Göttin auf Zeit
Seit Jahrhunderten wird in einem Palast in Kathmandu jeweils ein kleines Mädchen als Jungfrauengöttin Kumari verehrt. Sie lebt getrennt von ihrer Familie und der Außenwelt, ihr Tagesablauf ist bestimmt von religiösen Ritualen. Doch mit dem Ende ihrer Kindheit endet auch ihre göttliche Existenz, und die Kumari muss in ein Leben zurückkehren, auf das sie niemand vorbereitet hat.
- Amita Shakyas Geschichte erlaubt erstmals den Blick in einen exotischen Kosmos, zu dem der Westen bislang keinen Zugang hatte. Am Tag vor ihrem dritten Geburtstag wird Amita auf den Thron der Kumari gesetzt und in einem geheimen religiösen Ritual zur einzigen lebenden Göttin der Welt geweiht. Denn der Hofastrologe hat in ihr die Wiedergeburt Talejus, der Schutzgöttin Nepals, erkannt. Für Amita beginnt ein Leben hinter Tempelmauern. Vom ganzen Volk verehrt, wird sie an hohen Feiertagen in prunkvollen Prozessionen durch die Stadtgefahren, sogar der König lässt sich von ihr segnen. Die Alltagserfahrungen normaler Kinder aber bleiben Amita verwehrt. Niemand hatte ihr gesagt, dass eine Kumari mit Eintreten der Pubertät abgelöst und zu ihrer Familie zurückgeschickt wird. Und niemand wusste, dass am Ende von Amitas Göttinnenexistenz eine Tragödie stehen würde - das Massaker im Königspalast, bei dem der Regent und dessen gesamte Familie ermordet werden. Hatte die Kumari ihnen den Schutz entzogen?
Zum ersten Mal erzählt eine ehemalige Mädchengöttin ihre Geschichte: Der Publizist Gerhard Haase-Hindenberg hat mit Amita Shakya wochenlang intensive Gespräche geführt und ihre Familie, die Priesterschaft und andere ehemalige Kumaris befragt. Mit bemerkenswertem Einfühlungsvermögen versetzt er die Leser in die Psyche eines kleinen nepalesischen Mädchens und berichtet von geheimen religiösen Riten, einer außergewöhnlichen Kindheit und dem schwierigen Weg zurück in die Realität.
Seit Jahrhunderten wird in einem Palast in Kathmandu jeweils ein kleines Mädchen als Jungfrauengöttin Kumari verehrt. Sie lebt getrennt von ihrer Familie und der Außenwelt, ihr Tagesablauf ist bestimmt von religiösen Ritualen. Doch mit dem Ende ihrer Kindheit endet auch ihre göttliche Existenz, und die Kumari muss in ein Leben zurückkehren, auf das sie niemand vorbereitet hat. - Amita Shakyas Geschichte erlaubt erstmals den Blick in einen exotischen Kosmos, zu dem der Westen bislang keinen Zugang hatte.
Am Tag vor ihrem dritten Geburtstag wird Amita auf den Thron der Kumari gesetzt und in einem geheimen religiösen Ritual zur einzigen lebenden Göttin der Welt geweiht. Denn der Hofastrologe hat in ihr die Wiedergeburt Talejus, der Schutzgöttin Nepals, erkannt. Für Amita beginnt ein Leben hinter Tempelmauern. Vom ganzen Volk verehrt, wird sie an hohen Feiertagen in prunkvollen Prozessionen durch die Stadt gefahren, sogar der König lässt sich von ihr segnen. Die Alltagserfahrungen normaler Kinder aber bleiben Amita verwehrt. Niemand hatte ihr gesagt, dass eine Kumari mit Eintreten der Pubertät abgelöst und zu ihrer Familie zurückgeschickt wird. Und niemand wusste, dass am Ende von Amitas Göttinnenexistenz eine Tragödie stehen würde - das Massaker im Königspalast, bei dem der Regent und dessen gesamte Familie ermordet werden. Hatte die Kumari ihnen den Schutz entzogen? Zum ersten Mal erzählt eine ehemalige Mädchengöttin ihre Geschichte: Der Publizist Gerhard Haase-Hindenberg hat mit Amita Shakya wochenlang intensive Gespräche geführt und ihre Familie, die Priesterschaft und andere ehemalige Kumaris befragt. Mit bemerkenswertem Einfühlungsvermögen versetzt er die Leser in die Psyche eines kleinen nepalesischen Mädchens und berichtet von geheimen religiösen Riten, einer außergewöhnlichen Kindheit und dem schwierigen Weg zurück in die Realität.
