Gute Tage
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Pointierte, wundervolle Porträts!
In den literarischen Porträts, die nach diesen Begegnungen entstanden, ist die Sicht auf jene "überlebensgroßen" Menschen immer persönlich, zuweilen intim, manchmal sogar innig, und schließlich schält sich aus der Summe der Beobachtungen, Gespräche und Gedanken ein fast ganzheitliches Bild vom Menschen.
Die hier beschriebenen Persönlichkeiten - Popstars und Politiker, Wissenschaftler, Schauspieler und andere - vereint, dass sie sich an Außenpositionen des Lebens und Gestaltens bewegen, dass sie das Menschenmögliche neu gefasst und ihre Rolle in der Öffentlichkeit einzigartig interpretiert haben. Willemsens Porträts wiederum verbindet die Gabe ihres Autors, tiefer zu sehen, das Banale im Großen, das Große im Banalen zu finden und Erkenntnisse zu fördern, die noch über seine Gesprächspartner hinausweisen.
Gute Tage von Roger Willemsen
LESEPROBE
Express yourself!" - Madonna inParis
Stars und Sterne haben ihre eigene Atmosphäre. Je größer derStar, desto weiter strahlt er aus, desto früher spürt man seine Gravitation,desto eher gerät man in das Kraftfeld seines Hoheitsgebiets, wenn man sichnähert.
Als Madonna in Paris war, wusste schon der Taxifahrer am Flughafen,wo sie wohnte, warum sie in der Stadt war, wo man sie in der vergangenen Nachtgesehen hatte, wer an ihrer Seite ging, saß, trank, was die Zeitungengeschrieben und die Kollegen kolportiert hatten. Die Überlieferung arbeitetemit historischer Präzision, auch am Gerücht, und es war, als hätte Paris sein Klimagewechselt, nur weil sich Madonna irgendwo in diesen Mauern herumtrieb.
»Die Arme! Wie soll sie sich den Eiffelturm ansehen?«, fand derFahrer.
»Sind Siesicher, dass sie den Eiffelturm sehen möchte?«
ZweiFremde, die sich in Madonna einfühlten. Der Taxifahrer fand die Vorstellungeines Menschen, der nach Paris fährt, ohne den Eiffelturm sehen zu wollen,grotesk und ein Leben, das ohne diesen Anblick auskommen müsste, verschwendet.
Madonna istgrößer als der Eiffelturm, hätte ich fast gesagt.
Stattdessen reichte ich ihm das Demo-Band von Madonnas neuerPlatte. Er betätigte bereitwillig die »Eject«-Taste, nahm einen französischenRock 'n' Roller heraus und legte die kostbare Kassette ein - die Musik, die inden nächsten Monaten um die Welt gehen, gegen die sich niemand würde wehrenkönnen, die aus seinem kleinen Radio in den Wagen quellen und den Luftraumkontaminieren würde, in Paris, in Manila, in Adelaide, auf den Fidschis,nirgends nicht. Auf russischen Flohmärkten würde man sie als Raubkopievertreiben, über die grüne Grenze nach Burma würde man sie schmuggeln, manchewürden ihr letztes Hemd für sie veräußern, andere bereitwillig für sie insGefängnis gehen, und all das, ohne sie überhaupt gehört und der eigenenLebenserfahrung einverleibt zu haben. Mit dem Besitz dieser Musik brächte mansich in den Besitz eines kleinen Stückchens Welt-Kommunikation, und das istmehr als eine persönliche Begegnung mit dem Eiffelturm.
Zu diesemZeitpunkt war Madonnas Platte noch nicht veröffentlicht, wenige hatten siegehört. Denn weltweit war erst die Zeit der Urteilsbildung gekommen. Wirkonzentrierten uns also auf die Ohrwürmer der Zukunft, und Madonna sattelte diePR-Maschine.
»Justify mylove«, wiederholte die Stimme aus dem Autolautsprecher. Dem Fahrer hätte manBeethovens Neunte vorspielen können. Er hätte nichts daran gefunden. Nähme manihn als Gradmesser für den Erfolg der Scheibe, sie wäre schon durchgefallen.Denn solche Musik will geliebt, nicht toleriert werden.
In denRedaktionen der Rundfunkstationen und der Magazine war man zeitgleich dabei,die Notierung dieser jüngsten Veröffentlichung festzulegen. Keine Ahnung, obdie Musik dabei eine Rolle spielte. Vielleicht eher der momentane Kurswert des UnternehmensMadonna, der »In«- oder »Out«-Faktor, das Umfeld der viel versprechendenMitbewerber, der Gedanke der Generationenablösung, der Eröffnung neuer,rivalisierender Musikmärkte vielleicht um eine, die wie Madonna wäre, vor fünfzehnJahren etc.
Eigentlichwar es nämlich Zeit, Madonna zu den »Has Beens« zu sortieren. Sie war kürzlichin David Lettermans Show aufgetreten, hatte ihm einen Slip von sichmitgebracht und so oft »fuck« gesagt, dass das Gespräch von den Trillerketten der»beeps« skandiert wurde. Sie hatte dem großen Late Night-Talker anvertraut, erhabe wohl ungesunde Phantasien, sei offenbar besessen von ihrem Sexlife,allerdings nur, wenn sie nicht dabei sei. Also los, ermunterte sie ihn, jetztbin ich dabei! Und irgendwann hatte sie diesen vermeintlich gebrauchten Slipaus der Tasche gezogen, um ihn Letterman zu verehren. Das hieß, sich »im Stilder Show« zu revanchieren für alle erlittenen Demütigungen, und es war nichtso, als ob Letterman dabei die beste Figur abgegeben hätte.
