Grab aus Stein
Finsternis, Enge, Staub, ab und zu ein Fledermausskelett: Es ist ein merkwürdiges Hobby, durch unerforschte Höhlen zu robben, mit einem Bein in einem Grab, das weit unter der Erde liegt. Zumal Kit es besser wissen müsste. Als...
Finsternis, Enge, Staub, ab und zu ein Fledermausskelett: Es ist ein merkwürdiges Hobby, durch unerforschte Höhlen zu robben, mit einem Bein in einem Grab, das weit unter der Erde liegt. Zumal Kit es besser wissen müsste. Als Bergbauingenieurin hat sie täglich mit den Risiken unter Tage zu tun. Gerade hat sie einen großen Auftrag angenommen: Sie soll in Bath die unterirdischen Kalksteinbrüche und damit die halbe Stadt vorm Einsturz bewahren. Es geht nicht nur um technische Probleme, sondern auch um die höchst unterschiedlichen Interessen von Anwohnern, Lokalpolitikern, Tierschützern und Historikern. Und dann stößt Kit auf Hinweise, dass irgendwo in dem Labyrinth aus Minen und Kavernen ein antikes Mithras-Heiligtum verborgen sein könnte.
Gegen alle Vorschriften schleichen sie und ihr bester Freund, ein Archäologe, sich in die gesperrten, uralten Stollen und setzen ihrer beider Leben aufs Spiel. Aber Kit ahnt, dass es eine viel mächtigere Gefahr gibt. Seit Wochen bekommt sie beängstigende Drohbriefe. Der hässliche Versuch einer reinen Männerwelt, die unbequeme Kollegin loszuwerden? Oder weiß irgendwer, was niemand wissen darf: dass Kit hier, in Bath, vor Jahren einen verhängnisvollen Eid schwor.
Zumal Kit es besser wissen müsste. Als Bergbauingenieurin hat sie täglich mit den Risiken unter Tage zu tun. Gerade hat sie einen großen Auftrag angenommen: Sie soll in Bath die unterirdischen Kalksteinbrüche - und damit die halbe Stadt - vorm Einsturz bewahren. Es geht nicht nur um technische Probleme, sondern auch um die höchst unterschiedlichen Interessen von Anwohnern, Lokalpolitikern, Tierschützern und Historikern. Und dann stößt Kit auf Hinweise, dass irgendwo in dem Labyrinth aus Minen und Kavernen ein antikes Mithras-Heiligtum verborgen sein könnte. Gegen alle Vorschriften schleichen sie und ihr bester Freund, ein Archäologe, sich in die gesperrten, uralten Stollen - und setzen ihrer beider Leben aufs Spiel. Aber Kit ahnt, dass es eine viel mächtigere Gefahr gibt. Seit Wochen bekommt sie beängstigende Drohbriefe. Der hässliche Versuch einer reinen Männerwelt, die unbequeme Kollegin loszuwerden? Oder weiß irgendwer, was niemand wissen darf: dass Kit hier, in Bath, vor Jahren einen verhängnisvollen Eid schwor ... Ein sensationelles Debüt von Englands neuer Queen of Crime.Jenni Mills arbeitete dreißig Jahre lang für die BBC, bevor sie sich nach überstandener schwerer Krankheit ihren Lebenstraum verwirklichte - einen Roman zu schreiben. Gleich mit ihrem ersten Versuch gelang ihr der große Wurf - innerhalb von 14 Tagen war ihr Buch zuerst in Großbritannien, dann in 7 weitere Länder verkauft. Jenni Mills lebt und arbeitet in Bristol.
Grab aus Stein von Jenni Mills
LESEPROBE
ErsterWeihegrad - Corax
Corax,der Rabe - Bote der Götter. Gerade wenn man meint, alles läuft bestens, kommtso ein riesiger Unglücksvogel und krächzt was von einem neuen göttlichenAuftrag. Mein Rat lautet: Knall das Mistvieh ab.