"Die Geschichte einer außergewöhnlichen Kindheit - zum ersten Mal zwischen Buchdeckeln." - stern
"Packender Bericht über einen sehr fremdartigen Brauch." - Für Sie
"Gerhard Haase-Hindenberg beschreibt ähnlich einer Reportage ganz unvoreingenommen die Zeit der Mädchengöttin aus verschiedenen Blickwinkeln, denn er hat auch mit Priestern in Nepal gesprochen und beschreibt sehr stimmungsvoll die Riten, Legenden und Mythen. Das alles ergibt ein sehr farbenprächtiges faszinierendes Bild dieser für uns ungewohnten Welt." - Boris Kullick auf radioeins (rbb)
Göttin auf Zeit von Gerhard Haase-Hindenberg
LESEPROBE
Rasmilasletztes Fest
Das Kumari-Fest an denIndra-Jatra-Feiertagen haben zwar erst
die Malla-Könige vor etwavierhundert Jahren eingeführt und
sie haben auch das Kumari-Hausgebaut. Den Kumari-Kult aber
gibt es, seit es die vielarmigeGöttin Durga gibt - also seit mindestens
tausend Jahren.
MADHAV BHATTARAI
ReligiöserRatgeber des derzeitigen nepalesischen Königs
Das Indra-Jatra-Fest ist für eineKumari der Höhepunkt des Jahres.
Ich bin sicher, dass das auch jedeKumari so empfindet, denn
man wird in einem goldenen Wagendurch die Stadt gefahren
und alle Leute sind auf den Straßenund jubeln einem zu. Und
das passiert auch noch an dreien dervier Festtage
RASMILA SHAKYA
Kumari von1983 bis 1991, Amitas Vorgängerin
Es ist dasFest, auf dem der König bei seiner Göttin erscheinen
wird. DerOberpriester des Palastes ist zum Tempelraum der Kumari
hinaufgestiegen,um das Kommen von Mousuf Sarkar (»Seine
Majestät«)für den letzten Tag der Indra-Jatra-Feierlichkeiten anzukündigen.
Sie kenntdiesen Mann dort, solange sie zurückdenken kann. Man nennt ihn
MulPurohit und die Menschen in ihrer Umgebung haben großen Respekt
vor ihm.Die Hindu-Priester aus dem Taleju-Tempel ebenso wie die Pancha-
Buddha-Priester,die eben noch im Agam, jenem dunklen Raum im Erdgeschoss,
mit ihrgemeinsam eine Puja zelebrierten, und natürlich Durga-
didi, ihreschwesterliche Freundin, die jede Nacht mit ihr im gleichen Bett
schläft.Auch der Mul Purohit ist ein Priester, der Oberpriester des Königs.
Und wenner am ersten Morgen des Indra-Jatra-Festes zu ihr kommt, so
kündigt erden Besuch des Königs an.Vier Tage wird sie jetzt mit den Bewohnern
vonKathmandu das Ende der Regenzeit feiern, dreimal wird sie
in dieserZeit auf einem goldenen Wagen durch die Stadt gefahren, und am
letztenTag kommt dann der König hierher und lässt sich durch ihren Segen
für einweiteres Jahr seine Macht bestätigen. Das alles weiß sie, die als lebende
Göttinüber das Königreich Nepal wacht, aus jahrelanger Erfahrung.
Aber sonstweiß sie fast nichts über den Mul Purohit. Sie kennt nicht einmal
seinenNamen.
Derwürdevolle ältere Herr ist vor der Mädchengöttin niedergekniet,
hat seineStirn auf ihre Füße gelegt und dann in gebotener Distanz
Aufstellunggenommen. Er blickt ihr tief in die Augen. Er liest darin,
dass dieEmpfehlung des Badaguruju, des religiösen Ratgebers
desKönigs, richtig war, gleich nach dem Fest die Astrologen des Hofes
zusammenzurufen.
Schon ofthat sie der Mul Purohit in den letzten Jahren auf diese Weise angesehen.
Immer hatsie dann die Augen niedergeschlagen oder woanders hingesehen.
Heute aberhält sie dem Blick des alten Mannes stand.
