Gut geht anders
Ein einfaches Lebenskonzept zum Erfolg
Mit Lederhose und roter Brille zog er in die Welt hinaus, um doch zu Hause im Waldviertel zu bleiben. In seinem neuen Buch zieht Johannes Gutmann (geb. 1965) Bilanz auch über den Erfolg seines Bio-Unternehmens "Sonnentor".
Das neue Buch vom...
Jetzt vorbestellen
versandkostenfrei
Buch (Gebunden)
21.90 €
- Lastschrift, Kreditkarte, Paypal, Rechnung
- Kostenlose Rücksendung
Produktdetails
Produktinformationen zu „Gut geht anders “
Mit Lederhose und roter Brille zog er in die Welt hinaus, um doch zu Hause im Waldviertel zu bleiben. In seinem neuen Buch zieht Johannes Gutmann (geb. 1965) Bilanz auch über den Erfolg seines Bio-Unternehmens "Sonnentor".
Das neue Buch vom erfolgreichen Bio-Unternehmer aus dem Waldviertel. Darin liefert Johannes Gutmann viele alternative Ideen, wie jeder von uns bewusster und nachhaltiger leben kann basierend auf seinen 25 Jahren Erfahrung. Dazu gewährt er einen Blick hinter die Kulissen seines Bio-Unternehmens "Sonnentor", das er 1988 gründete ein österreichisches Unternehmen, das auf regionales, nachhaltiges, ökologisches und auf das Gemeinwohl bedachtes Wirtschaften setzt.
Klappentext zu „Gut geht anders “
Sprögnitz bei Zwettl. Ein Dorf auf grüner Wiese. 150 Einwohner. Eine Kirche. Und eine erfolgreiche Waldviertler Bio-Firma, deren Gründer mit Lederhose und roter Brille in die Welt hinausging, um zu Hause zu bleiben. Ich bat Gutmann noch mal um einen Termin. Ich wollte mit ihm über seine Firma sprechen. Vor allem wollte ich ihm auf den Zahn fühlen. Wie viel ist bei ihm nur Marketing? Wie viele Skandale könnten hinter der Fassade seiner Firma verborgen sein? Bio - das kennt man eh. Irgendetwas ist immer faul. Und überhaupt: Behandelt der seine Mitarbeiter wirklich so menschlich, wie man sich das so erzählt? Und die Bauern, die all diese Gewürze, Kräuter und Tees anpflanzen: Gibt es die wirklich? In echt? Ich dachte mir: Ich krieg' den Burschen schon noch in meine Gasse. Weil ich mir von einem Waldviertler Burschen mit roter Brille und Lederhose ganz, ganz sicher nicht meinen Glauben an mein System vermiesen lassen werde.
Lese-Probe zu „Gut geht anders “
Gut geht anders von Johannes Gutmann, Peter GnaigerRuine mit Aussicht
Es war vor ein paar Wochen. Ich bat Gutmann noch mal um einen Termin. Ich wollte mit ihm über seine Firma sprechen. Vor allem wollte ich ihm auf den Zahn fühlen. Wie viel ist bei ihm nur Marketing? Wie viele Skandale könnten hinter der Fassade seiner Firma verborgen sein? Bio – das kennt man eh. Irgendetwas ist immer faul. Und überhaupt: Behandelt der seine Mitarbeiter wirklich so menschlich, wie man sich das so erzählt? Sogar mein Verleger wurde ein bisschen seltsam, nachdem er Gutmanns Firma erstmals besucht hatte. Seitdem macht auch er so eine Art Mittagstisch für seine Mitarbeiter – so wie das Gutmann immer schon tat. Weil er meint, das gehöre sich so – wenn man seine Mitarbeiter mag. Seltsam das alles. Sehr seltsam. Im Abenteuer unseres Alltags.
Und die Bauern, die all diese Gewürze, Kräuter und Tees anpflanzen: Gibt es die wirklich? In echt? Ich dachte mir: Ich krieg’ den Burschen schon noch in meine Gasse. Weil ich mir von einem Waldviertler Burschen mit roten Brillen und Lederhosen ganz, ganz sicher nicht meinen Glauben an mein System vermiesen lassen werde. Ein System, das mir in den letzten Jahren immerhin ein Einfamilienhaus, einen Renault Grand Scénic sowie einen Renault Mégane Cabrio auf Wechselkennzeichen, ein iPhone, ein iPad, ein iPad mini, eine Eigentumswohnung in Salzburg, eine Designer-Kaffeemaschine und zahllose Abendessen in ganz, ganz piekfeinen Restaurants beschert hat. So etwas soll ich aufs Spiel setzen? Pah, ganz sicher nicht.