(Martin Ekwall in einem Interview für Time Team,
Roman Temple Special, Channel Four)
1
Sieh eineran. Ein Seeigel, zum Greifen nahe. Ich schiele vor Aufregung - und natürlichwegen des geringen Abstandes. Am liebsten möchte ich Martin zurufen, er sollmachen, dass er hierher kommt, damit ich die Aufregung mit jemandem teilenkann. Aber Martin ist das schnurzegal, und demSeeigel sowieso.
Ichschätze, er ist seit rund hundert Millionen Jahren tot. Als der Seeigel in derwarmen, brackigen See sein Unwesen trieb, sind Dinosaurier am Strandherumgetrampelt. Er sieht aus wie ein Brötchen, teigigweiß, leicht herzförmig. Einst lebendige Materie, zu Stein erstarrt.
Ich liegeauf dem Rücken. Steine bohren sich mir schmerzhaft in die Knochen;Kalksteinsplitter und Feuersteinknollen. Meine Nase befindet sich nur wenigeZentimeter unter der kreidigen weißen Decke mit dem Seeigel. Bis ich ihnentdeckte, hatte ich versucht, mich herumzuwälzen, um mich auf dem Weg zurückzuwinden, auf dem ich gekommen bin - mit den Füßenvoran, weil zum Umdrehen kein Platz ist.
Dies istein ziemlich heikler Moment. Ich glaube nicht, dass es passiert, aber die ganzeGeschichte kann jederzeit auf mich herunterkrachen.Der Stollen ist kaum mehr als körperbreit. Das ist selbst nach steinzeitlichenMaßstäben winzig.
»Alles okaybei dir?«
Martinwartet in seinem staubigen roten Schutzanzug dort, wo der Stollen in denHauptstollen mündet. Der ist üppige einszwanzig hoch, sodass Martin auf Händen und Knienkriechen und sich umdrehen kann; der hat s gut. Er ist zu groß, um noch weiterzu robben, weshalb ich als Frau wie immer die ganze Drecksarbeit machen muss.
»Mopsfidel«,zische ich. Wir schreien selten unter Tage, außer wenn es heißt: »Mach schnell,dass du rauskommst!« Ichhabe ein durchdringendes Flüstern vervollkommnet, das offenbar durch ganzeStollen trägt. Martin hat mich gehört; denn er grunzt. Schwer zu sagen, wer diecharmanteren Plaudertaschen sind, Archäologen oder Bergbauingenieure.
Was wirhier tun, dürfte nicht der Vorstellung der meisten Leute von einemSamstagnachmittagsvergnügen entsprechen, aber ich kann die Jahre nicht mehrzählen, die wir uns schon dabei sind. Wir haben es sogar während meinerEhejahre getan. Martins bevorzugte archäologische Forschungen spielen sich imUntergrund ab. Das ist schmutzig und gefährlich, und viel mehr Spaß kann maneinfach nicht haben. Wir werden vermutlich so lange weitermachen, wie unsereGelenke durchhalten oder das Glück uns hold ist.
Einbisschen mehr als Glück braucht man allerdings schon. Ich als die Ingenieurinbin die Hüterin des Glücks, diejenige, die sich mit Spannungen und Belastungenauskennt und mit der Frage, wie Wasser durch Stein sickert, und daher mehr alsbloße Vermutungen anstellen kann, ob wir heute sterben werden, verschüttet ineiner Feuersteinmine.
