbar.
Zu groß für einen Wolf, zu schmal für einen Bären - mein Hirn lief nicht auf vollen Touren, sonst hätte ich den Schemen als den eines Mannes identifiziert, noch bevor er aus dem Wald glitt und, den Blick auf meine Waffe fixiert, wie angewurzelt stehen blieb.
„Normalerweise dauert es ein bis zwei Tage, bis die Leute den Wunsch verspüren, mich zu erschießen", bemerkte er.
Sein Akzent war ungewöhnlich - er klang weder nach Süd- noch nach Nordstaaten, sondern wie irgendetwas dazwischen. In der Dunkelheit konnte ich sein Gesicht nicht erkennen, aber er war einige Zentimeter größer als ich, mit breiten Schultern, die sich zu einer schmalen Taille verjüngten. Seine Haare waren lang, dunkel und so nass wie meine.
Ich krampfte die Finger um den Pistolengriff, als sich alles zu drehen begann. „Was ... was tun Sie ..."
Ich wollte ihn fragen, was er hier draußen im Regen machte, als mir plötzlich alles vor den Augen verschwamm und ich so hart mit den Knien auf die Straße stürzte, dass mein ganzer Körper gestaucht wurde.
„He", rief der Mann und eilte auf mich zu. „Sind Sie verletzt?"
„Wie kommen Sie denn darauf?", murmelte ich und verlor das Bewusstsein.
Ich war nicht lange ohnmächtig, wenigstens kam es mir so vor. Der Sturm wütete noch immer; der Fremde kauerte auf den Hacken neben mir. Seine Finger huschten über mein Gesicht und meinen Hals, dann verharrten sie unter meinem Ohr.
Ich schlug sie weg. „Was fällt Ihnen ein?"
„Ich bin Arzt."
„Das behaupten sie alle."
Er zögerte, als wüsste er nicht, ob das ein Jux sein sollte; wahlweise fand er mich einfach nicht komisch. Wenige Menschen taten das.
Ich konnte sein Gesicht noch immer nicht erkennen. Der Mond blieb von Wolken verdeckt, und es gab weit und breit keine Straßenlampe.
Ich lag auf Gras statt auf Asphalt. Der Mann war so clever gewesen, mich von der Straße wegzuziehen. Würde er meinen Tod wollen, hätte er mich dort liegen lassen.
Aber warum sollte er meinen Tod wollen? Wie er richtig bemerkt hatte, dauerte es in der Regel ein paar Tage, bevor ein Mensch einem anderen den Tod wünschte.
Er nahm die Hand von meinem Hals, und, ausgekühlt vom Regen, vermisste ich augenblicklich ihre Wärme. Wasser tropfte von seinem Kopf auf meinen.
„Sie werden überleben", informierte er mich.
„Gut."
Er blieb in der Hocke. „Was ist passiert?"
„Irgendein Idiot ist zu schnell gefahren. Kam über den Hügel gebrettert und ist in meinen Wagen geschlittert; ich bin gegen diesen Baum gekracht und rums - fertig war das Airbag-Gesicht."
Er lachte, es könnte aber auch ein Hüsteln gewesen sein. „Ich glaube nicht, dass Ihre Nase gebrochen ist, trotzdem sollten Sie sie zur Sicherheit röntgen lassen."
„Wozu? Kann man gegen eine gebrochene Nase etwas unternehmen?"
„Das hängt davon ab, wie stark sie gebrochen ist. Sie wollen bestimmt nicht für den Rest Ihres Lebens mit einem Höcker oder einer Delle in der Mitte herumlaufen."
Mein Aussehen hätte mir nicht unwichtiger sein können. Man hatte mir schon hunderte Male gesagt, dass ich schön und exotisch sei. Was ich hingegen sein wollte, war durchschnittlich, normal und geliebt, nur würde das ein frommer Wunsch bleiben.
„Da Sie eine ganze Minute bewusstlos waren", fuhr er fort, „haben Sie sich vermutlich eine Gehirnerschütterung zugezogen."
„Wäre nicht das erste Mal."
„Wie kommt das?"
„Ich habe Brüder."
„Nun, dann kennen Sie sich ja aus."
Das tat ich, wenn ich mich nur daran hätte erinnern können, was die Symptome einer Gehirnerschütterung waren.
Er musste mir meine Verwirrung angemerkt haben, denn er fügte hinzu: „Falls Sie erbrechen müssen, suchen Sie einen Arzt auf. Lassen Sie sich heute Nacht einmal von jemandem wecken."