Gutmann stand pünktlich zur vereinbarten Zeit am vereinbarten Treffpunkt auf dem Zwettler Stadtplatz. Er wollte mir bei der Gelegenheit gleich etwas zeigen, was er bis jetzt noch niemandem gezeigt hatte. Darüber wüssten noch nicht einmal seine engsten Mitarbeiter Bescheid. „Mann, ist der naiv“,
... mehr
dachte ich mir. Vorab hat er mir auch schon verraten, dass er etwas Wertvolles gekauft hat. Ein Haus am Zwettler Stadtplatz. Da haben wir’s schon, habe ich mir gedacht. Ein Immobilienspekulant, wie er im Buch steht. In der Werbung macht er auf Wurzelanbeter und im richtigen Leben kauft er zusammen, was nicht niet- und nagelfest ist, um weiter brav heiße Luft in die Immobilienblase zu blasen. So sind sie eben: die Neureichen.
Ich erkannte Gutmann schon von Weitem. So sind wir eben: wenn wir im System aufgewachsen sind. Wir wissen auf den ersten Blick, wen wir vor uns haben. Und Gutmann hatte wie immer eine Lederhose an, die auf den ersten Blick viel zu weit wirkt, häferlartige rote Waldviertler Schuhe aus der Werkstatt seines Freundes Heini Staudinger und eine rote Mütze auf dem Kopf. Gutmann ist nicht besonders groß. Ich wollte ihn fast schon auf sein Outfit ansprechen. Ob er etwa zum Casting für eine Rolle des „siebten Zwergs“ in Schneewittchen antreten muss. Oder ob König Laurin im Waldviertel gedreht wird. Aber man ist ja höflich.
„Zwerge?“, denke ich kurz. „Alles Märchenfiguren.“ Auch Gutmann ist eine Märchenfigur in Zeiten wie diesen – werden wir noch erfahren. Und das Beste ist: Sein Märchen spielt im richtigen Leben. Sein Märchen geht auch anders. „Wir sind Zwerge auf den Schultern von Riesen“, zitierte er mal Bernhard von Chartres. Damit hat er gemeint: Wir sehen deshalb so weit, weil sich irgendwann einmal großartige Denker für uns den Kopf zerbrochen haben. Und diese großartigen Denker würden ein bisschen mehr Respekt verdienen. Diese Weisheit ist nicht neu: Sie stammt aus dem 13. Jahrhundert. Vor dem Haus angekommen, stockt mir der Atem. Bis vor Kurzem soll hier noch eine 88-jährige Frau gelebt haben. Eine so betagte Frau als Besitzerin eines Stadthauses, das musste eine sehr vermögende Dame gewesen sein, die jetzt – nach einem Unfall – ihren Lebensabend in einem kuscheligen Altersheim verbringt. Das dachte ich zumindest. Bis jetzt. Denn nun stehe ich davor: Dieses Haus ist – wie soll ich sagen? Dieses Haus ist eigentlich kein Haus mehr. Es ist eine Ruine. Mit dem Haus ist nichts mehr anzufangen. Man kann es wegreißen – und neu aufbauen.