Der MulPurohit vermisst in ihren Augen den Sanftmut der Göttin
Parvati,der Begleiterin des großen Gottes Shiva. Es ist in diesen Augen
aber auchnicht mehr die Furchtlosigkeit der Durga zu entdecken,
deranderen Existenz jener Göttin Parvati.Vielmehr strahlt dieser
Blick dortdie ganz profane Empfindung eines pubertierenden
Mädchensaus - nämlich Auflehnung.
Plötzlichentdeckt sie, was diesen Blick so außergewöhnlich macht. Alle Menschen
in ihrerUmgebung haben braune Augen. Manche sind dunkler, andere
etwasheller. Die Augen des Mul Purohit aber sind grün - und das macht sie
sounheimlich.
Es ist nureine Frage der Zeit, bis sich auch die körperlichen Merkmale
dafüreinstellen,was er bereits in diesem Blick erkennen kann -
dasMädchen hat seine göttliche Mission erfüllt. Ein letztes Mal wird
ihr aufden Straßen Kathmandus die Verehrung des Volkes zuteil
werden.Dann wird Mousuf Sarkar noch einmal vor ihr niederknien
und denSegen erbitten - von der Kumari, die seit der längst vergangenen
Ära derMalla-Dynastie auch als Taleju, als Privatgöttin der nepalesischen
Herrscher,verehrt wird. Danach aber wird der Rat der
Hofastrologenzusammentreten und aus den Horoskopen von Mädchen
aus derShakya-Kaste im Alter zwischen zwei und vier Jahren
eine neueKumari bestimmen.
Vorvierhundert Jahren, so erklärt der Volksglaube die Existenz der
Mädchengöttin,soll sich einer der Herrscher aus der längst untergegangenen
Malla-Dynastieder Göttin Taleju beim Würfelspiel in eindeutiger
Absichtgenähert haben. Dieser Legende nach sei sie daraufhin
erzürntaufgesprungen und habe beim Verlassen des Palastes
geschworen,künftig nur noch in Gestalt eines jungfräulichen Wesens
aus derShakya-Kaste zu erscheinen. Jener Kaste, der einst auch der
historischeBuddha entstammte. Fortan erscheint die Hausgöttin des
jeweiligenHindu-Königs immer in der Gestalt eines kleinen buddhistischen
Mädchens.Da aber nach nepalesischer Definition mit
dem Beginnder Pubertät ein Mädchen aufhört, ein jungfräuliches
Wesen zusein, ist dieses Indra-Jatra-Fest das letzte Fest jener Kumari,
die schonbald wieder ihren Geburtsnamen Rasmila tragen wird.
Denn inder »Schwarzen Nacht« des Dashain-Festes in einem Monat
wird dielebende Göttin auf jenem Thron dort eine andere sein.
Vomkleinen Hof unten sind die schrillen Töne der Sanai-Flöten
und dieTrommeln der newarischen Musiker zu hören, die das Erscheinen
von Ganeshund Bhairav, den beiden nur für das Indra-Jatra-
Festausgewählten Kindergöttern, ankündigen. Ihnen allein ist es erlaubt,
die Kumarizum Indra-Jatra-Fest hinauszuführen, aus jenem
Palast,den die Buddhisten Kumari Bahal nennen (nach jenem umbauten
Hof, wieer bei Klöstern üblich ist) und die Hindus Kumari
Ghar(Kumari-Haus). In der Verehrung der Kumari aber finden der
offizielleHinduismus und die spezielle, von den newarischen Ureinwohnern
desKathmandu-Tales praktizierte Form des Buddhismus
zu einerspirituellen Vereinigung.
Als diebeiden Jungen in den Masken der Kindergötter den Tempelraum
betreten,senkt der Mul Purohit endlich den Blick und
nennt dieKumari »Dyo Maiju« - Mädchengöttin.
In derNacht hatte es noch einzelne Schauer gegeben. Dennoch beginnen
dieBewohner des Kathmandu-Tales sich auf dem Durbar-
Platz undden Straßen der Altstadt zu versammeln, um das Ende des
Monsuns zufeiern. Sie werden dem Regengott Indra dafür danken,
dass erdie fruchtbaren Böden des Tales nicht hat austrocknen lassen.
Sie werdenihm aber auch danken, dass er sie nicht weiter mit Regengüssen
behelligt.Und sie werden ihrer Kumari huldigen und sie
um einereiche Ernte bitten. (...)
© HeyneVerlag
- Autor: Gerhard Haase-Hindenberg
- 2006, 1, 413 Seiten, teilweise farbige Abbildungen, Maße: 14 x 22 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Heyne
- ISBN-10: 3453120337
- ISBN-13: 9783453120334
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