Ich schnaubte, was in meinem Kopf und meiner Nase ein schrilles Kreischen auslöste. Die einzige Person, die bei mir zu Hause wohnte, war ich. Nicht, dass ich in dieser Nacht überhaupt zum Schlafen kommen würde.
„Und legen Sie Eis auf Ihr Gesicht", riet er abschließend.
Der Wind frischte auf und peitschte ihm eine Strähne vor die Augen. Er strich sie weg. Ein verirrter Mondstrahl brachte seinen Ring zum Funkeln. Ich konnte nicht unterscheiden, ob er aus Silber oder aus Gold war.
Er drehte den Kopf, als ob er etwas gehört hätte, und ein dünner, geflochtener Zopf, an dem irgendeine Feder baumelte, schwang über seine Schulter. In dem schwachen Licht ließ sein Profil eine scharf akzentuierte Nase und hohe Wangeknochen, für die jedes Model morden würde, erkennen.
Dieser Mann war so indianisch wie ich.
War er aus der Vergangenheit gekommen? War er ein Geist? Ein Unsterblicher? Wie schlimm hatte ich mir den Kopf gestoßen?
„Ich helfe Ihnen beim Aufstehen", bot er an.
Ich wäre gern noch eine Weile liegen geblieben, aber rotes und blaues Geflimmer erhellte den Himmel aus der Richtung, in die er gespäht hatte. Wie hatte er das Auto vor mir bemerken können?
Mühsam rappelte ich mich auf die Füße. Mein Retter ließ mich los, und ich war froh, dass ich nicht zusammenklappte.
Ein Streifenwagen kam über die Hügelkuppe. Ich hob den Arm, aber Cal scherte bereits vor meinem geschundenen Auto auf den Seitenstreifen ein.
Er sprang heraus und rannte zu mir. „Ist alles okay, Grace?"
„Ihm zufolge ja." Ich wedelte mit der Hand zu dem Fremden.
Falten der Verwirrung traten auf Cals Gesicht. „Wem zufolge?"
Ich wandte den Kopf, um den Mann nach seinem Namen zu fragen, aber da war niemand.
© 2011 LYX verlegt durch EGMONT Verlagsgesellschaften mbH
„Von einem UFO?"
„Zum Beispiel." Es waren schon seltsamere Dinge passiert - gleich hier in Lake Bluff.
Cal lachte über meine spontane Zustimmung. „Leben hier draußen noch andere, mit denen wir sprechen könnten? Vielleicht haben sie ja etwas gesehen."
„Meine Urgroßmutter hatte eine Freundin, die wohnt ..." Ich gestikulierte vage Richtung Norden. „Allerdings weiß ich nicht, wie viel sie noch sehen oder hören kann."
Ich hatte Quatie lange Zeit nicht mehr besucht. Meine Urgroßmutter hatte mich gebeten, nach ihr zu sehen, wann immer ich in der Gegend wäre, aber das letzte Jahr war - wegen der Werwölfe - die Hölle gewesen, und ich hatte es schlichtweg vergessen. Ich musste das so schnell wie möglich nachholen.
„Vermutlich lohnt es sich nicht, extra hinzufahren", meinte Cal.
„Nein", bestätigte ich, machte mir jedoch eine geistige Notiz, an einem anderen Tag bei ihr vorbeizusehen.
Wir stiegen in unsere Autos und schafften es ohne stecken zu bleiben zur Schnellstraße. Anschließend düste Cal in die eine Richtung davon, ich in die andere.
Ich beschloss, auf direktem Weg zum Haus der Bürgermeisterin zu fahren. Claire Kennedy hatte nicht nur das Sagen in dieser Stadt, sie wäre um ein Haar auch von den Werwölfen getötet worden; ihr Ehemann, Malachi Cartwright, wusste mehr über sie als jeder andere.
Früher hatte ich allem Übersinnlichen skeptisch gege übergestanden. Obwohl meine Urgroßmutter eine Medizinfrau mit ungeheuren Fähigkeiten gewesen war und sie an die Magie geglaubt hatte, fühlte ich mich lange hin- und hergerissen. Einerseits hatte ich wie sie sein wollen; ich hatte glauben wollen. Andererseits hatte ich meinem Vater gefallen wollen - bevor ich sehr viel später feststellen musste, dass das ein Ding der Unmöglichkeit war -, und er war Polizist gewesen, ein Skeptiker vor dem Herrn, der auf Fakten bestand. Ich war verwirrt gewesen, zerrissen ... bis zum letzten Sommer, als ich keine andere mehr Wahl hatte, als das Inakzeptable zu akzeptieren. Ohne mich darum zu kümmern, dass es fast Mitternacht war und Claire ein Neugeborenes hatte, wendete ich den Streifenwagen und schlug den Weg zu ihrem Haus ein. Claire würde Bescheid wissen wollen.