Danach kames über die amerikanischen Journalisten wie eine Erleichterung. Natürlichmochten sie den Auftritt, natürlich mochten sie die Idee, dass es jemandLetterman »gezeigt« hatte. Aber im Sinne des gesunden Menschenverstands, des Geschmacksund des Volksempfindens der All American Public lautete die Zielvorgabe: VersenktMadonna! Nicht aus Prüderie und auch nicht aus Parteinahme für denLate-Nighter. Er war ja wirklich ein bisschen bemüht, ein bisschen verklemmtauch gewesen und bekam das von Norman Mailer in einem großen »VanityFair«-Artikel später noch schriftlich. Nein, auch ohne von der eigenen Empörungsonderlich überzeugt zu sein, freute sich die amerikanische Presse an dergroßen gemeinschaftlichen Aufgabe und schien endgültig geneigt, der Frau mitden sieben Leben den Garaus zu machen. (...)
© 2004 S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main
Interview mit Roger Willemsen
"Gute Tage" erzählt von"Begegnungen mit Menschen und Orten". Verraten Sie uns doch etwasdarüber, was beispielsweise Tina Turner oder Vivienne Westwood an guten Tagenso machen und wo man ihnen begegnen kann.
TinaTurners Großmutter hat noch auf der Plantage arbeiten müssen. Eines Tages, aufdem Gipfel ihres Ruhms, ist Tina in die Südstaatengefahren, um sich das Feld anzusehen. Es mag kein glücklicher Tag gewesen sein,"die Baumwolle hat nicht mal geblüht", aber ein guter Tag war es,weil sie bei sich war. Im Showgeschäft, glaube ich, ist sie nicht oft bei sich.Vivienne Westwood ist eine Nachtaktive, die gerne in Büchern des 18. und 19.Jahrhunderts verschwindet. Ihre guten Tage sind durchwachte Lese-Nächte.
Sie sind ein Mann mit vielenBegabungen: Autor, Moderator, Filmemacher. Sie schreiben über Musik unddeutsche Befindlichkeiten. Mal ehrlich: Gibt es etwas, was Sie nicht können?
Ich kann janicht mal diese Frage so beantworten, dass es nicht kokett klingt.
Sie schrieben einmal, Ihr Vater seider festen Überzeugung gewesen, alle seine Kinder würden "an derTankstelle" enden. In der Schule hatten Sie zunächst große Probleme. Sinddies die idealen Voraussetzungen, um Selbstbewusstsein und Ehrgeiz zu entwickeln?
Eigentlichnicht. Aber wenigstens hat man immer was zu kompensieren.
Für Ihre Arbeit haben Sie unteranderem den Grimme-Preis erhalten. Daneben hagelte esaber immer mal wieder auch Kritik. So hat Sie HenrykM. Broder als "haspelnde Plaudertasche" bezeichnet. Wie gehen Sie mitKritik um?
Ach,Broder. Der verkauft aller Welt, wie subversiv er sei, George W. Bush zuunterstützen. Der geht seinen Weg auch ohne Broder. Ich halte Bush für einenSchurken und Broder für gesinnungslos. Wäre ja furchtbar, wenn die Kritikausbliebe. Die Wahrheit ist aber, Broder hat mal ein polemisches Buch von miräußerst lobend rezensiert. Das änderte sich, als er im nächsten selbst drinwar. Und die andere Wahrheit ist: Ob Grimme-Preisoder Broder-Kritik, beides ist gleich folgenlos. Man war haltgerade mal "Flavour of the Month".
Nachdem Sie 2001 dem Fernsehen, dasnach Ihren Worten "blöd macht", den Rücken gekehrt hatten,präsentieren Sie nun den Literaturclub im Schweizer Fernsehen. Woher kommt derSinneswandel?
Ich habe,trotz anders lautender Gerüchte, nie dem Fernsehen den Rücken gekehrt, sonderndem Programm, das ich dort moderieren sollte. Und blöd mache das Fernsehenzunächst die Macher, habe ich gesagt, sage ich noch. Der "SchweizerLiteraturclub" ist eine seit 16 Jahren mit großer Zustimmung laufendeSendung, in der ich mit klugen Menschen fesselnde Bücher besprechen undanschließend Gelage abhalten darf. Was wäre schöner?
Was halten Sie von der großangelegten Kampagne um das "Lieblingsbuch" der Deutschen. Heiligthier der Zweck die Mittel, oder eher nicht?
Es gehthier ja nicht um den Kanon der Besten, es geht um das Buch, das den Deutschenlieb ist. Ich bin gespannt. Aber ich fürchte, es wird irgend eines dieserBücher herauskommen, das sie in der Schule gehasst haben, irgendwas zwischenHesse, Thomas Mann und Max Frisch.
Geben Sie uns zum Schluss doch nocheine Leseempfehlung mit auf den Weg.
Es istgerade der Jahresbericht von amnesty international im Fischer Taschenbucherschienen. Er sagt mehr über die Gegenwart als die meisten Gegenwartsromane.
Die Fragen stellte Babett Haugk, literaturtest.de.
- Autor: Roger Willemsen
- 2004, 3. Aufl., 416 Seiten, mit Abbildungen, Maße: 13,4 x 20,9 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: S. Fischer Verlag GmbH
- ISBN-10: 3100921003
- ISBN-13: 9783100921000
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