Gutmann nickt. Als ob er meine Gedanken erraten hätte: „Wird man abreißen müssen und neu aufbauen. Aber anders“, sagt er. Und dass ich Augen machen würde, wenn ich es erst innen gesehen hätte. „Das wird fantastisch. Wirst sehen“, meint er, während er einen riesigen Schlüssel in das Türschloss steckt, mit einer kräftigen Drehung das Schloss entriegelt, um sich dann mit seinem schmächtigen Körper gegen das Tor zu lehnen, um es aufzudrücken. „Willkommen im Wunderland“, sagt er jetzt freudestrahlend. Ich werfe zuvor noch einen Blick in die iPhone-Ausgabe meiner Zeitung. Die aktuellste Meldung lautet: „Metallsplitter in Pizza entdeckt. Wagner startet Rückrufaktion.“ An solche Meldungen ist man gewohnt. Sie jucken mich schon lange nicht mehr. Es hätte auch eine Maus im Fast Food entdeckt werden können, eine Glasscherbe im Milchpackerl, ein Zehennagel in der Meeresfrüchtepfanne. Alles ist möglich. Und fix ist heute nur noch, dass diese Möglichkeiten ständig wiederkehrend in der realen Welt auftauchen. Das ist nur einer jener bedenklichen Kreisläufe, die unsere westliche Welt hervorgebracht hat. Andere wären etwa Lebensmittelskandale, Medikamentenskandale, Finanzskandale, Datenschutzskandale, Umweltskandale – suchen Sie sich ein Hauptwort aus und hängen Sie „-skandale“ dran. Meinetwegen „Möbelskandal“. Bitte nicht lachen. Auch das ist möglich. Morgen schon. Oder zweifeln Sie ernsthaft daran? Die Steigerung von Skandalen sind Katastrophen. Aber auch an die sind wir schon gewöhnt. Unser Hirn schützt sich da selbst. Sonst würde es heiß laufen, würden wir uns das alles noch zu Herzen gehen lassen. Und zwar so, wie es der Information entsprechend angebracht wäre. So als Mensch. Mit Einfühlungsvermögen.
Die Welt ist aus den Fugen geraten – denke ich noch ganz geschwind, bevor wir reingehen, in die jüngste Ruine von Johannes Gutmann. Man kann sie auch windschiefe Bude nennen. Hier und jetzt – in dieser Ruine – fühle ich mich plötzlich aber ganz erstaunlich zufrieden und sogar ein bisschen wohl. Warum eigentlich? Ausgerechnet in einer Ruine? Ganz einfach: Hier besteht keine Gefahr. Hier kann man nur etwas finden. Ohne nach etwas gesucht zu haben. Merkt euch diesen Satz gut – ihr da draußen – in den unendlichen Weiten des Internets. Gutmann bringt noch allerhand in Sicherheit, was er als begehrenswert empfindet. Und das ist erstaunlich viel. Ein alter Regenschirm, Werkzeuge, ein altes Telefon, ein Gumpferl – wie er es nennt. Das ist ein echtes Stierhorn, das er auf dem Boden liegend gefunden hat. „Vor Kurzem hätte ich bald eines aus Plastik gekauft. Ehrlich. Man kann alles erwarten“, erklärt er. Bilder, Plakate, uralte Schlitten. Er scannt alles mit seinen Augen, ordnet alles zu. Alles, was er sieht, hat einen Wert für ihn, all das wird eingebaut in seinen Plan – und in seine Überzeugung, dass jede Ruine ein Grundstein sein kann. Für etwas völlig Neues. Ein Fundament für die Lebensfreude. Aber wer richtet das endlich mal all diesen Nachrichten-Papageien aus, die uns täglich mit ihren Nachrichten füttern? Ein kurzer Blick auf die aktuellste Nachricht des Newstickers meiner Zeitung: „In Newtown (USA) tötet ein Amokläufer 20 Kinder und 6 Erwachsene.“
Was ist bloß los da draußen? Ich muss noch einmal an Pozzo di Borgo denken. An das Interview, das er der „Zeit“ gegeben hat. Regungslos in seinem Rollstuhl sitzend. Da sagte er: „Unser gegenwärtiges Gesellschaftssystem beruht auf der Befriedigung aller individueller Bedürfnisse. Das ist ein System ohne Sinn und Verstand. Das kapitalistische Wirtschaftssystem will egoistische Befriedigung optimieren und behauptet, erst dann sei man glücklich. Was für ein Unfug! Dieser Polysensualismus, der jeden Wunsch befriedigen will, ist schlicht verrückt. Mit Glück hat das nichts zu tun. Das System ist völlig überhitzt und überdreht. Als ich vor zwanzig Jahren lernen musste, mit der Schwerstbehinderung zu leben, merkte ich irgendwann, dass es nichts Elementareres gibt, als ein menschliches Gegenüber zu haben. Die Einsamkeit in unseren individualistischen Gesellschaften ist das Schlimmste.“
Ist das so? Kann man nicht mal mehr glücklich sein in dieser Welt, wenn man alles Geld dieser Welt hat – auch wenn man behindert – pardon: körperlich beeinträchtigt ist? Da wird einem immer gepredigt: Mach dein Geld. Und den Rest bezahlst du. Dann so etwas: Geld ist nicht alles? Hä? Unser System hat uns doch nie eine andere Botschaft mitgeteilt, seit wir Kinder waren. Und jetzt so etwas. Merci, Monsieur Pozzo di Borgo. Sie können Ihre Arme nicht bewegen und erst recht nicht laufen. Aber Sie haben mir die Augen geöffnet.