DieseStollen wurden vor fünf- bis sechstausend Jahren von Menschen angelegt, dieerst kurz zuvor den Ackerbau entdeckt hatten. Sie sind erstaunlich: Sie habenrichtige Luftschächte und Steinsäulen, die die Decke abstützen. Das Lichtmeiner Helmlampe erfasst fünftausend Jahre alte Karbonflecken an den Wänden -von den
Öllampen,mit denen die Bergleute gearbeitet haben. Der Stollen, den ich geradeuntersuche, ist eine Sackgasse, nicht ordentlich ausgeschachtet, einVersuchsstollen, der entweder keinen anständigen Feuerstein zutage förderteoder aber gerade angelegt werden sollte, als Steinwerkzeuge vonBronzewerkzeugen abgelöst wurden. Tut mir leid,Kumpel, kein Bedarf mehr für Feuersteinäxte. Mal daran gedacht, auf Schmiedumzusteigen? Die armen alten Feuersteinbergleute. Die beunruhigende Vorstellungvon einer neolithischen Bergarbeitergewerkschaft huscht mir durch den Kopf undruft die Erinnerung an die kleinen gelben Plaketten KOHLE STATT STÜTZE wach,die Martin und ich in unserer Studentenzeit trugen. FLINTSTEIN STATT ARM SEIN.
Von demSeeigel abgesehen fühle ich mich unwohl an diesem Ort. Er hat wasKlaustrophobisches, selbst für jemanden wie mich, die davon lebt, unter Tage zugehen. Die Seitenstollen zwicken und zwacken höhnisch, wenn man hindurchkriecht. Ich denke unaufhörlich, ich hätte einGarnknäuel mitnehmen sollen, um auch ganz sicher wieder nach draußen zu finden.
Finden wirden Ausgang nicht, sehen wir verdammt alt aus. Es weiß nämlich niemand, dasswir uns hier unten herumtreiben.
Aber wennMartin Recht hat und er das Geld für eine ordnungsgemäße, von der Universitätabgesegnete Ausgrabung auftreiben kann, werde ich möglicherweise für diesespontane nachmittägliche Expedition bezahlt. Das wäre hilfreich; denn wenn ichden Job in Bath ablehne, brechen magere Zeiten an, bis ich ein besseres Angebotbekomme.
Und ichwerde den Job in Bath ablehnen. Auf jeden Fall.
Ich sagedem Seeigel ade, und endlich gelingt es mir, mich auf den Bauch zu drehen,damit ich mich rückwärts durch den Stollen zwängen kann. Der Weg kommt einemviel weiter vor, wenn man nicht sieht, wohin man kriecht. Ich bin ungeheuererleichtert, als ich meine Fußgelenke von Martin gepackt fühle und weiß, dassich es bis zum Hauptstollen geschafft habe.
»Uff.Verlang das nicht noch mal von mir.« Ich wälze michherum und knalle mit dem Schutzhelm an die Stollendecke. »Das nächste Maldarfst du zu den hinteren Kriechgängen rutschen.«
Martinkichert und geht lässig in die Hocke. Er ist etwa einsneunziggroß und gebaut wie ein Bär, aber schwul wie ein PfadfinderFähnlein.Auf unseren Wegen durch die unterirdischen Stollen hat er meinen Hinternunzählige Male im Gesicht gehabt und nie das geringste Interesse an ihmgezeigt. Was mir nur recht ist.
»Und, wasmeinst du?«, fragt er und bietet mir einen SchluckWasser an. Er schmeckt nach Kreidestaub.
»DieGrabung wird teuer. Man müsste den Gang sichern.« Ichsehe mich um, meine Helmlampe wirft flackernde Schatten an die Wände. »Und dusolltest dir auf gar keinen Fall die Seitenstollen vornehmen.«
»Die ausder Sicht eines Archäologen natürlich die interessantesten sind. Die meistenHauptschächte wurden im neunzehnten Jahrhundert gründlich untersucht. Verdammt...« Martins kräftiger Kiefer mahlt, ein Zeichen, dass er grübelt. »... undMist. Und Scheiße. Hätte ich bloß das Geld, um Profis zum Graben einzustellen.Ich könnte es riskieren, aber ich nehme keine Studenten und Hilfsarbeiter. Oje,Dr. Ekwall, ich glaub, weil ich so doll mit meinerKelle zugehauen habe, ist die Decke runtergekracht.«
»Mach keineWitze. Genau das dürfte bei diesen bröckeligen Gängen hier nämlich passieren.«
Martinrunzelt die Stirn. »Die Versicherung wird also unerschwinglich sein.«
»Und esgibt ein kleines formales Problem«, erinnere ich ihn.