Aber noch bevor meine Reifen zwanzig Umdrehungen gemacht hatten, flackerten Scheinwerfer auf der anderen Seite einer Anhöhe auf. Ich fasste gerade nach der Sirene, als ein Fahrzeug über die Hügelkuppe holperte, die Kurve zu schnell nahm und über die gelbe Mittellinie schlitterte. Außer Kontrolle geraten, raste der Wagen direkt auf mich zu.
Ich riss das Lenkrad nach rechts, in der panischen Hoffnung, einem Frontalzusammenstoß zu entgehen und auch nicht in die Fahrerseite gerammt zu werden. Das entgegenkommende Auto streifte lediglich meine Stoßstange, doch durch die Kombination aus Geschwindigkeit und rutschiger Fahrbahn geriet ich ins Schleudern. Unfähig, den Streifenwagen wieder unter Kontrolle zu bringen, prallte ich gegen einen nahen Baum.
Mein Airbag blies sich auf und schlug mir so hart ins Gesicht, dass mein Kopf nach hinten gerissen wurde; dann wurde alles schwarz.
Beim Aufwachen vernahm ich die Geräusche des Regens und den fernen Rhythmus von etwas, das eine Trommel hätte sein können. Vielleicht war es Donnergrollen.
Nein, das war nicht richtig.
Ich runzelte die Stirn, dann stöhnte ich, als der Schmerz in meiner Stirn und Brust explodierte. Langsam öffnete ich die Augen.
Der Streifenwagen war in den Stamm einer hohen Eiche gekracht, mein Gesicht in den Airbag gequetscht. Ich schmeckte Blut.
Der Motor lief nicht. Das Funkgerät war zerschmettert. Ich tastete nach meinem Handy und blinzelte benommen auf das Display, das verkündete: Kein Netz.
Mir war schwindlig und übel. Ein flüchtiger Blick in den Rückspiegel erbrachte nicht viel, allerdings konnten die dunklen Flecken in meinem schemenhaften Konterfei ein Hinweis darauf sein, dass ich mir die Nase gebrochen hatte.
Ich löste den Sicherheitsgurt und kämpfte mich aus dem Auto. Anschließend stand ich allein auf der verlassenen, regennassen Fahrbahn. Der Mistkerl, der mich gerammt hatte, war einfach getürmt. Ich würde ihn zu Kleinholz verarbeiten, wenn ich ihn in die Finger bekäme.
Der Regen durchnässte mich in Sekunden bis auf die Haut. Ich hatte meine Regenjacke ausgezogen, bevor ich eingestiegen war. Und ich war zu benommen gewesen, um mir den Befehl zu erteilen, sie vor dem Aussteigen wieder überzuziehen.
Die Bäume drehten sich im Kreis. Ich wollte mich setzen. Stattdessen lehnte ich mich gegen die hintere Stoßstange und angelte nach einem zusammenhängenden Gedanken.
Ich saß in den Bergen fest, ohne die Möglichkeit, jemanden zu kontaktieren. Ich könnte nach Lake Bluff zurücklaufen, würde es wahrscheinlich tun müssen. Nur nicht jetzt gleich.
Zweige knackten. Ich blinzelte den Regen aus meinen Wimpern. Immer noch war alles verschwommen. Ich konnte zusehen, wie meine Nase anschwoll. Ich würde zwei Veilchen bekommen. Wäre nicht das erste Mal. Ich hatte vier ältere Brüder.
Nicht, dass sie mich häufig geschlagen hätten, aber ich hatte immer mit ihnen mithalten wollen, und aufgrund der mangelnden Beaufsichtigung - Resultat der Besessenheit meines Vaters von seiner Arbeit und der Flucht meiner Mutter, als ich drei war - hatte ich mir jede Menge blauer Flecken und blutiger Kratzer geholt.
Gleichzeitig hatte es mich hart im Nehmen gemacht, fähig, auf mich selbst aufzupassen und den Schmerz auszublenden - exakt die Eigenschaften, die ich im Moment brauchte.
„Danke, George, Gerry, Greg und Gene", murmelte ich.
Ich hatte mich oft gefragt, ob meine Mutter aus sentimentalen Gründen Vornamen mit G ausgesucht hatte oder weil wir ihr nicht wichtig genug waren, um sich etwas Originelles einfallen zu lassen. Falls sie nicht eines Tages zurückkehrt, und darauf würde ich lieber nicht wetten, werde ich es nie erfahren. Meine Brüder haben sich immer geweigert, über sie zu sprechen, genau wie mein Vater.