Es fügt sich alles zusammen. In diesem Augenblick. Jene, die „gefällt mir“ klicken und „shitstorms“ im Internet inszenieren, jene, die glauben, alles und überall immer sofort abrufbar haben zu müssen und nichts von dem kapieren, was Menschlichkeit ausmacht. Jene, die aus dem Raster gefallen sind und hoffen, dass ihnen ein Mensch fernab der virtuellen Welt begegnet. Jene, die Menschen töten. Aus Angst? Aus einem „nicht mehr weiter wissen“? Das System geht unter. Das spüren wir alle. Und was wird dagegen getan? Auf diesem für jedermann offensichtlich sinkenden Schiff werden noch frisch und munter die Kapitäne ausgetauscht. Antreten, abtreten, antreten, abtreten … Die Hoffnung, dass dies die Lösung ist, ähnelt jener Hoffnung, die Phileas Fogg hatte, in dem Roman „In 80 Tagen um die Welt“. Da beschrieb Jules Verne, wie Fogg das Inventar seines Dampfers verheizte, um noch rechtzeitig in London anzukommen und so seine Wette zu gewinnen. Er hat die Wette dann auch gewonnen – aber das Schiff verloren. So betrachtet, hat Jules Verne bereits vor mehr als hundert Jahren die Derivate erfunden, mit denen sich heute Wirtschaft und Politik an den Rand des Abgrunds spekuliert haben. Wir alle verbrennen tagtäglich Ressourcen, soziale Werte und Existenzen. Burn-out. Was für ein treffendes Wort. Auf das sind Betroffene oft sogar noch stolz: „Depressionen – das ist was für Weicheier. Ich habe ein Burnout.“ Das kommt davon, weil ihnen das System den Wert der Leistungsstärke eingeimpft hat. Es gibt Leute, die empfinden ein Burn-out wie ein Zeugnis dafür, dass sie in der Lage sind, verdammt viel zu leisten.
Gutmann begleitet mich zum Auto. Er wirft noch mal einen Blick zurück zu seiner jüngsten Ruine. „Das wird was“, sagt er zuversichtlich. Noch ein kurzer Blick auf den Newsticker meiner Zeitung: „EU will Schockbilder auf Zigarettenverpackungen.“ Eine neue wichtige Nachricht im großen Abenteuer unseres Alltags.
© by Ecowin Verlag
Ich erkannte Gutmann schon von Weitem. So sind wir eben: wenn wir im System aufgewachsen sind. Wir wissen auf den ersten Blick, wen wir vor uns haben. Und Gutmann hatte wie immer eine Lederhose an, die auf den ersten Blick viel zu weit wirkt, häferlartige rote Waldviertler Schuhe aus der Werkstatt seines Freundes Heini Staudinger und eine rote Mütze auf dem Kopf. Gutmann ist nicht besonders groß. Ich wollte ihn fast schon auf sein Outfit ansprechen. Ob er etwa zum Casting für eine Rolle des „siebten Zwergs“ in Schneewittchen antreten muss. Oder ob König Laurin im Waldviertel gedreht wird. Aber man ist ja höflich.