»Ach ja?«
Wir habennämlich keine Genehmigung. Martin hat das Vorhängeschloss am Schachtdeckelgeknackt, und wir sind unbefugt eingedrungen. Rechtmäßig haben wir an diesemOrt nichts zu suchen, auch wenn wir fündig werden. So eine inoffizielleErkundung erspart den Papierkram, aber der Nachteil ist die Tatsache, dass wirendlos lange auf den Bergungstrupp warten würden.
»Viertelvor vier«, sagt er. »Lass uns abhauen, sonst ist es dunkel, ehe wir wieder beimJeep sind.«
Auf allenvieren kehren wir zum Mittelschacht zurück, den wir zuvor heruntergestiegensind. Meine Knie tun trotz der geliehenen Knieschoner höllisch weh. Ich warnicht darauf vorbereitet, dieses Wochenende unter Tage zu gehen, und MartinsAusrüstung ist mir viel zu groß. Ich spüre ein Kribbeln zwischen denSchulterblättern und kämpfe gegen die Versuchung an, mich immerzu umzudrehenund zurückzublicken. Was erwarte ich eigentlich dort zu sehen? Ein flackerndesLicht hinten im Stollen?
Es ist einSegen, wieder stehen zu können. Das Licht oben verblasst rasch, und ich erkenneschwach einen frühen Stern am violett-blauen Himmel, während ich über dieEisenleiter an die Oberfläche steige.
Meine Armebrennen wie Feuer, als wir oben ankommen. Ich könnte schwören, dass auch meinBauch in Flammen steht. Ich ziehe den Reißverschluss meiner Fleecejackeauf, um nachzusehen. Ich hatte es so eilig, aus dem Stollen zu kommen, dassmein Pullover beim Robben über den Kalksteinboden hochgerutschtsein muss, und jetzt hab ich hässliche rote Schrammen am Bauch. Ich hätte einenSchutzanzug anziehen sollen. Ein eisiger Wind fährt über den Berghang, und ichziehe den Reißverschluss rasch wieder zu.
Martinlässt die Falltür über dem Schacht zufallen und hockt sich hin, um dasVorhängeschloss anzubringen. Die Sonne berührt beinahe den metallgrauen Rand derSee, und eine winzige Mondsichel, kaum größer als ein Fingernagelmond, steht amHimmel. Damals in der Steinzeit war der Berghang vermutlich bis zum Einstiegder Feuersteinmine gerodet. Die alten Minenarbeiter liebten eine spektakuläreAussicht, wenn sie von unten ins Freie kamen. Martin vertritt die Theorie, dasseine Feuersteinmine eine sowohl gewerbliche als auch heilige Stätte, dass dieUnterwelt auch das Reich der Ahnen war.
»Du hastdich da drinnen nicht besonders wohl gefühlt, was?«,fragt er. Er hat die beunruhigende Fähigkeit, meine Gedanken lesen zu können.
»Stimmt.«
»Komisch,ich mag diesen Gang auch nicht«, sagt er. »Manche der Seitenstollen haben was... Gespenstisches.«
»Ich hattebloß ein bisschen Klaustrophobie. Es war sehr eng dort.«
»Tut mirleid. Nimm doch zu. Dann schick ich dich nicht mehr rein.«
© DuMont Literatur und Kunst Verlag
Übersetzung:Cornelia Holfelder von der Tann, Margarete Längsfeld und Alice Jakubeit
- Autor: Jenni Mills
- 2007, 1, 511 Seiten, Maße: 14,5 x 21,5 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzung: Holfelder-von der Tann, Cornelia; Jakubeit, Alice; Längsfeld, Margarete
- Verlag: DUMONT BUCHVERLAG
- ISBN-10: 3832180087
- ISBN-13: 9783832180089
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