Hat ihre Flucht mich negativ geprägt? Definitiv. Wann immer mir jemand etwas bedeutete, wusste ich, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis er mich verlassen würde. Bis heute wurde ich nie enttäuscht.
Ich bewegte mich auf die Ausläufer des Waldes zu. Obwohl ich benommen war, mein Kopf wehtat und ich nicht wusste, inwieweit ich bei klarem Verstand war, beunruhigten mich diese Bäume. Sie wiegten sich nicht im Wind, wie ich anfangs dachte, sondern sie schwankten, als würde etwas auf mich zukommen.
Ich zog meine Waffe. Würde ich in meinem Zustand überhaupt in der Lage sein, ein Ziel zu treffen? Würde mir eine Bleikugel in dieser Nacht etwas nützen?
Warum nur hatte ich nicht auf meine innere Stimme gehört und alle meine Schusswaffen mit den speziell angefertigten Silberkugeln bestückt, die ich letzten Sommer in Auftrag gegeben hatte? Ich war hier der Boss. Niemand würde Einwände erheben.
Zumindest nicht in meiner Gegenwart.
Ich baute mich breitbeinig auf und umklammerte die Glock mit beiden Händen, um sie zu stabilisieren. Was immer da kam, es war groß.
Wieder hörte ich dieses seltsame Rumpeln - kein Donner, keine Trommeln, vielleicht der Wind, ich wusste es nicht. Dann wurde eine schattenhafte Gestalt zwischen den Kiefern sichtbar.
Zu groß für einen Wolf, zu schmal für einen Bären - mein Hirn lief nicht auf vollen Touren, sonst hätte ich den Schemen als den eines Mannes identifiziert, noch bevor er aus dem Wald glitt und, den Blick auf meine Waffe fixiert, wie angewurzelt stehen blieb.
„Normalerweise dauert es ein bis zwei Tage, bis die Leute den Wunsch verspüren, mich zu erschießen", bemerkte er.
Sein Akzent war ungewöhnlich - er klang weder nach Süd- noch nach Nordstaaten, sondern wie irgendetwas dazwischen. In der Dunkelheit konnte ich sein Gesicht nicht erkennen, aber er war einige Zentimeter größer als ich, mit breiten Schultern, die sich zu einer schmalen Taille verjüngten. Seine Haare waren lang, dunkel und so nass wie meine.
Ich krampfte die Finger um den Pistolengriff, als sich alles zu drehen begann. „Was ... was tun Sie ..."
Ich wollte ihn fragen, was er hier draußen im Regen machte, als mir plötzlich alles vor den Augen verschwamm und ich so hart mit den Knien auf die Straße stürzte, dass mein ganzer Körper gestaucht wurde.
„He", rief der Mann und eilte auf mich zu. „Sind Sie verletzt?"
„Wie kommen Sie denn darauf?", murmelte ich und verlor das Bewusstsein.
Ich war nicht lange ohnmächtig, wenigstens kam es mir so vor. Der Sturm wütete noch immer; der Fremde kauerte auf den Hacken neben mir. Seine Finger huschten über mein Gesicht und meinen Hals, dann verharrten sie unter meinem Ohr.
Ich schlug sie weg. „Was fällt Ihnen ein?"
„Ich bin Arzt."
„Das behaupten sie alle."
Er zögerte, als wüsste er nicht, ob das ein Jux sein sollte; wahlweise fand er mich einfach nicht komisch. Wenige Menschen taten das.
Ich konnte sein Gesicht noch immer nicht erkennen. Der Mond blieb von Wolken verdeckt, und es gab weit und breit keine Straßenlampe.
Ich lag auf Gras statt auf Asphalt. Der Mann war so clever gewesen, mich von der Straße wegzuziehen. Würde er meinen Tod wollen, hätte er mich dort liegen lassen.
Aber warum sollte er meinen Tod wollen? Wie er richtig bemerkt hatte, dauerte es in der Regel ein paar Tage, bevor ein Mensch einem anderen den Tod wünschte.
Er nahm die Hand von meinem Hals, und, ausgekühlt vom Regen, vermisste ich augenblicklich ihre Wärme. Wasser tropfte von seinem Kopf auf meinen.
„Sie werden überleben", informierte er mich.
„Gut."
Er blieb in der Hocke. „Was ist passiert?"