„Zwerge?“, denke ich kurz. „Alles Märchenfiguren.“ Auch Gutmann ist eine Märchenfigur in Zeiten wie diesen – werden wir noch erfahren. Und das Beste ist: Sein Märchen spielt im richtigen Leben. Sein Märchen geht auch anders. „Wir sind Zwerge auf den Schultern von Riesen“, zitierte er mal Bernhard von Chartres. Damit hat er gemeint: Wir sehen deshalb so weit, weil sich irgendwann einmal großartige Denker für uns den Kopf zerbrochen haben. Und diese großartigen Denker würden ein bisschen mehr Respekt verdienen. Diese Weisheit ist nicht neu: Sie stammt aus dem 13. Jahrhundert. Vor dem Haus angekommen, stockt mir der Atem. Bis vor Kurzem soll hier noch eine 88-jährige Frau gelebt haben. Eine so betagte Frau als Besitzerin eines Stadthauses, das musste eine sehr vermögende Dame gewesen sein, die jetzt – nach einem Unfall – ihren Lebensabend in einem kuscheligen Altersheim verbringt. Das dachte ich zumindest. Bis jetzt. Denn nun stehe ich davor: Dieses Haus ist – wie soll ich sagen? Dieses Haus ist eigentlich kein Haus mehr. Es ist eine Ruine. Mit dem Haus ist nichts mehr anzufangen. Man kann es wegreißen – und neu aufbauen.
Gutmann nickt. Als ob er meine Gedanken erraten hätte: „Wird man abreißen müssen und neu aufbauen. Aber anders“, sagt er. Und dass ich Augen machen würde, wenn ich es erst innen gesehen hätte. „Das wird fantastisch. Wirst sehen“, meint er, während er einen riesigen Schlüssel in das Türschloss steckt, mit einer kräftigen Drehung das Schloss entriegelt, um sich dann mit seinem schmächtigen Körper gegen das Tor zu lehnen, um es aufzudrücken. „Willkommen im Wunderland“, sagt er jetzt freudestrahlend. Ich werfe zuvor noch einen Blick in die iPhone-Ausgabe meiner Zeitung. Die aktuellste Meldung lautet: „Metallsplitter in Pizza entdeckt. Wagner startet Rückrufaktion.“ An solche Meldungen ist man gewohnt. Sie jucken mich schon lange nicht mehr. Es hätte auch eine Maus im Fast Food entdeckt werden können, eine Glasscherbe im Milchpackerl, ein Zehennagel in der Meeresfrüchtepfanne. Alles ist möglich. Und fix ist heute nur noch, dass diese Möglichkeiten ständig wiederkehrend in der realen Welt auftauchen. Das ist nur einer jener bedenklichen Kreisläufe, die unsere westliche Welt hervorgebracht hat. Andere wären etwa Lebensmittelskandale, Medikamentenskandale, Finanzskandale, Datenschutzskandale, Umweltskandale – suchen Sie sich ein Hauptwort aus und hängen Sie „-skandale“ dran. Meinetwegen „Möbelskandal“. Bitte nicht lachen. Auch das ist möglich. Morgen schon. Oder zweifeln Sie ernsthaft daran? Die Steigerung von Skandalen sind Katastrophen. Aber auch an die sind wir schon gewöhnt. Unser Hirn schützt sich da selbst. Sonst würde es heiß laufen, würden wir uns das alles noch zu Herzen gehen lassen. Und zwar so, wie es der Information entsprechend angebracht wäre. So als Mensch. Mit Einfühlungsvermögen.
Die Welt ist aus den Fugen geraten – denke ich noch ganz geschwind, bevor wir reingehen, in die jüngste Ruine von Johannes Gutmann. Man kann sie auch windschiefe Bude nennen. Hier und jetzt – in dieser Ruine – fühle ich mich plötzlich aber ganz erstaunlich zufrieden und sogar ein bisschen wohl. Warum eigentlich? Ausgerechnet in einer Ruine? Ganz einfach: Hier besteht keine Gefahr. Hier kann man nur etwas finden. Ohne nach etwas gesucht zu haben. Merkt euch diesen Satz gut – ihr da draußen – in den unendlichen Weiten des Internets. Gutmann bringt noch allerhand in Sicherheit, was er als begehrenswert empfindet. Und das ist erstaunlich viel. Ein alter Regenschirm, Werkzeuge, ein altes Telefon, ein Gumpferl – wie er es nennt. Das ist ein echtes Stierhorn, das er auf dem Boden liegend gefunden hat. „Vor Kurzem hätte ich bald eines aus Plastik gekauft. Ehrlich. Man kann alles erwarten“, erklärt er. Bilder, Plakate, uralte Schlitten. Er scannt alles mit seinen Augen, ordnet alles zu. Alles, was er sieht, hat einen Wert für ihn, all das wird eingebaut in seinen Plan – und in seine Überzeugung, dass jede Ruine ein Grundstein sein kann. Für etwas völlig Neues. Ein Fundament für die Lebensfreude. Aber wer richtet das endlich mal all diesen Nachrichten-Papageien aus, die uns täglich mit ihren Nachrichten füttern? Ein kurzer Blick auf die aktuellste Nachricht des Newstickers meiner Zeitung: „In Newtown (USA) tötet ein Amokläufer 20 Kinder und 6 Erwachsene.“
Was ist bloß los da draußen? Ich muss noch einmal an Pozzo di Borgo denken. An das Interview, das er der „Zeit“ gegeben hat. Regungslos in seinem Rollstuhl sitzend. Da sagte er: „Unser gegenwärtiges Gesellschaftssystem beruht auf der Befriedigung aller individueller Bedürfnisse. Das ist ein System ohne Sinn und Verstand. Das kapitalistische Wirtschaftssystem will egoistische Befriedigung optimieren und behauptet, erst dann sei man glücklich. Was für ein Unfug! Dieser Polysensualismus, der jeden Wunsch befriedigen will, ist schlicht verrückt. Mit Glück hat das nichts zu tun. Das System ist völlig überhitzt und überdreht. Als ich vor zwanzig Jahren lernen musste, mit der Schwerstbehinderung zu leben, merkte ich irgendwann, dass es nichts Elementareres gibt, als ein menschliches Gegenüber zu haben. Die Einsamkeit in unseren individualistischen Gesellschaften ist das Schlimmste.“
Ist das so? Kann man nicht mal mehr glücklich sein in dieser Welt, wenn man alles Geld dieser Welt hat – auch wenn man behindert – pardon: körperlich beeinträchtigt ist? Da wird einem immer gepredigt: Mach dein Geld. Und den Rest bezahlst du. Dann so etwas: Geld ist nicht alles? Hä? Unser System hat uns doch nie eine andere Botschaft mitgeteilt, seit wir Kinder waren. Und jetzt so etwas. Merci, Monsieur Pozzo di Borgo. Sie können Ihre Arme nicht bewegen und erst recht nicht laufen. Aber Sie haben mir die Augen geöffnet.
Es fügt sich alles zusammen. In diesem Augenblick. Jene, die „gefällt mir“ klicken und „shitstorms“ im Internet inszenieren, jene, die glauben, alles und überall immer sofort abrufbar haben zu müssen und nichts von dem kapieren, was Menschlichkeit ausmacht. Jene, die aus dem Raster gefallen sind und hoffen, dass ihnen ein Mensch fernab der virtuellen Welt begegnet. Jene, die Menschen töten. Aus Angst? Aus einem „nicht mehr weiter wissen“? Das System geht unter. Das spüren wir alle. Und was wird dagegen getan? Auf diesem für jedermann offensichtlich sinkenden Schiff werden noch frisch und munter die Kapitäne ausgetauscht. Antreten, abtreten, antreten, abtreten … Die Hoffnung, dass dies die Lösung ist, ähnelt jener Hoffnung, die Phileas Fogg hatte, in dem Roman „In 80 Tagen um die Welt“. Da beschrieb Jules Verne, wie Fogg das Inventar seines Dampfers verheizte, um noch rechtzeitig in London anzukommen und so seine Wette zu gewinnen. Er hat die Wette dann auch gewonnen – aber das Schiff verloren. So betrachtet, hat Jules Verne bereits vor mehr als hundert Jahren die Derivate erfunden, mit denen sich heute Wirtschaft und Politik an den Rand des Abgrunds spekuliert haben. Wir alle verbrennen tagtäglich Ressourcen, soziale Werte und Existenzen. Burn-out. Was für ein treffendes Wort. Auf das sind Betroffene oft sogar noch stolz: „Depressionen – das ist was für Weicheier. Ich habe ein Burnout.“ Das kommt davon, weil ihnen das System den Wert der Leistungsstärke eingeimpft hat. Es gibt Leute, die empfinden ein Burn-out wie ein Zeugnis dafür, dass sie in der Lage sind, verdammt viel zu leisten.
Gutmann begleitet mich zum Auto. Er wirft noch mal einen Blick zurück zu seiner jüngsten Ruine. „Das wird was“, sagt er zuversichtlich. Noch ein kurzer Blick auf den Newsticker meiner Zeitung: „EU will Schockbilder auf Zigarettenverpackungen.“ Eine neue wichtige Nachricht im großen Abenteuer unseres Alltags.