„Irgendein Idiot ist zu schnell gefahren. Kam über den Hügel gebrettert und ist in meinen Wagen geschlittert; ich bin gegen diesen Baum gekracht und rums - fertig war das Airbag-Gesicht."
Er lachte, es könnte aber auch ein Hüsteln gewesen sein. „Ich glaube nicht, dass Ihre Nase gebrochen ist, trotzdem sollten Sie sie zur Sicherheit röntgen lassen."
„Wozu? Kann man gegen eine gebrochene Nase etwas unternehmen?"
„Das hängt davon ab, wie stark sie gebrochen ist. Sie wollen bestimmt nicht für den Rest Ihres Lebens mit einem Höcker oder einer Delle in der Mitte herumlaufen."
Mein Aussehen hätte mir nicht unwichtiger sein können. Man hatte mir schon hunderte Male gesagt, dass ich schön und exotisch sei. Was ich hingegen sein wollte, war durchschnittlich, normal und geliebt, nur würde das ein frommer Wunsch bleiben.
„Da Sie eine ganze Minute bewusstlos waren", fuhr er fort, „haben Sie sich vermutlich eine Gehirnerschütterung zugezogen."
„Wäre nicht das erste Mal."
„Wie kommt das?"
„Ich habe Brüder."
„Nun, dann kennen Sie sich ja aus."
Das tat ich, wenn ich mich nur daran hätte erinnern können, was die Symptome einer Gehirnerschütterung waren.
Er musste mir meine Verwirrung angemerkt haben, denn er fügte hinzu: „Falls Sie erbrechen müssen, suchen Sie einen Arzt auf. Lassen Sie sich heute Nacht einmal von jemandem wecken."
Ich schnaubte, was in meinem Kopf und meiner Nase ein schrilles Kreischen auslöste. Die einzige Person, die bei mir zu Hause wohnte, war ich. Nicht, dass ich in dieser Nacht überhaupt zum Schlafen kommen würde.
„Und legen Sie Eis auf Ihr Gesicht", riet er abschließend.
Der Wind frischte auf und peitschte ihm eine Strähne vor die Augen. Er strich sie weg. Ein verirrter Mondstrahl brachte seinen Ring zum Funkeln. Ich konnte nicht unterscheiden, ob er aus Silber oder aus Gold war.
Er drehte den Kopf, als ob er etwas gehört hätte, und ein dünner, geflochtener Zopf, an dem irgendeine Feder baumelte, schwang über seine Schulter. In dem schwachen Licht ließ sein Profil eine scharf akzentuierte Nase und hohe Wangeknochen, für die jedes Model morden würde, erkennen.
Dieser Mann war so indianisch wie ich.
War er aus der Vergangenheit gekommen? War er ein Geist? Ein Unsterblicher? Wie schlimm hatte ich mir den Kopf gestoßen?
„Ich helfe Ihnen beim Aufstehen", bot er an.
Ich wäre gern noch eine Weile liegen geblieben, aber rotes und blaues Geflimmer erhellte den Himmel aus der Richtung, in die er gespäht hatte. Wie hatte er das Auto vor mir bemerken können?
Mühsam rappelte ich mich auf die Füße. Mein Retter ließ mich los, und ich war froh, dass ich nicht zusammenklappte.
Ein Streifenwagen kam über die Hügelkuppe. Ich hob den Arm, aber Cal scherte bereits vor meinem geschundenen Auto auf den Seitenstreifen ein.
Er sprang heraus und rannte zu mir. „Ist alles okay, Grace?"
„Ihm zufolge ja." Ich wedelte mit der Hand zu dem Fremden.
Falten der Verwirrung traten auf Cals Gesicht. „Wem zufolge?"
Ich wandte den Kopf, um den Mann nach seinem Namen zu fragen, aber da war niemand.
© 2011 LYX verlegt durch EGMONT Verlagsgesellschaften mbH
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Autoren-Porträt von Lori Handeland
Lori Handeland schreibt mit großem Erfolg historische und zeitgenössische Liebesromane. Wolfskuss, der erste Roman ihrer Werwolfserie, wurde mit Begeisterung aufgenommen und mit dem RITA Award ausgezeichnet. Lori Handeland lebt mit ihrem Mann und zwei Söhnen in Southern Wisconsin.
Bibliographische Angaben
- Autor: Lori Handeland
- 2011, 1. Aufl., 368 Seiten, Maße: 12,4 x 18,2 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Patricia Woitynek
- Verlag: LYX
- ISBN-10: 3802584279
- ISBN-13: 9783802584275
- Erscheinungsdatum: 05.12.2011
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