© by Ecowin Verlag
... weniger
Autoren-Porträt von Johannes Gutmann, Peter Gnaiger
Johannes Gutmann wurde 1965 im Waldviertel (Niederösterreich) als Sohn eines Bauern geboren. Nach der Matura ging er nach Wien, um dort Handelswissenschaften zu studieren. Zwei Wochen später wurde ihm jedoch klar, dass sein Platz im Waldviertel war. 1988 gründete er die Firma Sonnentor, um Kräuterspezialitäten der Waldviertler Bio-Bauern unter dem Logo der lachenden Sonne regional und international zu vermarkten. Sonnentor beschäftigt mittlerweile insgesamt 245 Mitarbeiter in Sprögnitz bei Zwettl und Tschechien. Peter Gnaiger, Jahrgang 1969, ist Redakteur bei den Salzburger Nachrichten mit den Schwerpunkten Gastronomie und Nahrungsmittelindustrie. Er ist (Mit-)Autor mehrerer Sachbücher, darunter In die Suppe gespuckt und Männlich, mächtig, mysteriös.
Autoren-Interview mit Johannes Gutmann
In „Gut geht anders“ ziehen Sie Bilanz in Hinblick auf unsere heutige Wirtschaft und die Lebensmittelindustrie. Was wäre Ihrer Meinung nach der erste Schritt, um auf einen nachhaltigeren Weg zu gelangen? Johannes Gutmann: Betriebe die sich der transparenten GEMEINWOHLÖKONOMIE verschreiben, sollten einen Anreiz, einen Steuer-Anreiz erhalten. Dieser wirklich messbare, nachhaltige Weg hat den größten gesellschaftlichen Nutzen und verschleiert nichts. Unsere Lebensmittelskandale resultieren zumeist aus der Lebensmittelindustrie, auch aus der BIO-Lebensmittelindustrie aber alle aus der Gewinngier heraus.
Sie wurden mit Bio-Kräutern bekannt. Was sind eigentlich Ihre persönlichen Lieblingskräuter und warum?
Johannes Gutmann: Mein Lieblingskraut ist das Johanniskraut, es trägt meinen Namen, blüht zu meinem Namenstag und war meine erste Erfahrung, wo ich gesehen habe, dass die Kräuter auch wirken. Das erste Johanniskrautöl (ein Olivenölauszug aus dem blühenden Kraut) hilft mir bei Sonnenbrand und Verbrennungen.
Sie exportieren die Sonnentor-Produkte bis nach Russland oder Japan. Was ist Ihrer Meinung nach der Hauptgrund, warum die Menschen überall auf der Welt zu Sonnentor-Produkten greifen?
Johannes Gutmann: Zuerst kommen immer die Geschichten unserer einzigartigen Bio-Kräuter- und Gewürzbauern und dann kommt meine Geschichte aus der Arbeitslosigkeit und die daraus entstandene Vision, ARBEITSPLAETZE auf den Bauernhöfen und im Waldviertel zu schaffen. Diese Geschichten und die Geschichte der lachenden SONNE werden auf der ganzen Welt verstanden, es geht uns überall gleich und die Menschen haben überall auf der ganzen Welt die gleichen Sehnsüchte.
Wenn Sie einen Tag die Welt regieren dürften: Was würden Sie verändern?
Johannes Gutmann: Ich würde an diesem
... mehr
Tag alle Kriege beenden, alle Börsen schließen, alle Atomkraftwerke still legen, alle weggeworfenen Lebensmittel sammeln, um den Menschen zu zeigen, was wirklich los ist und einen Apfelbaum pflanzen für meine Familie.
... weniger
Bibliographische Angaben
- Autoren: Johannes Gutmann , Peter Gnaiger
- 2013, 176 Seiten, Maße: 15 x 21,5 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: ecoWing
- ISBN-10: 371100038X
- ISBN-13: 9783711000385
- Erscheinungsdatum: 22.02.2013
Kommentar zu "Gut geht anders"
0 Gebrauchte Artikel zu „Gut geht anders“
Zustand | Preis | Porto | Zahlung | Verkäufer | Rating |
---|
Schreiben Sie einen Kommentar zu "Gut geht anders".
Kommentar verfassen